[675] Lokomotive (lat., »von der Stelle bewegend«; hierzu Tafeln »Lokomotiven I-IV«), eine auf Rädern ruhende Kraftmaschine, die sich selbst und einen Wagenzug auf Schienen fortbewegt. Der Antrieb erfolgt bei der weit überwiegenden Mehrzahl der Lokomotiven zurzeit mit Dampf, doch gewinnt die Elektrizität als Triebkraft zunehmende Verwendung. Druckluft wird besonders für unterirdische Förderung, also im Berg- und Tunnelbau, seltener für Straßenbahnen (s. unten) gebraucht; ganz kleine Lokomotiven werden ausnahmsweise auch wohl mit andern verdichteten Gasen (Kohlensäure, Sauerstoff) getrieben, vereinzelt auch mit Gaskraft-, Petroleum-, Benzin- und Spiritusmotoren.
Die Hauptteile der Dampflokomotive sind: 1) der Dampfkessel mit Feuerung, Ausrüstung und Zubehör; 2) die Dampfmaschine mit den Zylindern nebst Gestänge, Kurbeln und Steuerung; 3) das Radgestell oder der Wagen der L., bestehend aus den mit je zwei Rädern versehenen Achsen und dem mittels Achslagern und Federn darauf ruhenden Tragrahmen. Hierzu kommt der Tender, in der Regel als Schlepptender, d.h. in Gestalt eines besondern, eng mit der L. gekuppelten, auf 26 Achsen ruhenden Fahrzeuges. Dieses enthält den im Grundriß meist ⊂ förmigen, aus dünnem Kesselblech hergestellten Wasserbehälter von 1020 cbm Inhalt zum Speisen des Dampfkessels für mehrstündigen Betrieb, und weiter den nötigen Raum für Brennmaterial zwischen und auf den der L. zugekehrten Schenkeln des Wasserkastens (Tender allein, Textfig. 13, S. 680). Wo die Mitführung großer Vorräte an Wasser und Brennstoff entbehrt werden kann, nämlich beim Verschiebedienst, Stadt- und Vorortverkehr und für kurze Anschlußbahnen, genügt es, kleinere Behälter dafür auf der L. selbst anzubringen. Solche Lokomotiven werden Tenderlokomotiven genannt (Textfig. 1 [S. 676]; Tafel I, Fig. 2, und Tafel III).
Nach dem Betriebszweck unterscheidet man bei Dampflokomotiven solche für Schnellzüge (S.-L.), Personenzüge (P.-L.), gemischte Güterzüge (G.-L.), u.[675] für den Verschiebedienst (Verschiebelokomotive, V.-L.), für Zahnstangenbahnen, für Klein-, Straßen- und Lastförderbahnen.
Hinsichtlich der Bauart wird vorzugsweise unterschieden nach der Zahl der gekuppelten und der Gesamtzahl der Achsen, s. die Zusammenstellung (Fig. 3 der Tafel I stellt eine »2/4 gekuppelte«, Tafel II eine »2/5 gekuppelte S.-L.« dar); ferner nach der Lage, Zahl und Wirkungsweise der Dampfzylinder (Innen- oder Außenzylinder; Zwillings- oder Verbundlokomotive); sodann nach der Anordnung der Kohlen- und Wasserbehälter (Lokomotiven mit Schlepptender, Textfig. 25 u. 1416; Tafel I, Fig. 1, 3 [jedoch ohne den Tender], 4; Tafel II) und Tenderlokomotiven (T.-L., Tafel III) etc.
Die Kosten der L. können ungefähr zu 1000 Mk. für jede Tonne ihres Gewichts angenommen werden.
Die Zugkraft der L. entsteht dadurch, daß die Dampfmaschine die sogen. Treibachsen mit den Treibrädern (Textfig. 12 u. 12 a, S. 680) in Drehung setzt, und daß die auf ihnen ruhende Last, das sogen. Treibgewicht, zwischen den Radreifen u. den Schienen eine Reibungskraft erzeugt, die durch das Produkt aus Treibgewicht und Reibungswert bestimmt wird.
Ist diese Reibungskraft (irrtümlich auch Adhäsion genannt) kleiner als der zu überwindende Bewegungswiderstand des Zuges und der L. selbst, so »schleudern« die Räder, d.h. sie drehen sich, ohne die L. von der Stelle zu bewegen; ist die Reibungskraft größer als jener Widerstand, so beginnen die Räder zu rollen um damit den Zug in Bewegung zu setzen. Demnach bildet die Größe jenes Produkts aus Treibgewicht und Reibungswert die obere Grenze der möglichen Zugkraft. Der Reibungswert beträgt im Durchschnitt 1/7, kann jedoch bei trocknen Schienen auf etwa 1/5 steigen, dagegen bei feuchten, unreinen Schienen (Tau, Nebel, seiner Regen, feuchte Luft im Tunnel, Blätter, Raupen u.a.) bis auf 1/11 und weiter herabsinken.
Vorübergehende örtliche Verminderung der Reibung (wie Glatteis, abgetropftes Schmieröl u.a.) kann durch Sandstreuvorrichtungen überwunden werden, indem ein Sandstrahl unmittelbar vor den Treibrädern auf die Schienen geleitet wird. Dasselbe Mittel der Reibungserhöhung dient namentlich auch zur Überwindung einer vorübergehenden Widerstandserhöhung wie beim Ingangsetzen schwerer Züge, zumal auf Steigungen etc.
Das Treibgewicht, also der auf den Treibachsen lastende Teil des Gewichts, der L. ist entscheidend für ihre Leistung. Der Rest ihres Gewichts, das sogen. Laufgewicht, das auf den (mit kleinern »Laufrädern« versehenen) Laufachsen ruht, kann zur Zugkraftbildung nichts beitragen, wirkt vielmehr nur, wie das Zuggewicht, widerstandbildend. Zur Erzielung großer Zugkräfte, wie sie für schwere Güterzüge, D-Züge, für steile Steigungen, aber im Verhältnis zur kleinern Last auch beim Verschiebedienst zum raschen Anfahren und Anhalten nötig werden, müssen daher meist außer der von den Dampfzylindern unmittelbar angetriebenen Achse noch eine oder mehrere, unter Umständen alle Achsen der L. zu Treibachsen gemacht werden, indem sie mit jener Achse gekuppelt werden (Verbindung der parallelgestellten Kurbeln durch Kuppelstangen). Auf diese Weise entstehen je nach dem Zweck die verschiedenen Formen der folgenden Zusammenstellung (S. 677). Die beigefügte Bezeichnung des Verhältnisses der so gebildeten Treibachsenzahl zur Gesamtachsenzahl in Form eines Bruches ist sonach besonders bezeichnend für Gattung und Zweck der L.
Ob nun jene obere Grenze der Zugkraft, wie sie durch Treibgewicht und Schienenreibung gegeben m, wirklich voll erreicht werden kann, hängt ab von der Größe des im Kessel erzeugten Dampfdrucks und von den Abmessungen der Dampfmaschine, insbes. vom Durchmesser und Füllungsgrade der Dampfzylinder, dem Kolbenhube oder Kurbelkreisdurchmesser und dem Übersetzungsverhältnis zwischen diesem und dem Treibraddurchmesser. Kleine Durchmesser ergeben bei einem Kolbenspiel oder einer Radumdrehung kurze Wege, also geringe Geschwindigkeiten, mithin bei gleichem Arbeitsaufwande große Zugkräfte (da die Arbeitsgröße durch das Produkt aus Kraft und Weg bedingt wird). Solche Lokomotiven mit etwa 1,21,3 m Raddurchmesser werden daher für schwere Güterzüge und starke Steigungen gebaut, z. B. mit 35 Treibachsen, 1,31,5 m Durchmesser[676]
und 68 Ton. Raddruck, für Geschwindigkeiten von 2030, auch wohl bis 45 km (zulässig bis 60) in der Stunde (Textfig. 2 u. 3). Für Schnellzüge werden umgekehrt die Durchmesser der Treibräder groß (1,72,4 m) bemessen (Textfig. 4 u. 5; Tafel II; Tafel I, Fig. 1, 3 u. 4) und die Zahl der Treibachsen meist auf zwei, in England früher allgemein und noch jetzt bei 9 Ton. Raddruck nicht selten auf eine beschränkt. Dabei werden in Deutschland Geschwindigkeiten von 80100 (zulässig seit 1905 bis 120 km), in England, Frankreich, Nordamerika bis 120 km in der Stunde, ausnahmsweise auch noch mehr, erzielt. Da mit die Lokomotiven auch schärfere Krümmungen ohne großen Widerstand rasch und sicher durchfahren können, vereinigt man mehrere oder alle Laufachsen zu zwei- oder vierräderigen Drehgestellen (trucks). Vgl. Textfig. 5 u. 11; Tafel I, Fig. 1, 3 u. 4; Tafel II.
Auf Gelbirgsbahnen mit schweren Zügen hat man die Zugkraft verstärkt: teils durch Erhöhung der Dampfspannung von den allgemein üblichen 1012 auf 14, ja 16 Atmosphären, teils durch weitere Erhöhung des Treibgewichts, z. B. mittels Heranziehung des Tendergewichts zur Vermehrung der Treibachsenzahl oder durch Herstellung von Doppellokomotiven (Tafel I, Fig. 2). Von solchen besondern Formen wird weiter unten die Rede sein. Solche Lokomotiven werden aber ungemein schwer, verzehren daher einen unverhältnismäßig hohen Anteil ihrer Zugkraft zu ihrer eignen Fortbewegung; der für den Zug nutzbar bleibende Rest der Zugkraft wird daher mit zunehmender Steigung immer geringer. An Stelle von Reibungssteigungen über 30 bis 35 auf Tausend, namentlich bei größerm Verkehr, kommt daher in neuerer Zeit mehr und mehr der gemischte Betrieb, d.h. die Einschaltung noch erheblich steilerer Zahnstangenstrecken (6080 Proz.), zur Ausführung (s. Bergbahnen u. Gebirgseisenbahnen).
Die dauernde Leistung einer bestimmten Zugkraft, also die mechanische Arbeit der L., hängt ab von der Arbeitsfähigkeit, d.h. der Verdampfungsfähigkeit des Kessels, und diese wird bedingt durch die Größe der Rost- und Heizfläche, ferner durch die Anfachung des Luftzuges mittels des im Blasrohr (s. unten) auspuffenden gebrauchten Dampfes (daher die Zunahme der in der Zeiteinheit geleisteten Arbeit, der Pferdestärken, mit wachsender Geschwindigkeit). Selbstverständlich kommt auch die Güte des Heizstoffes wesentlich in Frage. Um nun bei tunlichst kleinem Gewicht die Verdampfungsfähigkeit möglichst zu steigern, wird der Feuerraum (»die Feuerbuchse« oder »Feuerkiste«) meist ganz in den Kessel eingebaut, in der Regel in Gestalt eines prismatischen Kastens (mit rechtwinkligem viereckigen Querschnitt), dessen untere Fläche den Rost aufnimmt, während die fünf andern Ebenen vom Wasser des Kessels umspült werden und somit die direkte Heizfläche bilden. Unter dem Rost ist der Aschenkasten mit nach vorn und hinten gerichteten, verschließbaren Luftzutrittsöffnungen aufgehängt. An den die Feuerbuchse in geringem Abstand umgebenden hintern, kastenförmigen Teil des Kessels, den »Feuerbuchsmantel« oder die »äußere Feuerkiste«, schließt sich, von der Feuerwand oder hintern Rohrwand ausgehend, ein zylindrischer Teil an, der die Hauptlänge des Kessels einnimmt und mit der vordern Rohr- oder Rauchkammerwand abschließt. Davor liegt sodann die Rauchkammer mit dem darauf befestigten Schornstein, auf deren Boden sich Flugasche und unverbrannte Kohlenteile ansammeln. Beide Rohrwände sind von einer gleichen und großen Zahl von Löchern durchbohrt, um die etwa 5 cm weiten, dünnwandigen Heiz- oder Siederohre aufzunehmen, durch welche die Verbrennungsgase von der Feuerbuchse zur Rauchkammer und weiter zum Schornstein gelangen, um in dessen untern Teile von dem aus den Zylindern kommenden und durch das schlank zugespitzte Blasrohr auspuffenden Abdampf kräftig mit hinaufgerissen zu werden. Die Siederohre haben gleiche Länge wie der zylindrische Teil des Kessels und liefern in ihrer vom Kesselwasser umspülten Mantelfläche die indirekte Heizfläche. Die Zahl der Siederohre beträgt gegenwärtig bei größern Lokomotiven 200280 (Baden 1903); in Amerika sogar bis 350. Daselbst sind bereits Güterzuglokomotiven mit 19,5 qm Feuerbuchsheizfläche und 426 qm Röhrenheizfläche bei 5,43 qm Rostfläche gebaut (Nr. 16 der Zusammenstellung, 130 Ton. Gesamtlokomotivgewicht, 106 T. Treibgewicht, 70 T. Tendergewicht).
Bis auf die Feuerbuchse wird der Kessel aus Schweißeisen- oder Flußeisenblechen zusammengenietet; für die Feuerbuchse verwendet man in Europa allgemein trotz der hohen Kosten Kupfer, einerseits wegen der raschen Wärmeabgabe, anderseits um den Wänden die bei dem starken Temperaturwechsel (Ausdehnung der Siederohre) unvermeidlichen Wärmebewegungen zu ermöglichen. In Amerika bildet man dagegen die Feuerbuchse aus Flußeisen, weil dort die Maschinen meist mit doppeltem, zuweilen mit dreifachem Personal besetzt sind und daher fast nie kalt werden. Daraus erklärt sich auch die geringere Lebensdauer einer amerikanischen L. (etwa 1015 Jahre) gegenüber derjenigen einer europäischen L. (etwa 2535 Jahre). Die Wände der Feuerbuchse müssen als ebene Platten gegen Ausbauchungen durch den hohen Kesseldruck versteift werden; dies geschieht durch zahlreiche kupferne Stehbolzen, welche die äußern Kesselwände mit den Feuerbuchsseitenwänden verbinden. Die Ankerbolzen der Decke werden durch aufgeschraubte Träger[677] gehalten oder häufiger trotz des hier größern Zwischenraums ebenfalls durch die obere Kesseldecke hindurchgeführt (Tafel II, Fig. 1). Die Verankerung der Rohrwände gegeneinander bildet das zuweilen bis zu 5 m lange Siederohrbündel.
Als Feuerungsmaterial für Lokomotiven dienen im allgemeinen Kohlen, Koks und Preßkohlen, in einigen Gegenden auch Torf, in holzreichen Ländern, wie Rußland, Nordamerika, auch Holz oder endlich Petroleum, wo solches billig ist (Südrußland und Kalifornien). Dieses wird alsdann durch eine Streudüse in sein verteiltem Zustand in den Feuerraum geblasen und von einem mäßigen Kohlenfeuer entzündet. Der gefährliche Funkenflug wird durch Funkenfänger (s. d.) bekämpft, die in der Rauchkammer zwischen Blasrohr und Schornstein oder als Haube auf diesem in Gitter- oder Siebform angebracht werden (Tafel III, Fig. 1), bisher aber noch keinen vollen Erfolg erzielt haben. Als Speisevorrichtung zur Füllung des Kessels mit Wasser aus dem Tender benutzt man ausschließlich den Injektor (s. d.). Zur Beobachtung des Wasserstandes dienen Wasserstandsgläser und Probierhähne; der Dampfdruck wird durch Manometer angezeigt. Die Sicherheitsventile sind durch Federn belastet und schließen eine Verstellung des Federdruckes durch den Führer oder Heizer aus. Aus dem die Abscheidung mitgerissener Wasserbläschen (Trocknung) bezweckenden, aus dem Kessel aufragenden Dampfdom wird der Dampf mittels eines durch einen Schieber oder ein Ventil (Regler, Regulator) verschließbaren Rohres entnommen und den Dampfzylindern zugeführt. Der Regler wird vom Führerstand aus mit einem Hebel oder mit Stellschraube betätigt. Durch die Dampfpfeife (s. d.) werden Schallsignale an das Zug- oder Streckendienstpersonal gegeben. Außerdem besitzen in Nordamerika die Lokomotiven durchweg (Textfig. 5 u. 6) und in Europa die Lokomotiven für Neben-, Klein-, Straßen- und Lastförderbahnen ein von Hand (Tafel III, Fig. 1) oder mit Dampf zu betätigendes Läutewerk (Dampfläutewerk von Latowski, Tafel III, Fig. 3; Tafel IV, Fig. 1), um an unbewachten Wegeübergängen, neben Fahrstraßen u. s. s. Warnungssignale ertönen zu lassen. Zur Reinigung des Kessels dienen Ablaßhähne und Reinigungsöffnungen (Luken oder Mannlöcher).
Die Dampfmaschine hat das Arbeitsvermögen des im Kessel erzeugten Dampfes auf die Räder zu übertragen. Aus den Textfiguren 15,11 und den Tafeln ist die allgemeine Anordnung der Maschinen in verschiedenen Hauptformen zu ersehen. Sie sind zu bezeichnen als Zwillingsmaschinen mit zwei gleichgroßen Dampfzylindern, bez. als Verbundmaschinen (Tafel I, Fig. 1 u. 2, u. Tafel II, mit kleinern Hochdruck- und größern Niederdruckzylindern). Bei der Zwillingsanordnung sind die Treibzylinder in der Nähe der Rauchkammer entweder außen an den Rahmen des Gestells, also auch außerhalb der Räder, oder zwischen diesen (England, Niederlande) in der Regel in wagerechter Lage angebracht; der Dampf wird ihnen durch das vom Dom ausgehende, in der Rauchkammer sich gabelnde Dampfrohr zugeführt. Er gelangt zuerst in den am Zylinder befestigten Schieberkasten, tritt von dort aus durch die von dem Schieber abwechselnd geöffneten Kanäle vor oder hinter den Kolben, setzt ihn so in Bewegung und wird nach geschehener Arbeit durch denselben Schieber nach dem obenerwähnten Blasrohr hin entlassen. Die Kolbenbewegung wird von beiden Zylindern mittels je einer Kolben-, einer Schubstange und einer Kurbel zunächst auf eine Treibachse übertragen und setzt somit die beiden auf ihr befestigten Treibräder in Drehung. Dabei müssen die beiden Kurbeln um 90° gegeneinander verstellt sein, um zu verhindern, daß beide bei einem Stillstand gleichzeitig auf dem »toten Punkt«, d.h. in Richtung der Kolbenstange, stehen bleiben.
Die Richtung der Fortbewegung ist abhängig von der Dampfzuleitung und diese von der Bewegung der Dampfschieber, die entsprechend dem Vor- und Rückwärtsgang in zwei einander entgegengesetzten Reihenfolgen geschehen kann. Der Wechsel dieser beiden Möglichkeiten und zugleich der Grad der Dampfzulassung (oder Zylinderfüllung), also der Geschwindigkeit, wird geregelt durch eine Steuerung, die vom Führer mittels des Steuerhebels oder einer Steuerschraube (mit Kurbelrad) gehandhabt wird. Zu diesem Zweck sind bei vielen Lokomotiven auf der Treibachse für jeden Zylinder zwei dicht nebeneinanderliegende Exzenter angebracht. Diese greifen mit ihren Stangen an den Enden einer schmiedeeisernen Schwinge oder Kulisse an, die ein am Ende der Schieberstange befindliches Gleitstück, den Stein, umfaßt, und setzen die Schwinge in pendelnde Bewegung (Stephenson-, Gooch- und Allan-Steuerung; Tafel I, Fig. 3; Tafel III, Fig. 3). Beide Kulissen sind an einer mit Gegengewichten versehenen Hebelvorrichtung in der Weise aufgehängt, daß sie vom Lokomotivführer durch die Steuerung gehoben und gesenkt werden können, wobei ein federn der Riegel sie in der eingestellten Lage festhält. Je nachdem nun die Kulissen mehr oder weniger in gehobener oder gesenkter Lage hängen, können die Steine und somit die Schieber entweder mehr von den oben oder von den unten angreifenden Exzentern ihre Bewegung erhalten und so ein mehr oder weniger schnelles Vorwärts-, bez. Rückwärtslaufen der L. veranlassen. Bei der Mittellage der Steine verbleiben auch die Schieber in ihrer Mittellage, so daß kein Dampf in die Zylinder gelangen kann. Bei deutschen Schnellzuglokomotiven verwendet man gegenwärtig meist die Heusinger-Steuerung, die mit nur einem Exzenter arbeitet (Tafel I, Fig. 2 u. 4; Tafel III, Fig. 1 u. 2).
Zur bessern Ausnutzung des Kesseldampfes werden die Dampfmaschinen der L. (namentlich der Schnellzuglokomotive) vielfach nach dem Verbundsystem (s. Tafel »Dampfmaschinen II«) mit zwei, drei oder vier Zylindern von verschiedener Größe gebaut, so daß mehrere Zylinder von derselben Dampfmenge nacheinander mit verschiedener Spannung durchströmt werden. Von der durch eine Kondensation möglichen Dampfersparnis wird bei Lokomotiven abgesehen, weil das dazu nötige Kühlwasser die L. oder den Tender zu stark belasten würde. Bemerkenswert sind unter andern die Verbund-Lokomotiven von Mallet-Rimrott (Tafel I, Fig. 2 [s. unten]), von v. Borries (Tafel II, Fig. 2) und von Wittfeld (Tafel I, Fig. 4). Zwischen den Hoch- und Niederdruckzylindern befindet sich ein als Überströmrohr ausgebildeter Zwischenbehälter (Receiver). Der Dampf wirkt zuerst im kleinern Hochdruckzylinder unter geringer Expansion, darauf nach dem Durchströmen des Zwischenbehälters zum zweitenmal in dem größern Niederdruckzylinder unter weiterer Expansion und gelangt dann erst durch das Blasrohr und den Schornstein ins Freie. Um das rasche Anfahren zu sichern, das wegen des zur Beschleunigung[678] der trägen Massen erforderlichen größern Dampfverbrauchs die Füllungsmöglichkeit aller Zylinder bei jeder Kolbenlage verlangt, ist ein Ausgleichsventil vorhanden, mittels dessen der große von dem kleinen Zylinder getrennt werden und jeder mit Dampf von derart geregelter Spannung gefüllt werden kann, daß beide trotz der verschiedenen Größe doch mit gleicher Kraft arbeiten (s. Reduzierventil). Die Verbund-Lokomotiven von Webb (England) und Wittfeld (Deutschland) haben zwei außenliegende Hochdruck- und einen innenliegenden Niederdruckzylinder. Man läßt zuweilen die beiden Hochdruckzylinder die Dampfarbeit genau so wie bei gewöhnlichen Lokomotiven auf eine Treibachse übertragen, während man die Niederdruckzylinder an einer zweiten Achse angreifen läßt, die mit der ersten gekuppelt ist oder auch in keiner weitern Verbindung steht (Wittfeld-Lokomotiven mit drei Frischdampszylindern laufen auf den Berliner Stadt- und Vorortbahnen). Baldwin in Philadelphia baut Verbund-Lokomotiven mit vier Dampfzylindern (System Vauclain) in der Art, daß je ein Hochdruck- und ein Niederdruckzylinder nebeneinander in einem Gußstück vereinigt und zu beiden Seiten der L. angebracht sind. Die Kolbenstangen beider Zylinder greifen an einem gemeinsamen Kreuzkopf an. Diese Lokomotiven haben sich in Amerika schnell verbreitet. Auch die (Tandem-) Anordnung der Zylinder hintereinander wird schon vielfach ausgeführt. Über die insbes. von Garbe, Wilh. Schmidt und Pielock neuerdings ausgebildeten Heißdampflokomotiven, das sind Lokomotiven mit Überhitzern, vgl. Literatur am Schluß. Sie lassen bereits erkennen, daß auf diesem Wege wesentliche Vorteile erreichbar sind.
Das Radgestell besteht aus schmiedeeisernen Langträgern und Querverbindungen, die als Rahmen zusammengefügt sind und mittels Blattfedern auf den Lagern der mit paarweis fest ausgepreßten Rädern versehenen Achsen ruhen. Während in Europa vorzugsweise aus Blechwand und Winkeleisen genietete Plattenrahmen (Tafel II, Fig. 1 u. 2) verwendet werden, sind in Amerika allgemein Barrenrahmen (Textfig. 6) gebräuchlich. Diese wurden früher durch Zusammenschweißen von schmiedeeisernen Stäben hergestellt; gegenwärtig verwendet man dazu überwiegend Stahlformgußrahmen nach Textfig. 7.
An den Langträgern sind die Zylinder und die Stützpunkte für die Kulissensteuerung (s. oben) befestigt. Der Kessel ist in seinen Abmessungen, besonders der Länge nach, Veränderungen durch Wärmeunterschiede unterworfen, an denen das Gestell nicht teilnimmt. Es dürfen daher zur Vermeidung des Krummziehens beide Teile nur so miteinander verbunden sein, daß die Ausdehnung des Kessels nicht gehindert wird. Der Kessel wird deshalb meist nur an der Rauchkammer mit dem Gestell fest verschraubt, an andern Stellen dagegen mittels Gleitstücken gelagert. Außer den hierzu nötigen Querverbindungen ist noch vorn und hinten je ein eisernes Querstück vorhanden, von denen in der Regel das erstere, die Pufferbohle, zur Aufnahme der Puffer und der Kuppelungen (s. Eisenbahnwagen), das letztere zur Stützung des Führerstandes und entweder gleichfalls (bei der Tenderlokomotive) zur Aufnahme von Puffern und Kuppelungen oder zur Befestigung der Verbindungsteile zwischen der L. und dem Tender dient.
Die Achsen, zumal die Treib- und Kuppelachsen, werden stark auf Biegung und Verdrehung beansprucht. Um sie kräftig und doch nicht zu schwer zu gestalten, verwendet man neuerdings gern Hohlachsen, die aus nahtlos gezogenen Rohren hergestellt werden. Textfig. 8 zeigt eine solche Kruppsche Lokomotivkuppelachse, Fig. 9 eine Lokomotivtreibachse und Fig. 10 eine Tenderachse. Je nachdem die Langträger des Gestells innerhalb oder außerhalb der Räder angeordnet sind, unterscheidet man Lokomotiven mit Innenrahmen (Tafel II, Fig. 1 u. 2) u. solche mit Außenrahmen (Tafel III, Fig. 2). Während früher die Lokomotiven mit Schlepptendern stets »vorn« den Schornstein und »hinten« den Führerstand hatten, ist diese Bezeichnung gegenwärtig nicht mehr aufrecht zu halten, weil bei neuern Schnellzuglokomotiven bereits mehrfach der Führerstand die Spitze des Zuges bildet; dabei kann der Heizerstand vom Führerstand getrennt sein (Tafel I, Fig. 4), dann bleibt auch der Schornstein vorn, oder beides bleibt wie bisher, aber vorn, vereinigt (Tafel I, Fig. 1), dann ist der Schornstein hinten.
Oder die L. wird mit zwei Führerständen versehen und beiderseits zugespitzt, so daß sie nicht gedreht zu werden braucht (Fig. 11, S. 680). Solche Anordnungen bezwecken, daß dem Führer die Übersicht über die Bahn nicht durch die (immer höher und länger gewordenen) Kessel versperrt wird. Die Steuerung wird dann so eingerichtet, daß der Führer sich nicht umzuwenden braucht. Die Zuschärfung im Grundriß dient zur Verminderung des (mit dem Quadrat der Geschwindigkeit wachsenden) Luftwiderstandes.
Die Bremsen (s. d., S. 385 f.) sind am Radgestell angebracht und werden entweder als Hand- oder mechanische Bremsen (Luftbremsen) ausgeführt. In diesem Fall trägt die L. auch die zur Bedienung sämtlicher Bremsen des Zuges erforderlichen Vorrichtungen.
In der Natur der Bewegungseinrichtungen liegt es, daß die Dampflokomotive nicht mit einer vollständig ruhigen, ganz gleichmäßigen Bewegung in der Schienenrichtung dahinläuft, vielmehr in ihrer [679] Bewegung Störungen erleidet, die mit der Fahrgeschwindigkeit zunehmen.
Man unterscheidet: das Rücken, geringe Unterschiede in der Geschwindigkeit, hervorgerufen durch die infolge des Kurbelmechanismus ungleichmäßige Übertragung der Zugkraft auf die Treibräder; das Schlingern, d.h. das Pendeln der L. um eine durch den Schwerpunkt gehende lotrechte Achse, das durch die Ungleichförmigkeit der in der gleichen Zeit zu beiden Seiten wirkenden Kräfte erzeugt wird; das Wanken der L. um eine wagerechte Längsachse, das auf abwechselnd durch die Schrägstellung der Schubstangen erzeugten lotrechten Kräften beruht; das Stampfen (Nicken, Galoppieren), d.h. Schwingen um eine wagerechte Querachse, das in der fortwährenden Größenveränderung jener lotrechten Kräfte, verbunden mit der Längenverschiebung des Angriffspunktes derselben, seinen Grund hat.
Diese störenden Bewegungen würden durch den Einfluß der bewegten Massen des Kolbens, der Kolben-, Schub- und Kuppelstangen sowie der Kurbeln noch bedeutend verstärkt werden, wenn man nicht an den Treibrädern entsprechende Gegengewichte anbrächte (Textfig. 12 u. 12 a; Tafel I, Fig. 2; Tafel II u. Tafel III, Fig. 1, 2 u. 3).
Die Lokomotiven ziehen auf Flachlandbahnen mit geringen Steigungen Bruttolasten (Zuggewichte) von 150400 Ton. in Personenzügen und 6002000 T. in Güterzügen (in Deutschland höchstens 80, bez. 150 Achsen in einem Zuge, dann aber meist mit zwei Lokomotiven). Sie leisten dabei 2501800, auch 2000 Pferdestärken, je nach der Geschwindigkeit. Der Kohlenverbrauch beträgt auf 1 km etwa 1425 kg, die Verdampfung von Wasser in der Stunde bis über 4 (7) T. Auf steilen Neigungen sinken Zugkraft und Geschwindigkeit bedeutend.
Der Fassungsraum des Tenders an Wasser ist mit Zunahme der Geschwindigkeit und der aufenthaltlosen Streckenlänge erheblich gewachsen; er beträgt zurzeit bis zu 20 (30) cbm. Ein gefüllter Tender wiegt etwa 3050 (70) T. In England, Frankreich und Amerika finden sich auf einigen Schnellzuglinien Vorrichtungen zum Wassernehmen während der Fahrt ohne deren Verlangsamung (System Ramsbottom, Textfig. 13). Dabei befindet sich zwischen den Schienen ein auf mehrere hundert Meter fortlaufender Wassertrog (Fig. 13 a), in den ein Rohr des Tenders hinabgelassen wird, um durch seine schnelle Bewegung das Wasser hinauslaufen zu lassen.
Besondere Formen von Reibungslokomotiven sind namentlich für Gebirgseisenbahnen (s. d.) zur Überwindung steiler Neigungen und scharfer Krümmungen, dann aber auch zu verschiedenen andern Zwecken (Betrieb des Lokalverkehrs neben andern Zügen, ferner Betrieb der Straßenbahnen, Vermeidung der Raucherzeugung u.s.f.) zur Ausführung gelangt.
Die Doppellokomotiven füreinzelne Gebirgsbahnen besitzen einen gemeinsamen, großen Kessel, aber zwei getrennte Dampfmaschinen und zwei dementsprechend getrennte Gruppen von je zwei oder je drei gekuppelten Achsen; jede Gruppe wird von einer Dampfmaschine (mit je zwei oder mehr Zylindern) angetrieben. Um das Durchfahren scharfer Krümmungen ohne zu großen Widerstand zu ermöglichen, werden die beiden Achsengruppen gegeneinander etwas drehbar angeordnet u. demgemäß die Dampfleitungen (mindestens der einen Maschine) etwas beweglich hergestellt. Solche Doppellokomotiven wurden, allerdings mit etlichen Mängeln, bereits 1831 in Nordamerika, später (1851) auch für die Semmeringbahn gebaut. Wesentlich verbessert sind sie 1864 durch Fairlie und für Rußland (Kaukasus) und Mexiko vielfach ausgeführt. Später sind sie nach Mallet-Rimrott von Borsig und Maffei mit Verbundanordnung gebaut und so unter anderm für die Gotthardbahn und die Schweizerische Zentralbahn zur Anwendung gelangt (Tafel I, Fig. 2 [85 T. Dienstgewicht, 700 Pferdekräfte]). Diese gelenkigen Doppelverbund-Lokomotiven werden gegenwärtig viel als Tenderlokomotiven auch auf schmalspurigen Bahnen mit bestem Erfolg verwendet.
Hiervon grundsätzlich verschieden sind die Doppelzwillingslokomotiven (»2 Illinge«), bei denen auch die Kessel getrennt sind, also zwei selbständige, mit dem Rücken aneinander gekuppelte Lokomotiven (Militäreisenbahnen, Deutsch-Südwestafrika). Im übrigen hat der Bau der leichten Dampflokomotiven[680] für Stadt-, Klein- und Nebenbahnen, Anschlußbahnen, Bauunternehmungen, Wald-, Forst-, Feld- und Plantagenbahnen eine große Ausdehnung und Mannigfaltigkeit angenommen (Tafel III, Fig. 1 und 2). Für Zwecke der Hüttenwerke, Fabrikhöfe u. dgl. werden solche Lokomotiven vielfach auch als Kranlokomotiven (Tafel III, Fig. 3) ausgebildet zum Verschieben der Wagen einerseits und zum Heben und Umladen von Eisenblöcken, Maschinenteilen und sonstigen Lasten anderseits.
Als besondere Eigentümlichkeit mag noch erwähnt werden die in Amerika ziemlich verbreitete, sehr billig herstellbare Shaylokomotive mit stehender Dampfmaschine, die ihre Arbeit durch Kegelräderpaare auf die Achsen überträgt.
Die für den Kleinverkehr mit geringer Geschwindigkeit und niedrigen Betriebskosten bestimmten kleinen Lokomotiven werden vielfach mit einem Personenwagen unmittelbar fest oder lösbar verbunden und in dieser Form als Dampfwagen bezeichnet. Bei dem Rowanschen Dampfwagen ruht z. B. der stehende Dampfkessel nebst Maschine auf einem vierräderigen Drehgestell und der mit dem Maschinenraum verbundene Wagenkasten an einem Ende auf demselben Drehgestell, am andern auf einer dritten Achse oder auf einem zweiten Drehgestell.
Die Straßenbahn-Dampflokomotiven (Tramwaylokomotiven) werden entweder ebenfalls als Dampfwagen mit dem Personenwagen verbunden oder auch als gesonderte Fahrzeuge gebaut. Die Maschine muß mit Rücksicht auf den sonstigen Straßenverkehr einen ruhigen Gang haben, darf kein lautes Geräusch verursachen, weder die Fahrgäste, noch die Bewohner und Passanten, noch die Pferde der Straße irgendwie belästigen, und muß vor allem ein sehr rasches Anhalten und Anfahren jederzeit gestatten; alle sich bewegenden Teile müssen verdeckt sein, und die Maschine darf keine Asche und kein Öl fallen, keinen oder nur wenig Rauch, keine Feuerfunken, kein rußiges Wasser, keinen Dampf entweichen lassen. Wegen der letzten Bedingung sind die Lokomotiven mit einer sonst nicht üblichen Kondensation (gewöhnlich einer durch die Luft gekühlten Kondensationsschlange auf dem Wagendach) versehen. Durch die Entwickelung der elektrischen Straßen- und Überlandbahnen ist die Bedeutung und die Zahl dieser Lokomotiven in den letzten Jahren sehr zurückgegangen.
Von der sogen. feuerlosen L. hat die nach dem Patent Francq u. Lamm gebaute (Tafel IV, Fig. 1) statt des eigentlichen Kessels einen liegenden zylindrischen Behälter, der zum Teil mit Wasser gefüllt und dann von einem festen Dampfkessel aus mit Dampf von hoher Spannung gespeist wird. Der so aufgespeicherte Wärme- und Dampfvorrat reicht für einen etwa einstündigen Betrieb der Maschine aus, die sich von einer gewöhnlichen L. kaum unterscheidet. Dann muß die Maschine zum Kesselhaus zurückfahren und eine neue Dampffüllung aufnehmen. Verwendung findet diese L. bei Straßenbahnen, als Verschiebelokomotive, bei Pulverfabriken, Festungen etc. und zur Stollenförderung in Bergwerken sowie beim Tunnelbau (kein Rauch- und Funkenauswurf, leichte Bedienung). Diese Lokomotiven haben weitere Verbreitung gefunden als die (feuerlose) Natronlokomotive von Honigmann, die darauf beruht, daß beim Einleiten von Wasserdampf in eine starke Natronlösung derselbe bei Temperaturen von 130° und darüber vollkommen zu Wasser verdichtet wird. Die dadurch freiwerdende Wärme überträgt sich zunächst auf die Lösung und dann auf Betriebsdampf erzeugendes Kesselwasser. Die Lösung wird mit der Zeit wärmer und wässeriger, bis sie keine Dämpfe mehr festhalten kann und selbst ins Sieden kommt.
Bei den Druckluftlokomotiven (Tafel IV, Fig. 3 u. 4) wird die Luft in stark verdichtetem Zustand in einem oder mehreren Behältern mitgeführt (Füllstutzen a [Fig. 4]) und von da durch ein Ausgleichventil und einen mit überhitztem Wasser gefüllten kleinen Kessel B (Anschluß d) mittels Schiebers S durch Rohr g den Arbeitszylindern zugeleitet (Straßenbahn-Triebwagen, System Mekarski in Paris, Nantes, Bern). Eine der ältesten Lokomotiven dieser Art wurde beim Bau des großen Gotthardtunnels benutzt (Tafel IV, Fig. 4); der Behälter A faßte 7,6 cbm Preßluft von 12 Atmosphären Anfangsspannung. Der weitere Vorrat an Preßluft wurde in langen Kesseln (Tendern) mit 14 Atmosphären Spannung mitgeführt, und schließlich wurde eine besondere Preßluftstation im fertigen Teile des Tunnels errichtet. Auch beim Bau des Simplontunnels wurden Druckluftlokomotiven verwendet (Tafel IV, Fig. 3); der Behälterinhalt betrug 2000 Lit. von 7080 Atmosphären Anfangsdruck (Probedruck 100 Atmosphären).
Benzin-, Spiritus-, Petroleumlokomotiven nach Bauarten der Deutzer, Oberurseler etc. Motorenfabriken, bez. von A. Koppel-Berlin werden insbes. als Gruben-, Feld-, Wald- und Straßenbahnlokomotiven sowie als Verschiebelokomotiven verwendet. Sie sind im Gegensatz zu elektrischen und Druckluftlokomotiven unabhängig von ortsfesten Kraftanlagen und stellen sich daher in Anlage, Unterhaltung und Bedienung billig. In verhältnismäßig geringen Mengen wird ein hochwertiger Brennstoff mitgeführt, dessen Wärmegehalt eine weitgehende Ausnutzung erfährt, der bei der Verbrennung keine Rückstände hinterläßt, und dessen Verbrennungsgase die Umgebung nur wenig belästigen. Für den Grubenbetrieb werden sie in der Regel mit 68pferdigen, für den Feldbahnbetrieb mit 814pferdigen Maschinen versehen. Die in Fig. 2, Tafel IV, dargestellte, 2,4 Ton. schwere Deutzer Grubenlokomotive für 500 mm Spur trägt auf zwei Triebachsen a1 und a2 einen lotrecht beweglichen, abgefederten Rahmen, auf den die Betriebsmaschine gelagert ist. Letztere besteht aus dem Gestell b, dem Arbeitszylinder c mit Kopf d und dem Schwungrad e. Über der Maschine sind der Kühlwasserbehälter f und der den Tagesbedarf fassende Benzinbehälter g gelagert (Benzinverbrauch etwa 0,4 kg auf eine Stundenpferdestärke, Zugkraft rund 150 kg; bei 1,66 m sekundlicher Fahrgeschwindigkeit beträgt die Nutzleistung 3,33 Pferdestärken; auf wagerechter Bahn können 15 Ton. bewegt werden, d.h. etwa 17 beladene Wagen von je 350 kg Eigengewicht und 500 kg Nutzlast). Die Maschine arbeitet im Viertakt und erhält bei jedem Doppelhube die erforderliche Menge Benzin durch eine von der Maschine betriebene kleine Pumpe zugeführt. Die Explosion des Luft- und Benzingemisches wird durch eine magnetelektrische Zündvorrichtung bewirkt. Die Abgase gelangen zunächst in die beiden unter dem Lokomotivrahmen gelagerten Ausblasetöpfe h h und von da aus ins Freie. Die Geschwindigkeit der stets nach derselben Richtung umlaufenden Maschine beträgt bei 300 minutlichen Umdrehungen 100 m in der Minute oder 1,66 m in der Sekunde. Das Kühlwasser läuft, nachdem es den Zylinder umspült hat, in einen auf dem Lokomotivrahmen befestigten Kasten und wird von hier aus durch eine von der Maschine betriebene[681] kleine Pumpe wieder in den Behälter k gedrückt. Die Bewegung der Maschine wird von der Welle i aus mittels Zahnrädern, Zwischenwellen und Gallschen Ketten auf die Achsen übertragen; dabei kann die Umkehr der Fahrtrichtung bewirkt werden durch eine auf der Welle k sitzende und durch Hebel n und Handrad o betätigte Reibungskuppelung. Ein Hebel dient zur Veränderung der Umdrehzahl, während mit p gebremst wird. Über Zahnradlokomotiven für Bergbahnen s. d.
Näheres über die Anwendung der Elektrizität zur Zugkraftbildung bei Straßenbahnen, Neben- und Vollbahnen s. Elektrische Eisenbahn.
Die ersten bemerkenswerten Versuche zur Anwendung der Dampfkraft auf den Landtransport fallen mit dem Beginn des 19. Jahrh. zusammen; sie wurden 1803 von Evans in Philadelphia und gleichzeitig von Trevithik in London mit Straßendampfwagen angestellt, blieben jedoch zunächst noch ohne Erfolg. Trevithik hat dann 1804 seinen Dampfwagen auf einem der damals schon ziemlich verbreiteten (gußeisernen) Schienenwege für Kohlen- und Eisentransport (durch Pferde) in Südwales tatsächlich zur Beförderung solcher Lasten verwendet. Die Übertragung der Kolbenbewegung auf die Treibachse geschah noch mit Schwungradwelle und Zahnrädern; die L. hatte jedoch schon ein Blasrohr. Sie besaß ebene Radumfänge (im Gegensatz zu Blenkinsops Versuchen mit Zahnrad und Zahnschiene).
Der eigentliche Begründer der Lokomotiveisenbahn ist Stephenson. Er erbaute für das Eisenbergwerk Killingworth bei Newcastle 1814 seine erste und bald weitere Lokomotiven mit zwei senkrechten Dampfzylindern, deren jeder ohne Schwungrad unmittelbar auf eine Treibachse wirkt und deren Kurbeln um 90° verstellt waren (s. oben).
Zur Kuppelung mehrerer Treibachsen benutzte er sodann Zahnradübertragung, sehr bald aber auch, und zwar wegen der unregelmäßigen Bewegung auf dem mangelhaften Gleis, eine Kette ohne Ende. Eine dieser Lokomotiven ist bis 1848 in Benutzung gewesen.
Ähnliche Lokomotiven wurden 181522 von ihm für eine Kohlenbahn bei Sunderland in Betrieb gesetzt und im Volksmund als »iron horses« (eiserne Pferde) bezeichnet (Textfig. 14). Nachdem inzwischen (1820) die Herstellung schmiedeeiserner gewalzter Schienen (bis 5 m Länge) gelungen und 1825 George Stephenson in Gemeinschaft mit seinem Sohne Robert auf der Kohlenbahn Stockton-Darlington einen großen Erfolg mit einer in eigner Fabrik gebauten L. errungen hatte, folgte nach mehreren Zwischenstufen, veranlaßt durch den Wettbewerb für die erste größere Lokomotiveisenbahn mit Personenbeförderung (Liverpool-Manchester), das berühmte Wettrennen von Rainhill, 6.12. Okt. 1829, aus dem Stephensons »Rocket« mit glänzendem Siege hervorging (Textfig. 15). Diese L., die noch heute im South Kensington Museum in London (sie zeigt die Zylinder jedoch in weniger geneigter Lage unten zu seiten der Feuerbuchse, möglicherweise zufolge spätern Umbaues) erhalten ist, hatte zwei, oben zu beiden Seiten der Feuerung schräg liegende Zylinder, die mit (um 90° versetzten) Kurbeln die beiden 1,48 m großen Räder der einzigen Treibachse bewegten. Sie hatte neben dem Blasrohr eine zweite, für die Dampfentwickelung noch wichtigere Eigenschaft: 25 den Kessel durchziehende Siederohre, und zwar auf den Rat des (nicht technischen) Sekretärs der Eisenbahngesellschaft, H. Booth. (Solche Siederohre waren jedoch bereits zuvor von Séguin, dem Direktor der Bahn Lyon-St.-Etienne, an zwei im übrigen nach Stephensons Modell gebauten Lokomotiven angewendet und ihm 1828 patentiert worden.) Der Rocket wog 4,5 Ton., der Tender etwas über 3 T.; die Heizfläche betrug in der Feuerbuchse 1,86, in den Siederohren 10,9, die Rostfläche 0,56 qm, der Dampfdruck kaum über 3 Atmosphären. Der Kessel hatte 1 m Durchmesser u. 1,83 m Länge. Statt der geforderten Geschwindigkeit von 10 englischen Meilen = 16 km in der Stunde erreichte diese L. mit 12,5 T. Zuggewicht noch über 21 km, mit nur zwei Güterwagen (9 T.) aber 38 km, und mit einem 30 Menschen tragenden Wagen sogar über 40, ja im Leerlauf etwa 47 km in 1 Stunde. Mit diesem staunenerregenden Ergebnis war der Sieg der L. für Waren- und Menschentransport unanfechtbar entschieden. [682] Nach dem Vorgang des Rocket wurden von G. und R. Stephenson sogleich 8 weitere Lokomotiven für dieselbe Bahn gebaut, jedoch bereits mit tieferliegenden Zylindern und zum Teil schon mit über 90 Siederohren. Die neunte L., der »Planet« (Textfig. 16), zeigte bereits ganz die Grundform der heutigen Bauart mit zwei kleinen vordern Laufrädern, zwei größern Treibrädern, zwei wagerecht unter der Rauchkammer liegenden Innenzylindern.
Im Vergleich zu den angegebenen Abmessungen und Leistungen des Rocket ist zu erwähnen, daß ihnen bei den großen heutigen Dampflokomotiven folgende Zahlen gegenüberstehen: Gewicht der L. 4080 (130) T., desgl. des Tenders mit 1220 (30) cbm Wasser 2550 (70) T., Dampfdruck 1116 Atmosphären, Heizfläche 100300 (446) qm, Rostfläche 27 qm, Zahl der Siederohre 200350, Zugkraft 414 (21) T. etc., Zuglasten bis 2000 Ton. (s. oben, S. 680).
Die Lokomotiven für die erste deutsche Eisenbahn Nürnberg-Fürth (eröffnet 5. Dez. 1835) wurden aus England bezogen und von Engländern geführt. Die erste deutsche L. (»Saxonia«) wurde 1837 in Übigau für die Leipzig-Dresdener Bahn, ebendaselbst später die zweite (»Phönix«) gebaut. Als der eigentliche Begründer des deutschen Lokomotivbaues ist jedoch August Borsig in Berlin anzusehen, der seine erste L. 1841 für die Berlin-Anhalter Bahn lieferte und im ganzen bis zu seinem 1854 erfolgten Tode 481 Lokomotiven allein für die preußischen Eisenbahnen baute, die bis dahin 798 Lokomotiven beschafft hatten. Als Beweis für den bis zur Gegenwart hohen Stand der Borsigschen Lokomotivfabrik sei erwähnt, daß ihr 1903 im schärfsten Wettbewerb mit England eine Lieferung von 45 Lokomotiven nach Ostindien übertragen wurde. Deutschland besitzt etwa 20 Lokomotivfabriken mit einer Jahresleistung von rund 1600 großen und 700 kleinen Lokomotiven im Werte von 90 Mill. Mk. Deutsche Lokomotiven gehen nach fast allen Teilen der Erde. Seit Beginn des Lokomotivbaues hat Deutschland etwa 1112,000 Lokomotiven nach dem Ausland geliefert. Die schärfsten Konkurrenten sind die Vereinigten Staaten, Belgien und England, in zweiter Linie Österreich-Ungarn, Frankreich, Italien und die Schweiz. Deutschland führte ein an Lokomotiven und Lokomobilen:
die Ausfuhr betrug:
Eine Sonderung der Lokomotiven von den Lokomobilen hat ergeben, daß in der Einfuhr die Lokomobilen zu etwa 4/5 überwiegen, während an der Ausfuhr die Lokomotiven mit mindestens 3/4 teilnehmen. Die Vereinigten Staaten besaßen 1900: 28 Lokomotivfabriken und bauten 2744 Lokomotiven im Werte von 27 Mill. Doll., außerdem bauten 26 Eisenbahnwerkstätten 272 Lokomotiven. Damit stehen die Vereinigten Staaten an der Spitze des Lokomotivbaues. Man hatte dort lange Zeit nur 56 Typen (während in Deutschland nahezu jede Bahnverwaltung Lokomotiven von besonderer Konstruktion oder doch in besonderer Ausführung der einzelnen Teile verlangt), wodurch die Massenproduktion sehr erleichtert wurde. Die einzelnen Teile werden dort als Massenprodukt vorrätig gehalten, und man ist daher imstande, sehr kurze Lieferfristen zu übernehmen. Während die deutsche, auch die österreichische und englische L. vermöge ihrer überaus sorgfältigen Herstellung und spätern Behandlung etwa 24 Jahre im Betriebe bleibt, baut der Amerikaner Lokomotiven, die eben noch ausreichen, nutzt sie intensiv aus und ersetzt sie nach 12 Jahren durch eine andre, nach dem neuesten Stande der Technik erbaute Maschine (s. oben, S. 677). Die Ein- und Ausfuhr betrug:
Die größte Lokomotivfabrik ist die von Baldwin in Philadelphia (Jahresleistung rund 2000 Stück). Die Gesamtzahl der jetzt vorhandenen Lokomotiven kann auf rund 135,000 geschätzt werden, davon entfallen ungefähr auf: Europa 75,000, Amerika 50,000, Asien 4000, Australien 2500, Afrika 1000. Auf die einzelnen Länder entfallen in Europa ungefähr: Deutschland 21,000, Österreich-Ungarn 6000, Italien 4000, Großbritannien und Irland 20,000, Frankreich 11,000, Rußland 5000, Belgien 3000, Holland 1000, Schweiz 1300, Spanien 1200, Dänemark 500, Schweden-Norwegen 1000. Vgl. Heusinger von Waldegg, Handbuch der speziellen Eisenbahntechnik, Bd. 3 (2. Aufl., Leipz. 1882); G. Meyer, Grundzüge des Eisenbahn-Maschinenbaues, Bd. 1 (Berl. 1883); Svoboda, Praktische Berechnung der Leistungsfähigkeit von Lokomotiven (Wien 1887); Frank, Die Widerstände der Lokomotiven und Bahnzüge (Wiesbad. 1886); Büte und v. Borries, Die nordamerikanischen Eisenbahnen (das. 1892); Brosius und Koch, Die Schule des Lokomotivführers (s. den folgenden Artikel); v. Borries, Brückmann u.a., Die Lokomotiven der Gegenwart (2. Aufl., Wiesbad. 1903); Buhle, Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Industrie- und Gewerbeausstellung zu Düsseldorf 1902 (Berl. 1903); Buhle u. Pfitzner, Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung zu St. Louis 1904 (das. 1905); »Modern Locomotives« (New York 1898); Demoulin, [683] Traité pratique de la machine locomotive (Par. 1897, 4 Bde.); Guedon, Les locomotives nouvelles (das. 1898); Kosak, Katechismus der Einrichtung und des Betriebs der L. (7. Aufl., Wien 1900).
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