Buchbinden

[525] Buchbinden (hierzu Tafel »Buchbinderei I u. II«), das Verfahren, lose Blätter oder Bogen zu einem Buche zusammenzuheften und mit einem aus Rücken und Deckeln bestehenden Umschlag zu versehen. Im handwerksmäßigen Kleinbetriebe werden die Druckbogen je nach dem Formate des Buches in zwei (Folio), vier (Quart), acht (Oktav) oder zwölf (Duodez) Blätter mittels eines Falzbeines gefaltet (gefalzt) und der Reihenfolge nach zusammengetragen und kollationiert (auf ihre richtige Reihenfolge geprüft). Nach dem Falzen wird die zwischen den einzelnen Blättern befindliche Luft durch Einpressen oder durch Schlagen mit einem 5–6 kg schweren Hammer (je nach der Beschaffenheit des Papiers) entfernt und dem Bogen dadurch die erforderliche Festigkeit gegeben. Hierauf folgt das Heften. Broschierte Bücher werden ohne Bünde geheftet (geholländert), gebundene heftet man je nach Größe und Dicke auf 2 bis 6 Bünde oder Bänder auf der Heftlade (s. Abbildung). Die Bünde ermöglichen durch Umschlingung des durch jeden einzelnen Bogen gehenden Fadens die Verbindung der einzelnen Bogen untereinander, als auch des Buches mit dem Deckel; den gleichen Zweck erfüllt das Vorsatzpapier, das vor dem Heften an dem ersten und letzten Bogen anzubringen ist und in der Regel aus zwei Blättern und einem dritten schmälern Blatt oder Leinwandstreifen, dem zum Ansetzen des Deckels dienenden Falze, besteht.

Heftlade.
Heftlade.

Solange man die Bücher nur mit festem Rücken arbeitete, heftete man sie auf Bindfaden, ohne die Bogen mit Einschnitten zu versehen. Dadurch erhielten sie erhabene (hohe) Bünde; seitdem man aber des bessern Aufschlagens wegen den Rücken hohl arbeitet, versieht man die Bogen am Rücken vermittelst einer Fuchsschwanzsäge mit hinreichend tiefen Einschnitten, um die Bindfäden hineinlegen zu können. Bücher, die sich beim Gebrauch besonders gut aufschlagen sollen, z. B. Kontobücher, heftet man, ohne sie einzusägen, auf entsprechend starke Bänder. Tafeln oder gebrochene Doppelkarten werden durch Papier- oder Leinensalze am Rücken zusammengehangen und zu Heftlagen gebildet. Einzelne Blätter verbindet man, ohne sie zu heften, indem man den Rücken glatt schneidet, die glatte Schnittfläche dann mit der Raspel gut auffasert, wiederholt mit einer Kautschuk-, bez. einer Gummilösung überstreicht und dann mit Nesselleinen, oder auch, indem man sie mit zu diesem Zweck präpariertem Leim bestreicht und hierauf mit Barchent überzieht. – Ist das Buch geheftet, so werden die überstehenden Bänder-der Bindfaden (Bünde) auf 4–5 cm abgeschnitten und letztere aufgedreht und aufgefasert, dann wird der erste und letzte Vorsatzbogen an den zweiten und vorletzten Bogen am Rücken 5 mm breit angeklebt (Kleister gegeben) und der Rücken mit heißem Leim destrichen (geleimt). Ist der Leim eingetrocknet, daß er bindet, so wird die Vorderseite des Buches mittels Beschneidehobel und Beschneidepresse oder der Beschneidemaschine beschnitten. Der Rücken wird mit einem Hammer gerundet (Runden) und dann mit einem Falz versehen, dessen Stärke sich nach den Deckeln richtet, die das Buch erhalten soll (Abpressen). Zu diesem Zweck setzt man das Buch zwischen zwei Bretter, die vom Rücken so weit abstehen müssen, als der Falz stark werden soll, in eine Presse, klopft die überstehenden Kanten mit einem Hammer nach rechts und links auf die Brettkanten herüber und bearbeitet dann den mit Kleister aufgeweichten Rücken mit dem Kaschiereisen, bis eine beiderseitige, scharfe, überstehende Kante (der Falz) entsteht. Das Runden gibt dem Buch eine handliche, angenehme Form, und das Abpressen verhindert, daß es diese beim Gebrauch verliert. Nachdem der Rücken genügend abgetrocknet, wird das Buch oben und unten beschnitten. Die Schnittfläche des Buches wird in der Regel mit Farbe verziert und zwar je nach der Qualität des Einbandes gesprenkelt, marmoriert, gefärbt oder auch vergoldet, einesteils weil weiße (rohe) Schnitte beim Gebrauch unansehnlich werden, andernteils zur Zierde. Der einfachste gesprenkelte Schnitt wird hergestellt, indem man die Farbe durch ein Drahtgitter mit einer mittelharten Bürste auf die Schnittfläche aufträgt; der einfarbige Schnitt durch Bestreichen der fest eingepreßten Schnittfläche mit einer besonders zubereiteten Farbe aus Karmin, Zinnober etc. Zur Herstellung des Marmorschnittes dient eine aus Carrageenmoos mit Wasser ausgekochte dünnschleimige Flüssigkeit (Marmoriergrund), auf die man die mit etwas Ochsengalle und Spiritus abgeriebenen Farben spritzt. Die Galle bewirkt, daß die Farbentropfen (Augen) auf der Oberfläche schwimmen und sich mäßig ausbreiten; durch weiteres Aufspritzen von verdünnter Ochsengalle oder Seifenwasser teilen sich die Farben, und es bilden sich marmorähnliche Adern. Letztere hebt man durch vorsichtiges Eintauchen des Buchschnittes ab. Zur Herstellung von Phantasie- oder Federschnitt durchzieht man mit einem Stäbchen die auf das Grundwasser ausgespritzten Farben von der einen Seite des Kastens nach der andern kurvenartig, setzt dann, je nach dem gewünschten Muster, einen engern oder weitern Kamm auf und durchzieht mit den Spitzen desselben die Farben, wodurch die federartige, farbenreiche Zeichnung entsteht. Ist der Schnitt genügend abgetrocknet, so werden die Bücher fest eingepreßt und die Schnittfläche mit dem Glättzahn (Achatstein) geglättet, bis ein gleichmäßiger Glanz entsteht.

Zur Herstellung von Goldschnitt wird das Buch fest eingepreßt, der Schnitt sein geschabt, mit dünnem Kleister abgerieben und mit Bolus grundiert. Auf diese mit verdünntem Eiweiß gefeuchtete Fläche wird das Blattgold aufgelegt und nach dem Trocknen mit dem Glättzahn geglättet. Bisweilen ziseliert man den Goldschnitt durch Ausdrucken kleiner Stempel oder durch Einschlagen kleiner Punzen, auch wird der ziselierte Schnitt durch Ausschaben und Bemalen weiter verziert. Nach Vollendung des Schnittes wird an beiden Endseiten des Rückens das Kapitalband an geklebt und der Rücken mit zähem Papier überklebt. Je nach dem für die Decke verwendeten Material bezeichnet man den Einband als Pappband, Halbleinen, Ganzleinen, Halbfranz- (Halbleder-) und Ganzfranz- (Leder-) band. Die Bezeichnung der beiden letztern Einbandarten bezieht sich darauf, daß französische Buchkünstler für die Halb- oder Ganzlederbände eine von der herkömmlichen Bindeweise abweichende Technik zuerst angewendet haben. Der Pappband, Halb- oder Ganzleinenband erfordert einen Rücken aus dünner[525] Schrenzpappe, die etwa 3 cm auf beiden Seiten des Buches herübergreifen muß und genau in der Rückenbreite scharf gebogen (gebrochen) wird. Die überstehenden Ränder werden mit den vorher ausgefaserten Bünden auf die beiden Vorsatzblätter fest aufgeklebt, dann werden die mit dem Messer, meist aber mit der Pappenschere (Tafel II, Fig. 1) geschnittenen Deckel zu beiden Seiten auf das Vorsatzblatt aufgelegt (angesetzt) und das Buch eingepreßt. Alsdann wird das Buch überzogen, die beiden Vorsatzblätter ebenfalls angeklebt (angepappt) und zum Austrocknen nochmals eingepreßt. Besteht der Überzug aus Papier, so bezeichnet man den Band als Pappband; Rücken und Ecken aus Leinwand (Kaliko) als Halbleinen-, ganz aus Leinen als Ganzleinenband. Der Halblederband wird beim Ansetzen, Überziehen und Anpappen gleich dem Halbleinenband behandelt, nur daß der Schrenzrücken nicht auf die Seite herübergreift und das zum Beziehen des Rückens und der Ecken dienende Leder geschärft werden muß. Für den Halb- und Ganzlederband werden die Deckel scharf an den Falz des Rückens angelegt und die ausgefaserten Bünde auf die Außenseite des Deckels angeklebt, oder vorher noch durch die zu diesem Zweck durchlochten Deckel von der Außen-nach der Innenseite und umgekehrt durchgezogen. Ist das Buch genügend gepreßt, so wird der dünne Schrenzrücken, der genau so breit wie der Buchrücken sein muß, gerundet, an den beiden Langseiten ganz schmal befestigt, etwas gefeuchtet und mit dünnem Papier mittels Kleister wiederholt kaschiert. Alsdann werden schmale Lederstreifen aufgeklebt, welche die erhabenen Bünde darstellen und zur Erhaltung der Buchform und zum bessern Aufschlagen des Buches beim Gebrauch beitragen. Das Leder wird mit dem Schärfmesser an den Rändern verdünnt, damit es wenig aufträgt, mit Kleister beschmiert, in feuchtem Zustand über den Rücken gezogen und an den Rändern der Decke und des Rückens eingeschlagen, worauf man das Buch zum Austrocknen beschwert oder ganz leicht einpreßt. Ist das Leder genügend trocken, so werden beim Halblederband erst noch die Seiten überzogen und dann die beiden Innenseiten der Decke mit dem Vorsatz beklebt (angepappt). Zum Vergolden wird der Einbandstoff mit einem Bindemittel, bestehend aus Eiweiß oder Gelatine, das sich bei mäßiger Hitze auflöst, grundiert, das Blattgold aufgelegt und mit erhitzten gravierten Fileten, Rollen oder Stempeln das Gold durch sichern, kräftigen Druck zum Halten gebracht. Zur Rückenvergoldung benutzt man Fileten, die mit einer Linien- oder Dessingravur versehen sind, oder Handstempel. Zum Titelaufdruck benutzt man den Schriftkasten, in dem man die zusammengesetzten Buchstaben leicht zusammenpreßt.

In dem seit Mitte des 19. Jahrh. mit Maschinen arbeitenden Großbetriebe wird neben dem Handsalzen die Falzmaschine (Tafel I, Fig. 5) benutzt. Der zu falzende Bogen wird auf einen Tisch unter eine sich auf und nieder bewegende Klinge gelegt. Beim Niedergang der letztern wird der Bogen in der Mitte zusammengebrochen, dann zwischen endlosen Bändern einer zweiten und dritten Klinge zum Falzen des zweiten und dritten Bruches und hierauf zwischen zwei hintereinander gelagerten Walzenpaaren dem Ausleger oder, falls die Bücher broschiert werden, einem Heftapparate, der die Bogen mit einer einfachen Hestung versieht, zugeführt. Die Maschine salzt stündlich 1000–1200 Bogen. Hierauf werden die Bogen, je nach dem verwendeten Papier, auf dem Walzwerk (Tafet), Fig. 4) gewalzt oder in einer Stockpresse fest eingepreßt. Dieser Arbeit folgt das Zusammentragen (in neuerer Zeit mittels Maschine), das Kollationieren und Heften. Für die Maschinenheftung gibt es zwei Systeme: die Draht- und die Fadenheftung. Die Buchdrahtheftmaschine (Tafel I, Fig. 3) befestigt die einzelnen Bogen durch Drahtklammern, die sie selbst erzeugt, auf einen gespannten Leinwandstreifen (Gaze) oder Bänder. Die Maschine heftet stündlich ca. 1200 Bogen. Die Buchfadenheftmaschine befestigt die Bogen ebenfalls auf einen Leinwandstreifen oder Bänder, aber mit Zwirnfaden. Bücher, die besonderer Umstände halber Handheftung erfordern, werden vor dem Heften mittels der Einsägemaschine mit den nötigen Einschnitten zur Aufnahme der Bünde versehen. Nach der Leimung des Rückens werden die Bücher auf der Beschneidemaschine (Tafel II, Fig. 5) an der Vorderseite beschnitten, dann mittels der Buchrückenrundemaschine (Tafel II, Fig. 6) gerundet und schließlich oben und unten beschnitten, oder sie werden auf der vierseitigen oder dreiseitigen Beschneidemaschine (Tafel II, Fig. 3) auf allen vier, resp. drei Seiten ohne Umspannen beschnitten und dann gerundet. Durch die Abpreßmaschine (Tafel I, Fig. 1) wird die Falzbildung bewirkt. Dies geschieht, indem man das Buch zwischen zwei Preßbacken einsetzt, die sich durch einen Hebeldruck schließen, und dann über den festgepressten Buchrücken eine sich im Halbkreis bewegende Walie führt. Es lassen sich in einer Stunde ca. 150 Buchrücken abpressen. Hierauf wird am Rücken das Kapitalband angesetzt und dieser mit einer Hülfe, einem Streifen doppelt übereinandergebrochenen Papiers, das zum Bekleben des Rückens und zur Befestigung der Decke dient, beklebt. Beim Kleinbetrieb entsteht die Decke mit dem Buche, beim Großbetrieb wird sie der maschinellen Ausschmückung wegen für sich angefertigt und zwar neben einigen Imitationen hauptsächlich aus Kaliko. Die Deckel und Rückeneinlage werden mittels der Pappenschere oder der Pappenkreisschere (Tafel II, Fig. 1, und Tafel I, Fig. 2) geschnitten, der Einbandstoff wird aufs Format zugeschnitten und auf der Anschmiermaschine mit heißem Leim überzogen, dann werden die Deckel und Rücken aufgelegt und an den Rändern eingeschlagen und schließlich durch die Anreibemaschine zwischen einer Metall- und Gummiwalze durchgepreßt. Seit kurzem hat eine sehr sinnreiche Maschine Einführung gefunden, welche die Decken selbsttätig fertigt, täglich bis 3500 Stück. Zum Schärfen des Leders dient eine Schärfmaschine (Tafel II, Fig. 2), zum Abschrägen der Deckel an den Kanten und zum Abrunden an den Ecken die Kantenschrägmaschine und die Eckenrundstoßmaschine (Tafel I, Fig. 6). Zur Ausschmückung der Buchdecken in Gold-, Blind- oder Farbendruck dient die Vergolde-, Blinddruck- und Prägepresse (Tafel II, Fig. 4), oder die für Dampfbetrieb eingerichtete und mit selbsttätigem Farbwerk versehene Farbdruckpresse. die beide wegen ihrer hohen Leistungsfähigkeit für Massenherstellung reich ausgestatteter Bucheinbände unentbehrlich sind. Ist die Decke fertig, so wird das Buch zunächst am Rücken auf die Rückenhülse befestigt (eingehangen) und die Bünde, Gazestreifen und Vorsatzblätter an die Decke befestigt (angepappt).

Geschichtliches.

(Hierzu Tafel »Bucheinbändë I u. II«.)

Der Gebrauch, Bücher mit festen Deckeln zu versehen und die Außenseite der letztern künstlerisch zu schmücken, läßt sich auf die römischen Diptychen (s.d.) zurückführen. Als an die Stelle der mit Wachs überzogenen Tafeln aus Holz, Silber, Gold, Elfenbein[526] Pergamentblätter getreten waren, ahmte man Deckel mit Elfenbeinschnitzereien nach, benutzte auch vorhandene und verwandelte nicht selten die darauf dargestellten heidnischen in kirchliche Personen. Die erste Periode der eigentlichen Buchbindung kann als die byzantinische bezeichnet werden. Der Kostbarkeit der mit Miniaturen geschmückten Handschriften entsprachen der materielle und der künstlerische Wert der Decken, die mit Elfenbeinschnitzwerk, getriebener oder gravierter Goldarbeit, Filigran, Schmelz und Edelsteinen geschmückt wurden (Tafel I, Fig. 1 u. 2). Im Abendlande folgte man dieser Sitte, überzog jedoch auch die Holzplatten des Einbandes mit Leder, und mit ausdrücklichem Hinweis auf diesen Zweck verlieh Karl d. Gr. Klöstern die Jagdgerechtigkeit. Wie Handschriften und Buchmalereien wurden auch Bucheinbände anfangs in Klöstern gefertigt (daher Mönchsbände). Erst im 15. Jahrh. treten Buchbinder auf, die nicht klösterlichen Verbänden angehören. In der Bücherornamentation bildete sich seit dem Ausgang des Mittelalters ein eigner Stil, die Verzierungen wurden eingeschnitten, getrieben, gepunzt oder mit Stempeln eingepreßt (blindgepreßt); von dem einstigen Metallüberzug blieben nur die Beschläge zum Schutz der Ecken, die Knöpfe, um den Deckel beim Aufschlagen zu schützen, und die Schließen. Den blindgepreßten Decken trat seit dem 16. Jahrh. die vom Orient überkommene vergoldete Lederdecke gegenüber, die zu Ende des 18. Jahrh. die Oberhand gewann. In der äußern Buchornamentation gingen zwei Haupttypen nebeneinander her: bei der architektonischen Anordnung wurden Deckel wie Titelblätter mit Frontispizen geschmückt, in deren mehr oder weniger phantastische Architektur man Figuren oder Medaillonköpfe mit Namen aus der römischen Mythologie und Geschichte einordnete; bei der Flächendekoration, die besonders im Orient kultiviert wurde (Tafel II, Fig. 2), breiteten sich Arabesken über die ganze Fläche aus, durch eine Bordüre begrenzt und vielleicht in der Mitte einen Raum für Schrift, Wappen oder Embleme des Eigentümers freilassend, oder die Arabesken sammelten sich zu Mittel- und Eckstücken. Variationen wurden durch die Erfindung der Filets, eiserner Stempel von sichelförmiger Gestalt, in die ornamentale Details geschnitten sind, im 16. Jahrh. sehr erleichtert. Größern Reichtum erzielte man durch die Ledermosaik, das Einlegen grüner, weißer, roter etc. Lederstreifen in den gewöhnlich braunen Ledergrund (Tafel I, Fig. 3). Besonders in Schwang gebracht wurde eine aus bemalten und vergoldeten Bandstreifen, Rollwerk und Linienarabesken zusammengesetzte Ornamentation, die nach den Namen der Büchersammler Thomas Majoli und Jean Grolier (s.d.) benannt wird (Tafel II, Fig. 1 u. 4; I, 5). Auch der Buchdrucker Geoffroy Tory nahm tätiges Interesse an der künstlerischen Vervollkommnung der Buchbindung (Tafel II, Fig. 3). Unter Heinrich III., dessen Bücher an den Totenköpfen und ähnlichen Symbolen kenntlich sind, wurden die Arabesken weniger schwungvoll, mehr geometrisch, und in den spätern Zeiten machte die Ornamentation alle Wandlungen des Geschmacks im kleinen mit. Gegen die Mitte des 17. Jahrh. blühte als Buchbinder Le Gascon, unter Ludwig XIV. der Abbé du Seuil, der diese Kunst nur als Liebhaber betrieb; um 1740 war Philippe Padeloup relieur du Roi, nach ihm Jacques Dérome, und später zeichneten sich noch Dubuisson und Thouvenin besonders aus, in neuerer Zeit Lortic und Marius Michelin Paris, Mamein Tours u. a.

In Deutschland begünstigten die bayrischen Herzöge, die Kurfürsten von der Pfalz und Sachsen sowie die Patrizier in den reichen Handelsstädten die Buchbinderei; Holbein der jüngere, Virgil Solis, Peter Flötner, Hans Mielich, Lukas Cranach lieferten Entwürfe. In Deutschland und den Niederlanden führte man Malereien mit Lackfarben auf Lederbänden aus, Bildnisse, Arabesken etc., die vorgeprägt sind (Tafel I, Fig. 4). Im 17. Jahrh. erneuerte sich die Vorliebe für Metallbeschläge, die, durchbrochen, die kostbare Unterlage, z. B. roten Samt, durchblicken lassen. Im 18. Jahrh. wurden in der Buchornamentation Rokoko- und klassische Motive ohne Wahl angewendet. In der ersten Hälfte des 19. Jahrh. trat die Kunst im B. mehr und mehr zurück, und auch die Technik geriet in Verfall. Deutsche Buchbinder, die etwas Besseres leisten wollten, wanderten nach Frankreich oder England aus und hielten dort wenigstens die Tradition solider Arbeit aufrecht, besonders Zähnsdorf in London (gest. 1886) und Purgold (jetzt Trautz-Bauzonnet) in Paris. Die moderne Buchbindung datiert von dem Umschwung, der durch die erste Londoner Ausstellung in den industriellen Künsten eintrat. Während die Ausstattung von Prachtwerken, Albums, Adressen u. dgl. wieder an die Weise der byzantinischmittelalterlichen Bucheinbände anknüpfte, wurden durch die fabrikmäßige Herstellung eleganter Buchdecken fortwährend neue Moden in Umlauf gebracht. Die Benutzung des gerippten Kalikos, der haltbarer als der Papierüberzug und weniger kostspielig als Leder ist, hat wesentlich dazu beigetragen, die Buchverzierung stilistisch vom Buche selbst loszulösen, und zu allerlei Geschmacklosigkeiten geführt. In Hinsicht auf Solidität stehen die deutschen Einbände im allgemeinen noch gegen die englischen und französischen zurück; doch hat sich in neuester Zeit auch hierin ein Umschwung zum Bessern geltend gemacht, und in Bezug auf geschmackvolle Dekoration, im Anschluß an klassische Muster, sind die deutschen Einbände den besten Mustern der englischen und französischen gleich. In neuester Zeit hat sich der allgemeine Aufschwung der deutschen Kunstindustrie, insbes. das Streben nach der Erfindung neuer Schmuckformen, auch auf das B. erstreckt, ohne daß jedoch ein allgemein befriedigendes Ergebnis erzielt worden ist.

Literatur. Vgl. Brade, Illustriertes Buchbinderbuch (4. Aufl. von Bauer, Halle 1902); Adam: Systematisches Lehr- und Handbuch der Buchbinderei (Dresd. 1886), Der Bucheinband (Leipz. 1890), Die praktischen Arbeiten des Buchbinders (Wien 1897); Bauer, Handbuch der Buchbinderei (8. Aufl., hrsg. von Franke, Leipz. 1903); Schaupp, Der Halbfranzband (Bayreuth 1903); Fritzsche, Moderne Bucheinbände (Leipz. 1878–79); »Abbildungen zu Mustereinbänden aus der Blütezeit der Buchbinderkunst« (40 Tafeln mit Text von Stockbauer, das. 1881); Maul u. Friedel, Bucheinbände der Neuzeit (das. 1888); Zähnsdorf, The art of bookbinding (neue Ausg., Lond. 1890); Cundall, On bookbinding ancient and modern (das. 1881); Michel, La reliure française (das. 1880); Dérome, La reliure de luxe (Par. 1888); Gruel, Manuel de l'amateur de reliures (das. 1887); Uzanne, La reliure moderne (das. 1886); Bouchot, De la reliure (das. 1891); Cockerell, Der Bucheinband und die Pflege des Buches. Ein Handbuch für Buchbinder und Bibliothekare (a. d. Engl., von Hübel, Leipz. 1903); Tonndorf, Die Arbeiten an der Vergoldepresse (2. Aufl., Stuttg. 1891); Thoinan, Les relieurs français[527] 1500–1800 (Par. 1893); Grosse, Der Gold- und Farbendruck auf Kaliko, Leder etc. (Wien 1889); Halser, Die Fortschritte der Marmorierkunst (2. Aufl., Stuttg. 1891); Brassington, History of the art of bookbinding (Lond. 1893); Eschner, Der Buchbinder (Stuttg. 1898); Uzanne, L'art dans la décoration extérieur des livresen France et à l'étranger (Par. 1898); Harms, Zur Entwickelungsgeschichte der deutschen Buchbinderei (Tübing. 1902); »Berliner Buchbinderzeitung« (Berl., seit 1882); »Illustrierte Zeitung für Buchbinderei etc.« (Dresd. u. Berl., seit 1882).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 525-528.
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