[781] Walachische Sprache u. Literatur. Die Walachische (Wlachische, Rumunische od. Rumänische) Sprache, von den Walachen u. Moldauern selbst die Limba romunesca genannt, ist eine Vermischung der von den römischen Colonisten dort hingetragenen Lingua romana rustica mit der ursprünglichen Dacisch-thracischen Landessprache, welche zur alten Keltischen Sprachgruppe gehört. Dazu gesellten sich während der vielfachen Völkerströmungen u. Völkerberührungen im Laufe der Zeit Elemente aus dem Serbischen, Russischen,[781] Bulgarischen, Neugriechischen, Türkischen, Magyarischen, Albanesischen u. selbst Deutschen, wovon das Slawische einen entscheidenden u. mächtigen Einfluß sich auf die W. S. gesichert hat. Der slawische Einfluß fand eine Verstärkung noch dadurch, daß Anfangs die Walachen sich bei ihren Schriftversuchen des Cyrillischen Alphabets bedienten, welchem sie einige neue Schriftzeichen hinzufügten; erst in sehr später Zeit machten die Walachen den Versuch das Lateinische Alphabet in ihre Schriftsprache einzubürgern u. schreiben u. drucken gegenwärtig fast nur mit demselben. Innerhalb der W-n S. sondern sich übrigens zwei Dialekte ziemlich scharf heraus, der Dacoromanische od. Nordwalachische Dialekt, gesprochen in den eigentlichen Donaufürstenthümern Moldau u. Walachei nebst den Grenzländern Ungarn, Siebenbürgen, der Bukowina u. Bessarabien, wo sich viele Walachen aufhalten, u. der Macedowalachische od. Südwalachische, auch Kutzowalachische Dialekt, gesprochen im Süden der Donau, im alten Thracien, Macedonien u. Thessalien. Der letztere ist völlig verderbt u. noch gar nicht zur Schriftsprache erhoben; der erstere, als die eigentliche gebildete Sprache der Walachen, ist seit Ende des 18. Jahrh. u. namentlich im Laufe des 19., mehrfach auch schriftlich angebaut u. in die Literatur eingeführt worden. Die Substantive sind indeclinabel u. erleiden nur im Plural eine Veränderung der Endung, welche der der Italienischen Sprache sehr ähnlich, nur etwas complicirter ist, z.B. domnu Herr, Plural domni, ochiu Auge, Plur. ochi, os Knochen, Plur. óse, páne Brod, Plur. páni. Zur Casusbildung dient der Artikel, welcher dem Substantiv angehängt wird, z.B. domnu'l der Herr, Genitiv a domnu'lui, Dativ domnu'lui, Accusativ pre domnu'l, Vocativ o domne, Ablativ dela domnu'l, Plur. domni-i, Genitiv a domni'lor etc. Der unbestimmte Artikel ist un. Bei der Verbindung eines Adjectivs mit einem Substantiv wird der bestimmte Artikel mit den Casuszeichen nur an das erste von beiden, welches es auch sei, angehängt, z.B. pomu'l dulce od. dulce le pomu der süße Apfel. Es gibt zwei Geschlechter, Masculinum u. Femininum; letzteres dient zugleich als Neutrum. Die W. S. hat Augmentativendungen (oiu, óne) u. Deminutive (utiu, isoru, elu, celu etc.). Der Comparativ wird durch mal (mehr), der Superlativ durch quelu mai, Femin. quea mai od. durch pré (sehr) gebildet. Die Declination der Pronomina ist unregelmäßig, auch theilt die W. S. mit anderen Romanischen Sprachen die Fähigkeit die Personalpronomina mit dem Hülfszeitwort zu Einem Worte zu verbinden. Das Possessivum hat stets den bestimmten Artikel bei sich. Die Conjugation wird wie in den verwandten Sprachen theils durch Abwandlung des Zeitworts selbst, theils durch Hülfszeitwörter gebildet: jo laudu, ich lobe, tu laudi, el laudá, noi láudámu, voi láudati, ei laudá; Imperf. jo laudaam, Pers. I. jo láudai, Pers. II. jo amu láudatu, Plusquamperf. I. jo amu fostu láudatu, Plusquamperf II. jo láudasem, Fut. jo voiu láudà, Imperativ laudà, Infinitiv laudare; außerdem gibt es noch einen Conjunctiv für alle Tempora Supinum, Gerundium u. drei Participia. Das Passivum wird durch das Pronomen reflexivum gebildet: jo me laudu (ich lobe mich). Die unregelmäßigen Zeitwörter sind denen anderer Romanischen Sprachen ähnlich; Adverbia, Präpositionen, Conjunctionen, Interjectionen desgleichen. Auch die Syntax u. Construction der Sätze hat keine wesentlichen Eigentümlichkeiten. Der Anfang des Vaterunsers heißt: tatäl nostru tschel den tscherjuri, sfin-zieskässe numelje teu, d.h. Vater unser der im Himmel, geheiligt-werde der-Name dein. Grammatiken von Sam. Klein de Szad, Wien 1780, 2. A. Ofen 1805; J. Molnar, Wien 1788. 3. Aufl. Hermannst. 1823; Radu Tempea (Teampe). ebd. 1797; J. K. Rosa, Ofen 1809; A. de Marki, Tschernowitz 1810; M. G. Bojadschi, Wien 1813; Andr. Clemens. Ofen 1821, 2 Bde., 2. Aufl. Hermannst. 1836; J. Alexi, Wien 1826; J. Ginkulow, St. Petersb. 1840; J. A. Baillant, Bukar. 1840; Theod. Blazewicz, Lemb. 1844; J. A. Vaillant, Hermannst. 1845; Andr. Iszer, Kronst. 1846 u. 1855. Wörterbücher von Kaballiotes, Vened. 1770; Andr. Clemens (walachischdeutsch u. deutschwalachisch), Hermannst. 1823, 2. Aufl. ebd. 1837; J. Bobb (walachisch, lateinisch u. ungarisch), Klausenb. 1822 f., 2 Bde.; Lexicon valachico-latino-hungarico-germanicum, Ofen 1825; J. A. Vaillant (französisch-walachisch u. walachisch-französisch), Bukar. 1840; P. Poyenar, F. Aaron u. G. Hill (französisch-walachisch), ebd. 1840 f., 2 Bde.; Ballaschesco (lateinisch-walachisch). ebd. 1842 ff., 2 Bde.; Iszer (walachisch-deutsch). Kronst. 1850. Vgl. Wakareskul, Bemerkungen über die Regeln der W-n S., Rimnik 1787; S. Körösi, Orthographia latino-valachica, Klausenb. 1805; G. C. Rosa, Untersuchungen über die Romainer od. sogenannten Wlachen, welche jenseit der Donau wohnen, Pesth 1808; C. Murgu, Beweis. daß die Walachen der Römer unbezweifelte Nachkömmlinge sind, Ofen 1830; J. C. Schuller, Argumentorum pro latinitate linguae valachicae s. romanae epicrisis, Zbin 1831; A. Treb. Laurianus, Tentament criticum, in originem, derivationem et formam linguae valachicae, Wien 1840.
Die Literaturbestrebungen der Walachen sind bis heute noch sehr gering u. leiden auch bis auf die Gegenwart herab noch unter dem Einfluß der übrigen europäischen Literaturen, bes. der russischen, deutsch-österreichischen u. neugriechischen, während auf den Gang der eigentlichen Geistesentwickelung des Volkes selbst in früherer Zeit vornehmlich die altklassisch-römische Literatur sich wirksam erwies. Auch jetzt befehden sich in der Walachei u. Moldau noch die Einflüsse einer speciell lateinischen u. einer allgemein europäischen Schule, zu welcher sich noch eine dritte Richtung gesellt, nämlich eine specifischnationale, welche sich bes. mit der Reinigung u. dem Ausbau der Sprache befaßt u. auf deren Seite die meisten Gelehrten an den Hauptschulen des Landes stehen. Bis zu Ende des 18. Jahrhunderts gab es erst einige Dutzend Schriften in W-r S.; bis dahin hatten die Gelehrten ihre Werte fast allgemein in der Lateinischen Sprache abgefaßt. Die frühesten Producte der W-n L. sind solche, welche den lexikographischen u. grammatischen Inhalt der Sprache darlegen u. den Sprachschatz beleuchten. Alle anderen Werke, bes. die prosaischen, sind Übersetzungen fremder Werke. Alle Schulbücher, bes. die geschichtlichen, geographischen, mathematischen, naturgeschichtlichen etc., sind Rumänisirungen westeuropäischer Schriften u. haben auch noch immer mehr Ausländer, welche in Jassy, Bukarest u. an andern Orten der Donaufürstenthümer[782] leben, als wirkliche Rumänen zu Verfassern. Diese Bücher sind fast sämmtlich in Bukarest, zum Theil auch in Ungarn, Siebenbürgen u. Wien gedruckt, denn die rumänische Presse ist noch auf eine sehr geringe Anzahl von Officinen beschränkt. Mit der Poesie der Walachen steht es nicht viel besser, als mit ihrer Prosa. Erst in der Neuzeit hat man angefangen die im Volke gäng u. gäben Lieder, Märchen, Sagen, Sprüchwörter u. andere Producte der Nationalpoesie zu sammeln. Bes. hat sich um die rumänische Volkspoesie Basil Alexandri Verdienst erworben, indem er das Land nach allen Richtungen durchstreifte u. die vorhandenen Schätze der Nationaldichtung an Ort u. Stelle hob. Er hat bereits eine große Anzahl von Volksballaden u. Liedern zusammengebracht, Bukar. 1856 ff. (zum Theil unter dem Titel: Rumänische Volkspoesie, deutsch von W. von Kotzebue, Berl. 1857). Diese Lieder hört man noch heute in jeder Schenke, auf Märkten etc. von fahrenden Dichtern singen, wobei die Geige od. eine Sackpfeife die Begleitung abgeben. Daß in den Volksliedern der Walachen das Räuberwesen gewissermaßen zur Verherrlichung gelangt, ist aus den früheren Zuständen des Landes erklärbar. Anspielungen auf geistliche Zustände sind ebenfalls in den Volksliedern häufig, wie dies auch ein Grundzug der slawischen Volksdichtung ist. Auch die Helden- u. die erotische Dichtung sind darin nicht unvertreten geblieben, wie denn Basil Alexandras Sammlungen mehre mittheilen. Die Märchen der Walachen haben am besten die Gebrüder Schott gesammelt, Stuttg. u. Tüb. 1845; prosaische u. poetische Sagen, zum Theil von unbekannten Verfassern, also der Volksdichtung mit Recht zuzählbar, sind mit walachischem Texte erschienen Bukar. 1863; desgleichen sind die walachischen Sprüchwörter gegenwärtig in mehren größeren Sammlungen erschienen, ebd. 1855 u. 1860. Erst zu Anfang des gegenwärtigen Jahrh. traten die ersten rumänischen Kunstdichter auf, welche sich gleichwohl damit begnügten ihre Dichtungen durch Zigeuner recitiren zu lassen; auch waren sie meist erotischer Art u. bestanden in Serenaden u. dgl. Der erste Dichter, dessen Werke in Druck erschienen sind, ist Kostaki Konaki, welcher zum Theil noch im Tone des Volksliedes u. in dessen meist trochäischen Metern (trochäischen Tetrametern) dichtet, doch auch schon künstlichere Metra, z. V. den Hexameter u. Pentameter, anwendet. Im Laufe dieses Jahrh. sind außer Konaki noch bes. mit Dichtungen aufgetreten: G. Sion, dessen Gedicht Die rumänische Sprache, in den Volksmund übergegangen ist; Kostaki Negri, welcher auch Volksdichtungen sammelte; Konstantin Regruzzi, dessen Lied Ich bin Rumän u. lieb mein Vaterland, zu den schwungreichsten Gedichten der neueren W-n L. zählt; Kretzianu, welcher die patriotische Ode An die rumänische Jugend schrieb; Bolintinianu (Gesänge aus dem Exil, Buchar 1851).
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