Zug [2]

[720] Zug, 1) Canton in der Schweiz, grenzt an die Cantone Schwyz im Osten, Luzern im Südosten, Aargau im Westen u. Zürich im Norden, hat 4,26 QM. Flächengehalt u. 19,600 Ew. größtentheils katholischer Confession. Sein südöstlicher Theil ist mit niedrigen bewaldeten Höhen aus Nagelflue besetzt, Ausläufern des Ruffi- od. Roßberges im Canton Schwyz, der eine westlich vom Ägerisee mit dem Kaiserstock (1320 Fuß ü. M.), dem Zugerberge, einer 1389 Fuß hohen Hügelgruppe, dem Hohen Rhone (1226 Fuß), der andere östlich vom Ägerisee mit der Grippenspitz (1567 Fuß), Leiterfluh (1533 Fuß) u. Wildspitz (1582 Fuß). Im nordöstlichen Theile zwischen dem Zugerberge, der Lorze u. Reuß dehnt sich eine flache fruchtbare Ebene aus, der sogenannte Baarer-Boden. Flüsse sind: Reuß u. Sihl als u. Grenzflüsse u. Lorze; Seen der Zuger- u. der Ägerisee. Das Klima ist in den ebneren Theilen des Cantons überaus mild, in den Bergen rauher; der Föhnwind richtet oft arge Verheerungen an. Der Boden ist sehr fruchtbar, gebaut wird viel Weizen, Korn u. Hafer, wenig Wein, aber viel Obst (mit Bereitung von Backobst u. Kirschwasser). Die Alpenwirthschaft wird nur in den Gegenden um den Ägerisee getrieben, in den flacheren Gegenden wird Viehzucht mit Getreide- u. Obstbau verbunden; ziemlich einträgliche Fischerei wird an den beiden Seen getrieben; die Jagd ist nur gegen Patente gestattet u. liefert Hafen, Füchse, Birk- u. Auerhähne, Haselhühner. Von nutzbaren Mineralien gibt es Torf u. Sandsteine. Die Industrie besteht in Baumwollenspinnerei u. Weberei (in Baar ist die größte Baumwollenspinnerei der Schweiz), Seidenweberei, Papier- u. Schnupftabakfabrikation, Eisenwaaren. Der Handel ist für die Verhältnisse nicht unansehnlich u. wird durch die den Canton durchziehende Eisenbahn Zug-Luzern befördert. Ausgeführt wird Vieh, Käse, Getreide, gedörrtes Obst, Kirschwasser, Baumwollenwaaren. Rücksichtlich der geistlichen Cultur ist der Schulbildung durch das neue Schulgesetz (1849 u. 1850) aufgeholfen worden; die Oberaufsicht über die Schulen führt ein unter der Oberleitung des Regierungsrathes stehender u. von demselben erwählter Cantonserziehungsrath; es gibt 23 Primärschulen, 12 Repitirschulen, 5 Lateinische Schulen. Die christliche Religion Römisch-Katholischer Consession ist nach der Verfassung die herrschende; der Canton hat 10 Pfarreien u. vier Klöster. Die Weltgeistlichen bilden seit 1728 ein eignes Capitel u. stehen unter dem Bisthum Basel. Staatsverfassung. Der Canton ist der achte im Bundesrange u. eine repräsentative Demokratie nach Verfassung vom 5. Sept. 1814 (Verfassung der Schweizer Eidgenossenschaft, Trogen 1836, 2. Abth. S. 56 ff.) u. 1848. Politischer Activbürger ist mit Ausnahme der Geistlichen jeder ehrenhafte Cantonsbürger, welcher das 19. Jahr zurückgelegt hat u. nicht fortdauernde Armenunterstützung genießt. Das souveräne Volk übt seine Souveränetät durch folgende Behörden aus: a) der Große Rath, aus 67 Mitgliedern bestehend, von welchen 62 unmittelbar durch die Cantonsbürger in Gemeindewahlen am ersten Sonntag im Januar u. fünf mittelbar vom Großen Rathe selbst aus allen Cantonsbürgern auf zwei Jahre gewählt werden, versammelt sich jährlich drei Mal ordentlicher Weise u. hat das ausschließliche Recht der Gesetzgebung, beschließt die allgemeinen Steuern u. Abgaben, bestimmt das Budget, controlirt die Verwaltnug der übrigen Behörden, wählt die zwei Ständeräthe, ertheilt das Cantonsbürgerrecht, übt das Begnadigungsrecht u. ernennt die Staatsbehörden u. bestimmt deren Besoldung; b) der Regierungsrath besteht aus dem vom Großen Rathe aus seiner Mitte gewählten Landamman als Präsidenten u. dem Statthalter, sowie neun ebenfalls vom Großen Rathe aus den Gemeinden auf vier Jahre gewählten Mitgliedern; alle zwei Jahre tritt die Hälfte aus. Er ist die vollziehende Behörde, zugleich oberste Polizeibehörde, führt die Oberaufsicht über das Bau-, Straßen-, Armen-, Sanitäts-, Vormundschafts-, Erziehungswesen, schlichtet Streitigkeiten in Verwaltungssachen, schlägt Gesetze vor, besetzt alle die Stellen, welche nicht dem Großen Rathe vorbehalten sind etc.; c) das Obergericht, gebildet aus dem vom Großen Rathe aus den Cantonsbürgern gewählten Präsidenten, aus acht ordentlichen Mitgliedern u. acht Ersatzmännern; dasselbe ist oberste Appellations-, Revisions- u. Cassationsbehörde u. hat als solche die Entscheidung in letzter Instanz. d) Das Cantonsgericht besteht aus dem auf drei Jahre gewählten Präsidenten u. sechs auf sechs Jahre gewählten Mitgliedern, sowie sechs Ersatzmännern, welche sämmtlich vom Großen Rathe ernannt werden. Es urtheilt über die Civil-, Polizei- u. Injurienprocesse. Das vollzählige Cantonsgericht sammt zwei Ersatzmännern bilden das Criminalgericht, von welchem an das Obergericht appellirt werden kann. e) Den Friedensgerichten in den einzelnen Gemeinden (bestehend aus einem Friedensrichter, zwei Beisitzern u. zwei Ersatzmännern auf die Dauer von zwei Jahren) unterstehen alle Forderungs- u. Injurienklagen, sowie Rechtsfragen, deren Werth 32 Fr. nicht übersteigt. f) Die Corporationsgemeinden haben das Recht der Verwaltung des ihnen zustehenden Kirchen-, Pfrund-, Schul-, Armengutes u. ihres sonstigen Corporationseigenthums. In den Nationalrath sendet Z. einen, in den Ständerath zwei Vertreter. Das Contingent beträgt zum Bundesauszug 516 Mann u. 24 Pferde, zur Bundesreserve 258 Mann u. 14 Pferde, an Geld 30 Rappen per Kopf. Der Landeshauptmann ist der Chef des Militärwesens. Wappen: ein blauer Querbalken in weißem Schilde. Eintheilung: in 11 politische Gemeinden. Münzen, Maße u. Gewichte: Z. rechnet jetzt (seit 1850) wie die ganze übrige Schweiz (s.d. S. 629) nach Franken des französischen Münzfußes (8 Sgr.), früher nach Gulden zu 15 Batzen od. 60 Kreuzern à 8 Heller, od. 40 Schillingen à 6 Angster à 2 Heller in einer Währung, nach welcher 28 Gulden auf die Kölner Vereinsmark Silber gingen, 1 Gulden also = 1/2 Thlr. preußisch. Geprägte Münzen aus früherer Zeit sind noch: a) in Gold: Ducaten, halbe u.[720] Viertelducaten; b) in Silber: ganze Thaler, 131/9 Loth sein, 92/3 bis 93/4 Stück auf die Mark sein Silber, halbe, Viertel- u. Achtelthaler, 1/2, 1, 21/2 u. 5 Batzenstücke u. Dicken, wie in Zürich (s.d.); c) in Kupfer: Rappen u. Heller. Maße u. Gewichte sind die neuen Schweizer Maße etc. (s.u. Schweiz S. 629). Die alten Maße etc. waren die von Zürich (s.d.) mit Ausnahme der Getreidemaße. Vgl. Geographisch-statistische Darstellung des Cantons Z., Zür. 1807; F. A. Stadlin, Topographie des Cantons Z., Luzern 1819–21, 3 Bde.; Neues Staatsregiment od. Verzeichniß der Vorgesetzten des Cantons Z., Zug 1812. 2) Hauptstadt darin, am Fuße des Zugerberges, am Zugersee u. der Eisenbahn Zug-Luzern; hat 6 Kirchen (darunter St. Michael bei der Stadt, St. Oswald u. die Kapuzinerkirche mit Gemälden), 6 Kapellen, 2 Klöster (Kapuziner- u. Franciscanerinnenklöster, letzteres seit 1595), Gymnasium, Bürgerschule, neues Hospital (seit 1854), Zeughaus mit alten Waffen, Baumwollweberei, viel Fremdenverkehr, stark besuchte Wochen- u. Jahrmärkte; 3900 Ew. 1435 sank ein Theil der Stadt in den See. – Z. soll der ursprüngliche Sitz der alten Tugener sein. Der Ort Z. war wohl unter den Karolingern Hauptort eines Gaues od. Bezirks, später kam er an die Herzöge von Zähringen u. dann an die Herzöge von Österreich, welche ihn befestigten 1352 wurde er von den Eidgenossen eingenommen u. trat mit dem Bezirk als eigener Canton zur Eidgenossenschaft, jedoch mit Vorbehalt der Rechte des Herzogs von Österreich als bisherigen Landesherrn, erhielt aber lange seinen ersten Beamten von Österreich. Allmälig machte sich Z. ganz frei. Über den Streit 1404 zwischen Stadt u. Land wegen der Bewachung des Banners u. des Siegels, welcher schließlich zu Gunsten der erstern endigte, s. Schweiz S. 637. Seitdem theilte Z. das Schicksal der gesammten Eidgenossenschaft u. seit der Schlacht bei Kappel am 12. Octbr. 1531 (s. Schweiz S. 644) vorzugsweise das Schicksal der katholischen Schweiz. 1725–35 gerieth Z. durch die gegenseitige Bekämpfung der französischen u. österreichischen Partei in große Verlegenheit. Nach Gründung der Helvetischen Republik wurde Z. mit Schwyz, Uri u. Unterwalden zu dem Canton Waldstätten vereinigt, erhielt aber 1803, nach Einführung der Mediationsacte, seine Selbständigkeit wieder. Später, bes. seit der Klösteraufhebung im Aargau 1841, trat Z. für die ultramontanen Grundsätze auf u. neigte sich immer zum Alten u. zur Sache der Jesuiten hin, wenn es auch als einer der kleinsten Cantone immer eine untergeordnete Rolle spielte; im Sonderbundskriege von 1847 stand es daher auch auf Seiten des Sonderbundes, s.u. Schweiz S. 655 ff. 3) Deutsche Colonie im Kreise Ziwilsk des russischen Gouvernements Kasan, von 200 katholischen Familien od. 1200 Seelen bewohnt, welche Feld- u. Gemüsebau, Vieh- u. Bienenzucht u. städtische Gewerbe treiben; Handel mit Landesproducten, Leinwand, Tuch, Hüten, Lederwaaren, Korn, Spiritus, Vieh.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 720-721.
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