Kreis

[787] Kreis, 1) (Circulus, Math.), eine ebene geschlossene Linie, deren Punkte alle von einem gewissen Punkte gleiche Entfernung haben. Dieser Punkt heißt Mittelpunkt (Centrum); die vom Kreise begrenzte Fläche heißt Kreisfläche u. der K. selbst zum Unterschied davon Kreislinie od. Kreisumfang (Peripherie). Jede Verbindungslinie eines Punktes des Kreisumfanges mit dem Mittelpunkte heißt ein Halbmesser (Radius). Durchmesser (Diameter) heißt jede Linie, welche durch den Mittelpunkt geht u. deren Endpunkte im Umkreise liegen. Ein solcher theilt den K. in zwei congruente Theile (Halbkreise). Alle Durchmesser sind in demselben Kreise gleich; Theile des Umkreises heißen Kreisbogen (Bogen). Eine gerade Linie zwischen zwei Punkten des Umkreises[787] ist eine Sehne (Chorde); der Durchmesser ist also eine Sehne durch den Mittelpunkt. Ein Stück der Kreisfläche zwischen zwei Halbmessern u. dem zugehörigen Bogen ist ein Kreisausschnitt (Sector); das Stück zwischen einer Sehne u. dem zugehörigen Bogen aber ein Kreisabschnitt (Abschnitt, Segmentum); Winkel, deren Scheitel mit dem Mittelpunkte zusammenfallen, heißen Mittelpunktswinkel (Centriwinkel); Winkel, deren Scheitel auf dem Umfange liegen, Umfangswinkel (Peripheriewinkel). Kreise berühren sich in der gewöhnlichen mathematischen Bedeutung des Wortes, wenn sie nur Einen Punkt mit einander gemein haben; dieser Punkt heißt der Berührungspunkt. Die Kreise berühren sich dabei äußerlich, wenn abgesehen vom Berührungspunkte alle übrigen Punkte des einen Kreises außerhalb des andern liegen; sie berühren sich innerlich, wenn sonst alle Punkte des einen Kreises innerhalb des andern liegen. Außer diesen beiden Arten der Berührung gibt es noch drei Arten der gegenseitigen Lage zweier Kreise, nämlich der eine K. liegt völlig außerhalb des andern, od. die Kreise schneiden sich in zwei Punkten, od. der eine K. liegt völlig innerhalb des andern. Einen besonderen Fall dieser letzteren Art bilden concentrische Kreise, d.h. solche, welche gemeinschaftlichen Mittelpunkt haben, wogegen excentrische solche heißen, bei denen dies nicht der Fall ist. Hauptsätze in der Kreislehre: wenn man vom Mittelpunkte eines Kreises eine Linie nach dem Halbirungspunkte einer Sehne zieht, so steht diese auf ihr senkrecht u. halbirt den zugehörigen Centriwinkel u. umgekehrt. Wenn in demselben od. in gleichen Kreisen zwei Centriwinkel gleich sind, so sind auch die dazu gehörigen Bogen, Sehnen, Ausschnitte u. Abschnitte gleich. Wenn zwei Mittelpunktswinkel in gleichen Kreisen einander gleich sind, so sind es auch die zugehörigen Bogen, Sehnen, Ausschnitte u. Abschnitte u. umgekehrt. Bogen zwischen zwei parallelen Sehnen sind gleich. Von einem Punkte außerhalb eines Kreises lassen sich stets zwei gleiche Tangenten ziehen; der von beiden Tangenten gebildete Winkel wird durch die Verbindungslinie jenes Punktes mit dem Kreismittelpunkt halbirt. Jeder Umfangswinkel ist halb so groß als der mit ihm auf gleichem Bogen stehende Mittelpunktswinkel; daher sind alle Umfangswinkel, welche auf gleichen Bogen stehen, einander gleich; insbesondere ist der Umfangswinkel im Halbkreise ein rechter; auch ist deshalb die Summe je zweier gegenüberliegender Winkel eines in einen K. eingeschriebenen Vierecks (Kreisviereck) gleich zwei Rechten. Die im Umfange ungleichen Kreise verhalten sich wie ihre Halbmesser; der Inhalt derselben wie die Quadrate der Halbmesser. Kreise höheren Grades, Linien, welche unter der Gleichung ym + n = (a – x)m xn begriffen sind, worin m u. n ungerade u. größer als die Einheit sind. Nämlich wenn m = n = 1 ist, so bedeutet die Gleichung y2 = (a – x) x einen K., dessen Durchmesser = a ist. Man muß aber hier nicht an Ähnlichkeit der Figuren denken, sondern blos an Ähnlichkeit der Gleichungen. Man unterscheidet diese nach den verschiedenen Graden als cubische, biquadratische, quadrat-cubische Kreise (Circuli cubici, biquadratici, quadrato-cubici). Kreise auf dem Erd- u. Himmelsglobus, s.u. Globus, auch Ringkugel. Der Flächeninhalt eines Kreises ist = πr2, wobei π die Ludolphsche Zahl 3, 14159 u. r den Halbmesser bedeutet (s. Quadratur des Kreises), der Umfang ist = 2 πr. 2) (Größter K., Navigation im größten Kreise), eine auf den einfachsten Principien der Trigonometrie beruhende Vervollkommnung der Navigation, welche bes. in der letzten Zeit durch die von dem amerikanischen Marineoffizier Maury veröffentlichten Sailing Directions (7 Ausg., Philadelphia 1855), einen hohen Werth erhalten hat. Da die terrestrischen Meridiane alle gegen die Endpunkte der Erdachse zusammenlausen, so schneidet eine Ebene, welche man sich durch diese gelegt denkt, die Meridiane unter ungleichen Winkeln, ausgenommen wo die schneidende Ebene mit dem Äquator od. einem Parallelkreise zusammenfällt. In der Mercatorischen Karte mit wachsenden Breiten u. parallelen Meridianen bildet die Loxodromische Linie (s.d.) gleiche Winkel mit allen Meridianen, welche sie schneidet. Da aber die kürzeste Distanz zweier Punkte auf der Oberfläche einer Kugel der Bogen des größten Kreises ist, welcher sie verbindet, so ist es für die Schifffahrt am vortheilhaftesten, sich auf einem größten Kreise von einem Punkte nach einem andern zu bewegen, od. zu steuern, ausgenommen wo besondere Verhältnisse ein Abweichen gebieten, u. der längere Weg durch klimatische, meteorologische Umstände die kürzere, schnellere Fahr zur Folge hat, wie z.B. Benutzung der Passate Vermeidung von Windstillen etc. Will man nun in größten Kreise steuern u. hat man vor der Reise die Vortheile gehörig erwogen, mit denen diese Navigation verbunden ist, so muß man sich zwischen dem Abfahrts- u. dem Zielpunkte der Reise die Curve zeichnen, welche einen Bogen des größten Kreises vorstellt u. als Curve diejenigen wechselnden Winkel nehmen, welche an den Durchschnittspunkten der Meridiane mit diesem Bogen des größten Kreises gebildet werden. Um den Bogen des größten Kreises auf den Seekarten zu zeichnen, muß man sich einige zwischenliegende Punkte berechnen, deren Länge u. Breite bestimmen u. alle unter einander u. mit den gegebenen Endpunkten verbinden. Die Vortheile dieser Navigation im größten Kreise sind im Vereine mit der Zeitersparniß, die durch Maurys Karten erzielt wird, für England allein auf 4 Mill. Gulden im Jahre berechnet worden. Zur leichteren graphischen Auflösung der sphärischen Dreiecke, welche zum Zeichnen des größten Kreises auf der Karte nöthig sind, hat I. Zeseevich ein Instrument erdacht, welches für Oceanfahrer vom größten Werthe u. in seiner Behandlung sehr einfach ist. 3) (Astron.), die zu Höhenbestimmungen der Gestirne dienenden Instrumente der neueren Astronomen. Bis in die neueste Zeit waren von den mancherlei Höhenmessern die Quadranten, unter ihnen vorzüglich der Mauerquadrant (s.d.), die brauchbarsten; weil aber bei einem Theile des Kreises (wie z.B. bei den Quadranten) die Veränderungen durch Temperatur, eigenes Gewicht, Excentricität etc. mehr Irregularitäten, als bei einem in allen seinen Theilen symmetrischen Kreise erzeugen, so können nur die sogenannten ganzen Kreise, deren man sich jetzt bedient, den möglich höchsten Grad von Genauigkeit erreichen. Zu den Kreisen gehören: Der Multiplications- od. Repetitionskreis, der einfache K., der Mittags- od. Meridiankreis, u. der Theolit (s.d. a.). Überdies bieten die Kreise viele Hülfsmittel dar, die [788] Richtigkeit der Aufstellung zu sichern u. die darin, so wie im Instrumente selbst etwa sich vorfindenden Fehler genau kennen zu lernen. Daher ihrem Gebrauche die jetzt so vervollkommnete Beobachtungskunst, die Genauigkeit u. Güte der astronomischen Beobachtungen, so wie die aus ihnen gezogenen wichtige Resultate zu verdanken sind; 4) (Logik), s. Zirkel; 5) größere od. kleinere Abtheilungen eines Landes od. einer Provinz; in außerdeutschen Ländern meist mit eigenen Namen (Departement, Arrondissement, County, Canton, Liwa etc.). Im Deutschen Reich waren zu Kaiser Albrechts II. Zeiten 4 Kreise: der Baierische, Rheinische, Westfälische u. Sächsische; seit Maximilian I. 10: der Österreichische, Baierische, Fränkische, Schwäbische, Ober- u. Niederrheinische, Burgundische, Westfälische, Ober- u. Niedersächsische, s. Deutschland (Gesch.) XI. A). Die, welche nahe bei einander lagen, hießen correspondirende Kreise, so der Kur-, der Oberrheinische u. Westfälische, der Ober- u. Niedersächsische, u. endlich der Fränkische, Baierische u. Schwäbische K., sie untersuchten in diesem Complex auf bestimmten Münzprobationstagen die Münzen in den Fahrbüchsen jedes Münzstandes. Die Fürsten u. Grafen, welche als Besitzer unmittelbarer Reichsgüter Sitz u. Stimme hatten, hießen Kreisstände. Die Kreisausschreibenden Fürsten (Kreisdirectoren) waren einer od. zwei; der zweite war stets ein geistlicher Fürst, sie alternirten in dem Amt; schrieben in jedem Kreise durch Kreisbriefe, welche Kreisboten überbrachten, die Kreistage, d.h. Zusammenkünfte, wo über das Beste des Kreises meist durch Deputirte berathschlagt wurde, aus; führten zugleich den Vorsitz, sammelten die Stimmen u. hatten die Execution der gefaßten Beschlüsse. Ihre Kanzlei zu diesem Behufe hieß Kreisausschreibeamt. Der gemeinschaftliche, durch Stimmenmehrheit schriftlich verfaßte Beschluß (Kreisabschied, Kreisreceß), pflegte Polizeiverfügungen wider unruhige Handwerksgesellen, Straßen- u. Wasserbau, Sicherheit der Reisenden, Erschwerung der Austretung höriger Unterthanen, Ermäßigung zu hoher Zolltarife etc., bes. aber die Kreishülfe, d.i. Geld u. Truppen, womit ein K. das Deutsche Reich u. dessen Kaiser unterstützte, zu betreffen. Der Umfang der Kreishülfe an Mannschaft u. Geld war in der Kreismatrikel, welche zugleich ein Verzeichniß der Stände eines Kreises war, im Voraus bestimmt. Die Truppen des Kreises (das Kreiscontingent), befehligte der Kreisoberste, welcher meist der mächtigste Fürst des Kreises war, er hatte mehrere Kreiszugeordnete u. darunter einen Kreisnachgeordneten, als Stellvertreter; sein Amt war, Aufruhr u. Unordnungen im Kreise zu unterdrücken, Landfriedensbrecher zu bestrafen, darauf zu sehen, daß bei vorkommendem Krieg die Kreistruppen gehörig gestellt wurden, u. dieselben anzuführen. Die Hebungsbehörde der, durch Kreisanlage ausgeschriebenen Anlagen hieß Kreiskasse, der erste Kassenbeamte Kreispfennigmeister.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 787-789.
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