Buchdruckerkunst

[401] Buchdruckerkunst (Typographie), die Kunst, durch den Abdruck beweglicher Typen Schriften zu vervielfältigen; über das Technische derselben s. Buchdrucken u. Buchdrucker. – Den Griechen u. Römern war die B. nicht bekannt, doch verstanden sie die Kunst, durch die offenen Stellen ausgeschnittener Bleche durchzumalen, wie dies auf unseren Waarenballen u. dergl. noch jetzt geschieht. Die Erfindung, Figuren, Bilder u. Schrift mittelst gestochener Metallplatten od. in Holz geschnittener Formen zu vervielfältigen, fällt erst in das 14. Jahrh. u. gab ohne Zweifel die erste Anregung zu der Entdeckung, Schriftformen aus beweglichen Typen zusammenzusetzen, so daß diese nach dem Abdruck aus einander genommen u. zur Zusammensetzung neuer Schriftformen benutzt werden konnten. Man schnitt anfangs Bilder, namentlich Heiligenbilder (s. Biblia pauperum) u. die Figuren der Spielkarten, dann ganze Seiten Buchstaben, dann einzelne Zeilen in Holz (Xylographische B.) u. druckte so kleine Werke. wie Gebet- u. Bilderbücher, welches durch eigene Künstler, sogenannte Briefdrucker, geschah. Solche xylographische Bücher wurden wohl allenthalben in Deutschland angefertigt, u. einige dieser Briefdrucker, so unter andern der Holländer Lorenz Janszoon Coster, scheinen schon um die Mitte des 15. Jahrh. im Kleinen Versuche gemacht zu haben, Schulbücher, namentlich die unter dem Namen Donat bekannte lateinische Grammatik, durch den Druck zu vervielfältigen. Sie benutzten dazu möglicherweise bewegliche Typen von Holz od. Blei. Diese ersten rohen Anfänge des Typendrucks waren in China schon etwa 1000 Jahre v. Chr. bekannt, blieben aber dort unentwickelt, weil die Chinesen nur für Wörter, nicht aber für jeden einzelnen Sprachlaut (Buchstaben) Schriftzeichen kannten. Der erste, welcher den Werth beweglicher Lettern zu ermessen wußte, war Joh. Gutenberg. Durch sein, für damalige Zeit ungeheures Unternehmen, die lateinische Bibel vollständig durch Typendruck zu vervielfältigen, u. durch die von ihm ausgegangene Ausbildung der rohen Anfänge der typographischen Technik brach er der Erfindung Bahn u. gilt sonach mit Recht als der eigentliche Erfinder des Typendrucks. Wann Gutenberg die ersten Versuche mit beweglichen Lettern zu drucken gemacht hat, läßt sich nicht feststellen, doch ist es sicher, daß er schon im Jahre 1438 hölzerne Typen besaß u. seit 1424 in Strasburg als mechanischer Künstler lebte. Deshalb macht Strasburg nicht ohne Grund Anspruch auf die Erfindung der beweglichen Lettern. Später ist er von hölzernen zu bleiernen mit einem Loch zum Aufreihen versehenen Lettern übergegangen. Jedoch erst 1452, nachdem Gutenberg, seit 1440 in Mainz, hier 1450 an Joh. Faust eine pecuniäre u. an dessen Schwiegersohn Peter Schöffer eine geistige Stütze gefunden hatte, kam die B. einen bedeutenden Schritt vorwärts durch die Erfindung der Buchstabenmatrizen u. des Letterngusses. Schöffer erfand auch eine bessere Buchdruckerpresse u. zweckmäßigere Farbe, da man früher nur mit Tinte druckte. Das Jahr 1440 ist daher keineswegs das richtige Erfindungsjahr der B., obgleich man herkömmlich dieses Jahr als das Erfindungsjahr annimmt u. auch 1840 allgemein wieder das Jubiläum der Erfindung gefeiert hat, wie es 1540, 1640 u. 1740 schon begangen wurde. Im Jahre 1455 trennte sich Gutenberg von seinen beiden Gesellschaftern, u. diese setzten nun das ursprüngliche Geschäft fort, vollendeten die 42zeilige Bibel in 2 Folwbänden (wahrscheinlich 1456) u. begannen darauf Bücher mit kleineren Lettern, die Schöffer durch Guß herzustellen wußte, zu drucken; zugleich legte Gutenberg eine neue Druckerei an. Das erste bekannte Buch mit Angabe des Druckjahrs war das Psalterium von 1457, gedruckt von Fust u. Schöffer, das zweite das Rationale des Durandus 1459 von denselben u. das dritte das Katholicon des Janna 1460, wahrscheinlich von Gutenberg, obgleich sein Name am Ende nicht genannt ist, aber in einer Schlußschrift die Erfindung des Buchdruckes u. die Stadt Mainz als ihre Wiege gepriesen wird. Die beiden letzten sind mit kleineren (gothischen) Typen gedruckt. Die B. verbreitete sich rasch, theils von den Gehülfen der Mainzer Buchdrucker verbreitet, die bes. nach der Eroberung der Stadt durch Adolf von Nassau 1462, weil die kriegerischen Zustände der jungen Kunst nicht zuträglich waren, fortzogen u. sich nach allen Richtungen zerstreuten, theils auch wohl entstanden ganz selbständig in vielen deutschen Reichsstädten in den nächsten Jahren Buchdruckereien, so in Köln u. Strasburg, dann in Bamberg, wo das erste deutsche Buch, der Edelstein, u. die 36zeilige Bibel (von Albert Pfister), gedruckt wurde. Binnen wenigen Jahren hatten schon Venedig, Rom, Paris etc. ihre eigenen Officinen, die zum größten Theile von deutschen Buchdruckern gegründet wurden. Arnold Pannartz u. Konrad Schweinheim erfanden 1407 in Rom die gefälligere Antiqua, die, zum Theil der römischen alten Schrift nachgebildet u. außer in Deutschland, Dänemark u. Schweden, bald in ganz Europa die Mönchsschrift verdrängte. Schon 1480 bestanden[401] jüdische Druckereien in Oberitalien u. Portugal. Aldus Manutius erdachte um 1501 die Cursiv, u. Anton Zarottus in Parma goß zu Ende des 15. Jahrh. die ersten griechischen Typen. Um 1538 wurden die großen Buchstaben im Text eingeführt. Nach England kam die B. 1474 durch den Kaufmann Will. Caxton, der sie in den Niederlanden u. in Köln erlernt hatte; er übte sie bes. in London in der Westminsterabtei aus. Nur langsam machte sie jedoch Fortschritte, u. erst zu der Königin Elisabeth Zeiten verbreitete sie sich allgemein. Nach Spanien u. Portugal verbreitete sich die B. nur wenig später, machte aber dort, obgleich Ibarra unter den spanischen Buchdruckern glänzte, doch wegen der Kriege u. Bedrückungen wenig Fortschritte. Nach Dänemark, u. zwar nach Kopenhagen, wurde sie durch Gottfr. van Ghemen 1493 verpflanzt, allein auch hier machte sie bis ins 16. Jahrh. wenig Glück, indem eigentlich da erst die Ausbildung der dänischen Sprache u. Literatur begann. In Schweden kommt schon 1483 ein zu Stockholm gedrucktes Buch vor. In Polen wurde die B. durch Joh. Haller zuerst nach Krakau gebracht, in Rußland aber durch Iwan Fedor in Moskau eingeführt, blieb jedoch dort lange mehr Staats- als mercantilische Sache, bis sie erst zu Ende des 17. Jahrh. unter Peter d. Gr. sich hob. Auch außer Europa verpflanzte sich die B. fast durch die ganze Welt. Der Vicekönig Ant. de Mendoza brachte sie 1550 nach Mexico; die Armenier, welche meist in Constantinopel od. Venedig drucken ließen, 1567 nach dem Orient; 1586 die Jesuiten nach Lima u. Peru, im 17. Jahrh. die Maroniten nach dem Libanon, 1680 die Briten nach Nordamerika. Franklin war ein Buchdrucker, u. in Nordamerika fand sie ihren größten Wirkungskreis. Im 18. Jahrh. verbreitete sie sich über Ceylon u. Batavia nach Ostindien u. kam zu Ende desselben nach Sidney in Neuholland, ja auf alle wichtige Punkte, bes. britischer Colonien, in der ganzen Welt. Selbst vom Meer aus wurde gedruckt, wie 1812 u. 13 vom britischen Schiff Caledonia mehrere Schriften unter dem Druckorte Mediterranean ausgingen, u. Capitän Parry 1819 u. 20 unsern des Nordpols eine Zeitung für seine Schiffsmannschaft: N. Georgia gazette and winter chronicle, erscheinen ließ. Dagegen schritt bei den Muhammedanern die B. sehr langsam vorwärts; erst 1726 kommt ein türkischer Hofbuchdrucker Ibrahim Effendi in Constantinopel vor; in Ägypten errichtete erst Ali Pascha eine Druckerei zu Bulak bei Kairo. Freilich hinderten die blumenartigen Verzierungen der arabischen u. türkischen Schrift die Herstellung der Lettern, bis man dahin kam, eine vereinfachte arabische Schrift zu schneiden. Um die chinesische Schrift durch Buchdruck vervielfältigen zu können, erhielt die Staatsdruckerei zu Paris 1838 in 84,000 Lettern die vollständigen chinesischen Schriftzeichen.

In der ersten Zeit des Buchdruckes waren die Drucker zugleich Schriftgießer, auch Stempelschneider, Buchhändler u. nicht selten auch Gelehrte. Erst allmälig bildeten sich die Buchdruckerei u. Schriftgießerei als selbständige Gewerbe aus, dagegen findet sich Verleger u. Drucker noch jetzt häufig in einer Person vereinigt. Das Buchdruckergewerbe trat von vorn herein als eine Kunst auf u. wurde als solche von den gebildeten u. höheren Ständen betrieben, auch wetteiferten die Buchdrucker der frühesten Zeit ihren Erzeugnissen ein schönes u. zierliches Aussehen zu geben u. dadurch den Anspruch auf den Künstlertitel zu rechtfertigen. Wie alle mechanischen Künste der damaligen Zeit, umgab sich auch die B. mit einem gewissen geheimnißvollen Nimbus u. nahm eigenthümliche Formeln u. Gebräuche an, von denen sich manche bis auf den heutigen Tag erhalten haben, vgl. Buchdrucker. Die Geschichte der B. fällt in vielen Stücken mit der des Buchhandels zusammen. Wie die B. gleich Anfangs als mächtiger Hebel wissenschaftlichen u. geistigen Lebens überhaupt erscheint, so verdankt sie auf der andern Seite ihre technische Ausbildung den Zeiten u. den Völkern, die geistig am productivsten waren, also auch am meisten Werth auf die Kunst legen mußten, welche das Mittel bot, den Gedanken des Einzelnen weiten u. entfernten Kreisen mitzutheilen. Man unterscheidet in der Geschichte der B. drei hauptsächlichste Perioden, die der Entwickelung u. ersten Blüthe bis zur Mitte des 17. Jahrh., die des Verfalles bis gegen Ende des 18. Jahrh. u. die ihres Wiederaufblühens von dort bis auf die neueste Zeit. Die erste Periode, zusammenfallend mit der die Reformation begleitenden geistigen Bewegung, schließt mit den Elzevirs, die dritte beginnt mit der Befreiung wissenschaftlicher Forschung von den Fesseln der Theologie u. den durch die französische Revolution herbeigerufenen Sturz des Autoritätsglaubens. Als Reformator tritt hier François Ambroise Didot auf, dessen berühmte Buchdruckerfamilie noch jetzt einen hohen Rang unter den Typographen Frankreichs behauptet. Nachdem die B. sich von Deutschland aus über die Nachbarländer verbreitet hatte, gedieh sie zunächst in Italien zu größerer Vollkommenheit. Man begann hier außer den für kirchliche u. Schulzwecke gedruckten Büchern zunächst die klassischen Autoren zu vervielfältigen. Nachdem die Aldinen in Venedig u. die Juntinen in Florenz in Bezug auf die Mannichfaltigkeit der Schriften u. die Schönheit des Druckes lange Zeit den Vorrang behauptet hatten, traten die Elzevirs in Leyden an ihre Stelle, indem sie auf die äußere Ausstattung der Druckwerke eine noch größere Sorgfalt verwandten, auch bequeme, handliche Formate herstellten, unter denen die Miniaturausgaben in 16. eine große Berühmtheit erlangt haben. Während in Deutschland die Technik mehr u. mehr in Verfall gerieth, hielten die Holländer noch lange auf eine würdige Ausstattung der Preßerzeugnisse. Allmälig begannen die Pressen auch dem größeren Publicum dienstbar zu werden, u. an die Stelle wissenschaftlich gebildeter Buchdrucker traten Speculanten. Die kirchlichen Wirren u. der Dreißigjährige Krieg gaben Veranlassung zu einer zahllosen Menge von Flugschriften, Pamphleten etc., die schnell gedruckt u. billig hergestellt werden mußten; der Aberglaube des Volks wurde gleichfalls ein Gegenstand der Speculation für viele Buchdrucker: kurz das Gepräge jener trostlosen Zeit der socialen Zerrüttung, des Verfalles der Kunst u. Wissenschaft ist auch den Druckerzeugnissen derselben aufgedrückt Das Wiederaufblühen u. ihre technische Vervollkommnung verdankt die Typographie zunächst den Franzosen u. Engländern. Diese richteten zumeist ihr Augenmerk darauf, wieder besseres Papier u. scharfe, schöne Typen zum Druck zu verwenden, dann aber auch durch Verbesserung der Pressen den [402] Druck schneller, also auch billiger herzustellen. In beiden Hinsichten wirkten die Didots in Paris fördernd u. anregend. Firmin Didot verbesserte die in Holland erfundene Stereotypie, die für vielgelesene Werke eine billigere Herstellungsweise abgab. Größere Sorgfalt in Bezug auf Eleganz u. Solidität in Druck u. Papier legten die Engländer an den Tag. Graf Stanhope vervollkommnete den Stereotypenguß u. die Presse u. machte sich außerdem um die Verbesserung des Typengusses verdient. Das nach dem Frieden von 1815 sich von Jahr zu Jahr steigernde Bedürfniß nach Lectüre u. die Entwickelung des Zeitungswesens drängte zu der Nothwendigkeit, das eigentliche Drucken auf schnellere Weise als bisher zu bewerkstelligen, die großen Auflagen, namentlich der Times, erforderten einen mehrfachen Satz des Textes, damit mehrere Pressen zu gleicher Zeit mit dem Abdruck beschäftigt werden konnten. Diesem Übelstande half Friedrich König durch Erfindung der Schnellpresse (1810) ab. Diese Erfindung, von König in London gemacht, kam später in England zu weiterer Ausbildung u. Vervollkommnung, indem man zum Betriebe der Druckmaschinen die Dampfkraft in Anwendung brachte. Bücher u. Zeitungen werden jetzt fast ausschlieflich durch Maschinendruck hergestellt. Dagegen wendete man zu kleineren Drucksachen, namentlich wenn sie eine größere Genauigkeit u. Sorgfalt erfordern (Accidenzen), noch die Handpresse od. die Accidenzschnellpresse an, welche letztere für diesen Zweck bes. accurat gearbeitet ist. Den eigentlichen Buchdruck begleiteten noch andere mit ihm verwandte Erfindungen, so der Musikalien- u. Landkartendruck, um dessen Vervollkommnung sich vorzugsweise Breitkopf in Leipzig verdient gemacht hat. Die großen Fortschritte der Holzschneidekunst u. die Verbindung derselben mit der Typographie wurden die Veranlassung zur Herstellung illustrirter Prachtwerke, in denen englische, französische u. deutsche Pressen Vortreffliches leisten. Andere besondere Druckarten, die ganz der neueren Zeit angehören, sind: der Congrevedruck, mit zusammengesetzten Platten, welche in einem Druck mehrere Farben geben, der Druck der Werthpapiere mit guillochirten Platten, der Irisdruck (mit in einander übergehenden Farben) u. dgl. mehr. Unter den Buchdruckereien Deutschlands, welche in neuerer u. neuester sich durch ihre vorzüglichen Leistungen auszeichneten, sind die bemerkenswerthesten: in Berlin Hänel u. die Deckersche Hofbuchdruckerei, in Wien die Staatsdruckerei, geleitet von v. Auer, in Leipzig Breitkopf u. Härtel, Brockhaus, Giesecke u. Devrient, Hirschfeld, Teubner, in Braunschweig Vieweg u. Sohn. Vergl. P. Marchand, Hist. de l'origine et des premiers progrés de l'imprimerie, Haag 1740; Schöpflin, Vindiciae typographicae, Strasb. 1760; Meermann, Origines typographici, Haag 1765; Maittaire, Annales typograph., Amsterd., Haag, Lond. 1723–41, 5 (9) Bde., 4.; I. G. I. Breitkopf, Über die Gesch. des Ursprungs der B., Lpz. 1779; Bibliotheca Moguntina, Augsb. 1787, 4.; Zopf, Älteste Buchdruckergeschichte von Mainz, Ulm 1790; A. Schaab, Geschichte der Erfindung der B. durch Joh. Gensfleisch, genannt Guttenberg etc. Mainz 1830–32, 3 Bde.; Scheltema, Bericht u. Beurtheilung von Schaabs Geschichte der B., Amsterd. 1833; Kritische Geschichte der Erfindung der B. durch Joh. Guttenberg zu Mainz, Mainz 1836; K. Falkenstein, Geschichte der B. etc., Lpz. 1840; Schulz, Gutenberg, Lpz. 1840 (enthält ein Verzeichniß der über die B. erschienenen Schriften).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 401-403.
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