Rhabdomantie

[94] Rhabdomantie (v. gr.), 1) Wahrsagung aus Stäben, z.B. bei den Germanen, wo man eine Ruthe in Stücken zerschnitt, darein gewisse Charaktere schnitt, sie dann auf ein Gewand warf, davon drei aufhob u. die Zukunft nach den Zeichen deutete; 2) das einzelnen Menschen beigelegte eigene Vermögen, zu Folge dessen eine von ihnen leicht gefaßte Ruthe (Wünschelruthe, Baguette divinatoire) od. auch ein anderer von ihnen in den Händen locker gehaltener Gegenstand, ohne Mitwirken ihrer Willenskraft, in eine eigene drehende Bewegung geräth, wenn der dies Vermögen Besitzende (Rhabdomant) damit in die Nähe von unterirdischen Metalllagern od. auch Wasserquellen (dann Wassersucher genannt) kommt. Der Glaube an ein Vermögen, unter der Erde verborgene Metalle od. Wasseradern durch ein eigenes specifisches Gefühl zu entdecken, ist schon sehr alt, vgl. Lynkeus. Späteren Ursprungs ist die behauptete Kunst von der Wünschelruthe Gebrauch zu machen. Indessen war diese, sowie Alles, was auf jenes behauptete Vermögen Bezug hat, als Mährchen verworfen, bis Pennet zu Ende des 18. Jahrh. in Italien dadurch Aufsehen erregte, daß er durch eine eigene zitternde Bewegung, in welche er gerieth, sobald er sich über einem, unter der Erde verborgenen Wasser od. Metall befand, wobei die Pupille sich erweiterte u. der Pulsschlag schneller wurde, ingleichen durch das Drehen eines hölzernen od. eisernen Stäbchens, welches er in der Hand hielt, den Lauf unterirdischen Wassers in Kanälen, ebenso verborgene Gänge von Metallen, od. vergrabene Metalle, mit großer Genauigkeit, selbst bis auf die Tiefe, in welcher sie sich befanden, bestimmte. Die Versuche zu Bestätigung dieses Vermögens wurden zu Verona in Gegenwart glaubwürdiger Männer wiederholt u. anerkannt. Früher schon hatte Thouvenel vermuthet, daß zwischen der Wirkung der Wünschelruthe u. dem Magnetismus u. der Elektricität ein näherer Bezug Statt finde. Besonders fanden er u. Amoretti, daß man die Befähigung eines Menschen zu derartigen Wahrnehmungen daran erkennen könne, wenn man ihm einen bipolaren Eisenstab (d.h. ein magnetisirtes Eisenstäbchen) zwischen Daumen u. Zeigefinger gebe u. seinen Fuß auf einen elektromotorischen Körper setze; wenn dann nämlich das Stäbchen sich bewegte, so sollte der Mensch ein sogen. Elektrometer sein. Statt des Stäbchens könne man sich auch eines Pendels bedienen, bestehend aus einem nicht elektromotorischen Körper, z.B. einen Gallapfel od. Holzwürfel an einem Faden, welcher zwischen den Fingern gehalten in spiralig sich erweiternde Schwingungen gerathe, u. zwar rechts herum od. links herum, je nachdem es über einem negativen (z.B. Gold, Silber, Eisen) od. positiven (z.B. Platin, Zinn, Blei) Körper gehalten würde. In Folge dieser (von dem Physiker freilich ganz u. gar zu bezweifelnden) Wahrnehmungen gab Thouvenel dem, was man bisher Ruthen gehen nannte, den Namen unterirdische Elektrometrie, indessen entsprachen die Erfolge der gefaßten Theorie nicht jedesmal. Auch bei Versuchen in Florenz, bei denen Fontana Augenzeuge war, errieth Pennet von fünf vergrabenen Massen nur eine u. unter zehnmal verirrte er sich mit seiner Wünschelruthe neunmal. Aufsehen erregten ferner die Versuche, welche Pennet im Königreich Neapel, in der Romagna u. im Venetianischen mit Schwefelkiespendeln anstellte. Wenn man nämlich einen Schwefelkieswürfel an einem etwa 2 Fuß langen Faden von Flachs, Hanf od. Seide zwischen Daumen u. Zeigefinger faßt u. nun den hängenden Schwefelkies über einem Metall, welches auch verschlossen od. mit einer Holzplatte bedeckt sein kann, frei hält, so soll, wofern man dazu Anlage besitzt, der Schwefelkies in kurzer Zeit anfangen in Kreisen od. Ellipsen bis zu 2 Fuß im Durchmesser zu schwingen. Diese Versuche wurden durch Humboldt bezweifelt. Die gespannte Aufmerksamkeit wirkte hier auch ohne sich bewußt werdenden Willen; bei verbundenen Augen wurde der Würfel durch das untergelegte Metall nicht im Geringsten aus der Ruhe gebracht. 1807 hatte, nachdem Aymer Vernet in Italien rhabdomantische Versuche an sich gemacht hatte, I. W. Ritter (in München) in Erfahrung gebracht, daß in Gargano am Gardasee ein Landmann Campetti lebte, welcher dasselbe Vermögen, wie Pennet besitze. Ritter suchte Campetti auf u. reiste mit demselben nach Mailand zu dem Abbate Carlo Amoretti, welcher dasselbe Vermögen zu besitzen behauptete u. in der Folge ein Hauptschriftsteller über die R. geworden ist, u. von da nach Pavia, wo er mit Volta zusammenkam; zu Ende des Jahres gingen Beide nach München, um auch hier Versuche anzustellen, an denen Baader u. Schelling Theil nahmen. Nach den erstatteten Berichten gelangen jetzt die Versuche mit den Schwefelkiespendeln Allen, welche sie unternahmen. Statt der Würfel nahm man nun auch andere Formen, bes. Ringe von Gold. Man wurde auf eine Menge anderer Bestimmungen geleitet, nach denen die Schwingungen erfolgten, wo immer eine Polarität sich als einwirkend anzudeuten schien; so sollte z.B. der Pendel, über den Nordpol des Magnets gehalten, von der linken zur rechten Seite, über den Südpol aber von der rechten zur linken schwingen. Entsprechend sollten aber auch Pendelschwingungen der ersten Art erfolgen, wenn der Pendel über Zink u. Wasser, od. über die dem Stiel entgegengesetzte Seite einer Frucht, od. über dem Kopfe eines Menschen, Pendelschwingungen der zweiten Art aber, wenn der Pendel über Kupfer od. Silber, od. über die Stielseite einer Frucht, od. über die Fußsohlen eines Menschen gehalten wird. Die Wünschelruthe erklärte Ritter für ein doppeltes Pendel, welches, damit es in Bewegung gesetzt werde, nur einen höheren Grad desselben Vermögens erheische, wodurch die Schwingungen bewirkt würden. An die Stelle der Wünschelruthe setzte Ritter in späteren Versuchen den von ihm erfundenen Balancier, welcher aber weniger leistete als jene. Die Ergebnisse der ferneren Versuche waren sehr verschieden,[94] bes. fanden die Pendelversuche weit mehr Widerspruch als Zustimmung, u. nur dann gelangen sie leicht, wenn die sie Anstellenden wußten, worauf es ankam. Besonders constatirte Chevreul durch Versuche, daß die Bewegungen des spindelartigen Körpers nicht durch eine unmittelbare Einwirkung des äußeren Gegenstandes auf das Pendel, sondern durch Muskelbewegungen, also im Grunde durch einen in vielen Fällen unbewußten Einfluß der Nerven auf die Muskeln herbeigeführt werden; denn während die Schwingungen bei dem bloßen Gedanken, daß sie eintreten könnten, wirklich unwillkürlich eintraten, so unterblieben sie bei Unterbindung der zugehörigen Arm- u. Handmuskeln. Amoretti u. Ritter suchten die von ihnen anerkannten Naturphänomene auf eine Theorie zurückzubringen; Erster faßte bes. Thouvenels Idee auf u. nannte das dabei thätige Princip animalische Elektrometrie; Ritter brachte solche mit dem Galvanismus in Verbindung u. unterschied als Grundlage ein eigenes tellurisches Wechselverhältniß der Metalle u. anderer unorganischer Substanzen zu dem organischen Wesen, welches er Siderismus nannte. Später stellte Kiefer auf, daß die Realität der R. so ziemlich mit der des Thierischen Magnetismus in den Lebensphänomenen steht u. fällt, welche man als Andeutungen der höheren Entwickelung des thierisch-magnetischen Lebensverhältnisses, welches Kiefer als Tellurismus aufstellt, geltend zu machen versucht hat. Die exacte Wissenschaft muß allerdings zugestehen, daß die Gegensätze der äußern Dinge auf die Nerven gewisser Personen in eminenterer Weise einwirken können, als auf andere; jedenfalls führen aber diese Eindrücke, wenn sie von gewöhnlichen Menschen gar nicht empfunden werden, bei jenen reizbareren Menschen nicht zu klaren Vorstellungen, sondern nur zu unbestimmten Erregungen, die höchstens ein Kennzeichen sein können dafür, daß Etwas vorhanden ist, nicht aber was es ist. Judeß erzählt Zschokke von der Rhabdomantin Katharina Hippenmeier, geb. Butler im Thurgau, daß sie bei verschiedenen Fossilien eigenartige Empfindungen in verschiedenen Theilen u. Organen des Körpers hatte. Übrigens soll es beinahein jedem Canton der Schweiz solche, mit diesen geheimnißvollen Naturgaben ausgestattete Personen geben, bes. zeichnete sich darin Ambrosius Glutz, Abt des St. Urbanklosters im Canton Luzern, aus. In Frankreich waren in neurer u. neuster Zeit berühmte Wassersucher Roux de Brantes, Abbé Paramelle, Abbé Martin zu Oppede (Departement Vaucluse) u. der Bauer Bompuis daselbst. Alle diese zeigten das Dasein von Quellen u. Mineralien ohne Wünschelruthe an. Vgl. Amoretti, Physische u. historische Untersuchung über die R. (deutsch von Salis, Berl. 1809) u. Elementi di electrometria animale, Mail. 1816; Gerboin, Recherches expér. sur un nouveau mode de l'action electrique, 1818; Chevreul, Examen d'ecrits concernant la baguette di vinatoire etc., im Journal des savants, 1853 u. 1854.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 94-95.
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