[660] England ist das Hauptland des mächtigen Inselreichs, dessen günstige Lage an der nordwestl. Grenze von Europa es zur natürlichen Veste im Kriege und zum Stapelplatz des Welthandels im Frieden macht, das seit den ältesten Zeiten eines der blühendsten Länder der gesitteten Welt gewesen ist, aus den zwei großen Inseln, Großbritannien und Irland, und Küsten besteht. E. ist der südl. Theil der seit Vereinigung desselben mit dem nördl. Königreiche Schottland Großbritannien genannten größten brit. Insel, und da sich diese, sowie Irland, eigenthümlich entwickelt haben, auch in ihren Naturverhältnissen verschieden sind, so ist die Betrachtung ihrer geographischen und geschichtlichen Beziehungen in besondere Artikel bis zu dem Zeitpunkte ihrer Vereinigung, ihre gemeinschaftlichen Zustände von da an aber dem Artikel Großbritannien und Irland zugewiesen worden. – Das Königreich E. begreift das eigentliche E., das in 40 Grafschaften, das Fürstenthum Wales, das in 12 Grafschaften eingetheilt wird, die Insel Man, die Scilly-Inseln (die Zinninseln der alten Welt) und die an der franz. Küste liegenden Eilande Jersey, Guernsey und Alderney, zusammen einen Flächenraum von 2750 ! M. mit jetzt mehr als 14 Mill. Einw., während die erste allgemeine Zählung von 1575 deren nur 41/2 Mill. ergab. Westl. wird es von dem irländ. Meere und dem St.-Georgskanal, südl. von dem engl. Kanal oder La Manche, östl. von der Nordsee und nördl. gegen Schottland vom Tweed, dem Cheviotgebirge und dem Solwaybusen begrenzt. Verschieden besonders von dem nördl. Theile Schottlands, wo das Urgebirge vorherrschend ist, finden sich in E. meist Flötzgebirge und aufgeschwemmtes Land, obgleich es an Abwechselungen der Bodenfläche nicht fehlt. Fast ganz flach ist der östl. Theil, auf der westl. Küste aber gibt es große Landstriche, wo die Hügel zuweilen zu hohen, weit in das Binnenland hineinreichenden Gebirgen ansteigen, wie die nördl. Grafschaften Cumberland und Westmoreland, der über 3000 F. hohe Bergrücken Ingleborough, der sich durch das nördl. E. zieht, die Grafschaften Derby, Devon und Cornwall und ganz Wales, und in diesem Hochlande, das besonders in Cumberland, Wales und Derby malerische Landschaften bildet, sind Granit und Syenit vorwaltend. Die meisten Flüsse E.'s, von denen gegen 50 schiffbar sind, entspringen in dem westl. Gebirgslande und strömen nach kurzem Laufe dem Meere zu; der bedeutendste, die Themse, entsteht aus einem kleinen Flusse, der ursprünglich Thame heißt und nach seiner Vereinigung mit der Isis bei Oxford den aus beiden zusammengesetzten Namen Tamesis erhielt, woraus der jetzige Name, engl. Thames, geworden ist, wird bei London für große Fahrzeuge schiffbar und ergießt sich nach einem Laufe von beinahe 50 M. in die Nordsee. Der längere Trent durchströmt das ganze mittlere E. und mehre fabrikreiche Bezirke und erhält nach seiner Vereinigung mit dem Ouse den Namen Humber. Außerdem sind auszuzeichnen: der in Wales entspringende Severn; der Mersey, auf dem die Erzeugnisse der großen Fabrikbezirke nach Liverpool geführt werden; der Tyne, für die Verschiffung der Steinkohlen aus den Gruben von Newcastle wichtig, und der Avon. Zahlreiche Kanäle, welche die bedeutendsten Flüsse verbinden vervielfältigen die natürlichen Wasserstraßen. Seengibt es nur in den Grafschaften Cumberland und Westmoreland,[660] unter welchen der über 21/2 M. lange Windermere, der Ullswater, der Keswick-See oder Derwentwater durch ihre großartigen und reizenden Uferlandschaften besonders anziehend sind.
E.'s Klima ist, wie das aller brit. Inseln, feucht und veränderlich, doch nicht ungesund. Hitze und Kälte sind gemäßigt; der Winter ist milder als in andern Ländern unter gleichen und selbst nördlichern Breitengraden; der Frost dauert selten länger als 24 Stunden und der Schnee verschwindet in wenigen Tagen. Der Boden ist im Ganzen fruchtbar, erzeugt alle Getreidearten in Überfluß und bietet treffliches Weideland dar. Haupterzeugnisse des Thierreichs sind: treffliches Rindvieh in drei verschiedenen Racen, unter welchen das kurzhörnige den reichsten Ertrag gibt; vorzügliche Pferde, hochveredelt durch Kreuzung mit den besten ausländischen Racen; viele Schafe von zwei einheimischen Hauptracen, von welchen die gehörnte eine kurze und seine, die ungehörnte theils lange (die Lincoln- und Leicester-Racen), theils kurze und leichte Wolle liefert; schönes Federvieh; große und starke Hunde, schon im Alterthume berühmt; ein großer Reichthum von Fischen in den Flüssen und Meeren; Austern und Hummern; dagegen aber wenig Wild. Hirsche finden sich nur in Gehegen, Rehe werden immer seltener, und Raubthiere gibt es, außer Füchsen, Mardern und Iltissen, gar nicht. Man baut vorzüglich Weizen, welcher hier das Brotkorn ist, Roggen, sehr gute Gerste und vorzüglichen Hopfen. Der Gartenbau ist sehr verbessert worden und liefert besonders im südl. E. selbst Erzeugnisse wärmerer Gegenden in großer Vollkommenheit. Die Rebe gedeiht aber nur bei künstlicher Pflege; allein statt des Weins bereitet man treffliche Obstweine, denn Obstbäume gedeihen selbst nördl. über E.'s Grenzen hinaus. Zu den ausgezeichneten Waldbäumen gehören die schönen Eichen und Buchen in den südl. Grafschaften. An Mineralien liefert Cornwall vortreffliches Zinn in Überfluß; in mehren Gegenden findet man Kupfer, Blei, das aber selten Silber enthält, Eisen, besonders in den Grafschaften Gloucester, Stafford und Derby, und andere Erze. Mächtige Steinkohlenflötze, vorzüglich in Northumberland, Durham und dem südl. Wales, ersetzen den Mangel an Brennholz und liefern für den einheimischen Verbrauch jährlich 16 Mill. Tonnen. Die Grafschaft Chester liefert vortreffliches Salz, das theils bergmännisch gewonnen, theils aus der Sole bereitet wird; Graphit oder Reißblei von vorzüglicher Güte findet sich in einem kleinen Bezirke, Borrowdale in Cumberland; seiner Töpferthon in der Grafschaft Stafford und vorzügliche Porzellanerde in Derby und Worcester.
Die Engländer sind ein schöner und kräftiger Menschenschlag und reden eine Sprache german. Ursprungs, die in viele Dialekte zerfällt; nur in Wales hat sich die Sprache der britischen Urbewohner erhalten. Der Charakter der Völkerschaften, aus welchen das engl. Volk entstanden ist, läßt sich in der Gemüthsart der Bewohner des eigentlichen E. wiederfinden, auf deren Ausbildung aber die Abgeschiedenheit des Inselvolkes, die Gestaltung seiner gesellschaftlichen Verhältnisse und das aus dem Antheil an den Angelegenheiten des Staats hervorgegangene Selbstgefühl einen wichtigen Einfluß hatten, und ihm jene Abneigung gegen fremde Sitte, jene Vaterlandsliebe neben heftiger politischer Parteisucht, jenen Freiheitssinn und jenes Gerechtigkeitsgefühl gaben, wodurch die Engländer sich auszeichnen. Das häusliche Leben wird selbst unter den höhern Ständen hoch geachtet, die Heiligkeit der Ehen im Allgemeinen bewahrt und die sittliche Zucht wird von den Frauen streng beobachtet. Zwar hat das Verhältniß der Ehen seit der Mitte des 18. Jahrh., wo es wie 1 zu 116 der Volksmenge war, auf 1 zu 129 sich vermindert, allein die Zahl der unehelichen Geburten hat darum nicht zugenommen. Ein hervorstechender Charakterzug der Engländer ist auch verständige Sorge für die Zukunft; man zählt eine Million Mitglieder wohlthätiger Gesellschaften und die in den zahlreichen Sparbanken niedergelegten Summen betragen mehr als 13 Mill. Pf. Sterl. Manche volksthümliche Eigenheiten sind trotz der höhern Gesittung noch nicht verschwunden, und wenn auch die ehemalige Trinksucht selbst unter den niedern Ständen abgenommen hat, so ist doch weder die Luft an Hahnenkämpfen, noch die barbarische Sitte des Boxens (s.d.) ganz unterdrückt. In Hinsicht auf Verbrechen ist eine große Veränderung vorgegangen und Straßenräuberei, die bis zur Mitte des 18. Jahrh. gewöhnlich war, ist jetzt fast unbekannt; überhaupt sind alle gewaltthätigen Verbrechen seltener, dagegen in den letzten Jahrzehnden Verletzungen des Eigenthumsrechts häufiger geworden, wobei man aber nicht übersehen darf, daß durch bessere Policeieinrichtungen in den größern Städten mehr Verbrechen dieser Art entdeckt werden, als es früher geschah.
Die ältesten Bewohner E.'s und Nordbritanniens oder Schottlands gehörten zu dem keltischen Stamme der Galen, die von dem gegenüberliegenden Festlande eingewandert waren. Phönizier und Karthager besuchten schon in den ältesten Zeiten die britischen Inseln, um Zinn zu holen, und ungefähr 55 v. Chr. kamen die Römer aus Gallien herüber und bezwangen nach blutigen Kämpfen die Stämme der Urbewohner bis nördl. vom Solway und Tweed im heutigen Nieder-Schottland. Die Briten hatten schon einige Fortschritte in den Künsten des geselligen Lebens gemacht, die sich unter röm. Herrschaft mehr verbreiteten; das Christenthum kam früh aus Gallien herüber, aber allmälig verlor sich der kriegerische Geist des Volkes und bei dem Verfalle des röm. Reichs fand es keinen Schutz mehr gegen seine wilden nördl. Nachbarn, die Picten und Scoten. (S. Schottland.) Um die Mitte des 5. Jahrh. zogen die Römer, von germanischen Völkern bedroht, ihre Besatzungen aus der Insel zurück und die Briten riefen jetzt die von den Mündungen der Elbe bis zur Eider wohnenden german. Stämme der Sachsen und Angeln (s.d.) zu. hülfe. Um das I. 450 landete ein kleiner Hause unter Hengist und Horsa, der die Picten zurücktrieb, aber bald darauf ausging, den uneinigen Briten das Land zu entreißen. Es folgten den ersten Ansiedlern immer mehre stammverwandte Schwärme und nach einem furchtbaren Kampfe von 150 Jahren wurden die Urbewohner größtentheils in den westl. Theil der Insel, Cornwall und Wales, gedrängt oder zur Auswanderung gezwungen. Viele blieben auch in ihren alten Wohnsitzen zurück und verschmolzen mit den neuen Ansiedlern, welche in der Berührung mit einem gebildetern Volke sich den Einwirkungen einer höhern Gesittung hingeben mußten, wenn sie ihre Eroberung behaupten wollten. Sie entsagten dem Seeräuberleben, wurden Ackerbauern und gründeten nach und nach mehre kleine Reiche, unter welchen Mercia, das den mittlern Theil E.'s umfaßte, das größte war. Anfänglich Feinde [661] des Christenthums, nahmen sie es zuletzt willig von den Mönchen an, die der Papst Gregor zu Ende des 6. Jahrh. nach Britannien sandte, und es brachte den neuen Ansiedlern, den Angelsachsen, die schnell sich entwickelnden Keime einer höhern Bildung. Bald entstand jedoch Zwietracht unter den angelsächs. Reichen und endlich machte sich um 830 der ehrgeizige König Egbert von Wessex die übrigen Fürsten zinsbar. Ein neuer Feind bedrohte die Insel in den räuberischen Normannen (s.d.), die seit 632 Ansiedelungen auf den Küsten Britanniens gründeten und von denen immer neue Scharen aus Schweden, Norwegen und Dänemark kamen. König Alfred der Große (s.d.) setzte ihnen jedoch durch seine Siege Schranken, suchte die fast vernichtete Verfassung wiederherzustellen und sorgte eifrig für die Bildung des Volkes. Unter seinen schwachen Nachfolgern wurden die Normannen, seit ihrer Niederlassung in der Normandie gefährliche Nachbarn, zu neuen Angriffen ermuntert und 1002 unterwarf der Dänenkönig Swen das ganze Land, das nun 40 Jahre der drückenden Fremdherrschaft unter Kanut und seinen Söhnen gehorchte, bis 1042 ein Abkömmling der angelsächs. Könige, Eduard der Bekenner, den Thron bestieg. Nach seinem Tode, 1066, wurde zwar sein Schwager Harald von dem Volke als König anerkannt, der Herzog Wilhelm von der Normandie aber machte Anspruch auf die Krone, landete mit einem mächtigen Heere und wurde nach dem Siege bei Hastings (Oct. 1066) Herr des Landes. Nach der alten angelsächs. Verfassung wurden die Könige nach deutscher Sitte aus dem kön. Stamme gewählt und ihre Gewalt war durch die Geistlichkeit und den Adel beschränkt, die in ihrer Versammlung (Wittenagemot) über die Angelegenheiten des Landes berathschlagten. Wilhelm der Eroberer verband damit die in der Normandie eingeführte Lehnsverfassung, legte schwere Abgaben auf und nahm die häufigen Empörungen des Volkes zum Vorwande, seine Herrschaft mit großer Strenge zu führen und seinen Normannen die Güter zu verleihen, die den alten Eigenthümern genommen wurden; besonders aber suchte er seine Macht dadurch zu befestigen, daß er viele geistliche Pfründen mit Normannen besetzte. Eine der wichtigsten Folgen der Eroberung war für E. das feindliche Verhältniß, in das es gegen Frankreich kam, da Wilhelm als Herzog der Normandie Lehnmann des Königs von Frankreich war, den die steigende Macht seines Vasallen eifersüchtig machte, und bald begannen die blutigen Kriege, die England beinahe 400 Jahre lang an der Entwickelung seiner inneren Kraft hinderten. Wilhelm's zweiter Sohn, Heinrich I., mit der aus dem angelsächs Königsstamme entsprossenen Tochter des Königs von Schottland vermählt, gab den Engländern einige ihrer alten Freiheiten zurück. Ohne männliche Nachkommen ließ er seine an den Grafen Gottfried von Anjou vermählte Tochter Mathilde als Kronerbin anerkennen, deren Sohn, Heinrich II., genannt Plantagenet, 1154 den engl. Thron bestieg. Er vereinigte sein Erbland, die franz. Landschaften Anjou und Touraine, mit den Besitzungen in der Normandie, und als er mit seiner Gemahlin Eleonore, die von Ludwig VII., König von Frankreich, geschieden war, Guienne, Poitou und andere Landschaften erhalten hatte, besaß er beinahe den vierten Theil von Frankreich. Einer der mächtigsten Fürsten seiner Zeit, gründete er 1172 durch seine Klugheit die Herrschaft der Engländer in dem durch innere Fehden zerrütteten Irland und starb 1189, nach einer durch glückliche Kriege glänzenden Regierung, deren Ende nur durch Zwistigkeiten mit der Geistlichkeit und die Sohn Richard Löwenherz, der durch seinen Waffenruhm den kriegerischen Geist des Volkes belebte. Richard's Bruder Johann, unglücklich im Kriege gegen Frankreich, reizte durch seine Gewaltschritte die Geistlichkeit mm den Adel zum Aufstande und mußte ihnen 1215 in dem großen Freiheitsbriefe (s. Magna charta) Rechte gewähren, die zwar zunächst diesen bevorrechteten Ständen Vortheile brachten, aber mittelbar auch den Rechten des gesammten Volkes Schutz sicherten. zumal als durch Das, was sein Nachfolger. Heinrich III., bewilligen mußte, die von Wilhelm dem Eroberer gegebenen strengen Gesetze aufgehoben wurden. Die aus der Zeit der Angelsachsen übergegangenen Versammlungen der Geistlichen und des Adels, welche unter den normann. Königen den Namen Parlament erhielten, wurden für die Entwickelung der Verfassung wichtig, als seit 1265 auch Abgeordnete der Grafschaften und der Städte Antheil an den Berathungen nahmen. In den frühesten Zeiten versammelten sich alle in einem Raume, im 14. Jahrh. aber trennte sich die Geistlichkeit mit den Baronen von den Abgeordneten, welche das Haus der Gemeinen bildeten, während aus jenen das Oberhaus entstand. Die Städte, die durch Gewerbsamkeit mächtiger wurden, erhielten nach und nach mehr Rechte, da sie gewöhnlich geneigt waren, dem Könige gegen die Aristokratie beizustehen, und schon 1297 wurde verfügt, daß ohne die Einwilligung ihrer Abgeordneten keine Auflagen ausgeschrieben werden sollten, wiewol dieses Vorrecht in frühern Zeiten, wo die Art der Besteuerung noch sehr unbestimmt war, wenig Gewicht hatte.
Eduard I. vereinigte Wales (1282) völlig mit E., verbesserte die engl. Gesetze und demüthigte Schottland. Sein Enkel Eduard III. (1327–77), einer der mächtigsten engl. Könige, eroberte nach dem Siege bei Cressy in der Picardie (1346) einen großen Theil Frankreichs und nahm sogar den Titel König von Frankreich an, den E.'s Könige bis zu Ende des 18. Jahrh. geführt haben, beförderte die Wohlfahrt des Landes durch Belebung des Handels und Gewerbfleißes, und berief Weber und Färber aus Flandern, um die Tuchweberei emporzubringen. Während der Kriege mit Frankreich, besonders seit Eduard III., entstand ein lebhafter Volkshaß gegen die Franzosen, und allmälig verlor sich nun der Gebrauch der franz. Sprache, welche seit der normännischen Eroberung die Sprache des Hofes, der Gerichtshöfe und der Gesetze gewesen war und von den normännischen Geistlichen zur Verdrängung des Angelsächsischen in die Schulen eingeführt wurde. Schon die Theilnahme des Bürgerstandes an den Parlamenten trug dazu bei, die Landessprache wieder in die öffentlichen Geschäfte einzuführen, und Eduard III. verordnete, daß sie statt des Französischen bei allen gerichtlichen Verhandlungen gebraucht werden sollte. Nun bildete sich das Neu-Englische immer mehr aus, und obgleich es die Spuren der Mischung mit der Sprache der Eroberer nie verlor, so war es doch in seinem Grundstoffe germanisch geblieben und im 14. Jahrh. ließen sich darin wieder volksthümliche Dichter vernehmen, die auch von den Königen und Großen geehrt und belohnt wurden. Die glänzenden Eroberungen in Frankreich gingen schon unter Eduard III. [662] Nachfolger, Richard II. (1377–99) fast ganz verloren und obgleich sein Urenkel, Heinrich V., nach dem glänzenden Siege bei Azincourt in der Normandie (1415) die Übermacht in dem durch Parteiungen zerrütteten Lande erlangte und als König von Frankreich anerkannt, in Paris herrschte, so vereitelte doch bald der Tod (1422) seine Entwürfe, Frankreich und E. zu vereinigen. Sein Sohn Heinrich VI. büßte alle Eroberungen bis auf Calais und die Inseln an der normännischen Küste ein, als sich nun in E. der Kampf um die Krone zwischen den von Eduard III. abstammenden Häusern Lancaster und York entzündete und E. in die tiefste Zerrüttung warf. Dieser Kampf, der Krieg der weißen und rothen Rose genannt, weil das Haus Lancaster eine rothe und York eine weiße Rose im Wappen führte, endigte erst 1485, als Heinrich VII., aus dem Hause Lancaster-Tudor, über Richard III. bei Bosworth siegte, und durch seine Vermählung mit Elisabeth von York die feindlichen Familien versöhnte. Heinrich VII. Bestreben war hauptsächlich auf die Beschränkung des Adels gerichtet, und häufige Aufstände gaben ihm Gelegenheit, die mächtigen Häuser durch Gütereinziehungen und Geldstrafen zu schwächen, um die kön. Gewalt zu vergrößern. Sein Sohn Heinrich VIII. (1509–47), thätig, despotisch und gewaltsam, folgte ihm auf diesem Wege. Von seinem Minister, dem Cardinal Wolsey, geleitet, zeigte er sich bei dem folgenreichen Zwiste zwischen Karl V. und Franz I. unschlüssig und schwankend, und so entging ihm der entscheidende Einfluß, den er hätte erlangen können, auch verkannte er die Bedeutung des kirchlichen Zwiespalts, der während seiner Regierung in Europa ausbrach. In E. war schon im 14. Jahrh. eine feindliche Stimmung gegen die Hierarchie unter dem Volke erwacht, die durch Wicliff (s.d.) noch mehr aufgeregt ward und trotz allen Verfolgungen seiner Anhänger nicht unterdrückt werden konnte. Die Lehren der deutschen Reformatoren fanden daher bald Eingang und vergebens wurde mit Verboten dagegen gekämpft. Heinrich VIII. erhielt zwar für seine Vertheidigungsschrift der sieben Sacramente gegen Luther vom Papst Leo X. den Titel eines Beschützers des Glaubens, als aber Leo's Nachfolger sich weigerte, seine Ehe mit Katharina von Aragon, einer nahen Verwandten Karl V., zu trennen, kündigte der König ihm den Gehorsam auf, zog Klöster und Stifter ein und erklärte sich zum Oberhaupte der Kirche in E., blieb aber den Hauptlehren der alten Kirche treu und verfolgte Alle, die seinen Meinungen entgegen waren. Unter der kurzen Regierung seines unmündigen Sohnes Eduard VI., wurde nun die engl. Kirche gegründet, die aber während der fünfjährigen Herrschaft der verfolgungssüchtigen Maria, der Tochter Katharinens von Aragon, wieder unterdrückt wurde und erst durch Elisabeth (s.d.), die 1558 den Thron bestieg, wurde die Reformation nach den Grundsätzen der bischöflichen Kirche befestigt, über welche sie seitdem nicht hinausgegangen ist; neben der begünstigten bischöflichen Kirche aber bildete sich die Partei der Presbyterianer oder Puritaner, die nach Calvin's (s.d.) Grundsätzen auf strengere Glaubensreinigung und politische Gleichheit drang. Durch Begünstigung des Gewerbfleißes und Beförderung des Handels, durch Gründung einer Seemacht, durch kluge Benutzung der politischen Verhältnisse Europas, brachte Elisabeth E. auf eine Stufe der Macht, die es noch nie erstiegen hatte, und ihre Zeit war auch dadurch ausgezeichnet, daß große Dichter sie verherrlichten und die Wissenschaften eifrige Pfleger fanden.
Mit ihr endigte die Herrschaft des Hauses Tudor, die in eine Zeit gefallen war, wo die wichtigsten Veränderungen in dem gesellschaftlichen Zustande Europas sich entwickelten, von deren wohlthätigen Früchten auch E. seinen Antheil erhielt. Dem beharrlichen und gelungenen Streben aller Fürsten dieses Hauses, die alten Rechte des Parlaments zum Vortheil der kön. Gewalt zu beschränken, folgte auch Jakob VI., König von Schottland, der nach Elisabeth's Tode (1603–25) unter dem Namen Jakob I. den engl. Thron bestieg, weil er von Heinrich VII. Tochter abstammte. So ward eine Vereinigung der beiden Kronen bewirkt, die E.'s Könige seit Jahrhunderten durch blutige Kriege nicht hatten erringen können. Jakob bereitete durch seine Fehler und Misgriffe das Unglück vor, das seine Familie, die Stuart's, traf. Obgleich in der in Schottland herrschenden presbyterianischen Kirche erzogen, begünstigte er nach der Besteigung des engl. Thrones die bischöfliche Kirche, deren Grundsätze mit seinen Ansichten von unbeschränkter Fürstengewalt mehr übereinstimmten als die republikanische Kirchenverfassung der schot. Presbyterianer. Je weniger seine Charakterschwäche Achtung einflößte, desto leichter konnte sein unkluges Streben die anfänglich mehr kirchlichen als politischen Parteien, die Hofpartei und die Volkspartei, aufregen, die später als Tories und Whigs sich entgegentraten. Den Grundsätzen seines Vaters treu, wollte Karl I. die kön. Gewalt noch weiter ausdehnen, und wie er dadurch besonders die Engländer aufreizte, empörte er die Schottländer durch seine Bemühungen, ihnen die bischöflichen Kircheneinrichtungen aufzuzwingen. Seine erfolglosen Kriege gegen Spanien und Frankreich erregten noch mehr den Unwillen der Engländer und das Parlament fand eine Stütze in der Volksstimmung, als es sich dem Willen des Königs, eigenmächtig Steuern aufzulegen, standhaft widersetzte. Es kam endlich zu offener Zwietracht und Karl mußte dem kön. Vorrechte entsagen, das Parlament aufzuheben. Dem Worte des Königs mistrauend, hob das Parlament Kriegsvölker aus und 1642 entbrannte der Bürgerkrieg.
Der Kampf wurde mit abwechselndem Erfolge geführt, bis Oliver Cromwell (s.d.), der an die Spitze der Volkspartei gekommen war, Karl's Heer bei Naseby (1645) schlug. Seitdem konnte die Gewalt des Königs sich nicht wieder erheben; er suchte Zuflucht unter dem schot. Heere, das ihn aber dem engl. Parlamente auslieferte, und durch ein von der herrschenden Partei der Independenten ungestüm gefodertes Gericht verurtheilt, ward er 1649 enthauptet. Sein Sohn, Karl II., den die Schottländer unterstützten, drang mit einem Heere in E. ein, ward aber 1651 bei Worcester von Cromwell geschlagen und mußte im Auslande Zuflucht suchen. Cromwell unterwarf bald das Parlament seinem Willen, übernahm die ihm von dem Heere übertragene Gewalt, herrschte unumschränkt als Protector der Republik, war auch im Auslande gefürchtet und Frankreich buhlte um seine Freundschaft. Nach seinem Tode (1658) wurde sein Sohn Richard zum Protector ernannt, legte aber bald seine Würde nieder, und die kön. Partei, von Cromwell's Feldherrn Monk in Schottland unterstützt, benutzte die allgemeine Verwirrung, den verbannten Karl zurückzurufen, der im Mai 1660 den Thron seines Vaters [663] bestieg. Weder in E. noch in Schottland hatte man bei den Unterhandlungen, die des Königs Rückkehr vorhergingen, daran gedacht, die Rechte des Volkes zu sichern, und man setzte ihm so ansehnliche Einkünfte aus, daß er von den Bewilligungen des Parlaments unabhängig war. Seine Verschwendung aber brachte ihn bald in Verlegenheiten, die ihn bewogen, Dünkirchen an Frankreich zu verkaufen; nachdem er auch zwei unrühmliche Kriege mit den Holländern durch nachtheilige Friedensschlüsse geendigt hatte und immer entschiedener in Frankreichs Interesse handelte, erhoben sich die Stimmen der Unzufriedenen, die seine steigende Willkür aufreizte, während sein Leichtsinn und die Sittenlosigkeit, die er an seinem Hofe duldete, ihn in der Achtung des Volkes herabsetzten. Der offene Übertritt seines jüngern Bruders, des Herzogs von York, zur römischen Kirche und die geheime Begünstigung des katholischen Glaubens, der sich der König verdächtig gemacht hatte, bewogen das Parlament 1673 durch ein Gesetz (die Testacte) eine Abschwörung aller Hauptlehren der katholischen Kirche zur Bedingung einer Anstellung im Staatsdienste zu machen, um dadurch die Katholiken von öffentlichen Ämtern auszuschließen. Die persönliche Freiheit der Bürger wurde 1679 durch ein Gesetz, welches willkürliche Verhaftungen verbietet, die Habeas-Corpus-Acte (s.d.) gesichert. Trotz diesen Beschränkungen aber herrschte Karl II. fast unumschränkt und ohne Parlament, als er 1685 starb. Sein Bruder, Jakob II., suchte die Einführung der willkürlichen Herrschergewalt und des katholischen Glaubens in E. und Schottland mit so verblendeter Heftigkeit durchzusetzen, daß in der Mitte der bischöflichen Kirche sich ein mächtiger Widerstand gegen ihn erhob, und als seine zweite katholische Gemahlin einen Prinzen geboren hatte, rief die Partei der Whigs des Königs Schwiegersohn, Wilhelm von Oranien, Statthalter der Niederlande, zu Hülfe. Er landete im Nov. 1688, Jakob floh nach Frankreich und die Krone wurde vom Parlamente auf Wilhelm III. und seine Gemahlin Maria übertragen, doch so, daß ihm allein die Verwaltung der Regierung blieb; er mußte jedoch durch die sogenannte Erklärung der Volksrechte (Bill of rights) in diejenigen Beschränkungen der kön. Gewalt einwilligen, deren Nothwendigkeit die unglücklichen Erfahrungen der Vergangenheit dargethan hatten. Dieses große Ereigniß, die engl. Revolution genannt, gab der seit den Königen aus dem Hause Tudor so häufig verletzten altengl. Verfassung die feste Grundlage, auf welcher sie seitdem geruht hat. Alle vom König eigenmäßig erhobenen Abgaben und die Unterhaltung eines Heers in Friedenszeiten ohne Bewilligung des Parlaments, wurden für gesetzwidrig erklärt, die Freiheit der Parlamentswahlen wurde gesichert, die Unabhängigkeit der Geschworenengerichte von der Regierung verbürgt und jede Gütereinziehung vor der Verurtheilung eines Angeklagten als ungültig verworfen. Die lange unterdrückten Presbyterianer erhielten völlige Gewissensfreiheit und die Preßfreiheit wurde begründet. Durch die Stiftung der Bank von E. im J. 1694 und das Darlehn, das sie der Regierung machte, ward aber auch der Grund zu der brit. Staatsschuld gelegt, die dem König die Ausführung seiner politischen Absichten erleichterte. Wilhelm blieb Statthalter der Niederlande, und da er schon früher sich den Eroberungsentwürfen Ludwig XIV. kräftig entgegengesetzt hatte, so wurde nun E. immer mehr in die politischen Angelegenheiten des europ. Festlandes verflochten und schon 1689 begann ein Krieg mit Frankreich, der E.'s Seeherrschaft befestigte. Die Regierung seiner Nachfolgerin, der Königin Anna (1702–14), Jakob II. Tochter, war durch E.'s glänzende Theilnahme als Verbündeter Ostreichs an dem span. Erbfolgekriege und die schon so oft vergebens versuchte, endlich 1707 durch einen Vertrag bewirkte Vereinigung E.'s und Schottlands ausgezeichnet, nach welchem beide Länder für immer ein Reich unter einem König und einem Parlament bilden sollten. Die Aussichten des vertriebenen Hauses Stuart auf dem engl. Thron wurden durch ein Gesetz vereitelt, welches, mit Ausschließung der näher verwandten katholischen Häuser Savoyen und Orleans, die Thronfolge der verwitweten Kurfürstin von Hanover, einer Enkelin Jakob I., und ihren Nachkommen sicherte. Ihr Sohn, Georg I., bestieg daher 1714 den brit. Thron; innere Unruhen, von den Anhängern des verbannten Fürstenstammes erregt, wurden gedämpft, und die gewandte Unterhandlungskunst des Königs und seines friedfertigen Ministers Walpole, gab dem Reiche einen langen Frieden, ohne E.'s Einfluß in Europa zu schwächen. Georg II. (1727–60) wurde 1739 zu einem Seekriege gegen Spanien gezwungen und trat 1742 als Verbündeter der Kaiserin Maria Theresia gegen Frankreich auf. Während dieses Krieges landete Jakob II. Enkel, Karl Eduard (s.d.), 1745 in Schottland und erfocht an der Spitze eines Heers einige Vortheile, ward aber in der Schlacht bei Culloden (1746) geschlagen und zur Flucht genöthigt. Der Friede von Aachen (1748) gab den Briten, ungeachtet ihrer Überlegenheit im Seekriege gegen Frankreich, nur geringe Vortheile, welche die große Schuldenlast, die durch Kriegsrüstungen und Hülfsgelder für Ostreich und dessen Verbündete bis zu 75 Mill. Pfd. Sterl. angewachsen war, nicht aufwiegen konnten.
Schon 1755 entstand durch Grenzstreitigkeiten zwischen den brit. und franz. Ansiedelungen in Nordamerika ein neuer Krieg gegen Frankreich, der auf das feste Land überging, als Georg II. sich mit Preußen zur Beschützung seines Stammlandes Hanover gegen einen franz. Angriff ver. band. Unter seinem Enkel Georg III. (1760–1820) wurde der glückliche Krieg gegen Frankreich 1763 mit dem Frieden von Paris geendigt; aber wichtiger als der Gewinn, den er E. brachte, waren die großen Eroberungen, die gleichzeitig mit dem siebenjährigen Kriege unter Lord Clive in Ostindien gemacht worden waren, wo bis 1756 die ostind. Handelsgesellschaft blos einige Niederlassungen besaß. Der Handel nach Ostindien, wo um das Jahr 1770 bereits gegen 15 Millionen Menschen brit. Kaufleuten gehorchten, erhielt seitdem eine unermeßliche Ausdehnung, und E.'s Reichthum stieg immer höher, je mehr der Handel den innern Gewerbfleiß belebte. Während die Briten jene großen Ansiedelungen gründeten, entspann sich seit 1764 ein Zwist mit ihren Colonien in Nordamerika, weil das Mutterland sie ohne ihre Einwilligung besteuern wollte, und die unklugen und schwankenden Schritte der brit. Machthaber führten endlich 1775 zu einem Kriege, an welchem bald nachher Frankreich und Spanien, als Verbündete der empörten Colonien, Antheil nahmen. Nach einem fruchtlosen Kampfe mußten die Briten in dem Frieden von Versailles 1783 die Unabhängigkeit der 13 vereinigten Staaten anerkennen, aber obgleich die Staatsschuld durch diesen Krieg auf 240 [664] Millionen Pfd. Sterl. gestiegen war, so erlitt doch E. durch den Abfall der Colonien keinen bedeutenden Verlust, da es den großen Aufwand zur Vertheidigung derselben ersparte und sein Handel mit ihnen seitdem gewann. Während dieses Kampfes machte der brit. Weltumsegler Cook (s.d.) seine großen Entdeckungen in der Südsee, die auch zur Anlegung neuer Colonien in Neuholland führten. An das Ruder des Staats trat bald nach dem Frieden mit Amerika William Pitt, und ein Steuermann von seiner Standhaftigkeit und Klugheit war nöthig, dem Sturme zu trotzen, der mit der franz. Revolution über Europa ausbrach. E. nahm seit 1793 thätigen Antheil an dem Kriege und stand mit kurzer Unterbrechung 20 Jahre lang in allen Welttheilen gegen Frankreich auf dem Kampfplatze. Ansehnliche Heere wurden auf das Festland gesendet, oder fremde in Sold genommen, E.'s Schiffe bedeckten alle Meere; bis 1801 waren schon 12 Millionen Pfd. Sterl. Hülfsgelder an die gegen Frankreich verbündeten Staaten gezahlt worden und diese Anstrengungen wuchsen noch, als Holland und Spanien gezwungen wurden, für Frankreich zu kämpfen. So unglücklich der Landkrieg meist für die Verbündeten war, so glänzend waren die Siege, die den Briten das Übergewicht auf den Meeren sicherten. Sie eroberten fast alle franz. und holl. Ansiedelungen in Ostindien, Westindien und Afrika, vernichteten den Seehandel ihrer Feinde, schwächten Frankreichs Seemacht und führten 1799 die ganze holl. Flotte nach E. Die innere Ruhe wurde während dieser Siege durch die von Frankreich begünstigten Aufstände in Irland gestört, wo Misverwaltung und Bedrückung in alter und neuer Zeit eine böse Saat ausgesäet hatten; um auf dieser verwundbaren Seite sich zu schützen, wußte Pitt die Vereinigung Irlands mit Großbritannien durchzusetzen, und seit dem 1. Jan. 1801 besitzen die brit. Reiche nur ein Reichsparlament, das von Großbritannien und Irland.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro