1. A Kuss ist a Schtuss.
Jüd.-deutsch: Ein Kuss ist eine Thorheit.
2. Auswendig Kuss, inwendig Verdruss. – Parömiakon, 547.
3. De erste Koss kost Möh (Mühe). (Rendsburg.)
4. Ein aufgezwungener Kuss ist wie ein Hühneraug' am Fuss.
Frz.: Un baiser n'est rien, quand le coeur est muet. (Masson, 223.)
5. Ein flüchtiger (leichter) Kuss ist besser als eine langsame (schwere) Ohrfeige.
6. Ein grindiger Kuss bringt wenig Genuss.
Die Freundschaft hört auf, wenn sich der wahre Charakter einer Person zeigt: In Aegypten sagt man, um diesen Gedanken auszudrücken: »Ich ging zu einem Grindigen, um mich in seiner Gesellschaft zu vergnügen, er entblösste seinen Kopf und setzte mich in Schrecken.« (Burckhardt, 186.)
7. Ein Kuss ist ein Gruss an die Nuss. – Eiselein, 405.
Dän.: Kys er kiærligheds bud. (Bohn I, 383; Prov. dan., 368.)
Engl.: Of cussing comes using. (Eiselein, 405.)
8. Ein Kuss ist kein Muss.
Im Corpus juris (L. 16) heisst es aber: »Das Frauenzimmer, welches ein eheliches Versprechen eingegangen [1732] ist, ist den gewöhnlichen Brautgeschenken einen Kuss beizufügen schuldig, entgegengesetztenfalls sind die Geschenke, wofern sie vor vollzogener Hochzeit stürbe, ungültig.« Hier ist der Kuss eine Beschwerde, eine Last, ein Onus. Papinian bemerkt dazu: »Die Rechte vermuthen, dass die Braut den Kuss unfreiwillig und gegen ihre Neigung gebe, folglich hat sie Beschwerde, der Gegentheil aber Vortheil.«
9. Ein Kuss ist kein Schuss.
Oft aber ein Blitz, der innen zündet und das ganze Gebäude in Brand steckt.
Böhm.: Hubička neudĕlá Kubíčka. – Hubička neleze za ňádra. (Čelakovsky, 243.)
10. Ein Kuss ist stärker als ein Sporn.
11. Ein Kuss kommt von den Lippen, aber nicht immer aus den Rippen.
D.h. er ist blos eine äussere Form, ohne dass das Herz von Freundschaft und Liebe erfüllt ist.
It.: Bacio di bocca spesso il cuor non tocca. (Pazzaglia, 24.)
12. Ein Kuss ohne Bart ist ein Ei (oder: eine Suppe) ohne Salz. – Riehl, Familie, 48.
Sagen die Frauen, um ihre Verachtung oder Abneigung gegen die Liebe und Liebesunfähigkeit der Milchgesichter auszudrücken. In Nordfriesland heisst es: An Kleeb (Kuss) sanner Biard (ohne Bart) as äs an Brei sanner Salt.
Holl.: Een kusje zonder baard, een eitje zonder zout. (Harrebomée, I, 459.)
13. Ein Kuss ohne Bart ist eine Vesper ohne Magnificat.
14. Einen Kuss an sich, ohne Mund kann man nicht geben.
15. Einen Kuss, den man raubt, gibt man wieder.
Dän.: Det kys man giver, tager man, og ingen mister noget. (Prov. dan., 368.)
16. Einen Kuss in Ehren kann niemand verwehren. – Eisenhart, 500; Pistor., V, 24; Simrock, 6115; Graf, 351, 399; Braun, I, 2109; für Trier: Laven, 180, 43; Lohrengel, I, 206; Masson, 223.
Dies Sprichwort bezieht sich hauptsächlich aufs weibliche Geschlecht und besonders auf die unverheiratheten Personen desselben. Es würde wider den Wohlstand verstossen, wenn sich die Glieder dieses Geschlechts von einem jeden wollten küssen lassen. Nach römischem und deutschem Recht wurden die streng bestraft, die eine Ehefrau oder eine Jungfrau wider deren Willen küssten. (S. ⇒ Katze 593.) Wer eine Nonne küsste, wurde als Kirchenschänder bestraft; und der Vasall, der die Gemahlin oder Tochter seines Lehnsherrn durch einen Kuss beleidigte, verlor sein Lehen. Das Sprichwort sagt nun, dass ein Kuss, der nicht aus unedeln Absichten, sondern aus Hochachtung, Freundschaft und mit Bewilligung gegeben werde, nicht als Beleidigung zu bestrafen sei. In den Beiträgen zur juristischen Literatur in den preussischen Staaten. 2. Samml., 2. Abschn., No. 1, S. 125 fg., befindet sich ein gründlicher Aufsatz von dem Rechte des weiblichen Geschlechts gegen Mannspersonen, die sie wider Willen küssen und zugleich eine vollständige und gründliche Eintheilung der Küsse. Nach dem Verfasser ist ein Kuss entweder erlaubt: 1) ein geistlicher; 2) zur Versöhnung und zum Frieden; 3) aus Landessitte und Landesgewohnheit a) zum Gruss beim Begegnen, zur Ankunft und zum Weggehen, b) aus Höflichkeit, c) aus Schmerz; 4) aus Ehrerbietung; 5) zur Feierlichkeit; 6) reiner Zärtlichkeit; a) zwischen Ehegatten, b) bei Verlobten, c) bei Aeltern und Kindern, d) bei Anverwandten, e) bei guten und vertrauten Freunden; oder unerlaubt: 1) aus Falschheit, Bosheit, Verrätherei; 2) aus verbotener Wollust.
Dän.: Bierne kysse blomsterne, og de blive dog smukke. (Prov. dan., 368.)
Holl.: Een kus in eeren kan nieman weren. (Harrebomée, I, 459a.)
17. En Kuss up der Lippen maket Fründschaft under der Slippen (Schürze). – Schambach, II, 149.
Eine Anspielung auf die möglichen Folgen eines mit einem unschuldigen Kusse beginnenden Liebesverhältnisses. (S. ⇒ Pipe.)
18. Es kommt nicht jeder Kuss vom Herzen.
It.: Bacio di bocca spesso il cuor non tocca. (Cahier, 2819.)
19. Falscher Kuss, viel Verdruss.
20. Jedweders Kuss will kommen hinwieder, da er ward genommen. – Eiselein, 405.
21. Joab's Kuss ist worden neu, gute Wort' und falsche Treu.
22. Küss' du, das Agnus Dei und lass mir meine Agnes in Ruh, sagte der Junker zum Prälaten. – Klosterspiegel, 6, 11.
[1733] 23. Kuss kan man zwar abwischen, aber das feur im hertzen nicht leschen. – Lehmann, 105, 28.
Lat.: Femina si osculatur te, tua est vel maxime. (Binder II, 1120; Lehmann, 105, 29.)
24. Küsse sein süsse. (Kamnitz.)
Eine Französin behauptete, dass nichts in der Welt weniger koste und mehr Vergnügen mache als ein Kuss.
25. 'N Kuss is man 'n Stoff, de höm nich hebben will, wisk höm off. (Ostfries.) – Bueren, 915; Hauskalender, I.
26. Vom Kuss kommt man auf'n Genuss. (Schwaben und Neuburg.)
27. Wem man einen Kuss gibt, dem reicht man auch den Mund. – Altmann V.
*28. Einen griechischen Kuss geben.
Frz.: Baiser en pincettes.
*29. Einen Kuss mit Sauce bekommen. (Niederlausitz.)
Wenn Personen mit offenem Munde küssen.
30. Der Kuss klang als wenn eine Kuh ihren Hinterhuf aus einem Sumpf herauszieht.
31. Vor Judas Kuss, vor Joehobs (Joabs?) Fluss (?), vor Herodi Freundlichkeit, vor der Franzosen Hochzeit (Bluthochzeit?) behüt vns Gott in Ewigkeit. – Keil, 53.
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