1. Das sind verlorene Thränen, wenn ein Herr will, und ein Knecht weint.
[1163] 2. Die heftigsten Thränen trocknen wieder.
Böhm.: Slza vysychá. (Čelakovsky, 195.)
Engl.: Nothing dries sooner than teurs. (Bohn II, 136.)
It.: Niente piu tosto se secca che lagrime.
3. Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten, sagte der Pastor, da er seine reiche Schwiegermutter begrub.
4. Die Thräne glänzt wol, aber sie trübt das Auge. (Böhmen.)
5. Die Thränen der Buhlerin sind immer bereit.
6. Die Thränen der Frommen fallen nicht zur Erde.
Böhm.: Slza na pobožného ná k zemi kane, ale do vĕčnosti vane. (Čelakovsky, 9.)
Krain.: Solza pobožnimu ne pada na tla, v' véčnost pihti. (Čelakovsky, 9.)
7. Die Thränen, die ein Sohn seiner Mutter auspresst, kann auch der Sohn nur trocknen.
Frz.: Un fils qui vait verser des larmes à sa mère, peut seul les essuyer. (Cahier, 2284.)
8. Die Thränen im Kindelbett sind gülden vor den andern. – Petri, II, 146.
9. Die Thränen sind umsonst, die man vor dem Richter weint.
It.: Perde la lacrime, chi piange avant il giudice. (Pazzaglia, 288.)
10. Die Thränen sind ziemlich trocken, welche reicher Leute Kinder auf das Grab der Aeltern weinen.
11. Eine schöne Thräne findet leicht ein Tuch, das sie trocknet.
12. Eine Thräne macht das ganze Gesicht trübe. – Sprichwörtergarten, 410.
Ein einziger unangenehmer Vorfall kann die heiterste Gemüthsstimmung trüben.
13. Es kommen nicht alle Thränen aus dem Herzen.
Die Russen: Es wird seltener mit dem Herzen geweint als mit den Augen. (Altmann VI, 420.)
14. Es sind schlimme Thränen, die niemand trocknen kann.
15. Gegen Thränen hilft kein Saitenspiel.
Lat.: Non facit ad lacrymas barbitos ulla meas. (Ovid.) (Binder II, 2170.)
16. Hitzige thränen trocknen bald. – Lehmann, 754, 5; Simrock, 10281; Braun, I, 4498.
Man vergisst des Leides in kurzer Zeit.
Dän.: Hidsig graad tørres snart. – Hylen og tuden varer ei længe. (Prov. dan., 251.)
Engl.: Nothing dries sooner than tears.
Holl.: Daar is niets, dat eerder opdroogt dan een traan. (Harrebomée, II, 342a.)
Lat.: Lacrima nihil citius arescit. (Cicero.) (Binder II, 1618; Frob., 408 u. 475; Philippi, I, 219; II, 24.)
Schwed.: Skräne gråt warar intet länge. (Grubb, 727.)
17. Ist die Thräne auch noch so hell, sie trübt das Auge.
Böhm.: Slza svžtlá, ale oči kali. (Čelakovsky, 180.)
18. Je mehr Thränen, je leichter der Schmerz.
Böhm.: Plač ku bohu, a slzy voda. (Čelakovsky, 181.)
Dän.: At græde er en trøst. – Man klager det for sine øyne. – Tager sine øyne i en klad. (Prov. dan., 251.)
Lat.: Est quaedam flere voluptas.
19. Je mehr Thränen, je schöner die Predigt.
It.: Il pianto del popolo, è ii pane girico del parroco. (Cahier, 3054.)
20. Man muss nicht allen Thränen trauen.
Holl.: Op eens fellen menschen tranen zal zich niemand betrouwen. (Harrebomée, II, 342b.)
21. Mit Thränen beweint die arme Welt ihr verlorenes Geld.
Lat.: Ploratur lachrymis amissa pecunia vetis. (Chaos, 466.)
22. Mit Thränen kann man (Liebende) leicht versöhnen.
Lat.: Ab amante lacrimis redimimus iracundiam.
23. Thränen bringen niemand aus dem Grabe zurück. – Simrock, 10282.
Lat.: Nullus homo lacrymis unquam vocabatur ab umsis. (Eiselein, 595.)
24. Thränen machen das Herz leicht.
Holl.: Tranen met maten ook somtijds baten. (Harrebomée, II, 342b.)
25. Thränen rühren mehr als Worte.
Lat.: Interdum lachrymae pondera vocis habent. (Ovid.) (Philippi, I, 205.)
[1164] 26. Thränen sind der Braut Perlen.
Die Russen: Thränen verschönern das Antlitz der Braut an ihrem Hochzeitstage. (Altmann VI, 465.)
27. Thränen sind der Weiber Waffe.
Böhm.: Pláč ženský meč, mrzký muži pláč. (Čelakovsky, 184.)
28. Thränen sind der Wittwen Wortsprechen vnd Morgensupp. – Petri, II, 545.
29. Thränen sind des Leidenden Balsam. – Simrock, 10280.
Auch in den Thränen liegt Trost. In Aegypten sagt man, um die den Thränen inwohnende schmerzlindernde Kraft zu schildern: Die Rippen wären angebrannt, wenn die Thränen nicht wären. (Burckhardt, 586.)
Böhm.: Ač jsi mi zmařil plesy, nemůžeš mi odníti pláče. (Čelakovsky, 195.)
Dän.: Graad formindsker sorgen. (Prov. dan., 250.)
30. Thränen sind des Teufels Blasebälger.
Lat.: Paratae lachrymae insidias, non fletum indicant. (Philippi, II, 81.)
31. Thränen sind scharfe Wasser, aber sie waschen keine Thorheit ab.
32. Thränen thun's nicht.
33. Thränen über fremden Kummer trocknen leicht. – Altmann VI, 500.
34. Thränen und unbekannten Wassern muss man nicht trauen.
Holl.: Tranen rijn bedriejelijk. (Harrebomée, II, 342b.)
35. Thränen wecken keinen Todten auf.
Holl.: De tranen baten den doode niet. (Harrebomée, II, 342a.)
36. Thränen zerfressen den Stahl. (Wend.-Lausitz.)
37. Unter Thränen gewonnen, unter Thränen zerronnen.
Unrechtes Gut.
38. Wenn man mit Thränen essen muss, so hat man keinen Genuss.
Dän.: Den mad vorder ilde siunken som grædelig uedes. (Prov. dan., 11.)
39. Wer die Thränen der Unglücklichen trocknet, macht die schönste Wallfahrt.
Die Chinesen sagen: Es ist besser, die Thränen eines Bauern zu trocknen, als tausend Lächeln eines Ministers zu erhalten. (Cahier, 2102.)
40. Wer hie mit Thränen säet, wird dort mit frewden erndten. – Henisch, 926, 59; Ps. 125, 5.
Die Russen: Leid hat oft geackert, wo Freude erntet. (Altmann VI, 486.)
Frz.: Qui sème en pleurs recueille en heur. (Leroux, I, 58.)
Holl.: Die met tranen zaaijen, zullen met gejuich maijen. (Harrebomée, II, 342a.)
It.: Chi semina in pianto raccoglie con allegrezza. (Pazzaglia, 6.)
Lat.: Qui seminant lacrymis, in exultatione metent. (Schulze, 40.)
*41. Bittere Thränen vergiessen.
»O was für heisse, bittere Thränen hab' ich manchmal nicht vergossen.« (Keller, 147b.)
Der vornehmste Bestandtheil einer Thräne ist Wasser. Dieses Wasser enthält bei Auflössung neben einer Substanz, die man Mucus nennt, einen kleinen Theil Salz, Natron, phosphorsauren Kalk und phosphorsauren Natron. Salz und Natron sind es, welche den Thränen jenen eigenthümlichen Geschmack geben, der ihnen bei den griechischen Dichtern das Epitheta »Salz«, bei den unserigen die Bezeichnung »Bitter« verschafft hat. »Salz« ist indess der richtigere Ausdruck der beiden Bezeichnungen; denn wenn eine Thräne trocknet, verdunstet das Wasser und hinterlässt eine Ablagerung salziger Bestandtheile. (Vgl. Naturgeschichte der Thränen in Ausland, Augsburg 1868, Nr. 12, S. 280.)
*43. Eine Thräne schlug die andere. (Rottenburg.)
*44. Einem die Thränen trocknen.
Holl.: Iemands tranen droogen. (Harrebomée, II, 342a.)
*45. Er könnte seine Thränen (für bessere Dinge) aufheben.
Holl.: Uwe tranen zullen og wel beter te pas komen. (Harrebomée, II, 342b.)
*46. Er weinet blutige treher. – Tappius, 90a.
Lat.: Sanguine fiere. (Erasm., 547; Suringar, CXCIX; Tappius, 90a.)
*47. Er weint heisse Thränen.
Holl.: Hij schreit tranen met luiten.
Lat.: Ne lachrimae quidem ex ejus oculis una. (Bovill, I, 63.)
[1165] *48. Er weint Thränen in den Bach Kidron, um Fische darin zu fangen. – Bresl. Zeitung, 1864, 15.
Spielt den Traurigen, um seinen Vortheil dabei zu finden.
*49. Er weint Thränen wie Hittenküötteln. (Arnsberg.)
*50. Er weint Thränen wie Holzschuhe. (Westf.)
*51. Er weint Thränen wie Pflückerbsen.
*52. Magarensische Thränen. – Berckenmeyer, 405.
Ohne wirkliche Betrübniss vergossene, falsche, heuchlerische.
*53. Thränen Petri. – Eiselein, 470.
So wird der Seewein oder der Wein vom Bodensee im Gegensatz zu dem Lacrymä Christi genannt. Nach Auerbach wird derselbe in drei Klassen abgetheilt, wovon der erste und beste heisst Sauerampfer, etwas besser als Essig schmeckt, und das Maul nur ums Merke verzieht. Der zweite ist ⇒ Dreimännerwein (s.d.), schon rüster und saurer als Essig und heisst so, weil es dabei noth wäre, dass zwei Männer denjenigen, so ihn trinkt, fest hielten und ein dritter ihm die Brühe eingösse. Die dritte Gattung ist der ⇒ Rachenputzer (s.d.), hat die gute Eigenschaft, dass er den Schleim und alles abführt u.s.w. (Eiselein, 407.)
54. Besser Thränen als gähnen. – Neue Freie Presse, 5574.
55. Die Thränen der Bedrängten sind gefährlicher als eine Sintflut. – Harssdörffer, 1493.
56. Die Thränen, der Schlaf, die Hoffnung die drei, die lindern den Kummer, wie drückend er sei.
57. Die Thränen der Unterdrückten sind die Denkzettel Gottes. – Harssdörffer, 1466.
58. Die Thränen der Weiber sind Augenwasser, sagte der alte Weise. – Altmann VI, 452.
59. Es sind schlimme Thränen, denen Gottes Wort und gutes Gewissen nicht nah sind.
60. Fremde Thränen können eigene ersparen.
Wenn man nämlich, von fremder Noth belehrt, die Quelle der eigenen verstopft.
Lat.: Alienis lacrymis cautior. (Sailer, Sprüche, 141, 142.)
61. Thränen im Alter sind Bächlein, die aus Hungerquellen fliessen. – Horn, Spinnstube, 1857, S. 212.
*62. Die Thränen des heiligen Laurentius.
Unter diesem Namen ist jener Sternschnuppenschwarm bekannt, welcher um den 10. August jedes Jahres aus dem Sternbild des Perseus herabzufallen scheint und in gewissen Perioden wiederkehrt. (Karlsbader Anzeiger, 1876, Nr. 21.)
Buchempfehlung
Die letzte zu Lebzeiten des Autors, der 1835 starb, erschienene Lyriksammlung.
242 Seiten, 12.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro