[331] Hanover oder Hannover (das Königreich) besteht, abgesehen von mehren kleinern, getrennt liegenden Gebietstheilen, aus drei Hauptmassen: einer südlichen, welche die Fürstenthümer Göttingen, Grubenhagen und den Harz umfaßt und von dem Haupttheile durch braunschweig. Gebiet getrennt ist; einer östlichen, welche die Fürstenthümer Hildesheim, Kalenberg, Lüneburg, die Herzogthümer Bremen und Verden mit dem Lande Hadeln, die Grafschaften Hoya und Diepholz begreift, und einer westlichen. Diese hängt mit der vorigen durch einen schmalen, nur drei Stunden breiten Landstrich zusammen und besteht aus dem Fürstenthume Osnabrück, den Grafschaften Lingen und Bentheim, dem Herzogthume Aremberg-Meppen und dem Fürstenthume Ostfriesland. Diese sämmtlichen Lande, welche einen Flächeninhalt von 695 ! M. einnehmen, liegen im vormaligen niedersächs. und westfäl. Kreise, und ihre Bevölkerung gehört dem sassischen oder niederdeutschen Stamme an, welcher die sogenannte plattdeutsche, durch Wohlklang, Weichheit und Fülle sich vor dem Hochdeutschen vortheilhaft auszeichnende Mundart redet; nur in den Städten wird von dem gebildetern Theile der Bevölkerung hochdeutsch gesprochen. Diese Gegenden sind das Vaterland der Longobarden, Angeln, Brukterer, Cherusker und anderer in der alten deutschen Geschichte berühmter Völker. Während der sogenannten großen Völkerwanderung drangen Wenden bis über das linke Ufer der Elbe vor und setzten sich besonders im Lüneburgischen fest, wo sie Polaben, d.h. Elbamwohner (Laba, d.i. Elbe) hießen. Im Laufe der Jahrhunderte aber haben sie sich dergestalt mit den Deutschen vermischt, daß jetzt keine Spur mehr von ihnen übrig ist. Die jetzt das Königreich H. bildenden Länder wurden von Karl dem Großen, als er die sie bewohnenden Saxen besiegte, erobert. Später wurden einzelne geistliche und weltliche Herren, sowie einzelne Städte mächtig. Die ältere Regentengeschichte fällt mit der von Braunschweig (s.d.) zusammen. Die durch Wilhelm, den Sohn Herzog Ernst's des Bekenners (st. 1546) gestiftete braunschweig-lüneburgische Linie vergrößerte ihr Gebiet, welches ursprünglich nur aus dem südl. Theile des Fürstenthums Lüneburg und dem Fürstenthume Celle bestand, allmälig mit mehren andern Landen, z.B. mit Hoya 1572, Diepholz 1586, mit Grubenhagen 1617, Kalenberg und Göttingen 1634, das übrige Lüneburg 1642 und 1670. Alle diese und noch einige andere Besitzungen wurden 1698 und 1705 durch Georg Ludwig, den Sohn Herzog Ernst August's, welcher 1692 vom Kaiser die Kurwürde erhalten hatte, vereinigt. Georg Ludwig ward 1714 nach dem Tode der Königin Anna, deren nächster protestantischer Erbe er war, auch König von Großbritannien, sodaß beide Länder seitdem 123 Jahre lang dieselben Beherrscher hatten. Während dieser Zeit erwarb H. noch mehre bedeutende Landstriche: 1715, nach Beendigung des großen nordischen Krieges, Bremen und Verden, 1731 das Land Hadeln, 1753 die Grafschaft Bentheim und nach dem letzten franz. Kriege Osnabrück, Hildesheim, Ostfriesland, Goslar, Meppen, Lingen u.s.w.
In den Landen, welche gegenwärtig das Königreich H. bilden, entstanden im Mittelalter schon ziemlich früh eine Anzahl von Städten, die sich nach und nach zu hoher Bedeutung emporhoben und große Rechte erwarben. Viele von ihnen gehörten der Hanse an und trieben einen ausgebreiteten Handel, besonders Lüneburg. Mit der Hanse (s.d.) sank auch der Wohlstand und die Macht dieser Städte, welche eine nach der andern ihre Reichsunmittelbarkeit verloren und den Fürsten unterthan wurden. Als die Reformation, bald nach Luther's Auftreten, sich auch in diese Gegenden verbreitete, wurde die lutherische Kirche, ungeachtet Herzog Heinrich der Jüngere alle seine Macht und seinen Einfluß aufbot, sie zu unterdrücken, dennoch durch die Bemühungen der Herzoge Ernst des Bekenners und Karl Julius herrschend. Während des dreißigjährigen Krieges, an welchem das Land lebhaften Antheil nahm, wurden viele Strecken furchtbar verheert, doch erholte es sich ziemlich schnell wieder und befand sich bald nachher, namentlich unter Georg's Regierung, in einem höchst gedeihlichen Zustande. Besonders waren die Finanzen in trefflicher Ordnung; Schulden waren nicht vorhanden und um den Ackerbau stand es so gut, wie es in einem Lande nur der Fall sein konnte, in welchem sich bis auf die jüngste Zeit herab mehr drückende Trümmer des Feudalwesens erhalten haben, als in irgend einem andern. Ein beträchtlicher Theil der Fonds, welche durch Aufhebung der geistlichen Güter disponibel geworden, wurden zur Gründung und Dotirung von Unterrichtsanstalten verwendet, unter denen die 1737 eingeweihte Universität zu Göttingen besonders bemerkt zu werden verdient. Bis dahin war Helmstedt Landesakademie gewesen. Dieser befriedigende Zustand dauerte indessen nicht fort, weil H. durch seine Verbindung mit England in manche Kriege dieser Macht verwickelt wurde, z.B. in den siebenjährigen, dessen üble Folgen jedoch bald verschmerzt wurden, weil der stets an Umfang gewinnende Handel der Städte Hamburg, Bremen und Altona den Hanoveranern manche wichtige Nahrungs- und Finanzquelle eröffnete. So befand sich denn das Land erträglich bis zum Jahre 1803, denn wiewol H. [331] schon 1793 am Kriege gegen Frankreich Theil genommen hatte, so blieb es doch von feindlichen Truppen verschont, bis es 1801, zwar nur auf kurze Zeit, von den Preußen besetzt wurde. Als aber nach kurzem Frieden zwischen England und Frankreich abermals Krieg ausbrach, rückten die Franzosen, welche den deutschen Staaten des Königs von Großbritannien keine Neutralität zugestehen wollten, unter Mortier, dem nachmaligen Herzoge von Treviso, ins Land und schlugen die Hanoveraner, welche sich auf das rechte Elbufer zurückziehen und im Jul. 1803, nachdem sie alle Waffen und Kriegsgeräthschaften dem Feinde abgeliefert hatten, auseinandergehen mußten. Im J. 1805, als England, Östreich, Rußland und Schweden eine Coalition gegen Napoleon geschlossen hatten, hofften die Hanoveraner wieder in eine günstigere Lage versetzt zu werden. Aber der Kaiser der Franzosen siegte in der Schlacht bei Austerlitz und schloß mit Preußen, welches an dem Bunde gegen ihn nicht Theil genommen hatte, einen Vertrag, demgemäß der Sieger für Neufchatel, Kleve und Anspach dem Könige von Preußen H. abtrat. Dieser nahm das Land in Besitz und behauptete es, bis er im folgenden Jahre mit Napoleon in Krieg gerieth, die Schlacht bei Jena verlor, den tilsiter Frieden schließen und H. räumen mußte. Dieses letztere ward sodann theils zum neugeschaffenen Königreiche Westfalen geschlagen, theils Frankreich einverleibt. Bis zum J. 1813, wo die Russen erschienen, blieb es der Fremdherrschaft unterworfen. Während dieser Zeit hatte es manche Drangsale zu erdulden, erfreute sich aber auch der Einführung vieler zweckmäßigen Einrichtungen, besonders in der Rechtspflege und der Verwaltung, die indeß im J. 1814 sämmtlich wieder den alten Institutionen weichen mußten. Nach der Schlacht an der Görde, am 16. Sept. 1813, räumten die Franzosen das Land, der König von Großbritannien trat die Regierung wieder an, H. ward zum Königreiche erhoben und trat in den deutschen Bund. Auf dem wiener Congresse wurden ihm Hildesheim, Goslar, die niedere Grafschaft Lingen und ein Theil des Eichsfeldes einverleibt, wofür es das Lauenburgische abtreten mußte; auch erhielt Preußen mehre Ämter und Oldenburg einen District mit 6000 Seelen.
Als solchergestalt H. von der Fremdherrschaft befreit war, trat 1814 eine provisorische Ständeversammlung zusammen, die aus Abgeordneten der Ritterschaft, Staatsdienern und einigen städtischen Beamten bestand; sie beschäftigte sich nur mit finanziellen Angelegenheiten. Nachdem im J. 1816 der Herzog Adolf Friedrich von Cambridge zum Generalstatthalter des Königreichs ernannt worden war, erhielt H. 1819 eine ständische Verfassung, die aber den Bedürfnissen und Wünschen des Volks keineswegs entsprach, weil nicht letzteres in seiner Gesammtheit vertreten wurde, sondern nur die einzelnen Stände ihre Abgeordneten sandten, auch nicht allgemeine Interessen, sondern Standesinteressen vorwiegend berücksichtigt wurden und zwar besonders jene des Adels und der Beamten. Zudem wurde das System zweier Kammern eingeführt. Bis zur franz. Invasion hatten die einzelnen Provinzen ihre Stande, welche aus Prälaten, Deputirten der Ritterschaft und der Städte zusammengesetzt waren; jede Provinz hatte ihr eignes Verwaltungs- und Finanzsystem, ihre eignen Schulden und von Gleichartigkeit war keine Spur vorhanden. Diese Provinzialstände traten 1814 wieder in ihre alten Rechte und blieben auch 1819, wo ihre Organisation einige Verbesserungen erfuhr. Um die allgemeinen Landstände kümmerte sich Niemand, weil sie sich und ihre Verhandlungen in geheimnißvolles Dunkel hüllten und nirgend verlautete, daß ihrerseits die Verwaltung vereinfacht worden oder sonst etwas Heilbringendes geschehen wäre. Die mancherlei drückenden, nicht mehr zeitgemäßen Misbräuche hatten im Volke eine düstere Stimmung hervorgebracht und bald nach der franz. Juliusrevolution äußerte sich das Misvergnügen über das herrschende System auf das Allerunzweideutigste. Als im Nachbarlande Braunschweig in Folge des Septemberaufruhrs 1830 eine große Gährung entstanden war, theilte sich dieselbe 1831 auch dem angrenzenden H. mit und kam zuerst in der Stadt Osterode am Harze zum Ausbruche. Bedeutender noch war ein gleichzeitiger Aufstand in Göttingen, der durch militairische Gewalt unterdrückt wurde. Die Erbitterung war gegen das herrschende Ministerium gerichtet und es war eine Bittschrift an den König um Verbesserung der Verfassung abgefaßt worden.
Die göttinger Unruhen waren von wichtigen Folgen für das gesammte Königreich begleitet. Seitdem nämlich wurden überall die Zustände und die Lage des Landes mit einer lebhaftern Theilnahme besprochen und es liefen aus allen Gegenden Bittschriften, Vorstellungen, Beschwerden in der Hauptstadt ein, die größere Öffentlichkeit, einfachere, wohlfeilere, zweckmäßigere Verwaltung, freie Presse verlangten. Der Minister Münster wurde am 12. Febr. vom Könige seines Amtes entlassen. Der Herzog von Cambridge wurde zum Vicekönig ernannt und auf den 9. März eine allgemeine Ständeversammlung einberufen. Nachdem diese eröffnet worden war, trat die zweite Kammer sehr freimüthig auf und foderte eine Menge nothwendiger Verbesserungen, denen die erste Kammer sich zum Theil widersetzte. Eine neue Ständeversammlung trat am 30. Mai 1832 zusammen. Die zweite Kammer hielt ihre Sitzungen öffentlich. Am 26. Sept. 1833 ward endlich das neue Staatsgrundgesetz für das Königreich publicirt. Es ist ihm zufolge jeder Hanoveraner ohne Ausnahme, also auch der bis dahin bevorzugte Adel, zum Kriegsdienste und zum Mittragen der Staatslasten verpflichtet; Jeder darf, was früher nicht erlaubt war, Petitionen an den König oder an die Stände schicken und Beschwerde führen, wenn er sich beeinträchtigt glaubt; die Städte wählen ihre Magistrate und Gemeindebeamten selbst und alle Gemeinden verwalten ihr Vermögen. Auch fernerhin bestehen, um die Interessen der Provinzen zu berathen, Provinziallandschaften, die wenigstens alle drei Jahre einen Landtag abhalten. Die allgemeine Ständeversammlung hat eine Dauer von sechs Jahren und versammelt sich alljährlich. Die Einkünfte des Kronguts sollen zum Besten des Landes verwandt, alle vom Könige erlassenen Verfügungen von einem verantwortlichen Minister gegengezeichnet werden u.s.w. Während des Zeitraums, in welchem diese neue Verfassung wirksam gewesen ist, wurde in H. Mehres für das Beste des Landes gethan, obgleich nicht zu leugnen ist, daß mit derselben nicht allen Bedürfnissen des Landes abgeholfen war. Als am 20. Juni 1837 König Wilhelm IV. gestorben war, ging die Krone H.'s auf dessen Bruder Ernst August, Herzog von Cumberland, über. Derselbe ist, geb. am 5. Jun. 1771, ein Sohn König Georg III. von England, der jüngere Bruder des letztverstorbenen Königs von England, sowie des Herzogs [332] von Kent, Vaters der jetztregierenden Königin von Großbritannien, der ältere Bruder des Herzogs von Cambridge, bisherigen Vicekönigs von Hanover. Er studirte in Göttingen und lebte dann in England, bis er 1813 nach Deutschland kam und hier die Prinzessin Friederike von Mecklenburg-Strelitz, die Witwe des Prinzen Ludwig von Preußen und des Fürsten von Solms-Braunfels, kennen lernte und sich 1815 mit derselben vermählte. Mishelligkeiten mit seiner Mutter bewogen den Herzog, England zu verlassen und seinen Wohnsitz in Berlin zu nehmen, von wo er jedoch während der letzten Regierungsjahre des Königs Georg IV. nach England zurückkehrte und an den Parlamentsverhandlungen über die Emancipation der Katholiken (s. Großbritannien) lebhaften Antheil nahm. Er trat als entschiedener Tory sowol bei dieser als bei andern Gelegenheiten auf und genoß daher wenig Volksgunst. Als er zur Erziehung seines Sohnes einen jährlichen Zuschuß vom Parlament verlangte, erhielt er diesen unter der Bedingung, daß der Prinz in England erzogen werde. Der Herzog kehrte nun nach England zurück. Er verließ es, um die Regierung von H. anzutreten, welche ihm als nächsten männlichen Erben des Königs Wilhelm IV. zusteht, während in England die Krone auf näherstehende weibliche Erben übergeht. (S. Großbritannien.) So war nun H. von der langen Verbindung mit England frei und wieder ein rein deutsches Königreich. Die Freude über dieses Ereigniß, das sehr folgenreich werden kann, war groß; doch wurde das hanöv. Volk in bange Ungewißheit durch den Umstand versetzt, daß der König die Regierung mit der Erklärung antrat, daß er die bestehende Verfassung als für ihn nicht verbindlich anerkenne. Auch in andern deutschen Staaten erregte dieser Schritt Besorgnisse, welche zum Theil unter den versammelten Landständen laut wurden. Indeß hat sich der König von H. durch großmüthiges und herablassendes Benehmen die Herzen eines großen Theils seiner Unterthanen bereits so gewonnen, daß man im Allgemeinen nur mit Vertrauen und Hoffnung einer neuen oder abgeänderten Verfassung entgegensieht.
Das Königreich H. hat in der deutschen Bundesversammlung die fünfte Stelle, gibt im Plenum vier Stimmen ab und stellt zur Bundesarmee ein Contingent von 13,054 M., wovon 1865 M. Reiterei und 1071 Artilleristen und Pioniere; seine Staatseinnahme beträgt im Durchschnitte etwas über 6 Mill. Thlr.; die. Schulden belaufen sich auf mehr als 5 Mill. Thlr. Begrenzt wird es, als ein Ganzes betrachtet, in welchem Oldenburg eingeschlossen liegt, im N. vom deutschen Meere, das in Ostfriesland eine tiefe Bucht, den Dollart bildet, in welchen die Ems mündet, von Holstein, Hamburg, Lauenburg und Mecklenburg-Schwerin, im S. von Preußen, Kurhessen und Lippe, im W. von den Niederlanden und der preuß. Provinz Westfalen. Der ganze Norden des Königreichs gehört dem großen nordeurop. Flachlande an, das am untern Laufe der großen Ströme aus fruchtbarem Marschlande besteht, welches gegen den Andrang der Fluten häufig durch Dämme und Deiche geschützt worden ist; ein großer Theil dieser Gegend besteht außer großen Mooren, z.B. dem bourtanger Moore an der holl. Grenze, dem Teufelsmoore im Bremischen, aus Haideland, von welchem der größte Theil von Haidekraut, beerentragendem Gesträuche und Nadelwaldungen bedeckt wird. Der Boden desselben ist entweder sandig oder morastig. Bekannt ist die lüneburger Haide, die gleich im Norden der braunschweig Grenze beginnt und sich bis in die Nähe von Harburg erstreckt. Man hat sie nicht mit Unrecht das deutsche Arabien genannt. Auch in Meppen und in Verden liegen ausgedehnte Haidestrecken. Südlich von diesem unergiebigen Landstriche liegt ein anderer, auf dem sich Hügel erheben und der, je näher man dem Harze kommt, immer mehr und mehr ansteigt. Er ist zumeist sehr fruchtbar, besonders im Hildesheimischen, Kalenberg und Grubenhagen. Der Harz (s.d.) selbst ist zum großen Theile hanov.; er liefert eine bedeutende Ausbeute an Mineralien, z.B. etwas Gold, 44,000 Mark Silber, Eisen, Kupfer, Schwefel, Vitriol, Glätte, Blei u.s.w. Das Kima H.'s ist im Allgemeinen gemäßigt zu nennen; auf dem Harze ist es, der hohen Lage wegen, rauh und kalt; der Frühling tritt hier immer 4–6 Wochen später ein, als im Flachlande; in. den Haiden herrscht im Sommer oft eine tropische Hitze; die Marschen sind der feuchten Dünste wegen ungesund. Seen hat H. nur wenige; die größten sind der Dümersee und das sogenannte steinhuder Meer; letzteres an der lippe-schauenburg. Grenze. Hauptflüsse sind die Elbe, mit Jeetze und Ilmenau, die Weser, welche sich bei Münden aus dem Zusammenflusse der Werra und Fulda bildet, und die Aller mit Oker, Leine, Wümme, Delme, Hunte aufnimmt; die Ems und die Vechte. Es sind viele Kanäle vorhanden, durch welche Moore trocken gelegt wurden; einige andere im Bremischen und in Ostfriesland sind auch schiffbar. H. ist ein vorzugsweise Viehzucht und Ackerbau treibendes Land; es hat Getreide über den Bedarf, führt viel Vieh aus, besonders Rindvieh und Pferde, hat in Hildesheim, Westfalen und im Lüneburgischen vortrefflichen Fachs (die Garnspinnerei, Hauptgewerbe auf dem platten Lande, hat sich während der letzten Jahre sehr vervollkommnet), hat Reichthum an Holz und Torf und die Haide treibt mit Buchweizen und Heidelbeeren einen Handel, der sich jährlich auf 100,300 Gulden beläuft. Kein deutsches Land hat eine so bedeutende Bienenzucht wie H. Die hanöv. Salzwerke sind sehr ergiebig; Steinkohlen werden im Deister, einem Waldgebirge südwestl. von der Hauptstadt H., im Süntel und im Osnabrückischen gegraben. Sehr wichtige Industriezweige sind die Leinwand. und Tabacksfabrikation; ausgeführt werden ferner Wachslichte, Leder, Cichorien, und von Emden gehen Schiffe auf den Herings- und Walfischfang. Der Handel ist meist Transito- und Speditionshandel. Die Schiffahrt auf den drei großen Strömen und der Nordsee ist nicht unbeträchtlich. Den wichtigsten Seehandel treiben Emden und Weener in Ostfriesland, Papenburg in Meppen; Lüneburg, Harburg und Stade haben den Elbhandel; sodann werden. viele Waaren von Celle aus auf der Aller und von Hanover aus auf der Leine verschickt. An der Weser liegt außer Münden kein Handelsplatz von Bedeutung. – Die Mehrzahl der Einwohner bekennt sich zur lutherischen Kirche, etwa 1,300,000; 150,000 sind Reformirte, 206,000 Katholiken (im Osnabrückischen, Hildesheim und dem Eichsfelde), etwa 12,000 Juden und 1000 Mennoniten, sodaß die Gesammtbevölkerung sich auf ungefähr 1,663,000 Seelen beliefe. Für Wissenschaften und Unterricht ist in neuern Zeiten viel gethan worden; die Stände haben die Lage der Landschullehrer verbessert; die Gymnasien sind, gleich der Landesuniversität, sehr gut fundirt und die höhere Gewerbschule in H. erfreut sich eines vortheilhaften Rufes. [333] Das Königreich hat nur einen Orden, den Guelfenorden in drei Classen, gestiftet 1815, und zerfällt in administrativer Hinsicht in sechs Landdrosteien und den Harz. Höchste Behörde des Landes ist das Cabinetsministerium. – Die Landdrostei Hanover begreift Kalenberg, ein von den Gebirgen Deister, Süntel und Jhdt durchzogenes Hügelland, von der Leine bewässert und die Grafschaften Hoya und Diepholz, wo die Weser, abwechselnd Sand-, Moor- und Marschland. Aus diesen letztern Gegenden begeben sich alljährlich im Sommer viele Leute nach Holland, um dort die Wiesen zu mähen und die Ernte zu besorgen. Hauptstadt des Landes und Residenz des Königs ist Hanover, an der schiffbaren Leine, mit 28,000 Einw. Sie ist im Allgemeinen nicht hübsch gebaut, hat aber eine gesunde Lage und zerfällt in die Altstadt, in die Kalenberger- und die Ägidien-Neustadt. Die Wälle sind in angenehme Spaziergänge verwandelt worden; der kön. Palast, das Theater, das Ständehaus und das Archiv sind die bemerkenswerthesten Gebäude. H. ist der Sitz der obersten Behörden des Landes, hat ein Gymnasium, eine Militair- und polytechnische Schule, eine chirurgische Lehranstalt, zwei Bibliotheken und einen ziemlich bedeutenden Handel. Dem Philosophen Leibnitz ist hier ein Denkmal gesetzt und zur Erinnerung an die Schlacht von Waterloo ist die mit einer Victoria geschmückte 162 F. hohe Waterloosäule errichtet worden. H. ist der Geburtsort des großen Astronomen Herschel. In der Nähe der Stadt liegt Herrnhausen, mit einem schönen Garten und berühmten Springbrunnen. Historisch wichtig ist Hameln (s.d.). In der Grafschaft Hoya liegt Nienburg an der Weser mit 4300 Einw. und in der Grafschaft Diepholz die gleichnamige Stadt mit 1900 Einw. In beiden letztern sind bedeutende Garnspinnereien, Leinwandweberei und Gänsezucht. – Die Landdrostei Hildesheim bildet den am besten angebauten und durch Fruchtbarkeit ausgezeichnetsten Theil des Landes und umfaßt die Fürstenthümer Hildesheim, Göttingen, Grubenhagen, das hanöv. Eichsfeld und einen Theil der Grafschaft Hohenstein am Harze. Nicht unbedeutend ist der Handel mit Flachs, Garn und Oel. Hildesheim an der Innerste, mit 14,000 Einw., wovon ein Drittheil Katholiken, eine sehr alte, unregelmäßig gebaute Stadt, ist Sitz eines Bischofs und hat viele wohlthätige Anstalten, zwei Gymnasien und ein katholisches Priesterseminarium. Der berühmte Dom ward schon 818 erbaut; in ihm wird eine angebliche Irmensäule (s.d.) aufbewahrt. Goslar und Göttingen (s.d.) im gleichnamigen Fürstenthume sind bemerkenswerth. Im Fürstenthume Grubenhagen liegt Eimbeck an der Ilme mit 5100 Einw., im Mittelalter Hansestadt und ihres Bieres wegen in ganz Deutschland berühmt, mit Woll- und Leinwandweberei. Osterode am Harz mit 5000 Einw., die einzige eigentliche Fabrikstadt in H., hat Woll- und Baumwollspinnereien, Webereien, Hutfabriken und Gerbereien. Getrennt liegt das Amt Elbingerode an der Bode. Auf dem Eichsfelde liegt Duderstadt an der Hahle und Brehme mit 4500 Einw., Wollwebereien, Hopfen-und Tabacksbau. Die Grafschaft Hohenstein am Südabhange des Harzes hat Viehzucht und Eisengruben. Hier liegt der Flecken Ilefeld mit einem berühmten Gymnasium. – Der Harz ist Gebirgsland, reich an Metallen und Holz; Hauptgewerbe sind Viehzucht und Hüttenbetrieb. Er gehört zu Grubenhagen, bildet aber eine besondere Berghauptmannschaft, deren Hauptstadt Klausthal, 1750 F. über dem Meere, ist. Sie liegt am Zellerbach, ist Sitz der Behörden, regelmäßig gebauet, hat 8600 Einw., Gymnasium, Forst-und Bergschule, wichtige Silbergruben, Nagel- und Blankschmieden. Andere Bergstädte sind: Zellerfeld mit 4100 Einw., in der unmittelbaren Nähe von Klausthal; Andreasberg mit dem Samsonsschachte, einem der tiefsten auf Erden, 1900 F. unter Tage. Der 22,000 F. lange rehberger Graben führt aus dem großen Oderteiche vielen Hüttenwerken das nöthige Wasser zu. – Die Landdrostei Lüneburg enthält meist flaches, an den Flußufern fruchtbares Haideland, mit anmuthigen Oasen und wird von der Elbe mit der Aland, Jeetze, Ilmenau, Seeve und von der Weser mit der Aller bewässert; hat Pferde, Rindvieh, Bienen, Fische und Wild. Lüneburg, an der schiffbaren Ilmenau, eine alte, unregelmäßig gebaute Stadt mit 13,000 Einw., hat eine Ritterakademie, ein Gymnasium mit Bibliothek, ein bedeutendes Salzwerk, Zuckerraffinerien und bedeutenden Speditions- und Transitohandel Ülzen an der Ilmenau, mit 3000 Einw., hat Flachs-, Taback- und großen Pferdehandel und war Hansestadt. Celle oder Zelle an der Fuhse und der Aller, welche hier schiffbar wird, eine wohlgebauete Stadt mit 10,000 Einw., ist Sitz des Oberappellationsgerichts, hat ein Gymnasium, eine Bibliothek, Irrenanstalt, Wachsbleichen, Wachslichtfabriken und starken Speditionshandel. Harburg an der Elbe, in welche hier die Seeve fällt, liegt Hamburg gegenüber, hat 4200 Einw., Zuckerraffinerien und Segeltuchfabriken. – Die Landdrostei Stade ist am Ufer der Flüsse Marschland, im Innern zum Theil urbar gemachte Haide (Geest) und bildet den nördlichsten Theil des Landes zwischen Weser und Elbe. Im Herzogthume Verden liegt Verden an der Aller mit 4600 Einw., einem Dom und Gymnasium; im Herzogthum Bremen: Stade an der Schwinge, die etwa eine halbe Stunde von hier in die Elbe fällt, mit 5300 Einw., einem Gymnasium, Schiffahrt und Schiffbau. Zum Herzogthume gehören: das alte Land an der Elbe, von Schwinge, Este und Lühe durchflossen, und das Land Kehdingen an der Elbe, zwischen Schwinge und Oste. Zwischen den Mündungen der Elbe und Weser liegt das Land Hadeln, wo Otterndorf und Altenbruch, und am rechten Ufer der Wesermündung das von Friesen bewohnte Land Wursten, gleich dem vorigen aus dem fruchtbarsten Marschlande bestehend. – Die Bewohner der Landdrostei Osnabrück beschäftigen sich mit Ackerbau, Garnspinnerei und Leinweberei. Auch aus dieser Gegend gehen alljährlich viele rüstige Männer nach den Niederlanden. Das Fürstenthum Osnabrück treibt starke Schweinezucht. Osnabrück, eine alte Stadt an der Hase mit 12,000 Einw., ist Bischofssitz, hat ein katholisches und ein protestantisches Gymnasium und treibt starken Handel mit Tuch, Leinwand, Taback, Papier, Leder, Seife und Schinken. Auf dem Rathhause, das außer dem Dome das bemerkenswertheste Gebäude der Stadt ist, ward am 24. Oct. 1648 der westfäl. Friede geschlossen. Dem hier geborenen berühmten Staatsmanne Justus Möser soll ein Denkmal errichtet werden. In der niedern Grafschaft Lingen, einer holzarmen Gegend, liegt Lingen an der Ems mit 2200 Einw., in der Grafschaft Bentheim die gleichnamige Stadt mit 1800 Einw., im Herzogthume Aremberg-Meppen, einem fast ganz aus [334] Haide und Morast bestehenden Lande, in welchem das bourtanger Moor und der Hämling liegen, liegt Meppen an der Hase und Ems mit 2500 Einw. und einem Gymnasium. Die Moorcolonie Papenburg mit 4000 Einw. hat wichtigen Torfhandel, Schiffbau, Segel- und Tuchfabriken. – Das Fürstenthum Ostfriesland oder die Landdrostei Aurich enthält im Innern Haide und Moor, übrigens Marschland, an Dollart, Nordsee, Ems und Leda. Die Einwohner leben meist von Viehzucht, Seehandel, Rhederei, Ackerbau, Torf- und Ziegelsteinhandel. Die wichtigern Städte Ostfrieslands außer Emden (s.d.) sind: Aurich, Sitz der Provinzialbehörden mit 3400 Einw., steht durch einen Kanal mit Emden in Verbindung, hat ein Gymnasium, die Erbbegräbnisse der fries. Fürsten und starke Pferdemärkte. Leer an der Ems mit 6500 Einw., treibt Schiffbau, Rhederei und Handel mit Landesproducten. Weener an der Ems mit 2300 Einw., ist Hauptplatz für den ostfries. Pferdehandel. Unter den Inseln vor der Küste wird Norderney wegen des dortigen Seebades stark besucht.
Buchempfehlung
Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.
50 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro