[264] Unterwalden (Subsylvania), der sechste Canton der Schweizer Eidgenossenschaft, einer der drei Urcantone u. einer der vier Wald- od. Bergcantone, bestehend aus den beiden Theilen Ob dem Walde u. Nid dem Walde; grenzt an Luzern, Schwyz (durch den Vierwaldstättersee), Uri u. Bern u. hat 13,99 QM. Flächengehalt. Der Canton ist zum größten Theil mit Gebirgen besetzt, welche Dom Vierwaldstättersee nach Süden ansteigend ihn wie eine Mauer umgeben. Vom Pilatus im Nordwesten beginnend zieht sich die Gebirgsmauer,über den Glauberstock, das Brienzer Nothhorn u. die Lungernberge südlich bis zum Paßeinschnitt des Brünig, von da über den Hochstollen (7690 Fuß), Tannalpstock, Titlis (10,570 F.) u. sodann nach Norden über die Spannörter, Surenen, Blakenstock, Hennenberg, Rothstock, Wallenstock (8080 F.), Buochserhorn u.a. zum Vierwaldstättersee. Diese Gebirge (Unterwaldner Alpen) gehören in das Gebiet der Kalkalpen u. haben viele unterirdische Höhlen; über sie führen die Pässe des Brünig (3670 F.) von Lungern in das Haslethal, das Engelbergerjoch (6910 F.) von Engelberg nach Oberkasle, die Surenen (7170 F.) von Engelberg nach Uri u. die Storegg (6290 F.) von Melchthal nach Engelberg. In Obwalden erstreckt sich die größte Ebene zwischen dem Sarnersee u. Alpnacht, in Nidwalden zwischen Stans, Stansstadt u. Buochs. Flüsse: die Engelbergeraa u. die Sarneraa (mit der Melchaa, dem Großen u. Kleinen Schlierenbach) bilden die zwei einander parallel laufenden Hauptthäler des Cantons Zu demselben gehören von Seen der Vierwaldstättersee theilweis, der Sarner- u. Lungernsee u. mehre kleine Alpseen Das Klima ist im Allgemeinen mild u. gesund, in den hohen Bergthälern rauh. Der Boden, in den beiden genannten Thälern am fruchtbarsten, liefert einiges Getreide (doch für den Bedarf bei Weitem nicht zureichend), viel Obst, bes. Nüsse, Futterkräuter u. viel Holz aus den großen Waldungen; Fische gibt es bes. im Vierwaldstättersee, ausgezeichnete Forellen in den Gebirgsbächen; unter den zwei Mineralquellen ist das Kaltbad in der Schwendi das besuchteste. Die Hauptbeschäftigung der Einw, ist Viehzucht u. Käsebereitung (der Schwendikäse berühmt); die Jagd ist frei u. gewährt ziemliche Ausbeute, bes. Gemsen. Industrie ist so gut wie nicht vorhanden, nur 1 Papierfabrik u. 1 Glashütte bestehen, ebenso ist der Handel von keiner Bedeutung, ausgefahren werden Holz, Käse, Vieh u. Häute. Die Einwohner (1860) 24,902, von denen 13,376 auf Obwalden u. 11,526 auf Nidwalden kommen, sind deutschen Stammes, ein schöner Menschenschlag u. folgen (mit Ausnahme von 144 Protestanten) sämmtlich der Katholischen Confession, welche Staatsreligion ist. Für die Bildung ist unzureichend gesorgt; neben den hinter den Zeitanforderungen zurückstehenden Volksschulen bestehen 2 Lateinische u. 1 Secundärschule in Klöstern. Für die Leitung des Erziehungswesens ist in Nidwalden ein Schulrath eingesetzt. Es gibt 5 Klöster, überhaupt ist der Fortbestand der Klöster durch die Verfassung garantirt. Sparkassen gibt es für Nidwalden eine in Stans (1827 gegründet) u. eine für Obwalden (1849 gegründet). Das Armenwesen ist durch Gesetz vom 26. Oct. 1851 reformirt u. eine Cantonalarmenanstall errichtet worden. Verfassung: U. bildet im Bunde nur Einen Stand, ist aber im Innern in die zwei besonderen Cantonstheile Ob- u. Nid dem Walde (unter diesem Walde ist der sogenannte Kernwald gemeint) mit gegenseitig unabhängiger Verfassung u. Verwaltung geschieden; beide haben eine rein demokratische Verfassung. Die Grundzüge der neuen Verfassung von Obwalden vom 28. April 1850 (die alte Verfassung datirte vom 28. April 1816) sind folgende: Die souveräne Landsgemeinde, aus allen ehrenhaften Landleuten von mindestens 20 Jahren bestehend, versammelt sich jährlich am letzten Sonntage im April, wählt die Beamten, nimmt die Rechnung über den Laudesseckel ab, bewilligt die Steuern u. bestätigt od. verwirft Gesetze u. Anträge, welche ihr vom Dreifachenlandrath vorgelegt werden. Jeder, welchem das Volk ein Amt überträgt, muß dasselbe auf zwei Amtsdauern annehmen; die Beamten sind nicht besoldet. Der Landsgemeinde stehen zur Seite der Regierungsrath, der Landrath u. der Dreifachenrath, deren Präsident der regierende Landammann ist. Der Regierungsrath, aus 12 von der Landesgemeinde auf 4 Jahre gewählten Mitgliedern bestehend, ist Verwaltungs- u. Vollziehungsbehörde u. leitet außerdem die, Untersuchung in Criminal u. Polizeifällen, Über ihm steht als oberste Vollziehungs- u. Verwaltungsbehörde der Landrath, welcher[264] aus den Mitgliedern des Regierungsraths u. aus einem auf je 250 Seelen der Einwohner kommenden u. ebenfalls auf 4 Jahre gewählten Mitgliede zusammengesetzt ist. Endlich bilden die Mitglieder des Regierungsraths, des Landraths u. je ein auf 125 Seelen gewähltes Mitglied den Dreifachen Landrath, welcher die Vorlagen an die Landesgemeinde prüft, Verfassung u. Gesetze erläutert, das Recht der Begnadigung ausübt u. die Mitglieder des Cantonsgerichts wählt. Dieses Cantonsgericht, welches aus 13 vom Dreifachen Landrathe auf 4 Jahre aus den Gemeinden je nach ihrer Seelenzahl gewählten Mitgliedern besteht, ist die oberste civil- u. criminalgerichtliche Behörde. Als Civilgerichtsbehörde erster Instanz besteht in jeder Gemeinde ein Siebengericht, Die Vorstände der einzelnen Gemeinden theilen sich in Einwohnergemeinderäthe, welchen die Gemeindeverwaltung u. die Vollziehung der regierungsräthlichen Beschlüsse u. Verordnungen obliegt, u. in Kirchengenossengemeinderäthe, denen die Gemeindecorporationsverwaltung zusteht, Sitz der Regierung ist Sarnen, der ganze Cantonstheil ist in 7 Pfarrgemeinden getheilt. Die neue Verfassung von Nidwalden von 1850 (die alte vom 12. Aug. 1816) kommt der von Obwalden in den Hauptbestimmungen gleich. Die jährlich am letzten Sonntag des April zu Wyl an der Aa aus allen rechtlichen Landleuten von wenigstens 18 Jahren, u. als Nachgemeinde 14 Tage später wieder versammlte Landesgemeinde ist gleichfalls die höchste Landesbehörde. Dieselbe wählt die vorsitzenden Herrn (Landamman, Statthalter, Landsäckelmeister, Polizeidirector, Obervogt, Zeugherrn, Bauherrn u. Landesfähnrich) u. die Mitglieder des Landraths Wahlfähig ist, wer das 25. Altersjahr erreicht hat. Der Landrath ist oberste, der Wochenrath untergeordnete Verwaltungs- u. Vollziehungsbehörde. Für die Justiz bestehen das Criminalgericht als höchste strafrichterliche Behörde, das Geschwornengericht als letzte Instanz in Civil- u. Polizeisachen, das Polizeigericht u. das Siebengericht als zweite Instanzen, das Vermittelungsgericht als erste Instanz u. das Ehegericht. Den Gemeinderäthen steht die Gemeindeverwaltung, den Genossenräthen die Gemeindecorporationsverwaltung zu. Nidwalden ist in 6 Pfarrgemeinden eingetheilt, welche in administrativer Beziehung in 11 Bezirke zerfallen. Hauptort ist Stans. Obwalden u. Nidwalden wählen in den Schweizer Nationalrath je ein Mitglied, ebenso in den Ständerath Der Canton bezahlt an Geldcontingent 3520 Franc (Obwalden 1932, Nidwalden 1588) u. stellt an Mannschaft zum Vundesauszuge 747 Mann (Obwalden 3 Infanterie- u. 1 Scharfschützencompagnie od. 410 Mann, Nidwalden 2 Infanterie- u. 1 Scharfschützencompagnie od. 337 Mann). Das Wappen ist ein silberner Schlüssel im roth- u. silbergetheilten Felde. Münzen, Maße u. Gewichte: Gerechnet wird jetzt (seit 1850) im Canton wie in der ganzen Schweiz (s.d. S. 629) nach Franken des französischen Münzfußes (8 Sgr.); früher nach Gulden zu 40 Schillingen à 6 Angster à 2 Heller, od. zu 15 Batzen à 4 Kreuzer, im Werthe wie in Luzern, s.d. Geprägte Münzen sind aus dieser Zeit noch in Gold: Ducaten nach dem Reichsfuß; in Silber: 1, 1/2 u. 1/4 Neuthaler; 5, 21/2, 1 u. 1/2 Batzen; Groschen zu 2 Sols de France, Assis, Kreuzer u. Rappen. Maße u. Gewichte sind ebenfalls die allgemein Schweizerischen (s.u. Schweiz S. 629), doch kommt im Handel u. Wandel noch vor die Unterwaldner Elle zu 570,44 Millimeter od. 0,9507 neue Schweizer Ellen.
U. stand der Reihe nach unter fränkischer, burgundischer u. deutscher Oberherrschaft, war bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrh. mit Schwyz u. Uri in nähere Verbindung getreten u. theilte schon um diese Zeit sich in zwei Hälften, U. ob dem Walde u. U. nid dem Walde. Die Reichsunmittelbarkeit erhielten die Unterwaldner 1240 vom Kaiser Friedrich II. bestätigt. 1308 vertrieben sie, im Verein mit Uri u. Schwyz, die Reichsvögte, setzten den, Anmaßungen des Kaisers Albrecht I. kräftigen Widerstand entgegen u. stritten für ihre Freiheit bis 1315, wo der Ewige Bund zu Brunnen abgeschlossen wurde, s. Schweiz S. 634. Von den übrigen Ansprüchen des Hauses Österreich kauften sich die Unterwaldner nach u. nach los. In der folgenden Zeit hatte in U. das Kloster Engelberg großen Einfluß. Im Anfang des 12. Jahrh. von Konrad Freiherrn von Seldenbüren gestiftet, erhielt dieses Kloster bereits 1128 die Freiheit, daß es in weltlichen Sachen keiner andern Gewalt als der des Kaisers unterworfen sein sollte; später, nachdem die drei Länder sich unabhängig gemacht hatten, eignete es sich die Rechte des Reichs u. des Kaisers an u. behauptete in dem Thale Engelberg eine unumschränkte Gewalt bis zur Auflösung der alten Eidgenossenschaft 1798. Bei dieser Katastrophe ward U. mit Schwyz, Uri u. Zug zu Einem Canton, Waldstätten, zusammengeworfen u. suchte vergeblich seine alte Freiheit zu vertheidigen. 1802 nahm auch U. an der Insurrection der Schweiz Theil u. mußte endlich 1815, weil es sich weigerte die neue Verfassung anzunehmen, durch Waffengewalt zur Unterwerfung gezwungen werden, s.u. Schweiz S. 649. In der neueren Zeit zeigte sich U. fortwährend conservativ u. nahm an den politischen Veränderungen in der Schweiz nur dann Antheil, wenn seine Interessen unmittelbar davon berührt wurden. Es betheiligte sich an der Sarner Conferenz 1832, verwarf die Conferenz zu Baden, protestirte mit gegen die Aufhebung der Klöster 1841, betheiligte sich an der Jesuitenfrage 1845 u. stimmte für die Berufung der Jesuiten, s. Schweiz S. 651 ff. Auch von dem Freischaarenzug blieb U. nicht ganz unberührt, aber in Nidwalden wurde der Lieutenant von Stanzbach, welcher sich auch unter den Freischaaren befunden hatte u. von Luzern an die Regierung ausgeliefert wurde, zur öffentlichen Streichung mit Ruthen u. zu 6 Monaten Zuchthausstrafe verurtheilt. Eben so hielt dann U. auch zum Sonderbund, s.u. Schweiz S. 655. Vgl. Darstellung des Cantons U., Zürich 1802; J. Buffinger u. Zeller, Versuch einer Geschichte des Freistaates U., Luzern 178992, 2 Thle.
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