[749] Englische Kunst. Die kunsthistorische Entwickelung Englands beginnt mit der normännischen Eroberung. Die Normannen brachten für die Baukunst den in der Normandie bereits heimischen römischen Basilikenstyl in ihre neue Heimath, doch ging derselbe aus seinen rohen Verhältnissen erst unter der Regierung Heinrichs I. zu zierlicheren Formen über. Schlankere Säulen, feinfugiges Mauerwerk, geschmückte Capitäle fanden unter dem Einflusse des kunstsinnigen Bischofs Roger Poor von Salisbury immer mehr Eingang. Gegen Mitte u. Ende des 12. Jahrh. begann der Spitzbogenstyl allmälig den Rundbogenstyl zu verdrängen u. erlangte in dem Bau des Domchors zu Canterbury 117180 schon ein entschiedenes Übergewicht über die alte Bauweise. Mit dem 13. Jahrh. nahm der nun völlig zur Herrschaft gelangte Gothische Styl in England allmälig das eigenthümliche Gepräge an, welches ihn als Englisch-normännischen Styl von dem festländischen Gothischen Baustyl unterscheidet. Jene unterscheidenden Merkmale bilden die langgestreckten Längenschiffe, welche gewöhnlich von zwei Querschiffen unterbrochen sind u. mit einem langen, hohen, in einen quadratischen Ausbau schließenden Chore endigen. Die Schlußwand des Chores durchbrach ein großes Morgenfenster, der wesentliche Schmuck der englischen Kathedralen. Im Äußeren ist der Englisch-normännische Styl durch das Zinnenwerk gekennzeichnet. Die Thürme enden mit einer Platform. welche, wie auch nicht selten das Mauerwerk der Kirche u. der Strebepfeiler, mit einer Brüstung gekrönt ist, od. unmittelbar von der Platform steigen achteckige, schlanke, spitz zulaufende Thürme empor. Gegen Ende des 14. Jahrh. artete dieser eigenthümliche Styl immer mehr aus, indem die gerade Linie über den Spitzbogen die Oberhand gewann u. zugleich eine Überladung in den ornamentalen Elementen um sich griff. Im 15. u. 16. Jahrh. erfolgte eine immer größere Annäherung des Spitzbogens an. die gerade Linie, indem derselbe abgestumpft od. durch Schweifung herabgedrückt wurde. Zierliche Details des Stabwerks haben dieser verdorbenen Gothik den Namen des Blühen den Styls gegeben; sonst wurde derselbe auch nach dem herrschenden Regentenhause der Tudorstyl genannt. Das 17. Jahrh. gab auch diesen Styl auf u. nahm dafür den verdorbenen Italienischen Styl an. Zwar wurden noch einige Versuche gemacht, den Gothischen Styl wieder zu beleben, im Ganzen aber bot die Zeit nur das Bild gänzlicher Stylverwirrung u. Geschmacklosigkeit. In neuerer Zeit ist der Tudorstyl namentlich zu Profanbauten wieder in Aufnahme gekommen. Das großartigste Bauwerk der Art, welches England besitzt, sind die von Charles Barry 1847 aufgeführten Parlamentshäuser. Größeres als in der eigentlichen Kunstsphäre leisteten englische Baumeister auf dem Gebiete der öffentlichen Zwecken dienenden Architektur. Der auf den praktischen Nutzen gerichtete Sinn der Engländer leistete hier mehr, als jede andere Nation, vorzugsweise seitdem das Eisen vielfach an der Stelle von Holz u. Stein in der Baukunst angewendet wurde. Die Hafen-, Docks- u. Schiffsbauten, die Eisenbahnbrücken aus Gitterwerk u. endlich der Bau der großen, unter dem Namen Krystallpalast bekannten Industriehalle in London, sind Zeugnisse für die hohe Stufe, welche die Bautechnik in England erreicht hat. In der von der Architektur sich gegen Ende des Mittelalters ablösenden Sculptur hat England nichts Eigenthümliches geleistet, ist vielmehr vom Auslande stets abhängig gewesen u. viele seiner Bildwerke stammen aus der Hand fremder Meister. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. begann mit John Flaxman eine bemerkenswerthe Regsamkeit auf dem Gebiete der Plastik, welche mit den continentalen Bestrebungen zur Wiederbelebung des klassischen Geschmacks gleiche Wurzeln hatte. Doch vermochte das Genie Flaxmans nicht, durch sein Beispiel einer idealen Kunstrichtung Bahn zu brechen, u. das Vorzüglichste, was seine Schüler u. Nachfolger leisteten, beschränkte sich auf das Portraitfach. Ebenso dürftig sind die Leistungen Englands auf dem Felde der Malerei, welche, nach den wenigen Bruchstücken mittelalterlicher Fresken zu urtheilen wahrscheinlich von fremden Künstlern ausgeübt wurde. Auch Holbein u. van Dyck, welche auf englischem Boden namentlich im Portraitsache Vorzügliches leisteten haben nur wenig befruchtend auf die heimische Entwickelung der Malerei eingewirkt, u. wenn sie auch englische Schüler u. Nachahmer hatten, so blieben diese doch bei der Portraitmalerei stehen. Erst mit William Hogarth begann die englische Malerei ein selbständiges Wesen zu entwickeln, indem dieser Künstler dem Geschmack der französischen Geschichtsmalerei, welche Thornill nach England überführt hatte, mit seinem derben Naturalismus gegenübertrat u. das moralisch-humoristische Genre begründete, aus welchem sich später die englische Caricaturzeichnung zu großer Fruchtbarkeit entwickelte. Nicht minder bedeutend als Künstler war Hogarths Zeitgenosse, Joschua Reynolds, der Begründer der Englischen Malerschule, welche ihm die Auszeichnung im Colorit verdankt, dessen Studium er mit ebenso großem Eifer wie Erfolg oblag. Als Präsident der 1769 neu errichteten Akademie der Bildenden Künste übte er einen großen Einfluß auf die Belebung u. Förderung des Kunstgeschmacks u. bahnte die Historienmalerei an, welche durch Benj. West, James Barry, John Opie u. And. zu höherem Aufschwunge gelangte. Auch die Landschaftsmalereitrieb um diese Zeit Blüthen; Richard Wilson u. Thomas Gainsborough begründeten ihre spätere Entwickelung. Vorherrschend bis in die neueste Zeit blieb in der Malerei das humoristische Genre, namentlich vertreten von dem Schotten Wilkie, u. das idyllische Genre, dessen Hauptvertreter Landseer ist. In den nachbildenden Künsten haben englische Meister zahlreiche Werke hervorgebracht, doch steht die Massenhaftigkeit der Production zu ihrem künstlerischem [749] Werthe in keinem Verhältniß. Fabrikmäßig angefertigte Illustrationen zu gedruckten Werken weisen auch hier auf den vorherrschend industriellen Sinn der Engländer hin, welcher die Kunst zur Dienerin der Speculation machte. Die Kupferstecherkunst blühte im 18. Jahrh. unter Strange, Woollet, Sharp u. Townley. Sie wurde durch die Stahlstichindustrie allmälig fast ganz verdrängt, bis der Holzschnitt in Folge der Ausbildung, welche englische Künstler, wie John u. Thomas Bewick, William Harwey u. And., dieser Vervielfältigungsart zu geben wußten, zur Herrschaft kam u. auch von England aus nach Frankreich u. Deutschland überführt wurde.
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