Gelbes Fieber

[96] Gelbes Fieber (Febris flava s. americana, Febris biliosa maligna, Typhus icteroides), eine den westlichen Tropenländern eigenthümliche epidemisch auftretende, ansteckende, sehr schnell verlaufende u. bösartige, durch gelbe Hautfärbung u. schwarzes Erbrechen am meisten charakterisirte Blutkrankheit, welche als die höchste Entwickelungsstufe der sogenannten Malariakrankheiten betrachtet werden kann. Das G. F. scheint schon lange in Mexico u. Westindien endemisch gewesen zu sein, ist jedoch den Europäern erst zu Ende des 15. Jahrh. bekannt geworden, u. von dieser Zeit an in häufigen Epidemien nicht nur in den Ländern u. [96] Inseln am u. im Mexicanischen Meerbusen, sondern auch, wohl meist durch Einschleppung, in anderen Ländern Amerikas, an einigen Punkten Westafrikas u. selbst in einigen Hafenstädten Südeuropas aufgetreten. Es entsteht, wie es scheint, nur in Westindien unter dem Einfluß einer in unbekannter Weise hochgesteigerten Malaria (Sumpfmiasma). Zu seiner Erzeugung gehört eine hohe Temperatur von 19 bis 27° R., Fäulniß von Pflanzen- u. Thierstoffen, feuchte Atmosphäre, zahlreiche Bevölkerung des Krankheitsherdes. Sümpfe sind nicht gerade nothwendig, im Gegentheil beobachtet man es gerade in den bestangebauten Tropenländern am häufigsten. Es erscheint in Westindien in der Regel im August u. September u. herrscht sporadisch od. endemisch. Die Kranken entwickeln auf der Höhe der Epidemie ein Contagium, das sich verschleppen läßt, so daß das G. F. an Orten zu grassiren beginnt, welche die Krankheit zu erzeugen nicht im Stande sind. In Binnenländern kommt das G. F. nicht vor, doch erstreckt es sich zuweilen längs der Flüsse hin ein Stück ins Land hinein u. kann eine große Stadt, die es hier findet (wie Sevilla z. B.), hart mitnehmen. Das G. F. macht zwischen Alters- u. Geschlechtsverschiedenheit keinen Unterschied; Eingeborene werden weniger betroffen als Eingewanderte, bes. Neuankömmlinge, Starke u. Robuste mehr als Schwächlinge, Feuerarbeiter (Bäcker, Schmiede, Köche etc.) u. unmäßige Menschen verschont es selten. Die Krankheit scheint den Menschen in der Regel nur einmal zu befallen. Das Contagium des G. F. scheint sich dem der Cholera ähnlich zu verhalten, nur etwas weniger flüchtig zu sein, auch in der Art u. Weise der Übertragung u. Verschleppung besteht eine auffallende Ähnlichkeit. Außer den Vorläufern der Krankheit kann man drei Stadien od. Perioden des Verlaufes unterscheiden (Stadium in vasionis, S. remissionis u. S. depressionis). Das G. F. hat, wie jede andere acute ansteckende Krankheit, ein sogenanntes Stadium incubationis (gleichsam Brüteperiode), d.h. es vergeht eine gewisse Zeit zwischen der Aufnahme des Krankheitsgiftes u. dem Ausbruche der charakteristischen Symptome, obschon sich dieses Stadium zuweilen ganz u. gar nicht bemerklich macht. Gewöhnlich jedoch zeigt sich dasselbe durch auffällige Blaßheit u. Verstimmung an, eine besondere trockene Hitze der Haut, ziehende Gliederschmerzen, Schwindel, gelbe Färbung der Zunge, Lippen u. Nasenflügel, Ekel vor den Speisen od. ungewöhnlichen Hunger. Der eigentliche Anfall (Stadium invasionis) tritt wie bei der Cholera zumeist des Nachts in den ersten Morgenstunden ein. Ein eigenthümliches nervöses Zittern ohne Kältegefühl (seltener ein Frostanfall) nebst heftigen Stirn- u. Augenschmerzen u. schmerzhaften Empfindungen in Rücken u. Gliedern, Angst, gedunsenes u. geröthetes Gesicht kündigen den Ausbruch der Krankheit an; die Zunge bedeckt sich mit einem schmutzigen Beleg u. wird durch die Hitze roth u. trocken; der Durst vermehrt sich, der Appetit schwindet; bald stellt sich in der Magengegend eine verdächtige Empfindlichkeit ein, ein Gefühl von Druck, Nagen, Brennen od. förmliche Anfälle von Magenkrampf; der Puls ist ziemlich beschleunigt, die Kopfadern klopfen zuweilen heftig. Dieses Stadium dauert 4–70, im Durchschnitt 40 Stunden. Dann tritt ein Nachlaß (Stadium remissionis) ein Alle Symptome, bes. die fieberhaften, so wie die Schmerzen lassen nach, selbst einiger Appetit kehrt wieder, u. schon glaubt der Kranke sich genesen; allein diese Besserung ist nur scheinbar, die Erschöpfung des Kranken tritt gegen Ende des Stadiums bes. deutlich hervor; das Erbrechen beginnt zuerst mit einer schleimigen fadenziehenden Masse, Augen u. Haut färben sich gelb, der Puls sinkt, es treten stellenweise Schweiße ein, welche, wenn die Krankheit mit diesem Stadium endigen soll, allgemein werden, die gelbe Färbung mit sich fortnehmen u. so die Genesung einleiten. Meist geht aber die Krankheit in das dritte Stadium (Stadium depressionis) über mit den Symptomen der ausgebildeten Krankheit. Wie bei der Cholera ist auch bei dem G. F. der Grundcharakter Depression, nur weniger gewaltsam u. rasch eintretend. Zuvörderst hebt sich der Puls wieder, Angst u. Magenschmerzen kehren zurück, auch die Leber beginnt zu schmerzen, die gelbe Hautfärbung wird dunkler ockerfarben, stellenweis bläulich, das Brechen wird stürmischer u. häufiger, das Erbrochene sieht braun od. schwarz aus, wie Kaffeesatz, u. hinterläßt im Schlunde ein brennendes Gefühl; die Zunge belegt sich braun, schwillt an, wird rissig, leicht blutend, Lippen u. Zahnfleischränder belegen sich rußig; stinkender Durchfall stellt sich ein, gelb-, grün- od. schwarzfarbig; dabei ist der Leib gewöhnlich aufgetrieben (Meteorismus). Der Urin trübt sich, sieht schwärzlich aus u. geht unwillkürlich ab, wird aber auch ganz unterdrückt; die Temperatur der Haut sinkt bis auf die Herz- u. Magengegend, die Absonderung der Haut wird klebrig, später zeigen sich Blutflecken, Blutungen aus Nase, Mund, Augenwinkeln u. After treten ein; die Respiration wird beengt, der Puls unregelmäßig, bald schnell, bald langsam, Delirien treten ein, Flockenlesen, Sehnenhüpfen, Convulsionen etc. wechseln in verschiedener Folge, je nach Heftigkeit der Erkrankung u. Individualität des Kranken, welcher in der Regel unter Schluchzen od. Convulsionen stirbt. Dieses Stadium kann 4–6 Tage dauern. Neigt die Krankheit sich zur Besserung, so wird die Haut dampfend od. bedeckt sich mit reichlichem übelriechendem Schweiße, die Aufregung verliert sich, die Zunge wird feucht, die Stuhlausleerungen werden besser etc. Zuweilen treten als kritische Zeichen Nasenbluten, Bodensatz im Urin, Friesel, Anschwellung der Speicheldrüsen, Blutschwären, Abscesse ein. Die Reconvalescenz ist ziemlich langsam, hält meist über 7 Tage an, in welcher Zeit noch mancher Kranke stirbt. Das hier aufgestellte Krankheitsbild ändert sich sehr verschieden ab; zuweilen ist die Krankheit so gutartig, daß die Kranken kaum einen Tag das Bett hüten, andere Male ist das Erkrankungs- u. Sterblichkeitsverhältniß enorm; zuweilen kommen wie bei der Cholera so rasche (fulminirende) Erkrankungen vor, daß mit Überspringung des ersten u. zweiten Stadiums sofort die charakteristischen Symptome des ausgebildeten G. F-s auftreten. Fehlt auch in solchen Fällen zuweilen die gelbe Hautfärbung, so fehlt doch das Brechen nie. Die pathologisch-anatomische Untersuchung der Leichen hat nichts Auffälliges nachzuweisen vermocht. Die nicht früher als gewöhnlich in Fäulniß übergehende Leiche ist blutreich, die Leber ist oft auffällig blaß, etwas umfänglicher u. blutärmer als im normalen Zustande, zuweilen ganz normal od.[97] auch auf dem Wege zur sog. acuten gelben Atrophie. Im Magen u. Gedärmen zeigen sich mancherlei anatomische Veränderungen, als Entblößung der Schleimhaut vom Epithelium, Blutaustretungen, Erweichungen etc. Im Magen u. Darm findet man eine schwärzliche Flüssigkeit od. eine rothe u. schwarze körnige Masse, dem Kaffeesatz ähnlich, die aus durch Magensäure gefälltem Blute zu bestehen scheint. Das Blut soll im G. F. seine Gerinnbarkeit verlieren, auch bildete sich auf dem gelassenen Venenblute nie eine Entzündungshaut. Wahrscheinlich ist, daß das Wesen des G. F-s in einer, durch Salzmangel charakterisirten Blutkrase od. Blutvergiftung besteht. Die gelbe Hautfärbung rührt theils von zersetztem Blutfarbstoff, theils von Gallenpigment her. In mancher Beziehung ist das G. F. der Cholera geradezu entgegensetzt, ist aber deswegen nicht weniger gefährlich. Unter den Nachkrankheiten sind Verdauungsbeschwerden, Fortdauer der gelben Hautfärbung, Schwindel, Schlaflosigkeit, Gedächtnißschwäche, Darmvereiterung, Leiden der Bauchspeicheldrüse, Ruhr, Wassersucht etc. zu fürchten. Beim G. F. sind dieselben sanitätspolizeilichen Rücksichten zu nehmen, wie bei ansteckenden Krankheiten überhaupt. In Hafenstädten, welche mit Mittelamerika u. anderen Gelbfieberherden in Verbindung stehen, sollte eine Contumazzeit für die Zureisenden bestehen u. verdächtige Waaren einem Luftzuge bei erhöhter Temperatur ausgesetzt werden; bei Reisen in Tropische Länder muß man zu gesunder Jahreszeit anzukommen suchen. Während einer Epidemie muß man sich vor Erkältungen u. Diätfehlern hüten u. sich Morgens u. Abends mit Salzwasser waschen; ist einmal die Krankheit ausgebrochen, so kann man bis jetzt eigentlich kein Mittel nennen, welches das Blut des einmal befallenen Individuums zu entgiften vermöchte. Chabert rühmt als specifisches Heilmittel das in Mexico gegen Schlangenbiß benutzte Huaco. Die zuweilen im Anfang der Krankheit eintretenden bedeutenden Congestionen nach dem Gehirn verlangen Aderlaß od. wenigstens örtliche Blutentziehung; zuweilen sind Brechmittel u. mehr noch milde Laxirmittel angewendet u. heilsam befunden worden. Jedenfalls sind Senfteige auf die Magengegend, Klystiere bei Verstopfung als mindestens unschädlich nicht zu versäumen. Andere (bes. Stevens) rühmen, weil nach ihrer Ansicht das G. F. auf Salzmangel des Blutes beruht, salinische Mittel u. wollen vorzüglich vom kohlensauren Natron große Erfolge gesehen haben. Ferner hat man vegetabilische Säuren vorgeschlagen, Waschungen des Körpers mit Essig od. Reibung mit Citronenscheiben; die Eingeborenen wenden häufig Öl äußerlich und innerlich au; China u. deren Präparate sind ebenfalls häufig angewendet worden, auch Strychnin in kleinen Gaben soll gegen die damit einhergehenden Nervenzufälle genützt haben; bei lästigem Erbrechen u. großem Durste Eis, Champagner, Rivers Trank etc. Andere suchten Hülfe mehr durch äußere Mittel, narkotische Einreibungen, kalte Begießungen, Moxen. So lange die Heilkunst bei dieser furchtbaren Krankheit noch so rathlos ist, wird das G. F. ein bedeutendes Hinderniß der Ansiedlung der Tropenländer bilden. Vgl. Moultrie, De febre maligna biliosa Americae the yellow fever (Edinb. 1749), herausgegeben von Baldinger, Langensalza 1768 (deutsch von Paullus, Bamberg 1805); Eymann, De Typho icterode Indiarum occid., Halle 1709; Gutfeld, Abhandlung über das G. F., Gött. 1801; Ketterling, Über das G. F., Regensb. 1804; Arejula, Darstellung des ansteckenden G. F-s, aus dem Spanischen von Frank, Lpz. 1804; Kulbel, Versuche über den Charakter des G. F-s, Görlitz 1805; Kapp, Versuch einer Darstellung des G. F-s, Frankf. 1805; Langermann, Über das G. F. u. Deutschlands Medicinalanstalten gegen diese Pest etc. 2. Aufl. Hof 1805; Wolfart, Das Wesen des G. F-s u. seine Behandlungsart, Bresl. 1805; Baumherr, Mittel wider die gelbe Pest, Würzb. 1805; Gilbert. Über das G. F., aus dem Französischen von Aronson, Berl. 1806; Valentin, Über das amerikanische G. F., aus dem Französischen von Amelung, ebd. 1806; Fiedler, Über das G. F. in Westindien, Tübingen 1806; Moreau de Jonnes, De la fièvre jaune des Antilles, Paris 1820; Audouard, De la fièvre jaune, qui regné à Barcelone 1821, Paris 1824; Dessen Consid. sur l'origine et les causes de la fièvre jaune, ebd. 1824; Gendrin, Rech. hist. sur les épid. de la f. j. zu Malaga, ebd. 1824; Matthäi, Untersuchung über das G. F., Hannov. 1827 (Preisschr.); Rochoux, Rech. sur la fièvre jaune, Paris 1828; Ardevol, Bericht über die Epidemie in Gibraltar (spanisch), Paris 1833; Eichhorn, Das G. F., herausgegeben von Tulin, Berlin 1833; Arnold, A practical treatise on the bilious remittent fever etc., Lond. 1840; Chervin, De l'identité de la nature des fièvres d'origine palud., Paris 1843; Kelly, Über das G. F., ebd. 1847.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 96-98.
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