[791] Ludwig, 1) Otto, hervorragender Dichter und Schriftsteller, geb. 11. Febr. 1813 zu Eisfeld im Herzogtum Meiningen, gest. 25. Febr. 1865 in Dresden, verlebte in engen Umgebungen eine bewegte Jugend voll zum Teil düsterer und schwer lastender Eindrücke. Seine poetischen und musikalischen Talente übte er zunächst autodidaktisch, nahm eifrig an einem Liebhabertheater seines Heimatstädtchens Anteil und verstieg sich zur Komposition eines größern Singspiels, das die Aufmerksamkeit des regierenden Herzogs von Sachsen-Meiningen auf ihn lenkte, der ihm eine weitere Bildungslaufbahn erschloß. L. ging zunächst nach Leipzig, um unter Mendelssohn das Studium der Musik zu beginnen. Teils nervöse Reizbarkeit, die ihn am Klavier- und Orgelspiel hinderte, teils wohl auch der stärker werdende Drang zur poetischen Produktion (L. schrieb in dieser Zeit seine ersten Novellen und entwarf zahlreiche Dramen, von denen die Dramatisierung der E. T. A. Hoffmannschen Novelle »Das Fräulein von Scudéry« erhalten blieb) veranlaßten ihn, die Musik als Lebensberuf aufzugeben. Mit der ganzen Energie seines Willens warf sich L. jetzt auf literarische Studien, zog sich mehrere Jahre teils in sein Heimatstädtchen, teils in die Abgeschiedenheit eines Dorfes bei Meißen zurück, wo er mehrere unveröffentlichte Tragödien schrieb und 1850 das bürgerliche Trauerspiel »Der Erbförster« (Leipz. 1853) vollendete. Die kraftvolle Frische des darin offenbarten dramatischen Talents, die seltene Wärme und Ursprünglichkeit realistischer Charakteristik, die fortreißende Lebendigkeit und Fülle des Details namentlich der ersten Akte halfen über die bedenkliche Tatsache, daß die Tragödie nicht tragisch angelegt war, bald hinweg. Einen höhern Schwung nahm der Dichter dann in der historischen Tragödie »Die Makkabäer« (Leipz. 1855), die sich gleichfalls durch die Plastik und Farbenfülle[791] des realistischen Details auszeichnete, aber im dramatischen Aufbau, in der psychologischen Anlage der Gestalten wie in der schwungvollen, bilderreichen Sprache das ideale Pathos nicht ausschloß. L. hatte sich mittlerweile verheiratet und war 1852 nach Dresden übergesiedelt, wo er die Tragödie »Agnes Bernauer« begann und seine frühern novellistischen Versuche wieder aufnahm. Als Beginn einer Reihe von Geschichten aus seiner Heimat (»Thüringer Naturen«) veröffentlichte der Dichter die vortreffliche Novelle »Die Heiterethei und ihr Widerspiel« (Leipz. 1857; 3. Aufl., Berl. 1874; illustriert von E. Liebermann, Leipz. 1899). Noch mächtiger erschien die Erzählung »Zwischen Himmel und Erde« (Frankf. a. M. 1857; 5. Aufl., Berl. 1877), ein Meisterwerk voll psychologischer Tiefe, packender Momente und eherner Konsequenz der Entwickelung, von innerster, aber dumpfer, bedrückender, nicht befreiender und erquickender Gewalt. Die weitern poetischen Bestrebungen des Dichters wurden durch schweres körperliches Siechtum unterbrochen und gehemmt. Dazu ergab sich L. vorwiegend theoretischen Reflexionen, als deren Resultat aus seinem Nachlaß einzig die »Shakespeare-Studien« (hrsg. von Heydrich, Leipz. 1871; 2. Aufl., Halle 1901; vermehrt in den »Studien«, als Bd. 5 u. 6 der Gesammelten Werke erschienen), Reflexionen, die zwar seine Produktionsfrische nicht minder niederhielten als die Krankheit, aber zu einer wertvollen Fundgrube ästhetischer Kenntnisse geworden sind. Zahlreiche Dramenfragmente (»Agnes Bernauer«, »Marino Faliero«, »Tiberius Gracchus« u.a.) zeugen dafür, daß von Zeit zu Zeit in dem Dichter die alte Kraft aufflammte, ohne daß es ihm gelungen wäre, einen dieser Anfänge auszuführen. Seinen literarischen Nachlaß mit biographischer Einleitung gab Heydrich (Leipz. 1874) heraus. Eine mit neuen, z. T. wertvollen, bisher ungedruckten Werken (darunter drei Novellen) bereicherte Ausgabe von Ludwigs »Gesammelten Schriften« veranstalteten Adolf Stern und Erich Schmidt (Leipz. 1891, 6 Bde.), mit Biographie von A. Stern (auch in Sonderausgabe: »Otto L., ein Dichterleben«); dazu veröffentlichte seine Tochter Cordelia noch aus seinem Nachlaß: »Gedanken« (Leipz. 1903). Ausgaben von Ludwigs ausgewählten Werken besorgten V. Schweizer (in Meyers Klassiker-Bibliothek, Leipz. 1898, 3 Bde.), A. Bartels (in Hesses Klassikern, das. 1900, 6 Bde.), W. Eichner (Berl. 1902, 2 Bde.), Brausewetter u.a. Vgl. Gust. Freytag, Gesammelte Aufsätze, Bd. 2 (Leipz. 1888); H. v. Treitschke, Historische und politische Aufsätze, Bd. 1 (6. Aufl., das. 1903); Kühnlein, O. Ludwigs Kampf gegen Schiller (das. 1900); Eick, O. Ludwigs Wallenstein-Plan (Dissertation, Greifsw. 1900); Rich. Müller, O. Ludwigs Erzählungskunst (Berl. 1905); Greiner, Die ersten Novellen O. Ludwigs und ihr Verhältnis zu L. Tieck (Dissertation, Jena 1904); R. M. Meyer, O. Ludwigs »Maria« (im »Euphorion«, Bd. 7, 1900); Lublinski, Jüdische Charaktere bei Grillparzer, Hebbel und Otto L. (Berl. 1898).
2) Karl, Physiolog, geb. 29. Dez. 1816 zu Witzenhausen im Hessischen, gest. 23. April 1895 in Leipzig, studierte in Marburg und Erlangen, habilitierte sich 1842 in Marburg, wurde 1846 außerordentlicher Professor der vergleichenden Anatomie daselbst, 1849 Professor der Anatomie und Physiologie in Zürich, 1855 Professor der Physiologie und Physik am Josephinum in Wien und 1865 Professor der Physiologie in Leipzig. Es gibt kaum ein Gebiet der Physiologie, auf dem sich nicht an Ludwigs Namen wichtige Untersuchungen und Entdeckungen knüpften; auch waren einzelne seiner Arbeiten von durchaus fundamentaler Bedeutung für die gesamte Medizin und die Naturwissenschaften überhaupt. Mit Brücke, Du Bois-Reymond und Helmholtz beseitigte er die Lehre vom Vitalismus aus der deutschen Wissenschaft. Seine Arbeiten über die Zirkulation des Blutes und die Druckschwankungen im Blutgefäßsystem (Erfindung des Kymographion, durch das die graphische Methode in die Physiologie eingeführt wurde; s. Abbildung auf der Tafel »Blut und Blutbewegung II«, S. III), über die Resorption und die Anfänge der Lymphgefäße, über den Gasaustausch und die Bestimmung der Spannung der Blutgase, über den Stoffwechsel im tätigen und ruhenden Muskel, über das vasomotorische Zentrum, seine Filtrationstheorie zur Erklärung der Harnbildung in der Niere, seine Entdeckung des direkten Nerveneinflusses auf die Drüsenzellen der Absonderungsorgane und zwar zunächst der Speicheldrüsen gehören zu den schönsten Errungenschaften der neuern Physiologie. Er schrieb: »Lehrbuch der Physiologie des Menschen« (Leipz. 18521856, 2 Bde.; 2. Aufl. 185861) und gab seit 1866 »Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig« heraus. Vgl. His, Karl L. und K. Thiersch, Gedächtnisrede (Leipz. 1895).
3) Alfred, Sanskritist und vergleichender Sprachforscher, geb. 1832 in Wien, wurde 1860 als außerordentlicher Professor nach Prag berufen, 1871 daselbst zum Ordinarius ernannt und trat 1901 in den Ruhestand. Er schrieb: »Der Infinitiv im Veda« (Prag 1871); »Agglutination oder Adaption, eine sprachwissenschaftliche Streitschrift« (das. 1873) u.a. Sein Hauptwerk ist eine Übersetzung des »Rigveda«, mit Einleitung und Kommentar (Prag 187588, 6 Bde.).
4) Karl, Maler, geb. 18. Jan. 1839 zu Römhild in Sachsen-Meiningen, gest. 19. Sept. 1901 in Berlin, besuchte 185556 die Kunstschule in Nürnberg und die Akademie in München, widmete sich hier bei Piloty der Landschaftsmalerei, ging 1868 nach Düsseldorf, wurde 1877 Professor der Landschaftsmalerei an der Kunstschule in Stuttgart, siedelte aber schon 1880 nach Berlin über. Seine Bilder, deren Motive meist dem Hochgebirge entnommen sind, zeichnen sich durch großartige, poesievolle Auffassung, treffliche Zeichnung, wirkungsvolle Farbe und breite, aber doch solide Behandlung aus. Hervorzuheben sind: das verfallene Parktor (in der Schackschen Galerie zu München), Frühling, Sommer und Herbst (im Besitz des Herzogs von Meiningen), Mondnacht (in der Galerie zu Barmen), Schmugglerweg im Gebirge, St. Gotthardpaß (Berliner Nationalgalerie), Kyklopenschlucht, Eisacktal mit dem Schlern (1880), stürmische Mondnacht am Bodensee (1881), ein Sommertag in den Graubündner Alpen (1883), der Albulapaß in Graubünden im Schnee (1884), Frühling im Gschnitztal in Tirol (1886), die vier Jahreszeiten im Hochgebirge (ein Zyklus in 4 Bildern, 1888), Bergschloß im Mondschein, Lütschinetal im Berner Oberland, die Zwillinge am Albulapaß in Graubünden, Fondo in Südtirol, bei Wimpfen am Neckar, Hohenzollern (Frühlingsmorgen), Hohenstaufen (Herbstabend), die Marienburg in Westpreußen, Morgen am Wendelstein und auf dem hohen Frassen bei Bludenz (1899). Für das Reichstagsgebäude hat er drei landschaftliche Wandgemälde ausgeführt. L. war Mitglied der Akademie. Von seinen Schwestern ist Auguste L., geb. 1834 zu Gräfenthal in Thüringen, eine talentvolle Genremalerin,[792] und Julie L., geb. 1832 ebendaselbst, gest. 1894 in Berlin, war als Novellistin (»Altes und Neues«, Düsseld. 1868; »Mein Großoheim«, Stuttg. 1884; »Aus goldner Zeit«, das. 1885; »Im kühlen Grund und andre Geschichten«, das. 1890) bekannt.
5) Hubert, Zoolog, geb. 22. März 1852 in Trier, studierte seit 1870 in Würzburg, wurde 1874 Assistent am zoologischen Institut in Göttingen, habilitierte sich daselbst 1875 als Privatdozent und wurde 1878 Direktor der städtischen Sammlungen für Naturgeschichte und Ethnographie in Bremen, 1881 Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie und Direktor des Zoologischen Instituts in Gießen, 1887 in Bonn, 1894 auch Dozent in Poppelsdorf. Er schrieb: »Über die Eibildung im Tierreich« (Würzb. 1874); »Morphologische Studien an Echinodermen« (Leipz. 187782); »Die Wirbeltiere Deutschlands« (Hannov. 1884); »Arktische Seesterne und Holothurien« (Jena 1900); »Die Seesterne der antarktischen Expedition der Belgica« (Antwerpen 1903). Auch bearbeitete er die Echinodermen für Bronns »Klassen und Ordnungen des Tierreichs« (Leipz. 1888 ff.), die Tiefseeholothurien und die Tiefseeasteroiden der amerikanischen Albatroß-Expedition (New Cambridge 1894 u. 1905), die Seesterne des Mittelmeers für das Sammelwerk: »Fauna und Flora des Golfs von Neapel« (Berl. 1897), die Holothurien, Ophiuroiden und Krinoiden in den »Ergebnissen der Hamburger Magalhaensischen Sammelreise« (Hamb. 189899) sowie die 3. Auflage von Leunis' »Synopsis der Zoologie« (Hannov. 1886, 2 Bde.) und die neuen Auflagen der Leunisschen Schulbücher.
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