[560] Pairs (engl. Peers [spr. Piers], lat. Pares sc. curiae s. regni, d.i. Gleiche), die dem Monarchen am nächsten stehenden, mit ihm u. unter sich ebenbürtigen Adeligen der höchsten Rangklasse. Die Würde der P. (Pairie) entstammt dem Lehnwesen. Nach altem Herkommen bestand für alle altgermanischen Volksgerichte das Recht, daß Jedermann nur von Seinesgleichen zu richten sei. Dies führte nothwendig dazu, daß auch in den Gefolgschaften der Fürsten unter den ersten Vasallen sich ein eigener Stand ausbildete, welcher sich wegen seiner unmittelbaren Beziehungen zu dem Lehnsherrn als ein bevorrechteter Kreis betrachtete u. für seine Angelegenheiten als Standesrecht insbesondere die Ausübung eigener Gerichtsbarkeit durch Mitglieder dieses Standes in Anspruch nahm. Dieser unmittelbare Reichsadel, welcher oft auf seinen Lehnstücken wieder ein Abbild des großen Lehnstaates wiederholte, gewann aber auch in vielen Staaten durch seine hohe Stellung einen bedeutenden Einfluß auf die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten; er errang sich die Stellung eines Rathscollegiums (Staatsrathes), später einer Adelskammer, deren Zustimmung der Fürst in wichtigeren Angelegenheiten einzuholen genöthigt war. In dieser Bedeutung findet man die Pairie noch in manchen Vertretungen der neueren constitutionellen Staaten bes. als den Kern der Ersten Kammern wieder, Doch ist der geschichtliche Gang, auf welchem die Idee der Pairie zu ihrer allmäligen Ausbildung u. jetzigen Stellung gelangte, unter dem Einfluß äußerer Verhältnisse in den verschiedenen Staaten ein sehr verschiedener gewesen. In Frankreich war die Zahl der P. durch die zeitig zu großer Macht gelangte königliche Gewalt anfangs eine sehr kleine. Als Hugo Capet, Herzog von Francien, 987 den französischen Thron bestieg, waren neben ihm nur noch unmittelbare Lehnsfürsten od. P., nämlich die Herzöge von Burgund, Aquitanien u. der Normandie, u. die Grafen von Flandern, Toulouse u. Champagne. Diesen weltlichen P. traten als geistliche P. noch der Erzbischof von Rheims, als erster Kirchenfürst, u. die Bischöfe von Laon, Beauvais, Noyon u. Chalons, deren Sprengel unmittelbar am Krongebiet lagen, seit Ludwig VII. außerdem auch noch der Bischof von Langers hinzu. Der Einfluß dieser älteren Pairie erscheint jedoch bei den eigentlichen Reichsangelegenheiten als ein geringer, zumal seitdem die Herzogthümer u. Grafschaften der verschiedenen weltlichen P. nach u. nach mit der Königskrone verschmolzen u. nur noch die geistlichen P. übrig blieben. Gegen Ende des 13. Jahrh. wurde aber eine Reihe neuer Pairien geschaffen, zuerst in Großen der nachgeborenen königlichen Prinzen, dann auch anderer Großen des Reiches. So wurde 1296 das Herzogthum Bretagne,[560] die Grafschaften Artois u. Anjou u. 1361 ein neues Herzogthum Burgund gegründet. Allein auch diese Pairie erhob sich während der ganzen Königsherrschaft nicht zu großer, wirklich einflußreicher Bedeutung, obwohl man bes. seit der Mitte des 16. Jahrh. u. später noch unter Ludwig XVI. die Zahl der dazu gehörigen Mitglieder ziemlich ausdehnte, so daß zuletzt deren 38 bestanden, von denen die älteste Pairie die der Montmorency (seit 1551) war, die jüngste die des Herzogs von Richmond war. In den allgemeinen Reichsversammlungen (États généraux) wurden die P. bald von den anderen Ständen überflügelt, namentlich seitdem Philipp IV. genöthigt gewesen war, auch die Abgeordneten der Städte in dieselben aufzunehmen. Die P. nahmen daher mehr nur ausgezeichnete Ehrenstellen ein, welche bes. darin bestanden, daß sie in der Grande chambre des Parlaments von Paris Sitz u. Stimme hatten u. bei Hoffesten die ersten Stellen einnahmen. Ihre Theilnahme an den Staatsgeschäften beschränkte aber Ludwig XIV. durch eine Verordnung vom Jahr 1665 ausdrücklich dahin, daß die P. nur kraft einer königlichen Berufung Sitz u. Stimme im Staatsrath haben sollten. In der Revolutionsperiode gingen die Rechte der Pairie, wie alle anderen, welche an den Lehnsstaat erinnerten, gänzlich unter. Einen schwachen Anfang zur Gründung einer neuen schaffte erst das Senatusconsult vom 18. Mai 1804, wonach der Senat aus den französischen Prinzen, den Inhabern der Erzämter u. aus 80 Mitgliedern, welche der Kaiser erwählte, zusammengesetzt wurde. Indessen hatte der Senat unter dem Kaiserreiche kaum den Schein einer politischen Vertretung, noch weniger lag ihm die Idee der alten Pairie, daß die Mitglieder derselben als Pares curiae et regni Ebenbürtigkeit mit dem Kaiser haben sollten, zu Grunde. Mehr schloß sich an die Idee der alten P. u. an das Bild der englischen Verfassung die octroyirte Charte Ludwigs XVIII. vom 4. Juni 1814 durch die Aufnahme einer Pairskammer als erste Kammer der Volksvertretung an. Dieselbe wurde zugleich wieder Staatsgerichtshof u. bestand aus Mitgliedern, welche der König in unbeschränkter Zahl willkürlich auf Lebenszeit od. erblich ernennen konnte. Es wurden ungefähr 200 P. zu dieser Pairskammer ernannt. Napoleon behielt bei seiner Rückkehr von Elba 1815 die P. bei, änderte aber das Personal u. machte alle Pairsstellen erblich. Nach seiner abermaligen Vertreibung trat die octroyirte Charte wieder in Kraft, u. es wurden von den früher ernannten P. nur diejenigen ausgeschieden, welche sich in den Hundert Tagen verrätherisch od. zweideutig benommen hatten. Mach u. nach wurde die Zahl der P. sehr vermehrt, so daß unter dem Ministerium Villèle auf einmal 70 neue P. creirt wurden u. im Jahr 1830 man 359 weltliche u. 21 geistliche P. zählte. Unter Ludwig Philipp erschien ein neues Gesetz über die Pairie vom 29. Dec. 1839. Dasselbe behielt das königliche Ernennungsrecht der P. bei, schaffte aber die Erblichkeit der Pairie ab u. suchte den königlichen Einfluß dadurch zu begrenzen, daß es die Ernennung an gewisse Kategorien band, welche für Beruf u. Unabhängigkeit bürgen sollten. Es gelang indessen dieser neuen Pairskammer nicht den gehofften Einfluß zu gewinnen. Die Februarrevolution von 1848, in welcher die Pairskammer sich gänzlich ohnmächtig erwies, beseitigte auch diese Einrichtung. Der neue Senat, welchen Ludwig Napoleon durch die Verfassung vom 14. Januar 1852 einsetzte, ist wieder mehr dem Senate des ersten Napoleon nachgebildet.
In anderer Weise hat sich die Pairie in England entwickelt u. bis auf den heutigen Tag erhalten. Es gelang dem hohen Adel, sich bes. dadurch, daß nach dem nationalen Erbrecht der Übergang des Grundbesitzes nur auf den ältesten Sohn begünstigt ist, eine feste Stütze zu erhalten, welche ihm sowohl nach oben, als nach unten dauerndes Ansehn u. dauernden Einfluß sicherte. Unter der normännischen Dynastie waren ursprünglich alle Mitglieder des hohen Adels, welcher in die fünf Klassen der Herzöge, Marquis, Earls od. Grafen, Viscounts u. Barone zerfiel, berechtigt u. verpflichtet, in dem Reichsparlament zu erscheinen. Später ergingen immer nur an den Erstgeborenen der Familie Einladungsschreiben, u. aus diesen Einladungsschreiben leitete die Krone auch das Recht ab, neue P. zu berufen. Gegen die Mitte des 13. Jahrh. erfolgte mit dem Hinzutritt der niedern Ritterschaft, der Grafschaften u. der Vertreter der Städte zum Parlament die Theilung des letztern in ein Ober- u. Unterhaus, von welchen das erstere die P. allein aufnahm. Seitdem hat sich das englische Oberhaus als die Corporation der P. wesentlich seine Rechte erhalten. Diese Rechte sind, daß jeder P. erblicher königlicher Geheimerath ist u. als solcher im Oberhaus Sitz u. Stimme hat, daß kein P., außer in Fällen des Hochverrathes, verhaftet, keiner in solchem Falle vor ein anderes Gericht als das des Oberhauses gezogen werden darf, daß keiner einen förmlichen Eid abzulegen verpflichtet, sondern die Wahrheit auf sein Ehrenwort zu bestätigen berechtigt ist, daß Injurien gegen einen P. härter, als gegen Andere bestraft werden u. jeder P. sich eine Audienz bei dem Regenten ausbitten darf, um Vorstellungen wegen des Gemeinwohls zu machen. Ausnahmsweise ist die Pairie auch mit einigen Gütern verbunden, bei denen die Vererbung auf Frauen gestattet ist; eine solche Peereß genießt dann alle Rechte eines P., mit Ausnahme der, so lange die Frau im Besitze der Pairie ist, ruhenden Stimme im Oberhause. Die Ernennung neuer P. erfolgt im Ganzen selten; daß dabei nicht blos hohe Geburt, sondern vorzugsweise wirkliches Verdienst berücksichtigt wird, ist ein Hauptgrund dafür, daß die Pairie sich in dauerndem Ansehn erhalten hat. Gegenwärtig beträgt die Zahl der weltlichen P., neben denen auch noch einige geistliche Würdenträger das Recht der P. besitzen, 375, nämlich 22 Herzöge, 21 Marquis, 113 Grafen, 22 Viscounts u. 197 Barone. In Deutschland hat sich eine Pairie nicht bilden können, obwohl auch hier in dem hohen Adel des ehemaligen Deutschen Reiches die Grundlagen zu einer solchen von Anfang an vorhanden waren u. in dem Reichstag u. dem Fürstenrecht (Fürstengericht, Judicium parium), wonach die reichsständischen Herren nur von Fürsten unter dem Vorsitze des Kaisers gerichtet werden durften, sich bis zur Errichtung des Reichskammergerichtes die Idee lebendig erhielt. Allein durch die Erringung der Landeshoheit u. den damit von selbst eintretenden Verfall der Reichsverfassung gingen diese Grundlagen verloren. Zwar haben mehre Staaten versucht, durch die erbliche Berufung der Häupter angesehener Geschlechter, insbesondere solcher, welche früher reichsunmittelbar waren, in den ersten Kammern[561] eine Art von Pairie herzustellen; allein daraus hat sich die Idee der eigentlichen Pairie nicht entwickeln können, zumeist weil das traditionelle Ansehen, welches insbesondere die englische Pairie auszeichnet, sich durch eine blos politische Institution, welche in der Regel nicht einmal rein auf dem Princip einer Pairie basirt, sondern auch andere Elemente in sich vereinigt, nicht ersetzen läßt.
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