[801] Tribunen (Tribūni), 1) die Tribusvorsteher des ältesten Rom. Später wurde der Name auch auf andere Beamte übertragen. Ihr Amt hieß Tribunat (Tribunatus). 2) Tribuni aerarii (T. aeris) od. Curatores tribuum, deren später bis acht in jeder Tribus waren u. welche das Tributum (sd.) zu erheben hatten, um den Soldaten das Stipendium auszuzahlen. Als dies Amt den Quästoren übertragen war, bestanden sie noch fort, vielleicht als Intendanten der Quästoren. Sie folgten dem Heere, bildeten auch einmal seit der Lex Aurelia des L. Aurelius Cotta (70 v. Chr.) bis zur Lex' Julia (46 v. Chr.) neben den Rittern u. Senatoren eine dritte Richterdecurie, in welcher sie die Plebejer vertraten. Seit Cäsar hörten sie dann auf. 3) Tribunus celērum, der Anführer der 300 Celeres, der reitenden Leibwache der Könige; er war zugleich auch Vertreter des Königs in dessen Abwesenheit u. dessen nächster Rathgeber u. hatte das Recht Comitien zu versammeln. Das Amt des Tribunus celerum währte bis zum Tode des Königs, da jeder neue König sich wieder einen anderen wählte. Auch werden mehre Tribuni celerum als ein Priestercollegium erwähnt. Mit Vertreibung der Könige hörte dies Amt auf u. wurde erst von Augustus wieder für religiöse Zwecke eingerichtet. 4) Tribuni militāres (T. militum), die Anführer der Legionen. Bei jeder Legion standen deren sechs, u. ihr Befehl wechselte so, daß auf zwei Monate zwei alle Tage sich ablösten, daher jeder im Jahr zweimal auf zwei Monate, u. zwar einmal im Winter im Lager u. einmal im Sommer im Felde an die Reihe kam. Anfangs wurden sie durch die Consuln ernannt, allmälig auch vom Volk, so daß von den 24 T. der jährlich ausgehobenen vier Legionen erst 6, dann 16, endlich alle 24 vom Volk, wenn aber noch andere Legionen auszuheben nöthig waren, die T. für dieselben von den Consuln ernannt wurden. Die vom Volk ernannten hießen dann Comitiati, die von den Consuln Rufuli. Zu Ende der Republik u. in der Kaiserzeit waren alle ritterlichen u. senatorischen Ranges u. hießen in ersterem Falle Angusticlavii, weil sie einen schmalen, im letzteren Laticlavii, weil sie einen breiten Purpurstreif an der Toga trugen Überhaupt war ihre Auszeichnung ein goldener Ring u. die Begleitung mehrer Apparitoren. Außerdem ernannten auch die. Kaiser bisweilen Militärtribunen durch einen Gnadenbrief, welche Tribuni codicillarii hießen u. als Auszeichnung ein Schwert trugen; u. damit viele dieser Ehre theilhaft werden könnten, wurden sie auch blos auf ein halbes Jahr ernannt u. hießen deshalb Tribuni semestres. Kaiser Hadrian hob dieses Ehrentribunal wieder auf. 5) Tribuni militares consulari potestate, Militärtribunen mit consularischer Gewalt, waren drei Militärtribunen, welche auf das Drängen der Plebs, daß jährlich ein Plebejer in das Consulat gewählt werden sollte, von den Patriciern 445 v. Chr. statt der Consuln eingeführt wurden, zu welchem Amte nun auch Plebejer Zutritt haben sollten, was jedoch erst 400 v. Chr. zuerst geschah. Seit 405 erhöhte sich ihre Zahl auf sechs, u. für die Jahre 403, 380 u. 379 werden sogar acht Consulartribunen erwähnt, wobei wahrscheinlich jedesmal die beiden Censoren mitgezählt sind, denn schon 443 wurde für die nur den Patriciern zugängliche Jurisdiction die patricische Censur von dem Consulartribunal abgezweigt. Die Consulartribunen[801] wurden, wie die Consuln, in Centuriatcomitien unter Auspicien gewählt; auch war ihr Amtsantritt u. Niederlegung ganz dem Consulat conform. Es ist zweifelhaft, ob sie das consularische Insigne hatten u. ob sie als curulische Magistrate betrachtet wurden, doch konnten sie unbedenklich einen Dictator ernennen. Immer mußte einer zur Leitung der städtischen Angelegenheiten in Rom zurückbleiben u. wurde als solcher auch geradezu Praefectus urbis genannt. Die übrigen gingen entweder gemeinschaftlich od. getheilt, gewöhnlich zu zwei, aus u. hatten im Heer täglich wechselnden Oberbefehl. Das Consulartribunal bestand bis 367 v. Chr., wo durch die Lex Licinia Sextia das Consulat wieder eingesetzt wurde u. jährlich ein Patricier u. ein Plebejer gewählt werden sollte. 6) Tribunus notariorum, so v.w. Comes notariorum. 7) Tribuni plebis. Nach der ersten Auswanderung der Plebejer auf den Heiligen Berg 494 v. Chr. (s. Rom S. 277), wurde denselben zu ihrem Schutz gegen Bedrückung der Consuln, Senatoren u. Patricier das Volkstribunat zugestanden. Dieser Volkstribunen waren Anfangs zwei, dann stieg seit der Lex Publilia (471 v. Chr.) ihre Zahl auf fünf, endlich 457 auf zehn, welche Zahl, nachdem während des Decemvirats das Tribunat cessirt hatte, bei seiner Wiedereinsetzung beibehalten wurde u. bis zum Ende der Republik blieb. Gewählt wurden sie erst wahrscheinlich in den Comitia calata auf dem Capitol vor der Curia Calabra unter Vorsitz des Pontifex Maximus, seit der Lex Publilia (471 v. Chr.) in den Comitia trib uta, in denen ein Tribun den Vorsitz hatte, welcher aus dem Collegium durch das Loos bestimmt wurde. Wählbar waren blos Plebejer, Patricier nur nach der Transitio ad plebem, d.h. wenn sie sich von einer plebejischen Familie hatten adoptiren lassen. Doch war Ingenuität wenigstens in der Republik, weniger in der Kaiserzeit nöthig. Ein bestimmtes Alter war nicht erforderlich, doch ging die Verwaltung der Quästur u. der plebejischen Adilität voraus. Der Antrittstag war der 10. Dècember. Besondere Insignien hatten die Volkstribunen nicht; ihre Diener waren Viatores, Scribae u. Praecones. Der Kreis der Befugnisse der T. (Potestas tribunicia) war ursprünglich ein sehr beschränkter (Anfangs nur das Auxilium adversus consulare imperium u. das Jus agendi cum plebe), doch nachdem ste zur Geltung wirklicher Magistrate der ganzen Nation (Magistratus populi Romani) sich zu erheben begonnen hatten, hatten sie auch die allen Magistraten gemeinschaftlichen Befugnisse. Der Tribun konnte ebensowohl unaufgefordert, als auf ausdrückliche Anrufung intercedirend einschreiten, weshalb seine Thür selbst zur Nachtzeit stets offen war u. er außer den Feriae latinae nie einen vollen Tag außer der Stadt sein durfte. Strafgewalt hatten die T. nicht u. auf Geldstrafe (Mulcta) konnten sie in den Tribus nur antragen, später hatten sie das Recht der Verhaftung (Jus prensionis), mit welcher sie den Consuln, Consulartribunen u. Censoren drohen konnten u. zu deren Ausführung sie sich der plebejischen Ädilen u. ihrer eigenen Viatores bedienten. Unverletzlich (sacrosancti) waren sie seit ihrer Einsetzung durch die vom Pontifex beschworene Lex sacrata geworden, welcher über den sich an ihrer Person Vergreifenden die Acht aussprach, so daß jeder denselben tödten konnte, dessen Güter aber eingezogen wurden u. dem Cerestempel als Eigenthum verfielen. Aber auch nach ihrer Abdankung konnte Niemand sie wegen der von ihnen in ihrem Tribunat vorgenommenen Handlungen zur Rechenschaft ziehen. Wer Hülfe bei den T. suchte, mußte sie anrufen (Appellatio), worauf sie sich versammelten, den Fall untersuchten u. einen Beschluß (Decretum) faßten, in welchem sie die Hülfe zusagten od. verweigerten. Dies Jus auxilii entwickelte sich zunächst zu einem ausgedehnten Jus intercedendi, indem sie durch ihr veto! od. prohibeo! (ich verbiete, thue Einspruch) Einzelne gegen Straferkenntnisse der Consuln wegen Verweigerung der Dienstpflicht od. gegen solche der richterlichen Magistrate in Criminal- u. Civilprocessen, sowohl vor, als nach gefälltem Urtheilsspruch, die ganze Plebs bei Aushebung (Delectus), gegen Ausschreiben des Tributum, gegen Senatsbeschlüsse u. gegen alle Vorschläge, welche an die Comitien gebracht werden sollten, in Schutz nahmen. Bei allen Arten von Comitien konnten die T. intercediren, so daß sogar die Wahlen aufgehoben werden mußten. Rücksichtlich des Senates hatten die T. Anfangs gar kein Recht; erst durften sie blos vor der Curie auf ihren Subsellien sitzen, indem sie von hier aus mit dem Auxilium gegen die Ausführung von Beschlüssen des Senates drohten; bald aber erhielten sie allgemeines Intercessionsrecht u. bald einen regelmäßigen Sitz, die Befugniß den Senat sogar zu versammeln u. an denselben zu referiren, wahrscheinlich bald nach der Lex Valeria (449 v. Chr.), durch welche ihnen das Recht der Legislation für Sachen, welche in die feststehende Competenz der Comitia centuriata nicht direct eingriffen, gegeben wurde, welches Recht dann durch die Lex Publilia (339 v. Chr.) u. die Lex Hortensia (287 v. Chr.) so erweitert wurde, daß es auch die Competenz der Comitia centuriata über Angelegenheiten des Imperium enthielt. Endlich machte das Plebiscitum Atinium sie zu wirklichen Mitgliedern des Senates. So wurde die Einwilligung der T., welche in diesem Falle ein T unter die Senatsbeschlüsse schrieben, die Bedingung jedes förmlichen Senatusconsultum (s.u. Senat). Schon in früherer Zeit hatten sie das Recht die Plebs zu einer Concio zu berufen, in welcher sie dann den Vorsitz führten. Wichtiger noch war die Berufung u. der Vorsitz in den Tributcomitien, namentlich seit der Lex Valeria, Publilia u. Hortensia, wo nicht blos die Wahlen mehrer Magistrate vorgenommen u. Gericht gehalten, sondern auch über die wichtigsten Angelegenheiten berathen u. über die einflußreichsten Gesetze (Leges agrariae, über Vertheilung der Provinzen u. des Oberbefehles) abgestimmt wurde. Sehr bald brachten es auch die T. dahin, nicht nur Männer ihres Standes, sondern auch Patricier vor das Gericht der Plebs zu ziehen u. sowohl Capitalstrafen als Geldstrafen (Multen) zu beantragen; seit 476 wurden die Consuln nach ihrer Abdication zur Rechenschaft ihrer Amtsführung vor ein strenges tribunicisches Gericht gezogen. Ihr, Jus prensionis nußbrauchten sie oft nicht nur gegen Private, sondern häufig auch gegen die höchsten Magistrate, Consuln u. Censoren, indem sie dieselben durch ihre Viatoren ins Gefängniß werfen ließen od. sie doch damit, auch mit sofortigem Herabstürzen vom Tarpejischen Felsen bedrohten. Nur gegen die Dictatoren vermochten sie nichts; auch war ihr Auxilium durch die Bannmeile Roms begrenzt, wogegen ihnen das Jus [802] prensionis allerwärts blieb. Durch die veränderte Geltung der Tributcomitien (s.u. Comitia) erhielten sie späterhin gewisse Auspicien u. erließen jährlich Edicte, worin sie wahrscheinlich angaben, wenn sie ihr Auxilium eintreten lassen wollten u. dgl. So heilsam Anfangs die Macht der T. als Gegengewicht der Gewalt der Senatoren, Consuln u. Patricier gewesen war, so verließen sie doch bald die Bahn der Mäßigung u. zeigten sich in der späteren Zeit oft als wüthende Demagogen, so daß der Staat durch sie in die größte Gefahr kam. Die gesetzliche Beschränkung des Tribunats, namentlich die Übereinstimmung im Collegium der T., welches nichts abschließen konnte, wenn auch nur ein einziger intercedirte, reichte nicht aus. Darum reformirte Sulla durch die Lex Cornelia de tribunicia potestate das Tribunat im Sinne der Optimaten, indem er das Intercessionsrecht beschränkte u. ihnen die Legislation entzog. Allein Pompejus stellte 70 v. Chr. die frühere Macht der Tribunates wieder her, u. in dieser erhielt es sich bis zum Übergang in die Monarchie. Unter Julius Cäsar erreichte es eine Höhe, welche es vorher nie gehabt, u. in der Kaiserzeit bildete es den Mittelpunkt der kaiserlichen Macht, während die noch fortbestehenden Volkstribunen ihre frühere Bedeutung ganz verloren hatten. Das processuale Jus auxilii besaßen sie noch, aber geschwächt durch die kaiserliche Instanz. Der Sitz im Senat verblieb ihnen, aber die Befugniß Multen aufzulegen war sehr vermindert. 8) Tribunus voluptatum, ein Aufseher darüber, daß das Volk bei Spielen u. anderen öffentlichen Belustigungen nicht zu viel Aufwand machte u. die Grenzen der Schicklichkeit nicht überschritt.
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