[415] Deutsche Kunst, die vom deutschen Volke seit seiner staatlichen Einigung unter den sächs. Kaisern im 10. Jahrh. hervorgebrachte Kunst; die Kunstleistungen vom 10. Jahrh. bis etwa zum Ausgang des 15. Jahrh. bezeichnet man als altdeutsche Kunst.
1) Baukunst. Bei den anfänglich im byzant. Zentralbau ausgeführten christl. Kirchen (Aachener Münster) fand im 10. Jahrh. ein Übergang zum roman. (flachgedeckten) Basiliken- und später Gewölbebau statt, der im 11. und 12. Jahrh. seine höchste Blüte erreichte, so bes. bei den rheinländ. Domen zu Mainz, Speyer, Trier, Worms [Tafel: Romanischer Stil I, 5], zu Limburg a.d. Lahn [Taf. I, 7 u. 8], den sächs. Domen zu Goslar, Hildesheim, den weniger stattlichen westfäl. Domen zu Münster, Osnabrück, Paderborn, Soest, zu Bamberg [Taf. I, 6], bei den Backsteinbauten zu Dobrilugk, Lübeck, Ratzeburg, bei einer Reihe von Klosteranlagen (Limburg a.d. Hardt, Paulinzelle, Bebenhausen, Maulbronn) und Burgen (Wartburg, Burg Dankwarderode [Taf. I, 3]). Gegen Ende des 12. Jahrh. geschah die Aufnahme des got. Stils (s. Gotik) aus Frankreich, der bis ins 15. Jahrh. blühte; Hauptbauten dieser Zeit sind: die Dome zu Freiburg i. Br. [Tafel: Gotik I, 10], Halberstadt [Taf. I, 9], Köln [Taf: I, 12], Magdeburg, Meißen, Prag, Regensburg, Straßburg [Taf. I, 11], Ulm, Wien, Barbarakirche zu Kuttenberg [Taf. I, 5], Marienkirche zu Lübeck [Taf. I, 7], Elisabethkirche zu Marburg [Taf. I, 8], Lambertskirche zu Münster, Lorenz- und Sebalduskirche zu Nürnberg, ferner die Marienburg [Taf. II, 8], Albrechtsburg bei Meißen [Taf. II, 10], Rathäuser zu Münster [Taf. II, 7], Tangermünde [Taf. II, 9], Breslau etc. Seit Anfang des 16. Jahrh. drang der in Italien entstandene Renaissancestil auch in die D. K. ein, und bes. eine Fülle von Profanbauten (Schlösser, Rathäuser, Wohnhäuser) wurden in diesem Stil errichtet; zu nennen sind: Heidelberger Schloß [Tafel: Renaissance I, 7], Piastenschloß zu Brieg [Taf. I, 8], Rathäuser zu Görlitz [Taf. I, 9], zu Köln [Taf. I, 11], Bremen [Taf. I, 10], Gewandhaus zu Braunschweig [Taf. II, 1]. Schon gegen Ende des 16. Jahrh. neigte die deutsche Baukunst dem Barockstil zu, der im Norden und Nordosten unter dem Einflusse der Niederländer und Franzosen, im Süden und Südosten unter dem der nordital. Bauleute stehend, sich im 17. und 18. Jahrh. zu immer größern Schnörkeleien (Rokoko) erkühnte. Hauptmeister dieser Epoche: Bibiena, Carlone, Chiaveri, G. Bähr, Decker, B. Neumann, Pöppelmann, Schlüter; Bauten: Hofkirche, Frauenkirche und Zwinger zu Dresden [Tafel: Barock und Rokoko I, 7 u. 9], Karlskirche zu Wien [Taf. I, 6], Schlösser zu Berlin, Pommersfelden, Potsdam, Würzburg, Wien [Taf. I, 10]. Rückkehrend zur Bauweise der Antike wandten sich im Anfang des 19. Jahrh. Leo von Klenze, Langhans, Schinkel, Stüler, Thouret u.a. dem Stil des Klassizismus zu. Während des 19. Jahrh. Nachahmung aller Hauptstile, des roman. und got. Stils bes. für Kirchen [Tafel: Romanischer Stil I, 9-11; Tafel: Gotik II, 11], der Renaissance für Rathäuser, Abgeordnetenhäuser, Bank-, Börsengebäude, Museen, Bibliotheken etc. [Tafel: Renaissance II, 3-5], seltener des Barockstils [Tafel: Barock und Rokoko I, 11], oder klassizistischen Stils (Theater). Im 20 Jahrh. findet neben den frühern Stilarten der Stil der Frührenaissance und ein gemäßigter, dem freiern Kunstgeist entsprechender Barockstil (Geschäftshäuser) Anwendung. Bekannte Namen von Architekten des 19. und 20. Jahrh. sind: Ferstel, Gärtner, Hauberrisser, Heideloff, L. Hoffmann, Ihne, Leins, Lipsius, Neureuther, Raschdorff, Fr. von Schmidt, Schwechten, Seidl, Thiersch, Wallot, Zwirner und die Architektenfirmen: Ende und Böckmann, Fellner und Helmer, Heilmann und Littmann, von der Hude und Hennicke, Kayser und von Großheim, Kyllmann und Heyden.
2) Bildhauerkunst. Die ersten bedeutenden Skulpturwerke Deutschlands stammen aus dem 12. Jahrh. (Extersteine, Grabmäler); im 13. Jahrh. wird schon eine bedeutende Höhe im Schaffen erreicht (Skulpturen an den Domen zu Freiberg, Naumburg, Bamberg), auch in der Erzplastik (Türen, Taufbecken). Die Epoche der Gotik schuf im 13. bis 15. Jahrh. ihrerseits nach Auffassung (süßlich-übertriebener Ausdruck) und Ausführung (aus Stein, Holz, Bronze) eigenartige Bildwerke zum Schmuck der Kirchen (Nürnberg), für Grabplatten, Brunnen etc.; es bildeten sich Bildhauerschulen und Steinmetzhütten. Bildhauer: Brüggemann (Holz), Kraft (Stein), Riemenschneider (Stein und Holz), Syrlin (Holz), Familie Vischer (Bronze). Die Renaissance stellte auch der Bildhauerkunst herrliche Aufgaben (Grabmäler), bis der Dreißigjähr. Krieg jede Kunstregung brach legte. Erst gegen Ende des 17. Jahrh. erlangte sie durch die die Schloß- und Kirchenbauten schmückenden Barockmeister einen Aufschwung, 1703 schuf [415] Schlüter das grandiose Reiterstandbild des Großen Kurfürsten in Berlin. Mitte des 18. Jahrh. lenkten Winkelmann und Lessing die Bildnerei durch das Studium der Antike in die Bahnen des klassischen Altertums; Werke in diesem Geist schufen: Dannecker, Drake, Hähnel, Hildebrand, Kiß, Rauch, Rietschel, Schievelbein, Schilling, Schwanthaler, Wolff u.a. Realistischer bis zum Barock sind die Werke von Begas, Breuer, Brütt, Cauer, Eberlein, Herter, Klinger, Maison, Stuck, Tuaillon [Tafel: Genrekunst II, 9-11, 13]. Neuzeitliche Schöpfer von Porträtstatuen und größern, bes. dem Kaiser Wilhelm I. errichteten Denkmalsanlagen sind: R. Begas, Böse, Buscher, Calandrelli, Donndorf, Eberlein, Hundrieser, Lessing, Magnussen, Ferd. von Miller, Reusch, Rümann, Schaper, Siemering u.a. [Tafel: Statue I u.II.]
3) Die Malerei betätigte sich seit dem 11. Jahrh. in Miniaturen und Wandgemälden; mit der got. Baukunst trat die Glasmalerei auf; im 14. Jahrh. blühten schon die Malerschulen zu Prag und Nürnberg, im 15. die zu Köln. Unter dem Einfluß der flandr. Schule (van Eyck) bildete sich eine freiere, Realismus mit innigem Gemütsausdruck verbindende Richtung aus, deren Hauptvertreter Cranach, Dürer und Holbein d. J. sind. Seit Mitte des 16. Jahrh. langer Verfall, von Bedeutung höchstens die Freskomalerei im Barockstil; ein Wiederaufleben gegen Ende des 18. Jahrh. durch Carstens, der die Antike mit deutschem Geist zu durchdringen strebte, nach ihm im 19. Jahrh. fortgeführt von Cornelius, Overbeck, Schnorr, Veit, die nebst Führich und Steinle einer religiös-romantischen Richtung (Nazarener) huldigten. Die Freskomalerei lebte durch die Münchener Heß, Rottmann, Schraudolph, Schwind und die Glasmalerei durch Ainmiller ebenda wieder auf. Den Kolorismus förderten Achenbach, Bendemann, Feuerbach, Makart, Piloty und die lange Reihe von Malern des histor. Genres, Kostümgenres und Schlachtenbildes. In der Landschaftsmalerei trat eine schärfere Naturbeobachtung hervor; außer Italien wurde auch der Orient, die Alpen und Skandinavien in den Bereich der Darstellung gezogen; auch die Porträtkunst [Tafel: Porträtmalerei II, 7-9] gelangte durch F. A. von Kaulbach, Keller, Koner, Lenbach u.a. auf eine bedeutende Höhe, während die kirchliche Malerei, außer bei Uhde, in den gewöhnlichen Pfaden sich fortentwickelte. Die Genremalerei [Tafel: Genrekunst I, 3-4], liefert nach dem Vorgang von Amberg, Bokelmann, Defregger, Erdmann, Grützner, Knaus, Meyer von Bremen, Vautier u.a. noch immer mehr nach dem Inhalt als nach dem künstlerischen Vermögen zu beurteilende Werke. Als Tiermaler kommen Braith, Friese, Gebler, Kröner, Meyerheim, Voltz, Zügel in Betracht. Als Koryphäen der deutschen Malerei sind zu betrachten: W. von Kaulbach [Tafel: Historienmalerei II, 1], Menzel und Böcklin. Vertreter der Hellmalerei sind Dettmann, Firle, Kühl, Liebermann u.a.; von den Vereinigungen gleichstrebender Künstler haben sich die Worpsweder und die Elbier einen Namen gemacht. – Vgl. die »Geschichte« von Dohme, Bode u.a. (5 Bde., 1885-88) und Lübke (1890); ferner Bezold, »Baukunst der Renaissance in Deutschland« (1899); Dehio und Bezold, »Denkmäler der deutschen Bildhauer« (1905 fg.).
Adelung-1793: Deutsche, der · Radier-Kunst, die · Probier-Kunst, die · Kunst, die
Brockhaus-1809: Die deutsche Union · Der Deutsche Fürstenbund · Die schwarze Kunst
Brockhaus-1837: Deutsche Kunst, Literatur und Wissenschaft · Deutsche Kaiser · Schwarze Kunst · Schwedische Literatur, Wissenschaft und Kunst · Spanische Sprache, Literatur und Kunst · Niederländische Kunst, Literatur, Sprache und Wissenschaft · Französische Kunst, Literatur und Wissenschaft · Italienische Kunst, Literatur und Wissenschaft · Kunst
Brockhaus-1911: Deutsche Rechtspartei · Deutsche Philosophie · Deutsche Reformpartei · Deutsche Reichsfechtschule · Deutsche Reichsbank · Deutsche Mundarten · Deutsche Literatur · Deutsche Mythologie · Deutsche Philologie · Deutsche Partei · Deutsche Reichspartei · Preußisch-Deutsche Befestigungsmanier · Ludwig der Deutsche · Russisch-Deutsche Legion · Warenhaus für deutsche Beamte · Union Deutsche Verlagsgesellschaft · Deutsche Schutzgebiete · Deutsche Ritter · Deutsche Sprache · Englisch-Deutsche Legion · Deutsche Volkspartei · Deutsche Befreiungskriege · Deutsche Farben · Deutsche Befestigungsmanier · Deutsche Adelsgenossenschaft · Deutsche Bank · Deutsche freisinnige Partei · Deutsche Kolonien · Deutsche Legion · Deutsche Kolonialgesellschaft · Deutsche Gesellschaft für ethische Kultur · Deutsche Herren · Altchristliche Kunst · Römische Kunst · Alexandrinische Kunst · Persische Kunst · Kunst [2] · Amerikanische Kunst · Niederländische Kunst · Russische Kunst · Ägyptische Kunst · Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft · Äginetische Kunst · Spanische Kunst · Schwarze Kunst · Schwedische Kunst · Skandinavische Kunst · Arabische Kunst · Englische Kunst
DamenConvLex-1834: Frankreich (Kunst) · Griechenland (Kunst) · Italien Kunst) · Abbilden (Kunst) · Bildende Kunst · England (Kunst)
Goetzinger-1885: Deutsche Reiter · Deutsche Gesellschaften
Herder-1854: Deutsche Kunst · Deutsche Mundarten · Deutsche Musik · Deutsche Philosophie · Deutsche Mythologie · Deutsche Concordate · Deutsche Alterthümer · Deutsche Literatur und Wissenschaft · Deutsche Geschichtsquellen
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