[675] Kriegssanitätswesen (hierzu Tafel »Kriegssanitätswesen I u. II«), auch Armee-, Militär-, Feldsanitätswesen; der Inbegriff aller Einrichtungen und Vorkehrungen zur Erhaltung eines guten Gesundheitszustandes (Gesundheitsdienst) sowie zur Pflege verwundeter und erkrankter Krieger (Krankendienst, Kriegskrankenpflege). Das K. ist geregelt durch die Kriegssanitätsordnung (s. d.). Ausübende Organe des Kriegssanitätswesens sind das Militärsanitätspersonal, die dirigierenden, ordinierenden und assistierenden Ärzte, die Sanitätsunteroffiziere, Krankenwärter, Krankenträger, die Militärapotheker und die Verwaltungsbeamten. Vgl. Sanitätskorps.
I. Der Gesundheitsdienst bezweckt die Erhaltung eines guten Gesundheitszustandes unter den Truppen durch Berücksichtigung der hygienischen Anforderungen an Unterkunft, Kost, Bekleidung, Ausrüstung, Art der militärischen Übungen und des Dienstbetriebes (Exerzieren, Turnen, Märsche etc.) sowie durch Verhütung und Abwehr besonders solcher Krankheiten, die durch die Eigentümlichkeit des Heeresdienstes begünstigt werden (vgl. Heereskrankheiten).
II. Der Krankendienst zerfällt in den Friedensdienst und die Militärkrankenpflege im Kriege. Im Frieden werden Kranke, die eine Wiederherstellung in kurzer Zeit versprechen oder nicht an einer ansteckenden Krankheit leiden, unter Belassung in ihrem Truppenteil, jedoch unter Befreiung vom Dienst, von dem zugehörigen Sanitätspersonal behandelt (Revierkranke) und am Tage in besondern Revierkrankenstuben vereinigt. Die übrigen Kranken scheiden bis zur Wiedererlangung ihrer völligen Dienstfähigkeit aus der Verpflegung, Strafgewalt etc. ihres Truppenteils aus und gehen in die Militärkrankenanstalten (Lazarette) über (Lazarettkranke).
Der Krankendienst bei der Armee im Felde (Kriegskrankenpflege, geregelt durch die Kriegssanitätsordnung vom 10. Jan. 1878, und die Kriegsetappenordnung vom 3. Sept. 1887) erweitert sich gegenüber dem Friedensdienst durch Hinzutreten zahlreicher neuer Feldstellen, durch Ausstellung umfangreicher Feldsanitätsformationen (Sanitätsdetachement, Feldlazarett, Etappenlazarett, Lazarettreservedepot, Krankentransportkommission, Sanitätszüge etc.) sowie durch die amtlich organisierte Beteiligung der freiwilligen Krankenpflege. Der Chef des Feldsanitätswesens im Großen Hauptquartier leitet den Sanitätsdienst im Heer, ihm ist das gesamte Sanitätspersonal in den Lazaretten und bei den Truppen unterstellt. Zu jedem Armeeoberkommando gehört ein Armeegeneralarzt, zu jedem Armeekorps ein Korpsarzt, dem die Divisions- und die Truppenärzte (s. Sanitätskorps) unterstehen. Der Feldarmee werden ferner als konsultierende Chirurgen hervorragende Zivilärzte, besonders Professoren, zur Unterstützung der behandelnden Ärzte auf den Verbandplätzen wie in den Lazaretten beigegeben. Den Etappeninspektionen (s. Etappe) sind zur Leitung des Rücktransports (Evakuation) Kranker und Verwundeter Etappengeneralärzte und Krankentransportkommissionen sowie Feldlazarettdirektoren beigegeben, welche die Einrichtung und Auflösung der Kriegs- und Etappenlazarette zu leiten haben. Als Hilfspersonal dienen die Krankenträger, Hilfskrankenträger sowie die Krankenwärter.
Der Krankendienst wird im allgemeinen auch im Felde von den Truppenärzten und Sanitätsunteroffizieren nach den für die Friedensverhältnisse maßgebenden Bestimmungen ausgeübt (Revierdienst), erforderlichenfalls auch unter Errichtung von Krankenstuben mit Zuhilfenahme von Truppensanitätsmaterial. Bei der Entwickelung eines Gefechts beginnt der Krankendienst mit der ersten Hilfe im Gefecht, die den von Hilfskrankenträgern (Tafel I, Fig. 1) nach den Truppenverbandplätzen gebrachten Verwundeten durch Anlegung eines Notverbandes geleistet wird. Von diesen Verbandplätzen werden die Verwundeten durch die Krankenträger der Sanitätskompanien auf Tragen (Tafel I, Fig. 2) nach den Hauptverbandplätzen gebracht. Hier werden die Verwundeten in Transportierbare und Nichttransportierbare (Leicht- u. Schwerverwundete) geschieden, unaufschiebbare Operationen ausgeführt und den Leichtverwundeten ein rotes, den Schwerverwundeten ein weißes Wundtäfelchen mit Angabe der Art der Verletzung und gewährten Hilfe angeheftet; dann werden die Verwundeten nach den Feldlazaretten geschafft, die in Gebäuden, ausnahmsweise in Zelten (Tafel I, Fig. 3) oder Baracken, zur dauernden Behandlung der Kranken eingerichtet werden. Ein wesentlicher Fortschritt besteht in der Einführung der transportabeln Lazarettbaracken nach[675] Döckerschem System (Tafel I, Fig. 4). Mit dem Vorrücken der Truppen werden die Feldlazarette durch Lazarettreservepersonal abgelöst und in Kriegslazarette verwandelt, womit sie unter die Verwaltung der Etappeninspektionen treten, während die Feldlazarette der operierenden Armee folgen. In den Kriegslazaretten beginnt die Krankenzerstreuung (Evakuation), d. h. die Verteilung und Überführung der Verwundeten in weiter rückwärts gelegene Lazarette und Heilstellen bis in die Heimat. Leichtkranke und Leichtverwundete kommen zu den Krankensammelstellen; von dort, ist ihre baldige Wiederherstellung zu erwarten, in die Etappenlazarette, andernfalls in Krankenzügen zur Heimat. Die nur liegend und in besondern Lagerungsvorrichtungen zu transportierenden Schwerverwundeten und Schwerkranken werden in besondern Sanitäts- (Lazarett-, Hospital-) Zügen befördert, deren jeder ein in sich geschlossenes Ganzes bildet und aus 38 Wagen, darunter 24 Krankenwagen (Tafel II, Fig. 1 u. 2; Tafel I, Fig. 57) mit je 12 Lagerstätten, 2 Küchen (Tafel II, Fig. 3 u. 4), 2 Vorratswagen etc., besteht, auch ein ständiges Sanitätspersonal besitzt. Sämtliche Wagen sind Durchgangswagen, so daß auch während der Fahrt ein Verkehr durch den ganzen Zug stattfinden kann. Die Leichtkranken und-Verwundeten sind von diesen Zügen ausgeschlossen. Längs der Bahnlinien werden Erfrischungs-, Verpflegungs-, Verband- und Übernachtungsstationen eingerichtet. In der Heimat dienen Reservelazarette zur Aufnahme der vom Kriegsschauplatz eintreffenden Verwundeten und Kranken; als solche finden entweder Friedens-Garnisonlazarette Verwendung, oder sie werden neu eingerichtet. Auch Vereinslazaretten, in Ausnahmefällen auch der Privatkrankenpflege, können die Kranken und Verwundeten übergeben werden. Aus diesen heimatlichen Heilanstalten werden sie entweder als geheilt zu ihren Truppenteilen oder als Invaliden entlassen. Zur Ergänzung des verbrauchten Lazarettmaterials (Verbandstoffe, Arzneien etc.) bei den Feld- und Kriegslazaretten werden den Etappeninspektionen mobile Lazarettreservedepots mit 20 bespannten Fahrzeugen überwiesen.
Auf gleicher Grundlage beruhen die Einrichtungen für die Kriegskrankenpflege in den übrigen Großstaaten. In Österreich steht an der Spitze der Feldmilitärärzte der Armeechefarzt; dem Armee-Intendanten ist ein Sanitätschef der Armee-Intendanz beigegeben; dem erstgenannten sind unterstellt: die Korps- und Divisions-Chefärzte und die Truppenärzte. Zu den Feldsanitätsanstalten zählen: a) die Divisionssanitätsanstalten und die Feldsanitätskolonnen des Deutschen Ritterordens; b) die Feldspitäler u. Blessiertentransportkolonnen des Roten Kreuzes; c) die Feldmarodenhäuser; d) die Reservespitäler auf dem Kriegsschauplatz; e) die Krankenhaltestationen; f) die Eisenbahn-Sanitäts- und die -Krankenzüge; die Schiffsambulanzen. In Frankreich ist die Kriegskrankenpflege geregelt durch das Reglement vom 25. Aug. 1884, das von denselben Grundsätzen ausgeht wie die deutsche Kriegssanitätsordnung. Den ärztlichen Dienst leitet ein Generalinspekteur, bei jeder Armee befindet sich ein médecin-inspecteur, bei jedem Korps ein médecin-principal; die Divisionen, Brigaden, Ambulanzen, Feldlazarette haben Chefärzte. Infirmiers und Brancardiers versehen den Hilfsdienst. In gleicher Rangordnung mit den Ärzten stehen die Pharmazeuten. Zunächst der Gefechtslinie sind die Ambulanzen tätig, die sich in drei Sektionen, eine fliegende, eine Reserveambulanz und ein Feldspital, gliedern. In der zweiten Linie befinden sich die mobilen und die stehenden Feldlazarette, die Evakuationslazarette, von denen die Absendung nach dem Inland erfolgt, sowie Bahnhofsambulanzen, Hilfslazarette etc. Die chefs de campement haben für die Verbandplätze und Lazarette geeignete Plätze aufzusuchen.
Die freiwillige Krankenpflege ist die Betätigung des Volkes an der Milderung des Kriegselends und der Not, die Verwundete und Kranke der kämpfenden Armeen zu ertragen haben, durch Hilfeleistung nach jeder Richtung, sei es persönlich oder durch Beisteuer an Geld oder Material. (Im Krieg 1870/71 sind in Deutschland durch freiwillige Gaben gegen 55 Mill. Mk. aufgebracht worden.) Zweck der freiwilligen Krankenpflege ist, den amtlichen Sanitätsdienst zu unterstützen und in einzelnen Punkten zu ergänzen. Bedingungen für ihre Mitwirkung sind: 1) direkte Einordnung in das militärische System und gesetzliche Regelung des Verhältnisses zu den Militär- und Sanitätsbehörden; 2) Organisation der Vereine und Genossenschaften in sich und zueinander; 3) Festhalten bestimmter Grenzen für die Tätigkeit, namentlich Beschränkung auf den Bereich außerhalb des Schlachtfeldes (zweite und dritte Linie). In der ersten Linie, im unmittelbaren Anschluß an die Feldarmee ist nur ausnahmsweise mit besonderer Genehmigung des Kriegsministeriums eine Tätigkeit der freiwilligen Krankenpflege gestattet. Die Bildung der Vereine vom Roten Kreuz ist hervorgegangen aus der Genf er Konvention; ihr Verhältnis zu den staatlichen Sanitätseinrichtungen hat in Deutschland gesetzliche Regelung gefunden. Die freiwillige Krankenpflege darf keinen selbständigen Faktor neben der staatlichen bilden, und eine Mitwirkung kann ihr nur insoweit eingeräumt werden, als sie den Anordnungen der zuständigen Militärbehörden sich einfügt und von der Staatsbehörde geleitet wird. Aber es wird auch den verbündeten deutschen Vereinen vom Roten Kreuz und den Ritterorden (Johannitern, Maltesern und St. Georgsrittern) das Recht zuerkannt, den Kriegssanitätsdienst zu unterstützen. Vereine zum Zweck freiwilliger Hilfe, die bei Ausbruch eines Krieges sich bilden und zu den staatlich anerkannten Vereinen vom Roten Kreuz oder den Ritterorden in keiner Beziehung stehen, sind von jener Berechtigung ausgeschlossen. An der Spitze der gesamten freiwilligen Krankenpflege steht der kaiserliche Kommissar und Militärinspekteur, der vom Kaiser bereits im Frieden ernannt wird und im Kriege dem Großen Hauptquartier angehört. Er vermittelt die Beziehungen der deutschen Vereine vom Roten Kreuz und der Ordensvertretungen zur Armee und erhält vom Kriegsministerium und dem Chef des Feldsanitätswesens die nötigen Weisungen. Unter seiner Leitung sind in den einzelnen Ländern Landesdelegierte, außerdem Provinzial-, Bezirks- und Ortsdelegierte, bei den stellvertretenden Generalkommandos Korps-, bei den Linienkommissionen Linien- (Etappen-), in armierten Festungen Festungsdelegierte tätig. Bei jeder Etappeninspektion befindet sich ein Armeedelegierter, bei den Armeekorps neben dem Feldlazarettdirektor ein Korpsdelegierter, bei den Krankentransportkommissionen ein Etappendelegierter, auf jeder Sammelstation ein Unterdelegierter.[676]
Die Aufgaben der freiwilligen Krankenpflege erstrecken sich auf die Unterstützung der Krankenpflege, der Krankentransporte, die Sammlung und Beförderung freiwilliger Gaben. Das hierbei zu verwendende Personal muß deutscher Nationalität, militärfrei, unbescholten und für den betreffenden Dienst befähigt sein. Auch gediente, noch wehrfähige Landsturmpflichtige nach Überschreitung des 40. Lebensjahres dürfen herangezogen werden. Das auf dem Kriegsschauplatz befindliche Personal ist den Militärgesetzen unterworfen und verpflichtet, die durch kaiserliche Verordnung vorgeschriebene Uniform zu tragen. Die Freiwilligkeit der Dienstleistung hört mit dem Beginn der Kriegstätigkeit auf. Für Einkleidung und Löhnung sorgen die Vereine. Nur den in den Lazaretten tätigen Mitgliedern kann eine tägliche Geldentschädigung gewährt werden. Die Mundverpflegung liefert der Staat. Der Korpsdelegierte verabfolgt die Legitimationskarten und abgestempelten Neutralitätsbinden. Internationale Hilfe ist bei der Feldarmee gänzlich ausgeschlossen, innerhalb Deutschlands bedarf sie besonderer Genehmigung des Kriegsministeriums. Das Hilfspersonal gliedert sich in folgender Weise: 1) Lazarettdetachements, für jedes Armeekorps je eins. 2) Begleit- und Transportdetachements. 3) Depotdetachements, je eins für die Etappeninspektion. Im Inlande gliedert sich das freiwillige Hilfspersonal wie auf dem Kriegsschauplatz, und seine Tätigkeit erstreckt sich auf Anlage von Depots an den Etappenansangsorten, Ausstellung von Lazarettzügen, Errichtung von Vereinslazaretten, bez. Übernahme von staatlichen Reservelazaretten in die eigne Verwaltung, Hilfsleistungen bei der Nachrichtenvermittelung über die Verwundeten. In der Organisation des Zentralnachweisebureaus zur Vermittelung von Nachrichten ist dem freiwilligen Hilfskörper eine weitgehende Beteiligung gesichert. In Österreich ist die Mitwirkung der Österreichischen Gesellschaft und des Ungarischen Vereins vom Roten Kreuz, neben denen noch die Ritterorden (Malteser und Deutschritter-Marianer) bestehen, in ähnlicher Weise geregelt wie in Deutschland. Die von diesen Vereinen aufzustellenden Blessierten-Transportkolonnen sind auf die Feldspitäler verteilt. Ein Mitglied des Herrscherhauses ist Protektor-Stellvertreter, der im Krieg als Generalinspektor an die Spitze der freiwilligen Krankenpflege tritt. In Frankreich, wo das Verhältnis der freiwilligen Hilfe zu Staat und Heer durch Dekret vom 3. Juli 1884 geregelt ist, ist der Verein vom Roten Kreuz direkt dem Kriegsministerium unterstellt und wird bei der Armee durch Delegierte vertreten, die der Kriegsminister bestätigt und entsendet. In Rußland, England, Italien, Schwedenl etc. bestehen ähnliche Einrichtungen der freiwilligen Krankenpflege.
Bei den alten Griechen wirkten Pfeilzieher durch das Ausziehen von Pfeilen, Stillen von Blutungen und Anlegen von Verbänden. Xenophon hatte bei dem Rückzug der Zehntausend Wundärzte mit; auch die ägyptischen Heere wurden von heilkundigen Männern, meist Priestern, begleitet; bei ihnen finden sich auch die ersten Spuren von Kriegslazaretten, die bei den Griechen ganz fehlten, obgleich auch den Heeren Philipps und Alexanders d. Gr. Ärzte folgten. In den ältern Zeiten der römischen Republik war die Fürsorge für die Verwundeten und Kranken sehr gering, später wurden diese nach Rom zur Pflege zurückgeschickt und dort an die Bürger verteilt; für schmachvoll galt es, sie schutzlos zu verlassen. Die Armeen Cäsars hatten zwar Ärzte, ihre Wirksamkeit war aber beschränkt. Erst unter Augustus trat ein geordneter Feldsanitätsdienst ins Leben; Ärzte und Krankenträger waren auf die Truppen verteilt, stehende und Feldlazarette, in den Lagern Zeltlazarette, waren im Gebrauch. Während der Kreuzzüge versahen Johanniter und Geistliche das Amt der Ärzte. Aber erst mit der Bildung stehender Heere begannen auch die Anfänge einer Kriegskrankenpflege. Heinrich IV. soll 1597 vor Amiens das erste Feldlazarett errichtet haben. In Deutschland finden wir bei den Fähnlein der Landsknechtsheere einen Feldscher und bei einem Heer einen »Obrist-Feldarzt«, ein Spittelmeister sorgte für die Verwundeten und Kranken, doch gab es keine eigentlichen Lazarette. Der Große Kurfürst begann zwar mit der Einrichtung einer bessern Kriegskrankenpflege, doch erst der polnische Edelmann Janus Abraham a Gehema wurde, nachdem er Medizin studiert und in elf Feldzügen Erfahrungen gesammelt, der eigentliche Reformator auf diesem Gebiete. König Friedrich I. gründete die ersten Feldlazarette und Friedrich Wilhem I. 1713 die Charité und die Anatomie in Berlin; hiermit wurde er der Schöpfer der militärärztlichen Organisation in Preußen. 1725 folgten das Medizinaledikt und die Instruktion für die Regimentsfeldschere, 1734 das erste Feldlazarettreglement. Friedrich II. erließ 1743 ein neues Reglement und schied die Hauptlazarette von den mobilen oder fliegenden Ambulanzen. Grundlegend für die künftige Gestaltung des Kriegslazarettwesens wurde die 1793 auf Görckes Vorschlag erfolgte Errichtung eines beweglichen Feldlazaretts für 1000 Verwundete sowie das auf seine Anregung 1795 in Berlin gegründete medizinisch-chirurgische Friedrich Wilhelms-Institut (Pepinière, s. Kaiser Wilhelm-Akademie). Er organisierte das Krankentransportwesen (Krankenträgerkompanien) während der Befreiungskriege; es wurden Evakuationslinien für den Rücktransport der Verwundeten aus Frankreich festgesetzt, in denen man die Anfänge der heutigen Krankenverteilung zu suchen hat. Der erste Gedanke, besondere Krankenträger (brancardiers) zu bilden, ging von dem französischen Arzt Percy 1800 aus; sie bilden die Grundlage für die erste Hilfe, die in der Gefechtslinie beginnt und die Fortschaffung der Verwundeten durch Ambulanzen nach rückwärtigen Feldlazaretten notwendig macht. In dieser Organisation liegt der Schwerpunkt des Kriegssanitätswesens, da von der baldigen ersten Hilfe die Erhaltung vieler Menschenleben abhängt. An ihrer Vervollkommnung ist, zumal sie ausschließlich militärisch sein muß, unablässig gearbeitet worden. Die 1834 organisierten leichten und schweren Feldlazarette in Verbindung mit Krankenträgerkompanien waren 1869 in Sanitätsdetachements umgewandelt worden. Jeder neue Krieg hatte eine Vermehrung und Verbesserung dieser Einrichtungen zur Folge. Welche Anforderungen an sie gestellt wurden, ist daraus ersichtlich, daß bei Königgrätz außer den 13,731 Verwundeten der preußischen Armee noch gegen 13,000 österreichische Schwerverwundete in ärztliche Behandlung genommen werden mußten; 1870 betrug vor Metz innerhalb fünf Tagen der Verlust der deutschen Armee 39,292 Mann, von diesen sind am Schlachttag gestorben 6360, es blieben mithin in ärztlicher Behandlung 32,932 Mann; trotz dieser ungeheuern Verluste war bereits 19. Aug. mittags sämtlichen Verwundeten die erste Hilfe gebracht und der ärztliche Dienst auf dem Schlachtfeld selbst beendet. Der Rücktransport und[677] die Krankenzerstreuung ist die notwendige Bedingung eines wohlorganisierten Kriegssanitätswesens, trotzdem hat dieselbe erst in der Neuzeit feste Grundlage und einheitliche Organisation gefunden. Der österreichische Oberstabsarzt Kraus war einer der ersten, der Ende der 1850er Jahre auf die geregelte Krankenzerstreuung hinwies. Durch Esmarch wurde 1860 die Einrichtung von Lazarettzügen angeregt; sie kamen im amerikanischen Bürgerkrieg 186165 zuerst in Anwendung; noch großartiger und wirksamer waren in Amerika die Hospitalschiffe, auf denen im Mai 1864: 26,191, täglich 1500, Verwundete transportiert wurden. Preußen fehlten 1866 noch ausreichende Mittel zum Eisenbahnkrankentransport, der deshalb wenig befriedigte. Nach dem Kriege begannen die Vorbereitungen für die Sanitätszüge, die dann während des Krieges 1870/71 eine treffliche Entwickelung erlangten. Es bestanden 21 Sanitätszüge für durchschnittlich 200 Verwundete, die in 163 Fahrten 36,295 meist Schwerverwundete nach Deutschland brachten. Außerdem wurden in 305 Krankenzügen (s. d.) 127,582 Leichtkranke und Leichtverwundete befördert. Immerhin sind auch in Frankreich viele Verwundete und Kranke in den dort eingerichteten Lazaretten verblieben, denn es sind überhaupt 111,244 Verwundete und 475,400 Kranke der deutschen Armee in den Lazaretten während des Krieges behandelt worden, von erstern starben 10,506, von letztern 14,648; am Tage der Verwundung starben 17,831.
Vgl. Gurlt, Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege (Berl. 1873); Vogl, Vom Gefechts- bis zum Verbandplatz (Münch. 1873); Billroth und Mundy, Über den Transport der im Felde Verwundeten und Kranken (Wien 1874); Peltzer, Kriegslazarettstudien (Berl. 1876); Knorr, Entwickelung und Gestaltung des Heeressanitätswesens der europäischen Staaten (Hannov. 1880) und Das russische Heeressanitätswesen während des Feldzugs 18771878 (das. 1883); zur Nieden, Der Eisenbahntransport verwundeter und erkrankter Krieger (2. Aufl., Berl. 1883); Pirogow, Das K. und die Privathilfe auf dem Kriegsschauplatz in Bulgarien 18771878 (deutsch, Leipz. 1882); Haase, Die Unterbringung der Verwundeten und Kranken auf dem Kriegsschauplatz (Berl. 1891); v. Grimm, Organisation, Ergänzung, Verwendung und Ausbildung des niedern Sanitätspersonals (Beiheft zum Militär-Wochenblatt, das. 1886); Frölich, Militärmedizin. Kurze Darstellung des gesamten Militärsanitätswesens (Braunschw. 1887); Kirchner, Grundriß der Militärgesundheitspflege (das. 1896); Myrdacz, Handbuch für k. u. k. Militärärzte (4. Aufl., Wien 1905); Kusmanek und v. Hoen, Der Sanitätsdienst im Kriege (das. 1897, 3 Hefte); Löffler, Taktik des Truppensanitätsdienstes auf dem Schlachtfeld (Berl. 1899); Hiller, Gesundheitspflege des Heeres (das. 1905); »Vorträge über ärztliche Kriegswissenschaft« (hrsg. vom Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildungswesen in Preußen, Jena 1902); Roths »Jahresbericht über die Leistungen und Fortschritte des Militärsanitätswesens« (Berl., seit 1873); »Veröffentlichungen aus dem Gebiet des Militärsanitätswesens« (königl. preuß. Kriegsministerium, das., seit 1892); »Bulletin de la Société française de secours aux blessés militaires«, Nr. 3739 (Par. 1882); Reinhardt, Die Humanität im Kriege: die kodifizierten humanitären Vereinbarungen der Kulturstaaten (Berl. 1905) und die Literatur beim Artikel »Rotes Kreuz«.
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