[455] Dampfmaschine (hierzu Tafel »Dampfmaschinen I-III« mit Text), eine Kraftmaschine, die mit gespanntem Wasserdampf betrieben wird. Versuche, den Dampf von leicht flüchtigen Stoffen (Äther, Ammoniak etc.) zum Betriebe von Maschinen (Ätherdampfmaschine, Ammoniakmaschine) zu benutzen, sind ohne praktische Bedeutung geblieben. Früher diente ausschließlich gesättigter Wasserdampf zum Dampfmaschinenbetrieb, neuerdings wird sehr oft überhitzter Dampf (Heißdampf) benutzt.
Hinsichtlich der Wirkungsweise des Dampfes in der D. lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden. Bei den rotierenden Dampfmaschinen (Dampfturbinen), denen man erst in neuester Zeit Aufmerksamkeit zuwendet, bewegt der Dampf unmittelbar mit einer Welle verbundene rotierende Teile. Weitaus wichtiger und verbreiteter sind die Kolbendampfmaschinen (Dampfmaschinen im engern Sinn), bei denen in einem Zylinder ein dicht anschließender Kolben durch den Dampf hin und her bewegt und diese hin und her gehende Bewegung entweder direkt benutzt (z. B. bei der Dampfpumpe, dem Dampfhammer) oder mittels des Kurbelgetriebes in die rotierende Bewegung einer Welle, der Kurbelwelle, verwandelt wird. Kommt der Dampf nur auf einer Seite des Kolbens zur Wirkung, so ist die D. einfach wirkend, wirkt er abwechselnd auf beiden Seiten des Kolbens, so ist sie doppelt wirkend. Kann während eines ganzen Kolbenhin- oder -Herganges, eines Kolbenhubes, Dampf aus dem Kessel in den Zylinder eintreten, bleibt also während einer ganzen Hubperiode der Dampfdruck im Zylinder konstant, dann heißt die D. Volldruckmaschine. Nach Beendigung eines Hubes entweicht der Dampf bei der rückläufigen Bewegung des Kolbens mit derselben Spannung, mit der er eingetreten ist (Eintrittsspannung, Admissionsspannung). Es geht also ein großer Teil der im Dampf enthaltenen Arbeit nutzlos verloren, weshalb Volldruckmaschinen nur in einzelnen, seltenen Fällen sich zur Ausführung eignen. Viel vorteilhafter arbeitet die Expansionsmaschine, bei der der Dampfzutritt zum Zylinder schon abgesperrt wird, wenn der Kolben erst einen Teil seines Hubes zurückgelegt hat, worauf der nun im Zylinder abgeschlossene Dampf bis zur Vollendung des Kolbenhubes expandiert. Die Expansion erfolgt mit großer Annäherung nach dem Mariotteschen Gesetz. Mit fortschreitender Expansion sinkt der Dampfdruck im Zylinder also immer mehr, und der Dampf verlaßt den Zylinder mit niedrigerer Spannung, als er eingetreten ist. Das Verhältnis
wird Füllung des Zylinders genannt, das umgekehrte Verhältnis Expansionsgrad. Der Dampf, der in der D. Arbeit geleistet hat, entweicht entweder ins Freie (Auspuffmaschine), oder er wird in einem besondern Raume, dem Kondensator, niedergeschlagen, wodurch ein Vakuum entsteht (Kondensationsmaschine; s. Kondensation). Der aus dem Zylinder ausströmende Dampf hat einen Gegendruck zu überwinden, der bei Auspuffmaschinen ungefähr 1,15 Atmosphäre (absolut), bei Kondensationsmaschinen ungefähr 0,2 Atmosphäre beträgt. Weiter als bis zu diesem Gegendruck soll der Dampf im Zylinder nicht expandieren. In der Auspuffmaschine kann die Expansion also nicht so weit getrieben werden wie in der Kondensationsmaschine, weshalb letztere eine bessere Ausnutzung des Dampfes gestattet als erstere.
Man unterscheidet Einzylindermaschinen und Mehrzylindermaschinen, je nachdem nur ein Zylinder vorhanden ist oder mehrere Zylinder eine gemeinschaftliche Kurbelwelle besitzen. Die einzelnen Zylinder einer Mehrzylindermaschine sind entweder vollkommen gleich und werden alle direkt mit Kesseldampf gespeist, der in allen Zylindern in gleicher Weise wirkt (Zwillings-, Drilling s- etc. Maschine), oder die einzelnen Zylinder sind verschieden groß, und der Kesseldampf tritt nur in den ersten, kleinen Zylinder ein und gelangt von diesem unter fortschreitender Expansion nacheinander in die folgenden, größern Zylinder (Zweifach-, Dreifach-, Mehrfach-Expansionsmaschine, Compound- oder Verbundmaschine, Compound-Receiver-Maschine). Nach der Stellung der Dampfzylinder, bez. der Anordnung der ganzen Maschine unterscheidet man liegende oder Horizontaldampfmaschinen, schrägliegende Dampfmaschinen, stehende oder Vertikaldampfmaschinen (Abarten: Balancierdampfmaschinen, Turmmaschinen, Hammermaschinen), oszillierende oder schwingende Dampfmaschinen. Endlich unterscheidet man ortfeste oder stationäre Dampfmaschinen von den beweglichen oder lokomobilen Dampfmaschinen (Schiffsmaschinen, Lokomobilen, Lokomotiven). Beschreibung und Abbildung der verschiedenen Formen der D. s. auf beifolgenden Tafeln.
[Leistung der Dampfmaschine.] Der Kolben wird im Dampfzylinder bewegt durch den Überdruck des auf der einen Seite des Kolbens wirksamen Dampfes über den auf der andern Seite herrschenden Gegendruck. Dieser Überdruck nimmt während eines Kolbenhubes verschiedene Werte an. Die Druckverhältnisse im Zylinder werden bildlich dargestellt durch das Dampfdiagramm, in dem die Drucke auf Atmosphären (kg auf 1 qcm Kolbenfläche) bezogen sind. Das Dampfdiagramm kann nach physikalischen Gesetzen ausgezeichnet oder bei ausgeführten Maschinen mittels des Indikators (s.d.) erhalten werden. Aus demselben läßt sich für den erwähnten Überdruck ein Mittelwert bestimmen, der sogen. mittlere Druck, bezeichnet mit pi. Bedeutet ferner O die Kolbenfläche in qcm, l den Kolbenhub in m und n die Anzahl der Doppelhübe in der Minute, gleichbedeutend mit der minutlichen Umdrehungszahl, so ist die vom Dampf geleistete Arbeit, die sogen. indizierte Leistung, in Pferdekräften:[455]
Ni = O.pi.l.n/60.75 für einfach wirkende Maschinen.
Ni = 2 O.pi.l.n/60.75 für doppelt wirkende Maschinen. Ein Teil der indizierten Leistung wird zur Überwindung der Reibungswiderstände in der D. verbraucht. Die wirkliche, effektive oder Nutzleistung ist also kleiner als die indizierte Leistung. Das Verhältnis Nutzleistung/Indizierte Leistung wird der mechanische Wirkungsgrad der D, genannt. Derselbe schwankt erfahrungsgemäß zwischen 0,75 und 0,92, und zwar ist er für große Maschinen günstiger als für kleine Maschinen. Es ergibt sich hiernach: Nutzleistung = indizierte Leistung × mechanischer Wirkungsgrad. An ausgeführten Maschinen wird die Nutzleistung durch Versuch mittels des Bremsdynamometers (s. Dynamometer) ermittelt. Die Leistung der Mehrzylindermaschinen setzt sich zusammen aus der Leistung der einzelnen Zylinder.
[Dampfverbrauch der Dampfmaschine und Warmeausnutzung in derselben.] Für die Ökonomie einer D. gibt die Größe des Dampfverbrauchs einen Maßstab zu vergleichender Beurteilung. Es ist üblich, denselben in Kilogrammen für 1 Stunde und 1 Pferd der indizierten oder effektiven Leistung anzugeben. Der Dampfverbrauch einer Maschine setzt sich zusammen aus dem nutzbaren Dampfverbrauch und dem Dampfverlust.
Der nutzbare Dampfverbrauch besteht 1) aus den Dampfmengen, die während jeder Füllungsperiode (von Beginn des Kolbenhubes bis zur Dampfabsperrung) in den Zylinder einströmen; 2) aus den Dampfmengen, die nötig sind zur Ausfüllung des schädlichen Raumes, d. i. der Raum, der bei der Endstellung des Kolbens zwischen diesem und der Stirnwand des Zylinders (Zylinderdeckel) und in den Dampfkanälen bis zu den Absperrorganen vorhanden ist. Der erste Teil des nutzbaren Dampfverbrauchs läßt sich nach o bigem leicht ermitteln, der zweite Teil ist von der Größe des schädlichen Raumes abhängig, und um ihn uein zu halken, muß der schädliche Raum nach Möglichkeit beschränkt werden. Er wird ferner beeinflußt durch die Kompression des Austrittsdampfes, die eintritt, wenn der Dampfaustritt vor Vollendung des rückläufigen Kolbenhubes abgesperrt wird.
Der Dampfverlust entsteht 1) durch Kondensation eines Teiles des Dampfes im Zylinder (Kondensationsverlust, Abkühlungsverlust), 2) durch Undichtigkeiten des Kolbens und der Steuerungsorgane (Dampflässigkeitsverlust). Infolge der nicht ganz zu vermeidenden Wärmeabgabe nach außen, und auch weil bei der Expansion des Dampfes seine Temperatur sinkt, nehmen die Zylinderwandungen eine Temperatur an, die niedriger ist als diejenige des eintretenden Dampfes, wodurch die erwähnte Kondensation verursacht wird. Der Kondensationsverlust wird vermindert durch Einhüllen der Dampfzylinder in schlecht wärmeleitende Stoffe und durch Anwendung eines Dampfmantels (Dampfhemd, Dampfjacke), d. i. ein Hohlraum um den Zylinder, der mit Kesseldampf gefüllt ist, der den Zylinder heizt. Bei Anwendung von überhitztem Dampf läßt sich die Kondensation im Zylinder je nach dem Grade der Überhitzung teilweise oder ganz vermeiden. In der Verminderung des Kondensationsverlustes besteht ein Vorteil der Mehrfachexpansionsmaschinen, bei denen der Temperaturunterschied von Ein- und Austrittsdamps (das Temperaturgefälle) für den einzelnen Zylinderkleiner ausfällt als für die Einzylindermaschine mit gleicher Expansion. Der Dampflässigkeitsverlust, früher stark überschätzt, wird durch Sorgfalt in der Ausführung und Wartung der Maschinen auf einen verhältnismäßig sehr kleinen Wert beschränkt.
Der Dampfverbrauch läßt sich annähernd rechnerisch ermitteln, dei ausgeführten Maschinen wird er durch Versuch festgestellt. Er ist sehr verschieden je nach Größe und Gattung der D. und beträgt ungefähr 618 kg für 1 Pferdekraft, indiziert, in einer Stunde für gesättigten Dampf, für überhitzten Dampf ist er geringer (im Minimum ungefähr 4,2 kg).
Die bei der Verbrennung des Brennmaterials entwickelte Wärme erzeugt im Dampfkessel Dampf, und dieser verrichtet in der Maschine mechanische Arbeit. Wärme und Arbeit sind äquivalent. Der sogen. Heizwert der verschiedenen Brennmaterialien ist verschieden. 1 kg ante Steinkohle entwickelt bei der Verbrennung ungefähr 7500 Wärme-Einheiten, wobei eine Wärme-Einheit einer Arbeitsleistung von 430 mkg entspricht. Hiernach läßt sich die von dem Brennmaterial entwickelte Wärme in mechanische Arbeit umrechnen. Bei den besten Dampfmaschinen werden nur etwa 1016 Proz. der im Brennmaterial aufgewendeten Wärme in mechanische Arbeit umgesetzt, während ein großer Teil dieser Wärme mit dem von der Maschine abziehenden Dampf, dem Abdampf, nutzlos verloren geht.
Die im Abdampf enthaltene Wärme besser auszunutzen, haben Behrend und Zimmermann schon vor längerer Zeit versucht durch Konstruktion der Kaltdampfmaschine, die durch den Dampf einer Flüssigkeit, wie schweflige Säure, Ammoniak, Äther (Ammoniak-, Ätherdampfmaschinen etc.), die bei niederer Temperatur siedet, betrieben wird, aber erst in neuerer Zeit ist es Josse gelungen, günstigere Resultate zu erzielen. Er verdampft schweflige Saure durch den Abdampf einer D., betreibt mit den erzeugten Dampfen die Kaltdampfmaschine und verdichtet die aus dieser austretenden Dämpfe durch Abkühlung, worauf der Kreislauf von neuem beginnt. Verwendung im praktischen Betrieb hat aber die Kaltdampfmaschine noch nicht gefunden.
[Schmierung der Dampfmaschine, Bedienungs- und Sicherheitsvorrichtungen] Bei den modernen Dampfmaschinen sind die Schmiervorrichtungen sehr sorgfältig ausgebildet. Für die wichtigern Schmierstellen (Zapfen, Führungen etc.) sind besondere Schmiergefäße angeordnet, oder es sind (besonders bei den stehenden Maschinen) ein oder mehrere größere Ölgefäße vorhanden, von denen aus das Öl den einzelnen Schmierstellen durch dünne Röhrchen zugeführt wird. Abtropfendes oder abspritzendes Öl wird durch Ölschalen, Bleche od. dgl. aufgefangen. Zur Schmierung der innern Teile einer D., des Kolbens und der Dampfabschlußorgane preßt man Öl mittels einer kleinen, von einem bewegten Teile der D. aus angetriebenen Pumpe in den eintretenden Dampfstrom. Auf diese Weise wird das Öl zerstäubt und gelangt so, mit dem Dampf vermischt, im Innern der Maschine überallhin. Zum Drehen der Maschine (wenn die Kurbel in einem Totpunkte steht) sind Drehvorrichtungen nötig, die, am Schwungrad angreifend, bei kleinen und mittlern Maschinen von Hand bedient werden, während bei großen Maschinen zum Andrehen häufig eine besondere kleine D. benutzt wird. Zur Vermeidung von Unglücksfällen werden alle gefahrbringenden Teile (Schwungrad, Kurbel, Zahnräder etc.) mit einem Schutzgeländer, bez. mit einem Schutzgehäuse[456] umgeben, oder es werden sonstige geeignete Sicherheitsvorrichtungen angebracht.
Als erste Versuche, Dampf zur Erzeugung von Bewegung zu benutzen, sind der Heronsball und die auf dem Prinzip des Segnerschen Rades beruhende Äolipile, Fig. 1 (beide von Heron von Alexandria 120 v. Chr. beschrieben), zu erwähnen.
Nach Leonardo da Vinci, der wahrscheinlich aus einem verloren gegangenen arabischen Text geschöpft hat, soll auch schon Archimedes vorgeschlagen haben, die Spannkraft des Dampfes zu benutzen, und zwar zum Fortschleudern eines Geschosses aus einem kurzen Rohr.
Die Alten haben also Kenntnis von der Dampfkraft gehabt; aber sie kamen nicht über die angedeuteten Ideen hinaus, und ebensowenig zeigt sich irgend welcher nennenswerte Fortschritt bis zum Anfang des 18. Jahrh. Joh. Branca ließ 1629 den aus einem verschlossenen Gefäß durch ein gebogenes Rohr ausströmenden Dampf gegen ein Schaufelrädchen strömen (Fig. 2), das durch Räderübersetzung ein kleines Pochwerk in Bewegung setzen sollte; aber dieser und einige ähnliche Versuche zeigen doch nur, daß vor der Entwickelung der modernen Naturwissenschaft die eigentliche Idee der D. völlig unbekannt war.
Erst als Torricellis Beweis von der Schwere der Luft und die Versuche Otto v. Guerickes mit der Luftpumpe das Verlangen erweckt hatten, den Luftdruck industriell zu verwerten, gelang es dem Marburger Professor Dionysius Papin, eine Vorrichtung anzugeben, mittels welcher auf einfache Weise durch Dampf ein leerer Raum gewonnen werden kann. Er erhitzte (Fig. 3) etwas Wasser in einem oben offenen Hohlzylinder A, wobei ein dicht anschließender Kolben B in dem Maß der Dampfentwickelung durch ein Gegengewicht L an einem über Rollen T geführten Seil in die Höhe gezogen wurde, bis er seinen höchsten Stand erreicht hatte, in dem er durch den Riegel E festgehalten wurde.
Nach Entfernung des Feuers trat eine Abkühlung und Kondensation des Dampfes ein, und infolge des sich bildenden Vakuums wurde der Kolben nach Auslosung des Riegels E durch den Druck der Atmosphäre zurückgetrieben, dabei das Gewicht L anhebend. Diese Vorrichtung ward 1690 bekannt gemacht, doch fand der neue Gedanke wenig Anerkennung. 1698 hatte sich der Bergwerksbeamte Savery in England einen Apparat zum Heben von Wasser und zur Bewegung von Arbeitsmaschinen patentieren lassen (Fig. 4).
Der Dampf tritt bei Öffnung des Hahnes C aus dem Kessel A (mit Speiserohr c und Sicherheitsventil d) durch das Rohr B nach D, kondensiert sich nach Verschließung von C dadurch, daß man von I auf D kaltes Wasser herabfließen läßt, so daß durch das sich bildende Vakuum Wasser aus G durch E und das Saugventil b angesogen wird, das nach Wiedereröffnung von C durch den Dampfdruck, das Druckventil a passierend, durch F nach H getrieben wird. Der dabei in D eintretende Dampf kondensiert sich wieder, saugt wieder Wasser an etc. Papin verbesserte diese Aspirationsmaschine und scheint mit einer solchen ein Dampfschiff ausgestattet zu haben, mit dem er die Fulda befuhr. Doch wurde ihm das [457] Schiff bei einem Streit von Matrosen zerschlagen. Viel brauchbarer war schon Newcomens atmosphärische D. (Fig. 5, S. 457), die 1712 zuerst zum Fördern von Wasser aus einer Steinkohlengrube zu Griff in Warwickshire verwendet wurde. Sie besteht aus einem Zylinder B, in den von unten aus einem Dampfkessel A Dampf durch das Rohr 0 eintritt, wohei nun der Kolben 1) ebenso wie bei der Vorrichtung Papius durch ein Gegengewicht K, das durch die Kette H, den Balancier F, eine zweite Kette und die Stange E mit dem Kolben in Verbindung steht und zugleich das Pumpengestänge I herabdrückt, in die Höhe gezogen wird.
Alsdann wird der im Dampfzutrittsrohr C befindliche Hahn geschlossen und aus dem Gefäß L Wasser durch Rohr P in den Zylinder gespritzt, wobei eine Kondensation des Dampfes eintritt und infolge des im Zylinder entstehenden Vakuums der Kolben durch den Luftdruck herniedergedrückt wird, so daß das Gegengewicht mit dem Pumpengestänge gehoben wird. RS ist ein Ableitungsrohr für das Kondensationswasser, M das Gestänge zu einer kleinen Pumpe, die mittels des Druckrohrs N das Reservoir L gefüllt erhält. An dieser Maschine geschah das Offnen und Schließen der Hähne durch einen Arbeiter; ein solcher (Potter mit Namen) verband die Hähne durch Schnüre mit bewegten Maschinenteilen und erfand so die selbsttätige Steuerung.
Auf diesem Standpunkt hielt sich die D., bis James Watt 1770 sie durch die glänzendsten Erfindungen auf eine ungleich höhere Stufe der Vollkommenheit brachte. Watt war der Schöpfer der D. von der Form und Einrichtung, wie sie jetzt allgemein benutzt wi-d. Bei seiner ersten, 1768 erbauten Maschine bewirkte der Dampf zugleich durch Druckwirkung und Erzeugung eines Vakuums durch Kondensation den Niedergang des Kolbens, während er durch Gegengewichte wieder in die Höhe gezogen wurde; die Kondensation fand in einem besondern Kondensator statt. Solche Maschinen wurden namentlich in den Bergwerken von Cornwall zur Wasserhaltung angewendet und sind noch bis vor kurzem unter dem Namen Cornwall-Maschinen im Betrieb gewesen. Schon 1769 trug sich Watt mit der Idee einer Expansionsmaschine, brachte dieselbe jedoch erst 1778 zur Ausführung. 1778 Und 1779 kam er auf den Gedanken, Kurbel, Lenkstange und Schwungrad auch bei der D. anzuwenden; da er aber mit der Sicherung durch ein Patent zögerte, so kamen ihm andre zuvor, und er sah sich lange auf die von ihm erfundene Sonnen- und Planetenradanordnung beschränkt. 1774 hatte er dem Unterhaus die Zeichnung einer doppelt wirkenden D. vorgelegt, und 1782 brachte er eine solche zur Ausführung. Zwei Jahre später erfand er das Parallelogramm, und gleichzeitig ließ er sich die Anwendung des Zentrifugalpendels patentieren, dessen man sich schon früher bei englischen Windmühlen bedient[458] hatte. Durch alle diese Verbesserungen war die D. über die einseitige Verwendung in den Bergwerken hinausgehoben; es war ihr ein neues, unabsehbares Feld eröffnet, und bald bürgerte sie sich nun auch in Baumwollspinnereien, Bierbrauereien, Mühlen, Walzwerken etc. ein. Fig. 6 zeigt eine Wattsche doppelt wirkende Niederdruckmaschine mit Balancier (Balanciermaschine). H Dampfzylinder mit Dampfmantel, Z Kolben mit Kolbenstange f, 1 u. 2 Dampfkanäle, I Steuerkasten, A B Röhrenschieber, z Schieberstange, S p Exzenterstange, S Exzenter, q Ableitungsrohr, K Kondensator, C Spritzrohr, D, E Wasserklappen, L Luftpumpe mit dem Luftpumpenkolben v, der Kolbenstange u und dem Gelenk t, M Speisepumpe, F Speiserohr, G P Kühlwassersaugrohr, a b c d e Balancier, s a a b b u u s Wattsches Parallelogramm, c b-b u u r Wattscher Lemniskoidenlenker (s. Geradführung), e x Bleuelstange, o x Kurbel, U Schwungrad, N N Regulator, g h'h' Regulatorgestänge, i i Regulatorkugeln, R Regulatorantriebrad, T Regulatorantriebriemen, k l m n o y Verbindung zwischen Regulator und der im Dampfzuleitungsrohr befindlichen Drosselklappe w. Ungemein schnell verbreiteten sich die Dampfmaschinen in England. 1776 wurde die erste große Maschine von 50 Zoll Kolbendurchmesser für ein Wasserpumpwerk bei Tipton in Staffordshire geliefert, 1778 eine ähnliche von 58 Zoll für Ketley in Shropshire. Die erste D. für die Manchester-Baumwollspinnerei lieferte Watt 1782 an Arkwright. Schon 1810 wurde die Zahl der in Großbritannien arbeitenden Dampfmaschinen auf 5000 geschätzt. In Frankreich baute Périer 1780 die erste D. nach Watts System, aber 1810 zählte man erst 200 Dampfmaschinen. In Preußen wurde die erste D. 1788 in Tarnowitz zum Wasserheben aufgestellt, die zweite folgte 1822 in der Berliner königlichen Porzellanmanufaktur, und erst von 1830 an datiert die allmählich zunehmende Verwendung der Dampfkraft. Hannover erhielt 1832, Württemberg 1841 die erste D. Schon 1799 ersetzte Murdock die Ventile der Steuerung durch einen Schieber, und Murray führte den Muschelschieber und die exzentrische Scheibe ein und lieferte die erste D. ohne Balancier. Die erste wirklich brauchbare Hochdruckmaschine baute der Amerikaner Evans zum Betrieb einer Getreidemahlmühle, und in England wurde eine solche von Trevithick und Vivian 1802, zunächst nur als transportable Maschine, bald aber auch in vielseitigen andern Anordnungen gebaut. Seit dieser Zeit kam die Hochdruckmaschine nicht wieder außer Gebrauch; ihre verhältnismäßig günstigen Ergebnisse veranlaßten die weitere Ausbildung der 1781 von Hornblower versuchten Konstruktion von Maschinen mit zwei Zylindern von verschiedener Weite, in denen der Dampf zunächst gegen den Kolben des kleinern, dann gegen den Kolben des größern Zylinders wirkte und zuletzt kondensiert wurde. Hornblower scheiterte mit seiner Idee an den Patentrechten Watts; dagegen lieferte Woolf 1804 nach dem Erlöschen des Wattschen und des Hornblowerschen Patents Zweizylindermaschinen. Eine oszillierende D. führte Murdock 1785 im Modell aus; praktische Anwendung fand sie aber erst 1820 durch Cavé in Paris und 1822 durch Manby in England. Direkt wirkende Maschinen mit unbeweglichem, liegendem Zylinder wurden zuerst 1801 von Symington gebaut; aber erst nach 1831, wo Stephenson angefangen hatte, bei seinem Dampfwagen ausschließlich Maschinen mit horizontalem Zylinder zu benutzen, fanden diese Maschinen Eingang. Die letzten Jahrzehnte haben namentlich eine sehr weit getriebene und glückliche Ausarbeitung aller Details gebracht; es sind zahlreiche neue Konstruktionen angegeben worden, und vorzüglich hat sich der Erfindungsgeist auf die Steuerungen geworfen. Die Mehrfachexpansionsmaschinen sind in ihrer Entwickelung bis zu einem vorläufigen Abschluß gediehen, und gegenwärtig arbeitet man an der Ausbildung der Heißdampfmaschine. In Deutschland und Frankreich ist die wissenschaftliche Seite der D. besonders gepflegt worden, und Poncelet, Navier, Pambour, Redtenbacher, Zeuner, Hirn, G. Schmidt u. a. haben sich in dieser Hinsicht Verdienste erworben, während Amerika manche originelle Konstruktion geliefert hat.
Die D. ist von allen Kraftmaschinen die am meisten verbreitete und hat auf die gesamte Industrie wie auf das Verkehrswesen einen ungeheuern Einfluß ausgeübt. Viele Zweige der Industrie konnten sich erst durch die Erfindung und ausgedehnte Anwendung der D. zu ihrer jetzigen Blüte entfalten, insbes. hat sie die Entwickelung des Maschinenbaues in seinem ganzen Umfange ganz wesentlich gefördert.
Die folgende Tabelle gibt ein Bild der Verteilung der Dampfmaschinen auf die verschiedenen Gewerbe in Preußen im J. 1898. Die Anzahl und Leistungsfähigkeit der feststehenden Dampfmaschinen betrug
Während die ersten Dampfmaschinen, die etwa 100 Pferdekräfte leisteten, Aufsehen erregten, bilden heute solche mit einer Leistung von mehreren 1000 Pferdekräften keine Seltenheit. Die rasch emporstrebende Elektrotechnik, die in mehrfacher Hinsicht anregend auf den Dampfmaschinenbau gewirkt hat, hat auch den Bau vieler großer Maschinen veranlaßt, die in den Elektrizitätswerken zur Erzeugung elektrischer Energie dienen. Unter den Anfang 1902 in Preußen für den genannten Zweck arbeitenden Dampfmaschinen befanden sich:
[459] Sehr große Maschinen sind ferner in den Hütten- und Walzwerken zu finden und vor allem auf den modernen Schiffen der Kriegs- und Handelsflotte, deren Maschinen durchweg mehrtausendpferdige Leistungen aufweisen. Eines der größten und schnellsten Schiffe, der Doppelschrauben-Schnelldampfer Kaiser Wilhelm II., besitzt zur Fortbewegung vier Maschinen mit einer indizierten Leistung von zusammen 3840,000 Pferdekräften.
Über die Entwickelung der Dampfmaschinenindustrie in Preußen gibt folgende Tabelle Aufschluß:
In Preußen zählte man 1902:
Unter den Schiffsmaschinen sind nur diejenigen gezählt, die zur Fortbewegung der Schiffe dienen, nicht die Hilfsmaschinen (1898). Nach Mulhall betrug 1888 die Anzahl der Dampfpferdekräfte in den Vereinigten Staaten 14,400,000, in Großbritannien 9,200,000, in Deutschland 6,200,000, in Frankreich 4,520,000, in Rußland 2,240,000, in Österreich 2,150,000. Auf der ganzen Erde mögen gegenwärtig 7080 Mill. Dampfpferdekräfte zu zählen sein.
[Literatur] Scholl, Führer des Maschinisten (11. Aufl., Leipz. 1896); Hrabák, Die Dampfmaschinenberechnung mittels praktischer Tabellen (3. Aufl., Prag 1877); Derselbe, Hilfsbuch für Dampfmaschinentechniker (3. Aufl., Berl. 1897, 2 Bde.); Örtling, Über Compoundmaschinen (2. Aufl., Kiel 1878); Ziese, Über neuere Schiffsmaschinen (2. Aufl., das. 1883); v. Reiche, Der Dampfmaschinenkonstrukteur (Aachen 188083, 2 Tle.; Teil 1, 3. Aufl. 1893); Uhland: Die Dampfmaschinen mit Schiebersteuerung (das. 1880; Ergänzungsheft, Dresd. 1894); Die Corliß- und Ventildampfmaschinen (das. 1879); Die Woolfschen und Compounddampfmaschinen (das. 1882); Radinger, Dampfmaschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit (3. Aufl., Wien 1892); Schwartze, Katechismus der Dampfkessel, Dampfmaschinen und andrer Wärmemotoren (7. Aufl., Leipz. 1901); Buchetti, Les machines à vapeur actuelles (Par. 1881, Suppl. 1888); Haeder, Die D. unter hauptsächlichster Berücksichtigung kompletter Dampfanlagen (6. Aufl., Düsseld. 1902, 3 Bde.); Blaha, Die Steuerungen der D. (4. Aufl. von Leist, Berl. 1900); Krauß, Graphische Kalorimetrie der D. (das. 1897); Pech an, Berechnung der Leistung und des Dampfverbrauchs der Einzylinder-D. (das. 1896) und der Zweizylinder-D. (Wien 1898); Hartmann, Dynamische Theorie (Berl. 1895); Pohlhausen, Berechnung, Konstruktion und Anlage der Transmissions-D. (Mittweida 1897); Simerka, Dampfkessel und D. und ihre Wartung (5. Aufl., Pilsen 1902); Mayeru . Czap, Die praktische Wartung der Dampfkessel und D. (2. Aufl., Wien 1900); Haage, Verhaltungsregeln mit Erläuterungen für Dampfkesselheizer und Dampfmaschinenwärter (3. Aufl., Chemnitz 1898); Bernoulli, Dampfmaschinenlehre (8. Aufl. van Freytag, Stuttg. 1900); Musil, Grundlagen der Theorie und des Baues der Wärmekraftmaschinen (Leipz 1902); Zeuner, Die Schiebersteuerungen (5. Aufl., das. 1888); Demoulin, Études sur les machines compound à triple expansion (Par. 1885); Colyer, Treatise on modern steam engines and boilers (Lond. 1885); Bauer, Berechnung und Konstruktion der Schiffsmaschinen und-Kessel (Münch. 1902). Geschichtliches: Thurston, Die D. (bearbeitet von Uhland, Leipz. 1880); ».Abhandlungen der königl. preuß. technischen Deputation für Gewerbe, 1. Teil: Geschichte der D.« (Verl. 1826); Reuleaux, Kurzgefaßte Geschichte der D. (Braunschw. 1891); Matschoß, Geschichte der D. (Berl. 1901).
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