Peter I.

Peter I.
Peter I.

[458] Peter I. oder der Große, Alexjewitsch, erster Kaiser von Rußland, geb. am 30. Mai a. St. (11. Jun. n. St.) 1672 zu Moskau, war das erste Kind des 1676 verstorbenen Zaren Alexiej Michailowitsch von seiner zweiten Gemahlin Natalia Kirilowna, Tochter des Bojaren Narischkin.

Sein Vater schon hatte die frühzeitig sich aussprechenden Fähigkeiten P.'s bemerkt und ging damit um, ihn mit Übergehung des kränklichen Feodor und geistesschwachen Iwan, der beiden ältesten Söhne von seiner ersten Gemahlin, die Thronfolge zuzusprechen. Dies geschah indeß erst von seinem Nachfolger, dem Zar Feodor III. (1676–82), [458] mit Übergehung des Prinzen Iwan, und P. ward auch anfangs von den höchsten weltlichen und geistlichen Reichsbeamten, sowie von den Strelitzen als Zar anerkannt. Iwan's kluge und herrschsüchtige Schwester Sophia, die erklärte Feindin ihres Halbbruders P., brachte es aber durch einen Aufstand der von ihr verleiteten Strelitzen dahin, daß P. im Jun. 1682 nur neben Iwan gekrönt und ihr die Mitregentschaft zugestanden wurde. Ein zweiter gegen P.'s Leben gerichteter Aufruhr der Strelitzen mislang zwar durch die Treue des zum Schutze desselben herbeigeeilten russ. Adels, allein die Schwäche Iwan's und die Jugend P.'s erlaubten der Prinzessin Sophia nicht minder, unterstützt von ihrem Günstlinge Galiczyn, ihre Herrschsucht durch Alleinregierung zu befriedigen und endlich sogar Schritte zu thun, sich zur Beherrscherin des russ. Reichs aufzuwerfen. Sie hatte sich jedoch über den Charakter und die Bestrebungen P. I. getäuscht, von dem sie glaubte, daß er über ein zeit- und geisttödtendes, ausschweifendes Jünglingsleben das Interesse für Staatsangelegenheiten aus den Augen verloren habe. Allein die beiden Compagnien von Knaben, mit denen er während seines Aufenthaltes in den Dörfern Preobraschenskoy und Seminowski bei Moskau das Soldatenspiel trieb, und zu denen sich die Söhne der Vornehmen drängten, wuchsen mit P. heran, der durch seine Mutter und den frühern Unterricht des deutschen Mathematikers Franz Timmermann und des erfahrenen Diplomaten Nikita Moisnewitsch Sotow, eine zu gute Vorbildung erhalten hatte, als daß er bei seinen Anlagen nicht zur Selbständigkeit hätte gelangen sollen. Schon in jener frühen Zeit dachte P. an die Einbürgerung des im Auslande Vollkommenern, verkehrte viel mit Ausländern und schenkte namentlich sein volles Vertrauen dem talentvollen Genfer, Franz Jac. Lefort, geb. 1652, der anfangs in Hamburg für die Handlung bestimmt, aus Neigung in Holland Soldat geworden und als Secretair des dän. Gesandten nach Moskau gekommen war, wo P. ihn zum Hauptmanne seiner kleinen Truppe ernannte. Dadurch, daß P. der Regentin und ihrem Günstlinge endlich fühlen ließ, daß er keineswegs in seiner theilnahmlosen Lage verharren wolle, reizte er sie zu neuen Entwürfen gegen sein Leben, die bald nach seiner im Jan. 1689 vollzogenen Vermählung mit Eüdoxia Feodorowna Lapuchin zur Ausführung kommen sollten. Allein P. wurde davon benachrichtigt, begab sich in das befestigte Kloster Troizkoi, wo ihn seine beiden Compagnien, welche später der Kern der noch bestehenden und die Namen der oben erwähnten Dorfschaften führenden Garderegimenter wurden, einstweilen bewachten, auf seinen Ruf aber bald eine solche Macht ihm Getreuer sich versammelte, daß die Regentin sich ergeben und in ein Kloster verweisen lassen mußte. Galiczyn wurde nach Sibirien verbannt und die Verschworenen bestraft, P. aber umarmte bei seinem feierlichen Einzuge in Moskau vor allem Volke seinen Halbbruder Iwan, dessen Name bis an seinen Tod im J. 1696 allen öffentlichen Verordnungen vorgesetzt wurde, obgleich P. die ihm gern überlassene eigentliche Gewalt besaß. Jetzt begann seine außerordentliche Thätigkeit zur Beförderung der Civilisation in Rußland, welches darin dem übrigen Europa weit nachstand, mit dem sich P. zu seiner eignen, wie des Reiches Sicherheit zunächst in günstige Beziehungen zu setzen, zugleich aber durch Herstellung eines nach europ. Muster gebildeten Heers und einer Flotte, seinen Bestrebungen für alle Fälle den erfoderlichen Schutz zu sichern und durch Eroberungen am schwarzen und am baltischen Meere die dem russ. Handel, das weiße Meer ausgenommen, abgehenden Häfen zu gewinnen suchte. Außer Lefort wurde der Schottländer, General Gordon, der Lehrmeister des Landheers, in welches viele von den aus Frankreich vertriebenen Hugenotten eintraten, der Anfang zur Seemacht aber ward unter Leitung des Holländers Karsten Brand gemacht, welchen schon P.'s Vater in den russ. Dienst gezogen und zum Schiffbau am kaspischen See gebraucht hatte. P. selbst nahm an der Ausführung dieser und späterer Entwürfe mit einer oft abenteuerlich erscheinenden und ins Kleinliche gehenden Selbstthätigkeit den eifrigsten Antheil und gab so der Trägheit der vornehmen Russen nicht blos ein vortreffliches Beispiel, sondern bewährte auch seine Umsicht und geistige Kraft, welche ihn über das Einzelne das Ganze nicht aus den Augen verlieren ließ und die Freiheit seines Überblicks bewahrte, während seine Ausdauer die seinen Entwürfen entgegentretenden Hindernisse meist überwand.

Bisher war der noch aus der Zeit vor P. I. Alleinherrschaft her mit der Pforte geführte Krieg sehr nachlässig behandelt worden, allein 1695 wurde ein Feldzug mit ansehnlichen Streitkräften hauptsächlich zur Eroberung von Asow unternommen, die jedoch fehlschlug. Inzwischen hatte P. sich aber Ingenieurs und andere Sachverständige aus Deutschland und Holland kommen und auf dem bei Woronesch an der Mündung des gleichnamigen Flusses in den Don neuangelegten Schiffswerfte die erste russ. Flotte von 23 Galeeren und mehren kleinen Fahrzeugen bauen lassen, mit der er im J. 1696 die türk. vor Asow schlug, und nun im Jul. diesen Platz in seine Gewalt bekam. Noch ehe ihm der in Folge neuer Siege über die Pforte 1699 mit derselben abgeschlossene Stillstand zu Karlowitz, der 1700 auf 30 Jahre verlängert wurde, den Besitz von Asow zugestand, hatte P. [459] durch Erweiterung der Festungswerke und die Erbauung großer Kriegsschiffe, zu der auch der Adel, die Kaufleute und die Geistlichkeit Gelder hergeben mußten, für die Behauptung desselben gesorgt. Während seiner Abwesenheit von Moskau war aber dort unter den Strelitzen wieder eine Verschwörung gegen ihn angestiftet worden, allein noch vor ihrem Ausbruch bemächtigte sich P. mit großer persönlicher Entschlossenheit im Febr. 1697 der Haupttheilnehmer, indem er eines Nachts nur von einem Offizier begleitet, plötzlich in ihrer Versammlung erschien, und ließ sie hinrichten. Der Zwist um die Königswahl nach dem damals erfolgten Tode des Johann Sobieski von Polen war P. eine willkommene Gelegenheit, den größern Theil der meuterischen Strelitzen an die Grenze von Lithauen zu schicken, während die übrigen zur Deckung der Eroberungen in der Krim abgingen. Nachdem er noch eine Reichsverwaltung angeordnet hatte, glaubte er nun die von ihm längst beabsichtigte Reise ins Ausland unternehmen zu können, um an Ort und Stelle die Einrichtungen, Künste und Zustände civilisirter Staaten kennen zu lernen. Er that dies mit einer großen Gesandtschaft an auswärtige Höfe, bei der er sich mit dem Titel Großcommandeur befand und an deren Spitze Lefort stand. Die Reise ging durch das damals schwed. Esth- und Liefland über Königsberg und Berlin nach Holland, wo P. im Dorfe Zandam sieben Wochen in einem zum Andenken daran noch erhaltenen Häuschen (s. Amsterdam) als gemeiner Schiffzimmermann unter dem Namen Peter Michaeloff lebte und an einem von ihm bestellten Kriegsschiffe mitarbeitete. Im folgenden Jahre ging er nach London, wo er am königl. Schiffswerft wohnte und ebenfalls arbeitete, dabei aber beständig den Briefwechsel mit seinen Ministern führte und sich auf alle Weise um genaue Einsicht in Künste und Gewerbe bemühte, in vielen, wie z.B. auch in chirurgischen Operationen, sich selbst übte und keinen Aufwand sparte, um kenntnißreiche und geschickte Männer aus allen Fächern für Rußland zu gewinnen. Um auch Italien zu besuchen, war P. über Dresden in Wien angelangt, als er die Nachricht von einer neuen Empörung der Strelitzen erhielt, welche eigenmächtig aus Lithauen den Rückmarsch nach Moskau angetreten hatten, wo ein Theil der über manche Neuerung unzufriedenen Geistlichkeit und mehre Bojaren ihnen zu einer Regierungsveränderung die Hand bieten wollten. Der eilig nach Moskau Zurückkehrende fand jedoch die Aufrührer durch Gordon schon überwältigt und hielt ein blutiges Strafgericht, bei dem gegen 2000 Menschen, dabei mehre von P.'s eignen Händen, das Leben verloren. Da auf seine Halbschwester Sophia der Verdacht fiel, die Empörung angestiftet zu haben, ließ er rings um das von ihr bewohnte Kloster Galgen errichten und daran 130 Verschworene, drei davon aber, welche eine Bittschrift an die Prinzessin entworfen hatten, mit diesen Papieren in den Händen, grade vor dem Fenster ihrer Zelle henken. Auch auf seine Gemahlin Eudoxia fiel ein Verdacht der Theilnahme und sie mußte im Kloster Susdal unter dem Namen Helena den Schleier nehmen, wozu vielleicht persönliche Abneigung viel beitrug, da sie zu P.'s Untreue nicht zu schweigen verstand. Der kleine Überrest des Strelitzencorps wurde nach Astrachan verwiesen und 1705 in Folge eines nochmaligen Aufruhrs ganz aufgelöst.

Nach Beseitigung der Empörer wurden andere Truppen auf europ. Weise organisirt und die auf P.'s Reise gemachten Erfahrungen angewendet; die Finanzeinrichtung wurde vereinfacht, veraltete Sitten wurden durch Machtsprüche abgeschafft, die Bärte verboten, Schulen und andere Bildungsanstalten und Buchdruckereien gegründet, nützliche Schriften eingeführt und den oft hervorgetretenen Anmaßungen der Geistlichkeit durch neue kirchliche Einrichtungen und dadurch ein Ziel gesetzt, daß P. die Stelle des 1700 gestorbenen Patriarchen Adrian nicht wieder vergab, sich später selbst zum Haupt der russ. Kirche erklärte und die h. dirigirende Synode zur speciellen Leitung der kirchlichen Angelegenheiten 1721 einsetzte. Indem sich P. 1699 dem Bündnisse von Dänemark und Polen wider Schweden auf Patkul's (s.d.) Zureden anschloß und auf einen erkünstelten Vorwand hin dem Könige Karl XII. im J. 1700 den Krieg erklärte, begann P. nur die Ausführung seiner Pläne auf Eroberungen an der Ostsee, um dort Häfen und Handelsplätze zu gewinnen. Zwar wurden gleich in der ersten Schlacht bei Narwa am 30. Nov. 1700 von 8000 Schweden die fünfmal überlegenen Russen total geschlagen, allein P. I. tröstete sich damit, daß die Russen dadurch nur noch mehr angespornt werden würden, auch siegen zu lernen, und rüstete ein neues Heer aus. In der That begannen auch mit dem am 22. Jan. 1702 vom General Scheremetow bei Eresfer in Liefland erfochtenen Siege über ein schwed. Corps jene Eroberungen, in deren Folge P. 1703 auf der Insel Ljust-Elant unweit der Newamündung, den Bau der Festung St.-Petersburg, daneben die Gründung der gleichnamigen Stadt und zu ihrem Schutze 1704 der Festung Kronslot vornehmen konnte, die unter Menschikoff's (s.d.) Leitung, der die Stelle des inzwischen verstorbenen Lefort eingenommen hatte, freilich mit rücksichtsloser Aufopferung von Menschen und Lastthieren, binnen einem Jahre emporstieg. Als endlich Karl XII. (s.d.) mit seiner Hauptmacht durch Polen heranzog, um Rußland von Neuem zu demüthigen, sich aber durch die Versprechungen des Kosackenhetman Mazeppa (s.d.) ins südl. Rußland verlocken ließ, wurde am 8. Jul. 1709 bei Pultawa seine Macht vernichtet und er rettete sich mit Mühe auf türk. Gebiet. Hierauf stellte P. den König August II. in Polen wieder her und die Eroberungen am baltischen Meere fortsetzend, hatte er Petersburg schon zur künftigen Residenz ausersehen, als ihn die von Karl XII. veranlaßte Kriegserklärung der Türken nach dem S. seines Reichs rief. Vorher errichtete er noch zur Leitung der Regierungsgeschäfte den dirigirenden Senat, der jedoch ganz von ihm abhängig war und dessen Sitz 1712 von Moskau nach Petersburg verlegt wurde. Daß der Krieg mit den Türken unglücklich ausging und P. mit seinem Heere am Pruth durch unvorsichtiges Vorrücken in eine Lage gerieth, wo blos zwischen Tod und Gefangenschaft zu wählen war, aus welcher ihn jedoch der von seiner ihm 1707 heimlich vermählten zweiten Gemahlin (s. Katharina I.) mittels Bestechung des Großveziers und durch Zurückgabe von Asow und die Schleifung der in jener Gegend angelegten festen Plätze erkaufte Friede am Pruth (23. Jul. 1711) rettete, that der Fortsetzung des Kriegs mit Schweden keinen Eintrag und der Friede zu Nystadt beendigte erst im Sept. 1721 diesen 21jährigen Kampf, welcher gewöhnlich der nordische Krieg genannt wird. Schweden trat darin Liefland, Esthland, Ingermanland, [460] einen Theil von Finnland und von Karelien an Rußland ab, und alle von Kurland bis Wiburg an der Ostseite des baltischen Meeres gelegenen Inseln. Der Senat und die h. Synode baten hierauf P. I., den Titel Kaiser aller Reußen anzunehmen, was auch am großen Friedensfeste (22. Oct. 1721) geschah und welchen Preußen, Schweden und Holland sogleich, andere Staaten erst viel später anerkannten. Um den russ. Handel auf dem kaspischen See zu sichern, überzog P. 1722 Persien mit Krieg und erhielt in dem 1723 geschlossenen Frieden die Städte Baku, Derbent und Theile von den pers. Provinzen am Westufer des kaspischen Sees abgetreten. Im J. 1724 lief P. mit seiner Flotte aus, die jetzt 41 Segel mit 2106 Kanonen zählte, um bei Schweden und Dänemark seiner Verwendung für den Herzog von Holstein, dem er Schleswig wieder zu verschaffen versprochen hatte, Nachdruck zu geben, dem auch hierauf ein Jahrgeld von 25,000 Rthlr. und die Thronfolge in Schweden zugesichert wurde.

Während dieser kriegerischen Unternehmungen, an denen P. als Soldat zu Lande und zur See großen persönlichen Antheil nahm und z.B. bei Pultawa als Oberst eines Garderegiments, zur See als Bombardiercapitain, Contre- und Viceadmiral focht und seine Beförderung von bewiesener Auszeichnung abhängig machte, betrieb er unausgesetzt die Civilisation und Beförderung des Wohlstandes seines Reichs, gründete und hob Manufacturen und Fabriken, ließ Kanäle graben und suchte Handelsverbindungen anzuknüpfen. Selbst mehre Reisen ins Ausland unternahm P., besuchte zur Herstellung seiner Gesundheit 1711 und 1712 Karlsbad, 1715 Pyrmont und ging zu Ende 1716 nach Holland und nach Frankreich, mit dem er einen Freundschafts- und Handelstractat abschloß, und begünstigte auch auf alle Weise das Reisen der Russen im Auslande. Schon 1700 hatte er den Anfang des bisher im Sept. begonnenen russ. Jahres in den Jan. verlegt und um den Ehrgeiz des russ. Adels anzuspornen, 1699 den Andreasorden gestiftet, wozu später noch der der h. Katharina und der Alexander-Newskyorden kam. Ein Land- und Seekriegsreglement wurde erlassen, wo ihm von Bedrückungen der Großen gegen die untern Stände und von Veruntreuungen der Beamten etwas zu Ohren kam, die genaueste Untersuchung angeordnet und der Schuldige mit grausamer Strenge oft an Leben und Freiheit, an Vermögen oder durch körperliche Züchtigung bestraft, die P. an ihm persönlich Nahestehenden häufig selbst mit seiner Dubina, einem dicken span. Rohre, vollzog. Seinen einzigen Sohn erster Ehe, Alexei, vermählte er 1711 mit einer Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel, fand sich aber durch dessen den Plänen P.'s ganz entgegenlaufendes Benehmen bewogen, ihm mit Enterbung zu drohen, worauf Jener von selbst auf die Krone verzichtete, später aber sich zu Umtrieben hergab, wegen der er 1717 von einem auf seines Vaters Befehl ernannten Gericht zum Tode verurtheilt wurde und diesen Ausspruch nur 24 St. überlebte. (S. Alexei Petrowitsch.) Der zweite von Katharina im Nov. 1717 geborene Sohn P.'s starb 1719 ebenfalls, was den Zar so bekümmerte, daß er drei Tage und drei Nächte allein und ohne Speise und Trank blieb, ehe er Meister seines Schmerzes wurde. Außerdem hatte P. von Katharina zwei Töchter, Anna, vermählt 1724 mit dem Herzoge Karl Friedrich Ulrich von Holstein-Gottorp, und Mutter des unglücklichen Kaiser Peter III. (s.d.), und die nachherige Kaiserin Elisabeth (s.d.). Zu den wichtigsten Erlassen P. I. gehört auch das Erbfolgegesetz von 1722, welches bestimmt, daß jeder russ. Herrscher wen er wolle zur Thronfolge berufen und selbst die geschehene Ernennung ändern könne, wenn er sie untauglich finde. Verbesserungen der Gesetzgebung, die Verbannung der unnützen Kapuziner, wie früher der Jesuiten, die Reform des griech. Mönchswesens, die Errichtung einer Akademie der Wissenschaften (1. Febr. 1725) gehörten zu den Gegenständen, welche in der letzten Zeit seine Thätigkeit in Anspruch nahmen, ehe ihn 1725 am 8. Febr. der Tod nach einer sehr schmerzlichen Krankheit hinraffte, die er sich im Herbst dadurch zuzog, daß er selbst ins Wasser sprang, um ein gestrandetes Fahrzeug flott machen zu helfen, durch die dabei erfahrene Erkältung aber ein von ihm ohnedies vernachlässigtes Übel der Harnblase aufs höchste steigerte. P. war mit einem kräftigen Körper begabt, sein Äußeres bei aller Einfachheit seiner gewöhnlich in einem grauen Rocke und hohen Stiefeln bestehenden Kleidung, gebietend und eines Herrschers würdig. Seine gewöhnliche Lebensweise war einfach, doch gab er sich bei Gelegenheit der Unmäßigkeit im Trinken und dem Jähzorn hin, war aber meist bald der Billigkeit wieder zugänglich. Allerdings betrieb er seine Zwecke mit eisernem Willen und oft grausamen Mitteln, aber P. I. scheint überzeugt gewesen zu sein, daß die Russen seiner Zeit auf keine andere Weise der Bildung [461] zugänglich gemacht werden könnten und legte auf diesem Wege, sowie als Eroberer den Grund zu Rußlands späterer Größe. Seine Nachfolgerin wurde seine Gemahlin Katharina I. (s.d.), Katharina II. aber ließ ihm zur Feier seiner Thronbesteigung 1782 auf dem Peters- oder Senatsplatze zu Petersburg die vorstehend abgebildete, mehr als lebensgroße, eherne Reiterstatue von dem franz. Bildhauer Falconet errichten, welche auf einem 17,000 Ctr. schweren Granitblock ruht, der dazu aus einem mehre Meilen weit entfernten Sumpfe hergeschafft wurde und die Inschrift trägt: Peter I. von Katharina II.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 458-462.
Lizenz:
Faksimiles:
458 | 459 | 460 | 461 | 462
Kategorien:

Buchempfehlung

Musset, Alfred de

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon