Irische Sprache u. Literatur

[58] Irische Sprache u. Literatur. Die Irische Sprache gehört zu dem celtischen Zweige des Indogermanischen Sprachstammes. Unter den verschiedenen Celtischen Sprachen erscheint sie durch die Reinheit, in welcher sie sich erhalten hat, sowie durch die bedeutende Anzahl schriftlicher Denkmäler wie durch die Seelenzahl, von der sie noch jetzt gesprochen wird, als die bedeutendste u. bildet nebst dem sehr nahe verwandten Gadhelischen der Bergschotten den gaelischen Ast der celtischen Gruppe. Das Irische ist etwa für den dritten Theil der Bevölkerung Irlands noch die Muttersprache; doch übersteigt die Zahl derer, welche bloß Irisch verstehen, nicht über eine halbe Million. Durch Auswanderung ist das Irische auch nach Nordamerika gelangt, wo es sich jedoch ebensowenig als die Irländer selbst, irgend einen Einfluß hat verschaffen können. In Irland wird das meiste Irisch noch in Connaught gesprochen, u. in dieser Provinz, sowie in Munster, selbst in den Städten Cork, Youghalt u.a., ist sie die Hauptsprache; in Ulster hat sie sich namentlich in den gebirgigen Gegenden von Antrim, Down, Armagh u. Londonderry, sowie bei den durch manche Eigenthümlichkeiten ausgezeichneten Bergbewohnern von Donegal erhalten. Die irische Schrift ist die römische, doch in einer eigenthümlichen, der angelsächsischen ähnlichen Gestaltung; in ihr sind auch viele ältere Handschriften (die sogenannten Codices scotice scripti) geschrieben, die sich in den Bibliotheken solcher Klöster finden, welche ihren Ursprung irischen (schottischen) Mönchen verdanken. Die Einführung dieser Schrift wird dem St. Patrik zugeschrieben. Schon vorher jedoch bedienten sich die Irländer eines andern Alphabets, welches aber jetzt als verloren betrachtet werden muß, wenn man nicht annimmt, daß es sich in der sogenannten Oghamschrift erhalten hat. Letztere Schrift erscheint in einigen Manuscripten u. Inschriften. Die Buchstaben werden durch perpendikulare od. verticale Striche auf od. unter einer horizontalen Linie bezeichnet. Unter den Grammatiken sind zu nennen von W. Neilson, Dubl. 1808, Achill 1845 u. O'Brien, Dubl. 1809; unter den Wörterbüchern von O'Clery, Löwen 1643, Mac Curtin, Par. 1732, O'Bryan, Par. 1768 u. das beste von O'Reilly mit Grammatik, Dubl. 1822.

Die Denkmäler der J. S. reichen bis ins 6. Jahrh. hinauf, doch ist das Meiste noch ungedruckt. Das älteste unbezweifelte Denkmal der Irischen Literatur ist eine dem St. Patrik zugeschriebene Hymne (herausgegeben in Petrie's History of Tara Hill.). Die Träger der Dichtkunst zur Zeit des Heidenthums waren die Barden (s.d.), die sich nach Einführung des Christenthums diesem bald anschlossen. Wenn die dem Columba zugeschriebenen Poesien auch aus späterer Zeit herrühren, so sind doch aus der Zeit vor der englischen Eroberung manche andere erhalten, so das Loblied auf den St. Patrik von einem seiner Schüler, dem Bischof Fiech; die Dinn Seanchas (Geschichte der Burger von Irland), verfaßt von Amergin Mac Amalgard im Jahre 544; das Uraicept, ein Lehrbuch für die Barden, von Amergin Ciuscala; die Gedichte auf den Tod des Königs Brian Born von dessen Geheimschreiber Mac Liag. Die Gedichte des Eochod Dallan aus dem 6. Jahrh. waren schon früh schwer verständlich, so daß sie von spätern Barden commentirt wurden. Viele Gedichte sind von Eochod O'Flan vorhanden, der im 9. Jahrh. lebte. Dem northumbrischen Könige Aldfrid wird (um 685) ein Lobgedicht auf Irland zugeschrieben. Eine Eigenthümlichkeit der irischen Poeste ist der Gebrauch des Reims. Nach der Eroberung Irlands durch Heinrich II. begann die irische Poesie zu sinken, u. die Barden, welche in den größern irischen Familien durch ihre Lieder die nationalen Erinnerungen wach erhielten u. auch sonst die patriotischen Bestrebungen ihrer unterdrückten Landsleute unterstützten, wurden von der englischen Regierung sehr bedrückt u. verfolgt. Mit den größeren irischen Familien u. ihrer Wohlhabenheit verschwanden auch die Barden immer mehr u. die Schlacht am Boyne vernichtete sie ganz, der letzte[58] derselben war Turlogh O'Carolan (geb. 1670, gest. 1737), dessen Gedichte nebst denen Anderer von Th. Furlory (geb. 1794, gest. 1827) übersetzt wurden. Als neuerer Sprößling des Bardenordens wird Cormac Cämon (gest. 1790) angesehen, u. noch immer treten irische Dichter auf, wie Mac Cabe u.a. Übertragungen irischer Bardengesänge haben u.a. Charlotte Brooke (Reliques of Irish poetry, Dublin 1789, u. Aufl. von Seymour, Dubl. 1816), Hardiman (nebst Texten, in Irish Minstrelsy or Bardic remains of Ireland, Dubl. 1831, 2 Bde.) u. Montgomery (Specimens of the early native poetry of Ireland, Dubl. 1847) gegeben. Besondere Erwähnung verdienen noch die sogenannten Fenischen Gedichte, welche die gaelischen Lieder Ossian's (s.d.) bilden. Schätzbare Denkmäler hat die I. L. auf dem Gebiete der Geschichtschreibung aufzuweisen. Die ältesten Fürsten Irlands sollen schon Seannachles an ihren Höfen gehalten haben, welche die Chronik des Landes zu führen hatten. Doch reichen die vorhandenen irischen Geschichtsquellen nicht über die Einführung des Christenthums hinaus. Viele Fragmente u. Denksprüche in der Landessprache über geschichtliche Begebenheiten enthalten die ältern Chronisten; die meisten derselben werden dem Cennsaelad (gest. 678) zugeschrieben. Von ältern schriftlichen Denkmälern ist nichts erhalten, namentlich nicht von dem Psalter von Tara, einem Buche, in welchem die wichtigsten Begebenheiten in Irland aufgezeichnet worden sein sollen. Die gereimten Genealogien u. Listen der Könige sind nur noch in späteren Abfassungen vorhanden. In die Mitte des 11. Jahrh. fällt die Schrift des Gildus Madadius, Abts von Ardbraechan, über die christlichen Könige von Irland u. des Gildas Coemhain (1072) metrische Chronologie der Herrscher Irlands. Der älteste auf uns gekommene eigentliche irische Annalist ist Tigernach O'Broein, gest. 1088. Demnächst sind zu nennen zwei verschiedene Annales Irisfalenses, die An nales Buellianae, ferner die wichtigen Annales Ultonienses von 431–1131, u. die Annales IV. Magistrorum, die 1634 von vier Franciscanern verfaßt wurden. Auch Donald O'Fihely schrieb in J. S. die Annalen seines Vaterlandes. Manche andere Arbeiten in lateinischer u. englischer Sprache über die Geschichte Irlands sind gedruckt worden; vgl. Nicolson, Irish historical library, Dublin 1724. Die erwähnten irischen Chronisten sind von O'Connor in den Scriptores rerum Hibernicarum (Dublin 1829–47, 4 Bde.), herausgeg. worden. Das Meiste, was noch in J. S. vorhanden ist, liegt noch ungedruckt in den Bibliotheken, vor allem in der des Herzogs von Buckingham zu Stowe (vgl. O'Conor, Bibliotheca manuscripta Stowensis, Buckingham 1819, 3 Bde.; Catalogue of an important collection of Mss. from Stowe, Lond. 1849), die jedoch 1849 versteigert wurde; dann im Trinity College zu Dublin, in der Bodleyana in Oxford, dem Britischen Museum, in den Bibliotheken des Sir Francis Egerton, des R. Peel u. der Iberokeltischen Gesellschaft zu Dublin. Die Erfindung der Buchdruckerkunst hat auf die Literatur u. Sprache der Iren wenig Einfluß geübt. Nur wenige Bücher wurden in der einheimischen Sprache gedruckt. Das erste irische Buch ist das Alphabetum et ratio legendi Hibernicum (1571); das zweite, eine Übersetzung des Neuen Testaments folgte erst 32 Jahre später (1603). Bis 1811 wurde das Neue Testament nur noch einmal (1681), sowie das Alte Testament einmal (1686) gedruckt, seit 1811 sind durch die Bibelgesellschaften verschiedene Ausgaben veranstaltet worden (das Neue Testament z.B. auch Lond. 1847). Überhaupt ist wenig für die J. s.u. L. geschehen, mit Ausnahme der Leistungen der Gaelischen od. Hiberokeltischen Gesellschaft, die 1806 zu Dublin gestiftet wurde u. seit 1808 ihre Transactions herausgibt. In neuester Zeit sind hierzu noch die Ossian Society u. die Irish Archeological Society getreten, welche verschiedene irische Literaturdenkmäler haben drucken lassen. Außerhalb Irland u. England hat die J. L. noch keine Bearbeitung gefunden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 58-59.
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