Fasten (Verbum).
1. Am Fasten stirbt niemand.
Wer an der Wahrheit dieses Wortes zweifeln sollte, lese Seume, Sämmtliche Werke (in einem Bande, Leipzig 1835, S. 145), wo der Verfasser in einem sicilischen Kloster mit den Mönchen fastet und zuletzt ausruft: »Das nenn' ich einen Fasttag!« Dass aber auch in Deutschland das Fasten nicht zum Hungertode geführt hat, wenigstens nicht in den Klöstern, geht aus dem Küchenbuche des altbairischen Klosters Benedictbeuern hervor, das der Pater Kuchelmeister im Jahre 1714 eigenhändig unter dem Titel Absonderliche Anmerkungen, so in unserer Klosterkuchel das ganze Jahr hindurch zu beobachten seind, in einer Schrift von 136 Seiten zusammengestellt hat. Gleich am ersten und höchsten Feiertage, dem Aschermittwoch, heisst es: »In die cinerum auf Mittag: Erstlich durchtriebene Arbissuppen mit gebähten Brotschnitten, Eier mit Schmalz auf etlichen Schüsseln, so viel nämlich erklecklich sind, auch so viel Schüsseln geröstete Hechten; alsdann ein guter Sudfisch, jedem seine Portion, etlich Stückel aber mehr, damit alles wohl erklecklich sei. Item Zottlkraut und auf jeder Schüssel vier Häringe. Nach diesen 4 Schüsseln gebachene Dollen, item 4 Schüsseln Platais, dass in jeder wenigstens 6 liegen; dann 4 Schüsseln geselchte Renken oder eingemachte Ruten; mehr 4 Schüsseln geschmelzten Stockfisch, 4 Stück Lachs in süsser Brüh mit Zwiebeln und Mandeln, 4 Schüsseln Schnecken in Häusern, 4 Mandeltorten, 4 Schüsseln Hasenehrl und ebenso viel Krebsen und Zwetschgen und zuletzt drei Schüsseln Obst.«
2. Da wird scharf gefastet, wo die Mönche für die Bäuche müssen den Tisch ausschneiden lassen. – Klosterspiegel, 79, 24.
3. Das Fasten ist wie der Faster. – Henisch, 1015; Petri, II, 309; Gruter, III, 37; Lehmann, III, 174, 1; Sailer, 236.
Die Gesinnung gibt der Handlung den Werth.
4. Der fastet genugsam, der wenig jsset. – Henisch, 1015.
5. Der hat gut vom Fasten predigen, wer ein doppeltes Mahl im Magen hat.
[936] 6. Der kann gut vom Fasten predigen, der selbst satt ist.
7. Die fasten, erhungern nicht. – Scheidemünze, I, 2593.
8. Es ist gut viel von fasten predigen. – Lehmann, II, 143, 171.
9. Faste zweyfach, kanst du nicht einfach fasten. – Henisch, 1015; Petri, II, 309.
10. Fasten ist nicht Brot sparen. – Körte, 1296; Eiselein, 161; Sprichwörterschatz, I, 217; Gaal, 421; für Holstein: Schütze, I, 310.
Frz.: Double jeûne, double morceau.
11. Fasten und Feiern geht wie das Kreuztragen und Singen.
Wer das Kreuz trägt, ist vom Singen befreit.
12. Fasten und feiern ist der Christenheit verboten. – Eiselein, 160.
Nämlich beides gleichzeitig, denn erst kommt Fasten, dann Feiern der Feste.
13. Je länger man fastet, desto mehr isst man (oder: desto besser schmeckt es).
14. Lang fasten vertreibt den Hunger. – Henisch, 1015.
Lat.: Intervallo perit fames. (Philippi, I, 206.)
15. Lang gefâss es dröm kê Brud gespart. (Düren.) – Firmenich, I, 484, 90.
16. Man lass einen ein zeitlang fasten, so vergehet jhm das Tantzen wol. – Henisch, 1015; Petri, II, 458; Sailer, 121; Simrock, 2276.
Besserungsmethode.
Lat.: Luxuriat raro non bene pasta caro. (Philippi, I, 232.)
17. Recht fasten, heisst Sünde meiden. – Henisch, 1015.
18. Vngleich fasten macht kein vngleichheit im Glauben. – Henisch, 1015.
19. Vom Fasten predigt keiner schön, der nicht satt ist.
20. Von langem Fasten stirbt ein Ochse. – Murner, Vom luth. Narren; Kloster, X.
21. Wer lange gefastet hat, dem sind rohe Bohnen süss.
It.: Lo stomaco digiuno non sprezza cibo alcuno. (Pazzaglia, 88, 1.)
22. Wer lange gefastet, hat starken Appetit.
Dän.: Desmindre en æder, desmere hau æder. (Prov. dan., 8.)
23. Wer nicht fasten will, muss nicht in die Wüste gehen. – Scheidemünze, II, 42.
24. Wo Fasten ist und Beten, da bleibt keine Metz im Haus. – Simrock, 2274; Eiselein, 161.
*25. Er fastet wie Alba's Hund, der Fleisch frass in der Faste.
Spott auf Katholiken, die es nicht sehr genau nehmen mit der Beobachtung der Vorschriften ihrer Kirche.
*26. Er fastete ein ganzes Jahr und brach dann seine Fasten mit einer Zwiebel. – Burckhardt, 369.
Von Personen, die in gutem Rufe stehen und denselben um eines einzigen Vortheils, eines kleinen Genusses willen verwirken.
*27. Er solte vonn fasten predigen, jederman würd es jhm glauben. – Franck, II, 73b u. 95a; Sutor, 169; Sailer, 298.
Der Nothleidende, elend Aussehende, Halbverhungerte. Aber auch ironisch, sagt Franck: »so du wilt einn grossen feyssten menschen stupffen« (necken, spotten).
*28. Vom Fasten predigen, wenn man selber satt ist. – Körte, 1297a.
29. Fasten und Beten sind fromme Mittel, die Zeit zu tödten.
30. Ich faste zwier in der Woche, sagte der Pharisäer und füllte sich den Bauch.
»In Schlesien ist das Evangelium Luk. XVIII in einer Pfarrkirche angemalt. Da stehet ein fetter [1249] dicker Abt an des Pharisäers stelle vnd führet diese wort auf einem breiten Gürtel vber seinem Pretzbauch, vnd weiset mit dem Finger darauff, als wolte er sagen: Am Bauch kan mans ja sehen, wie wehe ich mir gethan mit meinen fasten.« (Herberger, Ib, 673.)
*31. Er hat sich hart gefast, man sieht's ihm wol an. – Franck, II, 73b.
Eigentlich von einem abgemergelten, halb verhungerten Menschen, ironisch von einem mehr als wohlgenährten.
Adelung-1793: Verbum, das · Fasten · Fasten, die
Brockhaus-1911: Verbum · Fasten
Herder-1854: Verbum · De verbo ad verbum · Fasten
Pierer-1857: Verbum · Verbum Dei · Verbum domini manet in aeternum · Effectivum verbum · De verbo ad verbum · Completīvum verbum · Fast- (Fasten-) bäcker · Fasten · Fasten Esther
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