Geld

[512] Geld ist das für Zwecke des Umlaufs bestimmte Gut, das im Verkehr als Ausgleichungsmittel von Leistung und Gegenleistung dient und zur üblichen oder gesetzlichen Tilgung der Verbindlichkeiten allgemeine Geltung hat. Die deutsche Benennung wird auf das mittelhochdeutsche »gelten«, d. h. zahlen, leisten, zurückgeführt, während diejenige andrer Sprachen teils vom benutzten Geldstoff (pecunia von pecus. »Vieh«, argent, d. h. Silber), von bestimmten Münzsorten (danaro) oder zufälligen Umständen (monnaie, money, moneta) herrührt.

I. Wesen des Geldes. Bei entwickeltem Verkehr unentbehrlich, dient das G. als Tausch- (Umlaufs-) und Zahlmittel, als Preismaßstab, dann auch als Mittel, um Privatkapital anzusammeln und örtliche wie zeitliche Übertragungen von solchem zu bewerkstelligen. Seine Bedeutung als Tauschmittel beruht auf der Tatsache, daß nicht immer überflüssige eigne Güter gegen die gewünschten Güter andrer umgetauscht werden können. Dazu kommt, daß die Güter nicht immer in der Art teilbar sind, daß gleiche Wertsummen gegeneinander umgetauscht werden können. Diesen Übelständen wird abgeholfen, wenn ein leicht zu transportierendes und aufzubewahrendes Gut benutzt werden kann, das allgemein geschätzt und überall zu jeder Zeit gern angenommen wird. Der Tauschverkehr brachte es von selber mit sich, daß ein solches Gut schon auf den ersten Stufen des Verkehrs in Anwendung kam, und zwar ohne daß ein Zwang ausgeübt zu werden brauchte, indem kraft der Sitte und Gewohnheit die nach Ort und Zeit umlauffähigsten Güter als allgemeine Tausch- und Zahlmittel und zur Lösung von Verbindlichkeiten benutzt wurden. Bei unsern Naturvölkern kann man die, sei es in der ethnographischen Einheit (der Horde, dem Stamm, dem Volke), sei es im Verkehr mit dem Nachbar, allgemein gültigen Wertmesser einteilen in Schmuckgeld, Nutzgeld und Kleidergeld. Das Schmuckgeld umfaßt Stoffe, die gern und leicht zum körperlichen Schmuck herangezogen werden (Perlen, Muschelscheiben, Schneckenhäuser, Tierzähne, Metalle); das Nutzgeld Nahrungs- und Genußmittel (Getreide, Früchte, Salzbarren, Gebrauchsgegenstände aller Art, Sklaven, Vieh); das Kleidergeld endlich Stoffe aus Rohmaterialien, die bald zum Schmuck, bald zum praktischen Gebrauch herangezogen werden (Haussatoben, Mattenschurze, Stoffstreifen). Viele von diesen mannigfaltigen Geldsorten haben Gültigkeit nur innerhalb der Stammesgemeinschaft (Binnengeld nach H. Schurtz), andre sind weitverbreitet (Kaurischnecke, Mariatheresientaler). Die weite Verbreitung der Viehzucht bei nomadischen und Ackerbauvölkern, die leichte Erhaltung der Herden auf freier Weide, die Transportabilität, die Teilbarkeit nach Stücken und Gattungen des Herdenreichtums führten vielfach zur Verwendung des[512] Viehes zu Geldzwecken, wie denn das lateinische pecunia (Geld) ebenso wie peculium (Vermögen) von pecus (Vieh) abzuleiten ist. Schon frühzeitig trat neben dieses Naturalgeld oder an seine Stelle das Metallgeld. Einige unedle Metalle (Eisen, Kupfer, Bronze) sind, da sie ebenfalls zur Herstellung von Geräten, Werkzeugen, Waffen als nützlich und begehrenswert allgemein anerkannt worden waren, auch ein geeigneter Geldstoff gewesen. Auf der ältesten Stufe der europäischen Urbevölkerung haben sicher die Züge ganz ähnlich gelegen; sie sind erklärlicherweise heute nur sehr schwer zu deuten. Wo dieses endlich möglich wird, finden wir in der Tat Vieh und Sklaven als Großgeld, Metallbarren verschiedenster Formen für den Kleinverkehr (Babylon, Ägypten, Griechenland, Rom). In vielen Fällen tragen die Barren in Gestalt oder Stempelung noch die Erinnerung an den ursprünglichen Verkehr mit Naturalien, in andern nehmen sie gern die Gestalt des Celtes oder der Axt, in noch andern die von Ringen (Pfahlbauten der Schweiz) an. Beispiele sind aus der zweiten Stadt von Troja, aus der Schweiz und aus Norddeutschland bekannt. Solche Tauschmittel fanden aber auch bald gesetzliche Anerkennung. Schon um angedrohte Strafen (Bußen) bestimmt zu bezeichnen, bedurfte es bestimmter Gegenstände; dann war die Angabe solcher nötig für den Fall, daß diese an Stelle andrer bedungener Leistungen treten sollten, die nicht erfüllt werden konnten. Sie wurden schließlich allgemeine Tilgungsmittel für Verpflichtungen, als G. zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt, das G. erlangte gesetzliche Währung (s.d.), wurde Währungsgeld. Zum allgemeinen Preismaß wurde das G. von selbst schon dadurch, daß es für alle Güter und Leistungen als Gegengabe diente. So war jeweilig die Menge G. festgesetzt, die für ein andres Gut geboten, verlangt oder gegeben wurde. War diese Menge auf einem ganzen Tauschgebiet gleich, so hatte sich ein in G. ausgedrückter Marktpreis gebildet. Der ursprüngliche Naturaltausch war jetzt in zwei Akte, Kauf und Verkauf, zerlegt, der Ware steht nun das G. gegenüber. Auf diese Akte können nicht mehr die gleichen Rechtssätze angewendet werden wie auf den Naturaltausch. Einer bestehenden Verpflichtung gegenüber ist die Zahlungsunfähigkeit anders zu beurteilen als die Unmöglichkeit, bestimmte Gegenstände zu liefern. Wer G. gezahlt hat, ist seiner Verpflichtung los und ledig. Dem G. als einem echt fungibeln Gegenstand gegenüber ist die Eigentumsklage (Vindikationsrecht) nur in beschränktem Maße zulässig, so nach gemeinem Recht nur, wenn die betreffenden Geldstücke von andern unterscheidbar sind. Nach österreichischem Recht ist Voraussetzung für die Eigentumsklage, daß der Beklagte sein Eigentumsrecht beweisen kann, und daß der Beklagte wissen mußte, daß er nicht berechtigt sei, sich die Sache zuzuwenden. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 935) kann G. dem redlichen Erwerber nicht abgefordert werden, auch wenn es dem Eigentümer gestohlen oder sonst abhanden gekommen ist. Zum Schutz des Eigentums an G. ist (§ 1006, 1007) zugunsten des Besitzers, beim mittelbaren Besitz jedoch nur für den mittelbaren Besitzer, die Vermutung aufgestellt, daß er Eigentümer des Geldes sei. Dies gilt auch dem frühern Besitzer gegenüber, dem das G. abhanden gekommen ist. Geldstücke können Gegenstand einer Forderung nur sein (§ 372), wenn verschlossenes G. hinterlegt oder wenn Geldstücke Gegenstand eines Frachtvertrags sind (§ 420 und 462 des Handelsgesetzbuches). Das G. ist ferner wegen seiner Eigenschaften ein brauchbarer Gegenstand für private Kapitalbildung und für Aufspeicherung und örtliche Übertragung von Kapital und Vermögensmacht. Man bezeichnet es deshalb auch als »Wertträger« und »Wertbewahrer«. Allerdings wird heute Bargeld nur ausnahmsweise (deutscher Kriegsschatz, Kassenbestände, Vorräte der Banken, Thesaurieren im Orient) aufgespeichert und bei örtlicher Übertragung von Kapital auch nicht immer wirklich versendet. An seine Stelle treten vielmehr meist Kreditmittel, Forderungsrechte und Anweisungen (Wechsel etc.), aber diese fußen auf dem Gebrauch des Geldes, sie lauten selbst auf G.

II. Vorteile. Die Vorteile des (Währungs-) Geldes bestehen darin, daß dessen Anwendung Ersparungen an Arbeit und Kapital beim Tausch, manchen Tausch überhaupt erst ermöglicht; man ist der Notwendigkeit enthoben, wie beim Naturaltausch auch unvorteilhafte Verträge eingehen, Güter annehmen zu müssen, die nur mit Kosten und der Gefahr des Verderbens aufbewahrt werden können. Infolgedessen kann unwirtschaftlicher Güterverbrauch verhütet, anderseits Vermögensmacht leicht in andre Hände und an andre Orte übertragen oder für spätere Zeiten aufgespeichert werden derart, daß die ergiebigste Verwendung der Güter ermöglicht wird. Die freiere Verwendung von Kapital und Arbeit gestattet Förderung und Ausdehnung der Arbeitsteilung und damit eine Steigerung der produktiven Kräfte. Allerdings hat der Geldgebrauch auch Schattenseiten in moralischer und sozialer Hinsicht, indem er schlechtere Leidenschaften entflammt und die Geldherrschaft (s.d.) begünstigt (vgl. unten: IV).

III. Der Geldstoff und dessen notwendige Eigenschaften. Für Geldzwecke kann nur ein Stoff benutzt werden, der preiswürdig ist, damit das G. auch wirklich als Preismaßstab und Tauschmittel dienen kann; doch darf er nicht allzu wertvoll sein, weil er dann für auf kleine Summen lautende Tauschverträge nicht verwendbar wäre. Auch muß der Stoff von möglichst vielen Personen geschätzt und genommen werden, er darf keinem wichtigen Bedürfnis dienen, muß in genügender Menge vorhanden und dauerhaft, ohne Preisänderung teilbar und zusammenlegbar, fungibel (von gleicher Beschaffenheit, so daß bei gleichem Gewicht ein Stück gleich jedem beliebigen andern ist), formbar, nach dem äußern Ansehen leicht erkennbar, auf Beschaffenheit und Menge leicht kontrollierbar sein, endlich soll auf seiner Seite möglichst wenig Veranlassung zu Preisänderungen gegeben sein. Die meisten Dinge entsprechen wohl einigen dieser Anforderungen, aber nicht allen. Darum ist auch bei entwickelter Kultur das Naturalgeld weniger brauchbar. Als vorzüglich geeignet aber erwiesen sich die Edelmetalle (s.d.), die wegen ihrer Brauchbarkeit als Schmuck und Zierat schon frühzeitig hoch geschätzt wurden, als Symbol der Macht und des Reichtums dienten und einen Gegenstand lebhaften Tauschverkehrs bildeten. Diese entsprechen den obigen Anforderungen im ganzen am vollständigsten (insbes. Gold und Silber, weniger das Platin, das in Rußland 1828–45 geprägt wurde). Sie kommen verhältnismäßig selten vor, ihre Gewinnungskosten sind hoch, dann sind sie zu den verschiedensten Zwecken verwendbar, wie zu Schmuck, Geräten, in vielen Industrien, zu Münzzwecken etc. Wegen ihres hohen, allgemein anerkannten Wertes sind die Edelmetalle nicht nur überhaupt als Tauschmittel und Preismaß brauchbar, sondern auch (worauf es beim G. im entwickelten Kulturleben wesentlich ankommt) leicht transportabel und[513] zirkulationsfähig. Die Beschaffenheit der Edelmetalle ist gleichmäßig, es gibt bei Gold und Silber, gleichviel wo und wie sie gewonnen wurden, keine Qualitätsunterschiede; ferner zeichnen sich die Edelmetalle durch ihre große Dauerhaftigkeit, chemische Beständigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Abnutzung aus, sie leiden weder unter den gewöhnlichen Elementareinflüssen, noch unter der Aufbewahrung. Zwar verhältnismäßig selten, kommen sie doch in genügender Menge vor, dienen keinem wichtigen Bedürfnis, sind beliebig teilbar und zusammenlegbar ohne Wertänderung und lassen sich in die zweckmäßigste Gestalt bringen. Dann sind sie durch Farbe, Klang und Gewicht, zumal bei gutem, schönem Gepräge, leicht erkennbar. Endlich ist der Preis des Goldes (und war früher auch der des Silbers) keinen starken Änderungen unterworfen, und zwar vornehmlich infolge davon, daß die Vorräte, die seit Jahrhunderten angehäuft wurden, als ausgleichendes Reservoir für die jährlichen Zu- und Abflüsse der Produktion und des Bedarfs dienen und die mehrfache Verwendung (die monetarische, kapitalistische und kunstgewerbliche) eine gewisse Ausgleichung von Angebot und Begehr herbeiführt.

Aber nicht alle aus diesen Edelmetallen geprägten Münzen sind echtes G., sondern nur diejenigen, die als gesetzliche Zahlungsmittel erklärt sind. Im uneigentlichen Sinne nennt man allerdings auch jene Münzen, die nicht Währung haben, G.; sie sind aber entweder Ware mit schwankendem Marktpreis (wie Goldmünzen in Silberwährungsländern, z. B. früher der österreichische Dukaten, oder vollwertige Silbermünzen, die nicht Währung haben, z. B. Mariatheresientaler; vgl. Handelsmünzen), oder Münzen, die dadurch, daß sie zu bestimmtem Kurs von Staatskassen angenommen werden, einen festen Kassenkurs erlangen, oder Scheidemünzen, die nur bis zu einem gewissen Betrag gesetzliche Zahlmittel sind und bis zu diesem bei Zahlungen angenommen werden müssen (Silbermünzen in Goldwährungsländern). Scheidemünzen können ebensowohl aus unedlem wie aus edlem Metall geprägt sein. Als Kreditgeld bezeichnet man allgemein dasjenige, bei dem der Nennbetrag größer als der Metallgehalt ist. Vgl. Münzwesen, Währung.

Mit steigender Lebhaftigkeit und zunehmendem Umfang des Verkehrs würde das Metallgeld zu schwerfällig, seine verfügbare Menge würde nicht mehr ausreichend, sein Gebrauch zu kostspielig sein; man sucht daher bei Zahlungen das Metallgeld durch andre Mittel zu ersetzen. Das nächste Ersatzmittel bietet der Kredit (s.d.), der in mannigfaltigen Kreditpapieren für das G. Ersatzmittel schafft (Geldsurrogate), die ebenso wie G. im Verkehr zirkulieren, gegeben und angenommen werden. Alle diese Papiere werden oft schlechthin als Papiergeld (s.d.), im engern Sinn als solches nur diejenigen bezeichnet, die gesetzliche Zahlmittel und uneinlöslich sind (Staatspapiergeld und Banknoten mit Zwangskurs).

IV. Bedeutung der Geldwirtschaft. Die Naturalwirtschaft, bei der Güter und Leistungen ohne Vermittelung von Münzgeld umgetauscht werden, ist nur bei niederm Stande der Entwickelung von Verkehr, Wirtschaft und Kultur möglich. Arbeitsteilung und Berufswahl, die Produktion über den eignen Bedarf, materielle und geistige Ergänzung der Glieder einer Volkswirtschaft, Kapitalbildung, selbständige Unternehmertätigkeit finden sich bei ihr gar nicht oder nur in geringem Maße vor. Der Übergang von der Natural-zur Geldwirtschaft kann aber keineswegs willkürlich herbeigeführt werden, sondern hängt von allgemeinen kulturellen Bedingungen ab. So wie in Mitteleuropa die letzten Spuren der Naturalwirtschaft erst mit dem Feudalismus und der Grundentlastung verschwanden, so wird die Zukunft noch weite Ländergebiete (in Ostasien, Afrika, Südamerika), die ganz oder großenteils der Naturalwirtschaft angehören, der Geldwirtschaft, d. h. jenem Zustande der Volkswirtschaft erschließen, bei dem Metallgeld als gesetzliches Zahlmittel und vorwiegend als Umlaufsmittel dient. Die Einführung der Geldwirtschaft in Mitteleuropa seit dem 14. und 15. Jahrh. hatte so große Vorteile gebracht, daß die Bedeutung des Geldes überschätzt wurde; auf einer solchen Überschätzung beruhten die wesentlichsten Irrtümer des Merkantilsystems (s.d.). Als Mißbräuche im Geldwesen einrissen und sich gewisse Schattenseiten der Geldwirtschaft bemerkbar machten, erfolgte ein Rückschlag der Ansichten. Einige wollten das G. möglichst zurückdrängen oder wieder ganz beseitigen, um die Gefahr der Ausschreitungen im Geldgebrauch und der materialistischen Richtung des Reichtumserwerbes zu vermeiden. Andre stellten die Theorie auf, die noch heute Anhänger hat, daß es möglich sein werde, ohne G. ein Wertmaß auf eine fiktive, vom Staate zu bestimmende Einheit zu gründen, die von der Beziehung zu einem bestimmten Tauschgut ganz losgelöst sein könnte, oder das G. vollkommen durch Kredit (echte Kreditwirtschaft) zu ersetzen, weil sich schließlich doch immer die Forderungen und Schulden in ganzen Volkswirtschaften und international kompensieren. Die ersterwähnte Idee ist aus den oben erwähnten Gründen undurchführbar. Preismaß kann immer nur ein Gegenstand sein, der selbst als wertvoll geschätzt wird. Nur ein solcher würde in Zahlung angenommen werden, ein wertloses Ding aber nur, wenn und soweit es lediglich Ersatzmittel für G. oder Träger eines Forderungsrechtes auf solches ist. Im übrigen aber kann ein Zwang, wertlose Dinge in Zahlung zu nehmen, wie die Erfahrung schon lehrt, wohl in beschränktem Umfang, nicht aber unbeschränkt (Assignaten der französischen Revolution) sich Geltung verschaffen. Auch eine reine Kreditwirtschaft unter vollständiger Verdrängung des Metallgeldes durch Giroverkehr mit Wechsel- oder Abrechnungsbanken etc. ist undenkbar; das Metallgeld wird stets als echter Preismaßstab seine grundlegende Bedeutung behalten.

V. Geldbedarf und Geldmenge. Die Vorteile, welche die Geldwirtschaft einem Lande bringt, hängen wesentlich davon ab, daß Art und Menge des Geldes dem jeweiligen Bedarf entsprechen. Die Art des Geldes ist durch die Währungs- und Münzverhältnisse bestimmt und soll sich dem jeweiligen Stande der Technik, des Verkehrs und der Wirtschaft anpassen (vgl. Währung). Ebensowenig wie über die Art des Geldes, ist es möglich, einen allgemein gültigen Satz für die erforderliche Geldmenge aufzustellen. Man kann nur jene Umstände bezeichnen, von denen im allgemeinen der Geldbedarf abhängt. Solche sind: zunächst der Umfang der Verkehrsoperationen, die sich in einer bestimmten Wirtschaftsperiode vollziehen und ihrerseits hauptsächlich von dem gesamten Gütervorrat einer Volkswirtschaft und von der Lebhaftigkeit und Vielgestaltigkeit der Umsätze bedingt sind; dann die Geschwindigkeit des Geldumlaufs. Je größer die Kassenbestände sein müssen, je mehr Geld zur Kapitalbildung zeitweilig aufgespeichert wird (Thesaurierung), um so größer muß die nötige Geldmenge sein. Das Verhältnis[514] zwischen Güterumsatz und Geldmenge wird aber wesentlich modifiziert, je nachdem nebenher mehr oder weniger Umsätze durch Naturaltausch und durch Kredit bewerkstelligt werden; denn in beiden Fällen wird mehr oder weniger G. entbehrlich. Dem Bedarf der Volkswirtschaft angemessen soll die Geldmenge auch zeitweilig vermehrt oder vermindert werden können, um den Geldstand weder allzu flüssig (abundant) noch allzu knapp werden zu lassen. Wird der Geldstand zu flüssig, ohne daß für einen Abfluß der verfügbaren Leihkapitalien gesorgt wird, so entsteht daraus deren Verbilligung, die einen übermäßigen Anreiz zu neuen Unternehmungen hervorrufen, eine Überproduktion und Krise heraufbeschwören kann; wird der Geldstand zu knapp, fehlt es an den nötigen Zahlmitteln, so steigen die Diskontsätze, Unternehmungen geraten ins Stocken, und die Produktion selbst wird gehemmt. Die heimische internationale Kreditorganisation, die Entwickelung des Bankwesens und die Leichtigkeit der Transporte von G. und Geldstoff hieten die Mittel, um Ausgleichung von Mangel und Überfluß zu bewirken.

VI. Geldwert und Güterpreise. Von den Wirkungen, die Überfülle oder Knappheit des Geldstandes auf den Zinsfuß äußern, sind diejenigen wohl zu unterscheiden, welche die Menge des für den Umlauf verfügbaren Geldes auf die Güterpreise ausübt. Da diese Preise in G. ausgedrückt werden, so kann eine Änderung derselben entweder eine Folge davon sein, daß der Tauschwert der Güter selbst schwankt, oder es könnte sich der Geldwert ändern. Der Wert des Geldes, unter dem bisweilen fälschlich auch der Zinsfuß verstanden wird, und dessen zeitliche Änderungen wären in der Art zu bemessen, daß die Preise aller Waren und Leistungen und deren Mengen in Betracht gezogen werden. Die Statistik liefert indes nirgends alle hierfür erforderlichen Daten. Aber auch die Theorie steht hier vor einer unlösbaren Aufgabe. Denn für die Mengen gibt es keinen einheitlichen Maßstab. Außerdem aber wechseln Arten und Qualitäten der Waren. Man kann darum praktisch nur die Änderungen in den Summen bestimmen, die je für gewisse Güterarten oder Zwecke (z. B. Deckung des Lebensbedarfs) auszugeben sind, und hieraus Schlüsse auf die Änderungen des Geldpreises ziehen. Sogenannte allgemeine Teurungen können zumeist auf ein Sinken des Geldpreises zurückgeführt werden. Umgekehrt kann auch ein allgemeines Sinken der Güterpreise durch Erhöhung des Geldwertes veranlaßt sein. In Fällen dieser Art spricht man von einer veränderten Kaufkraft des Geldes. Unter normalen Verhältnissen hängt diese von weitreichenden Änderungen im Marktpreis des als Geldstoff dienenden Edelmetalls ab; in Ländern mit Papierwährung äußert sie sich im Disagio. Die Geschichte der Volkswirtschaft bietet zahlreiche Belege für dergleichen allgemeinere Verschiebungen der Preise infolge von Schwankungen des Geldwertes. In neuerer Zeit schreiben viele Autoritäten (Jevons, Laspeyres, Soetbeer) die in den Jahren 1850–70 eingetretene Teurung der Waren jener Entwertung des Geldes zu, die als Folge der starken Vermehrung der Gold- und Silberzuflüsse angesehen wird. Ebenso glauben einige (Goschen, Giffen, Arendt), daß das seit 1873 erfolgte Sinken der meisten Güterpreise ganz oder großenteils auf ein Steigen der Kaufkraft des in vielen Ländern für Geldzwecke mehr verwendeten Goldes zurückzuführen sei. Diese Behauptung wird jedoch von andern Autoritäten bestritten (Hansard, Nasse, Soetbeer).

Über den monetären Edelmetallvorrat der Welt in Millionen Mark und den Kopfbetrag in Mark unterrichtet die folgende Tabelle (nach Helfferich, S. 193):

Tabelle

Vgl. J. G. Hoffmann, Die Lehre vom G. (Berl. 1838); M. Chevalier, La Monnaie (2. Aufl., Par. 1866); K. Knies, Das G. (2. Aufl., Berl. 1885); Jevons, Money and the mechanism of exchange (8. Aufl., Lond. 1887; deutsch, Leipz. 1876); Jäger, Das G. (Stuttg. 1877); Poor, Money and its laws (Lond. 1877); E. Nasse, G. und Münzwesen, in Schönbergs »Handbuch der politischen Ökonomie«, Bd. 1 (4. Aufl., Tübing. 1894); Martello, La Moneta (Flor. 1883); Del Mar, History of money in various countries (Lond. 1885) und The science of money (2. Aufl. 1896); Hertzka, Das Wesen des Geldes (Leipz. 1887); Nicholson, Treatise on money (3. Aufl., Lond. 1895; Supplement: Banker's money, 1902); Hucke, Die Geldverrichtungen in der Preis-, Lohn- und Zinsgestaltung (Berl. 1897) und Das Geldproblem und die soziale Frage (5. Aufl., das. 1903); Beaure, Théorie et pratique [515] de la monnaie (Par. 1898ff., 4 Bde.); Simmel, Philosophie des Geldes (Leipz. 1900); Carlile, Evolution of modern money (Lond. 1901); Helfferich, G. und Banken, 1. Teil: Das G. (Leipz. 1903); Laughlin, The principles of money (Lond. 1903); Lahn, Der Kreislauf des Geldes (Berl. 1903); Babelon, Les origines de la monnaie (Par. 1896); Schurtz, Grundriß einer Entstehungsgeschichte des Geldes (Weim. 1898); Soetbeer, Literaturnachweis über Geld- und Münzwesen (Berl. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 512-516.
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