Thor (der, s. ⇒ Geck und ⇒ Narr).
1. An einem Thoren ist immer Hopfen und Malz verloren.
It.: Si perde molto per esser stolta. (Pazzaglia, 281, 16.)
2. Aus Thoren werden Narren, aus Narren Gecken. – Altmann VI, 474.
3. Da der Thor die Thörin nahm, ward der Thor der Thörin Mann. – Petri, II, 54.
4. Dem Thoren ist das Liebste auf Erden, was einem nie kann werden.
Lat.: Stulte, quid haec frustra votis puerilibus optas quae non ulla tibi fertque refertque dies. (Ovid.) (Philippi, II, 200.)
5. Dem Thoren muss man mit Holzschlägeln rathen; süsse Worte helfen nichts, und Drohen nutzet nichts.
Lat.: Duc pope, vel longe taurum, tauras redit ipse. (Sutor, 114.)
6. Dem Thoren sind die Hände zur Ernährung bestimmt. – Burckhardt, 293.
Der Verschwender wirft sein Geld für diejenigen weg, die es nicht verdienen.
[1155] 7. Den Thoren erkennt man an zwei Dingen: reden, wenn man schweigen und schweigen, wenn man reden soll.
8. Der alte Thor wird wiederum zum Kinde.
9. Der ist ein Thor, der hingibt, was er selbst bedarff. – Lehmann, 236, 63.
10. Der ist ein Thor, der sich auf einen andern mehr verlässt, als auf sich selbst.
It.: È pazzo espresso, chi si flda più in altro, che in se stesso.
11. Der ist ein Thor, welcher den Spatz aus der Hand lässt fliegen, um die Taub' auf dem Dache (das Rebhuhn in der Luft) zu kriegen.
It.: Poco saggio è colui, che perde il proprio per acquistar l' altrui. (Pazzaglia, 281, 13.)
12. Der thor allzeit reden wil, dauon kompt offt vnglücks vil.
Lat.: Ex lingua stulta veniunt incommoda multa. (Loci comm., 75.)
13. Der Thor bessert sein Leben, wie der Krebs seinen Gang. – Simrock, 10276; Körte, 5943; Braun, I, 4491.
14. Der Thor besorgt jedermanns Geschäfte, ausgenommen seine eigenen.
Engl.: The fool is busy in every one's business but his own. (Bohn II, 505.)
15. Der Thor denkt nicht weiter als seine Nase reicht.
Engl.: The fool never thinks higher than the top of his house.
16. Der Thor fällt vor einem Esel nieder, der mit Gold beladen ist.
Engl.: Fools worship mules that carry gold.
17. Der Thor flieht das Unglück nicht eher, als bis es ihn beim Rock fasst.
18. Der Thor flieht, der Weise nicht.
19. Der Thor glaubt, die Leiter der Ehre hat eiserne Sprossen.
20. Der thor batt grossen lust zuhand ab der welt vnd zeitlichem stand; der weiss aber erkennet frey, wie auff erd so viel ellend sey.
Lat.: Fallitur insipiens uitae praesentis amore: sed sapiens bene scit quantum sit plena dolore. (Loci comm., 83.)
21. Der Thor ist ein Hahn, der zur Unzeit kräht. – Schlechta, 192.
22. Der Thor lebt von Versprechungen.
»Wer den Thorn erfreun will, der versprech ihm nur des Guten vil.«
Lat.: Laeti ficat stultum dives promissio multum. (Sutor, 69.)
23. Der Thor muss ewig dem Weisen dienen. – Graf, 32, 60.
Das liesse sich wol ertragen, wenn's nur nicht oft umgekehrt wäre. Die mittelalterliche Rechtsanschauung verband auch mit dem Begriff der Freiheit den der Weisheit. Wer frei, im Stande des Adels geboren war, der ward auch als weise betrachtet, und ihm musste der Unfreie, dem als solcher auch die Thorheit angeboren war, dienen.
Mhd.: Der tore sol ewiglich dinen dem wisen. (Daniels, 191, 14; Klingen, 73b, 1.)
24. Der Thor sagt: Wer hätte das gedacht!
Engl.: The fool saith, who would have thougt it. (Bohn II, 505.)
25. Der thor sich daran wenig kehrt, so man jhm schon das gute lehrt.
Lat.: Offendit multumque corrigit ad bona stultum. (Loci comm., 189.)
Frz.: Le fou cherche son malheur. (Bohn I, 32.)
27. Der Thor trägt sein Herz auf der Zunge, der Kluge trägt seine Zunge im Herzen. – Schlechta, 239.
28. Der Thor und sein Gut sind leicht zu scheyden. – Chaos, 952.
29. Des Thoren Sorge ist, lustige Tage zu haben. – Schlechta, 191.
30. Die alten Thoren (sind) die besten. – Lehmann, II, 69, 14; Pauli, Postilla, 390.
»Die alden thorn die besten, als man spricht.« (Werdea, Aiiij.)
31. Die grössten Thoren sind, die besoldet werden, weise zu sein. – Winckler, XIV, 66.
[1156] 32. Die grössten Thoren sind die, welche sich selber weise zu sein dünken. – Sailer, 342.
33. Die Thoren habens besser, denn die Herren. – Henisch, 324, 26.
34. Die Thoren tadeln immer, doch besser machen können sie nimmer.
Ueberschrift eines Gedichts von A.F.E. Langbein. (Düsseldorf, II.)
35. Die Thoren werden durch Schaden klug.
Lat.: Malo accepto stultus sapit.
36. Ein Doer kan mer nên seggen, wen alle Doktoren ja. – Lappenberg, Hamb. Chronik, 51.
37. Ein jeder folgt des Thoren Recht, und jeder ist des Thoren Knecht.
Lat.: Omnes stultitiae leges et jura sequuntur, omnes stultitiae sub ditione manent. (Chaos, 946, 8.)
38. Ein thor all ding bald melden thut, nicht heimlichs tregt in seinem mut.
Lat.: Stultus nil celat, quod habet sub corde reuelat. (Loci comm., 190.)
39. Ein Thor fängt viel an und endet wenig.
Dän.: En daarlig begynder meget og endet intet. (Prov. dan., 101.)
40. Ein Thor ist mehr zu beweinen als ein Todter. – Schlechta, 50.
41. Ein Thor ist mit seinem Gelde bald fertig.
Engl.: A fool and his money are soon parted.
42. Ein Thor kann auch regieren, nur muss nichts passiren.
43. Ein Thor kann mehr fragen als hundert Gescheite beantworten.
Lat.: Quaerit delirus, quod non respondet Homerus. (Chaos, 816, 122.)
44. Ein Thor läuft in der Welt herum, der kluge Mann reist.
Engl.: The fool wanders, the wise man travels. (Bohn II, 505.)
45. Ein Thor leuchtet auch unterm Schnee hervor.
46. Ein Thor will allzeit weise sein.
Engl.: The first chapter (point) of fools is, to think, they are wise men.
47. Ein Thor zeucht den andern.
Frz.: Il ne faut souvent qu'un fou pour rendre fous les autres.
48. Einem Thoren darf man dumme Dinge nicht vormachen.
Frz.: Il ne faut jamais défier un fou de mal faire. (Bohn I, 23.)
49. Einen Thoren bläst das Lob auf, wie der Wind ein Aas.
Dän.: Daaren bliver saa hoven af roes, som et aadsel fuld af vind. (Prov. dan., 304.)
50. Einen Thoren kann man wol verachten, aber nie mit Neid betrachten.
Engl.: Fools may our scorn, not envy raise, for envy is a kind of praise.
51. Einen Thoren soll der Arzt wol heilen; aber er sagt ihm nicht, was ihm fehlt.
Lat.: Stultorum incurata pudor malus ulcera celat. (Horaz.) (Philippi, II, 201.)
52. Es gibt mehr alte Thoren als junge. – Altmann VI, 511.
53. Es gibt mehr Thoren in der Welt als gutes Geld.
D.h. als verständige Leute.
54. Es ist ein Thor, der droht und kann nicht ausführen.
Dän.: Det er en daare som vil skade og kand ikke. (Prov. dan., 499.)
55. Es ist kein Thor so gross, er findet noch einen grössern, der ihn bewundert.
It.: Un sciooco trova sempre altro, che l'ammeira.
56. Es sind viel Thoren, die niemand beschoren.
57. Für Thoren gibt es keine guten Gründe.
58. Gäbe es keine Thoren, so achtete man der klugen Leute nicht.
Dän.: Hvis daaren ei øvede sin daarskab, blev de viises klogskab ei bekiendt. (Prov. dan., 530.)
59. Glückliche Thoren haben keine Weisheit vonnöthen.
60. Hat der Thor noch so viel Geld, er schafft nichts Kluges in der Welt.
Mhd.: Vinde der tôre goldes iht, ez'n muge in doch gehelfen niht. (Lambel, Erzählungen und Schwänke, S. 545; Iwein, 4252.)
[1157] 61. Je lenger ein Thor lebt auff erden, je thorechter thut er werden. – Petri, II, 393.
Lat.: Quo plus super stat fatuus, eo stultior extat. (Loci comm., 189.)
62. Jeder Thor fängt sich in seinen Ränken.
63. Man darff den Thoren keine Kappe annehen. – Petri, II, 444.
Bei Tunnicius (666): Men hovet dem doren neine kappe anneien. (Non opus est stulti caput exornare cucullo.) Bei Prov. comm. (475): Men darf ghenen dwasen bellen (Schellen) aenhanghen.
64. Man findet manchen Thoren, der Gott nie sah.
Men vint menighen dwaes, die niet Aken en quam, d.i. man findet manchen Thoren, der nie nach Aachen kam, nie dahin wallfahrtete. (Prov. comm., 471.) Bei Tunnicius (662): Men vint mannigen dwâs, de got ny en sach. (Saepius inventus qui nunquam vidit Jesum.)
65. Man findet so leicht einen alten Thoren als einen jungen. – Simrock, 10275; Braun, I, 4488; Körte, 5941.
66. Mit des thorn zorn bis vnverworn. – Gruter, I, 59; Petri, II, 475; Körte, 5942.
Frz.: N'est pas sage, qui u'a peur d'un fou. (Cahier, 765.)
67. Mit Thoren ist schlecht scherzen.
Bei Tunnicius (663): Mit doren is quât burden. (Cum stolidis risu durum verbisque iocari.)
68. Nur ein Thor stützt sich auf ein Rohr.
69. So einer sucht 'en Thoren, der fass sich selber bei den Ohren. – Simrock, 10270; Braun, I, 4490.
70. Thor, hilf dir selber.
Lat.: Flagitium est, te aliis consilium dare, foris sepere, tibi te non posse auxiliarier. (Terenz.) (Philippi, I, 157.)
71. Thor, lass dir machen ein ohr. – Franck, I, 133a; Simrock, 10264; Sailer, 72; Körte, 5940.
72. Thoren fangen oft an ihr Leben zu bessern, wie der Krebs seinen Gang.
73. Thoren frommt kein guter Rath. – Schlechta, 306.
74. Thoren grawen nicht. – Petri, II, 545.
75. Thoren haben viel Unglück.
Bei Tunnicius (382): Licase hebben vele ungeluckes. (Lannio damna facit, passim vexatur et idem.)
76. Thoren können nichts heimlich halten. – Petri, II, 545.
77. Thoren lenken nur einmal auf eine Seite, sie können das Mittel nicht treffen.
78. Thoren sind auch Leut. – Petri, II, 545.
79. Thoren sind frei in allen Landen.
Bei Tunnicius (385): Dwase sint vry in allen landen. (Veres habet leges terrarum morio nusquam.)
80. Thoren sind Geld von Papier, im Auslande gibt man nichts dafür.
81. Thoren sind Herren, so niemand ehren.
82. Thoren wandeln sich wie der Mond. – Petri, II, 545.
83. Wenn dye toren zu marck kumen, so wirt es gern wolfeyl. – Hofmann, 29, 35.
84. Wenn ein Thor zieht über den Rhein, so kommt er als ein Narr wieder heim.
85. Wenn hundert Thoren gingen vor und fielen alle in ein Hor (Koth).
86. Wenn man dem Thoren Gutes lehrt, so wird er nur noch mehr verkehrt.
Lat.: Offendit multum, qui corrigit ad bona stultum. (Philippi, II, 63.)
87. Wenn man einen Thoren rhümet, so wird er vollend zum Narren. – Büttner, P, 6.
88. Wenn Thoren zu Markte laufen, haben die Krämer gut verkaufen. – Eiselein, 452.
89. Wenn thorn zcu marckt komen, des haben die kremer grossen frommen. – Werdea, Aiiij.
Mhd.: Âne tôren wirt kein market guot. (Diutisca, I.) – Der market wirdet niemer guot, wan sô man tôren schaden tuot. (Freidank.) (Zingerle, 146.)
Lat.: Ad fora dum veniunt stulti mercator, ab illis estorquet multum fenoris atque locri. (Werdea, Aiiij.)
90. Wenn vele Doren tohope doret, ward der Dorjeri (Thorheit) to vel. – Eichwald, 335.
91. Wer den thoren erfreuen wil, der verheisse jhm nur gutes viel.
Lat.: Laetificat stultum diues promissio multum. (Loci comm., 189.)
[1158] 92. Wer einen Thoren sendet, dem kommt ein Narr wieder. – Eiselein, 594; Simrock, 10266.
Lat.: Qui stultus exit, stultus revertitur. (Eiselein, 594.)
93. Wer mit Thoren schimpfen (scherzen) will, der muss dulden Narrenspiel. – Eiselein, 595.
94. Wer sich einen Thoren scheren lässt, ist selbst ein Thor.
Mhd.: Swer sieh den toren lezzet schern, der ist selber ein tore. (Fritzlar, Liet von Troye, herausgegeben von Frommann, V. 16575.)
95. Wer sich hält an den Thoren, so er fällt, hat zwier verloren. – Körte, 5944.
96. Wer Thoren vexiren wil, der muss jhr schleg leiden. – Petri, II, 696.
97. Willst du den Thoren erfreuen, so musst du ihm viel Gutes prophezeien.
Zu seinen Charakterzügen gehört Leichtgläubigkeit.
98. Ain thor kan ein so ungeruempte fragen thon, das zehn weisen im die nit verantworten wissen. – Zimmerische Chronik.
99. Der Thor bleibt stehen, wo er steht, bis ihm der Schlaf in die Beine geht.
Bis ihm die Beine einschlafen.
100. Der Thor gewinnt gern das erste Spiel.
Und glaubt, dass er damit alles und – für immer gewonnen habe.
101. Der Thor ist klug für jedermann nur dass er sich nicht rathen kann.
Lat.: Quisque in malo alieno, in suo nemo sapit. (Sailer, Sprüche, 39.)
102. Ein Thor hat seinen Teller (Keller, Boden u.s.w.) zuerst leer.
Er lebt in den Tag hinein, denkt nicht an die Zukunft.
103. Nur der Thor prahlt mit fremdem Gute.
Lat.: Stulta de alienis superbia. (Sailer, Sprüche, 114, 72.)
104. Thoren darf man nicht säen, sie wachsen von selbst.
105. Was man einem Thoren sagt, lässt er zu einem Ohr ein- und zum andern wieder herausgehen.
106. Wenn der Thor viel hat, so verzehrt er viel.
107. Wer von einem Thoren gehalten wird, soll ihm das Kleid in den Händen lassen.
Sich unter allen Umständen, auch bei Verlust von ihm entfernen.
*108. Ei Thur, dar mejer gibt, ols er kon. – Larisch, 25.
Ein Thor, der mehr gibt, als er kann.
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