[764] Javanische Sprache u. Literatur. Die J. S., welche von etwa neun Zehntheilen der Bewohner Javas od. ungefähr 10 Millionen Menschen (der Rest der Bevölkerung spricht das Sundaische) gesprochen wird, gehört zum Malaiischen od. Oceanischen Sprachstamme. Sie ist in ihrer grammatischen Structur mit dem Malaiischen u. den Sprachen der Nachbarländer zwar sehr nahe verwandt, zeigt aber in lexikographischer Beziehung viele Abweichungen, zumal sie viele Wörter, meist wohl vermittelst des Kawi (s.d.), der alten heiligen u. gelehrten Sprache Javas, aus dem Sanskrit, weniger seit der Bekehrung zum Islam aus dem Arabischen aufgenommen hat. Das ältere Javanisch ist von der heutigen Volkssprache ziemlich verschieden. Außerdem muß man im Javanischen zwei Sprachweisen unterscheiden, die Boso kromo (d.h. eigentlich die geregelte, dann aber die ehrerbietige Sprache), welche von den Niederen gebraucht wird, wenn sie mit einer höhergestellteren, älteren, angeseheneren Person sprechen; u. Boso ngoko, in welcher der Höhere den Niederen anredet. Die Boso kromo od. das sogenannte hohe Javanisch (Hoog Javaansch der Holländer) besteht aus Wörtern, welche nur im hohen Javanisch, nicht aber im niederen vorkommen; dann in Wörtern, welche sich von den entsprechenden niederen Javanischen nur durch eine Veränderung der Endung unterscheiden; ferner aus Wörtern der niederen Sprache, welche ohne eine weitere Veränderung auch in der höheren zur Anwendung kommen; endlich aus Wörtern, welche eigentlich dem Hochjavanischen angehören, aber auch in der niederen Sprache gebräuchlich sind. Wer in Java fortkommen will, muß beide Sprachweisen kennen. Eine dritte Sprachweise, welche zwischen den beiden genannten die Mitte hält u. von Leuten gleiches Ranges gesprochen wird, ist die Boso madjo od. mittelere Sprache, bestehend aus dem niederen Javanisch, vermischt mit den geläufigsten Worten u. Wortformen der höheren Sprache. Eine vierte javanische Sprachweise ist die Boso kraton, die Sprache des Hofes, deren sich die Fürsten bedienen. Dieselbe ist das Hochjavanische, mit Ausnahme einzelner Worte, welche ihr eigenthümlich sind.
Die javanische Schrift, welche von der Linken zur Rechten geschrieben wird, ist aus dem Davanagari der alten Inder entstanden u. soll 73 v. Chr. von Adji-Saka eingeführt worden sein. Sie besteht aus 20 einfachen Consonanten, Haksoros, jeder derselben hat aber noch eine einfachere Form, Pasangngan, welche zur Bildung von Doppelconsonanten gebraucht wird, indem sie anzeigt, daß der vorhergehende Consonant ohne Vocal gesprochen werden soll. Die Vocale, mit Ausnahme des kurzen o od. a, werden durch besondere Zeichen über, unter od. neben dem Consonanten ausgedrückt. Die Hauptwörter sind nach Geschlecht, Zahl u. Casus unveränderlich; der Genitiv steht vor dem Nominativ, entweder ohne Bezeichnung, od. mit Einschiebung der Sylbe ing, der Dativ u. Ablativ wird nur durch Präpositionen od. Verba näher bezeichnet. Der Plural wird durch Wörter, die viel, alle u. dergl. bedeuten, od. durch Verdoppelung ausgedrückt. Die Adjectiva sind gleichfalls unveränderlich u. stehen nach ihrem Substantiv. Es gibt verschiedene Pronomina für die erste u. zweite Person, deren Gebrauch von dem Rang des Redenden abhängt. Wenn sie nach einem Substantiv stehen, so werden sie zu Possessiven. Außerdem gibt es noch Relativa, Demonstrativa u.a. Die Zahlwörter sind: 1 sidschi, 2 loro, 3 telu, 4 papat, 5 limo, 6 nem, 7 pitu, 8 wolu, 9 songngo, 10 sepuluh, 11 sawelas, 12 rolas, 13 tetulas etc. Ordinalia werden durch Vorsetzung von ping od. kaping daraus gebildet. Die Conjugation ist sehr einfach, da das Verbum weder nach Person noch Zahl eine Veränderung erleidet. Das Präsens wird durch die Vorsetzsylbe han, auch öfters durch Beifügung des Zeitworts wonten, niedr. hono, seyn, näher bezeichnet: han bekto od. wonten bekto, niedr. gowo od. hono gowo er bringt, ist bringend. Eben so wird Präteritum u. Futurum durch Beifügung gewisser Partikeln ausgedrückt. Im Imperativ wird o, ono, en od. enno mit Verdoppelung des Endconsonanten dem Worte angehängt. Das Passivum wird durch Einschiebung der Sylbe in nach dem Anfangsconsonanten mit mannigfacher Veränderung desselben gebildet. Substantiva u. Adjectiva werden von Verbis durch die Präfixa peng (pen, pe) od. ka, u. durch das Suffix an, n gebildet, z.B. von bekto bringen, pembekto der Bringer, Träger, kabekto das Gebrachte, bakten das Bringen, od. von dahar essen, pendahar der Esser, daharan das Essen, kadabaran eßbar, Der Anfang des Vater-Unsers lautet: Rama kahula kang wonten ing surga, wasta andika dadi elapienno, Vater unser, welcher ist im Himmel, Name dein werde gepriesen. Grammatiken von Gericke, Batavia 1831; von Cornets de Groot, ebd. 1833, herausgegeben von T. Roorda, Amsterd. 1843, n. A. 1855; von Roorda van Eijslugga, ebd. 1855; Hollander, Breda 1845; Wörterbuch von Roorda van Eijslugga, Kampen 1834 f., 2 Bde.; von Gericke, Amsterd. 1847.
Die J. L. besitzt eine beträchtliche Anzahl Werke sehr verschiedener Art u. zum Theil von eigenthümlichem Werthe. Dahin gehören die Babads, sehr umfangreiche Chroniken, von denen einige in Prosa abgefaßt zu sein scheinen, während sonst auch nichtpoetische Werke gewöhnlich in Verse eingekleidet sind. Man kennt mehrere Geschichten der ganzen Insel; eine solche verfaßte auch der 1855 in Makassar verstorbene Pangarang Dhipo-Negoro in zwei starken Bänden. Die kleineren javanischen Fürstenthümer u. Herrschaften besitzen ebenfalls ihre Chroniken. Die viel mit Fabeln durchwebte ältere Geschichte Javas erzählt das Buch Adji-Saka (herausgeg. von Gaal u. Roorda, Amsterd. 1857). Beachtung verdienen auch die javanischen Gesetzbücher od. Hangger. Dergleichen sind die Nawala-Pradata, Angger Sadasa, Angger-Ageng, Angger Goenoeng, Angger-Aroebiroe (zusammen herausgeg. von Roorda, Amsterd. 1844); ferner das Kitab tochpah od. das Rechtsbuch der Muhammedaner auf Java (herausgeg. von Keijser, Haag 1853); das Panniti Sastro etc. Legendenartige Bearbeitungen moslemischer Stoffe, wie die Serat Radja Pirangon, d.i. Geschichte des Königs Pharao (herausgegeben von Roorda, Haag 1853) u. Serat Iskander, die Geschichte Alexanders. Biographieen berühmter [764] Javanen in der Form von Romanen, wie die Serat Djaya Baya od. das Baron Takender; die Geschichte des Hangling darmo (herausgegeben von Winter, Batavia 1853); die Geschichte des Sultan Ibrahim, Fürsten von Eirak (herausgegeben von Roorda, Amsterdam 1843). Eigenthümlicher Art sind die Lampahan od. die Texte zu den theatralischen Aufführungen (Vanayangan od. blos Vayang, ähnlich unseren chinesischen Schattenspielen). Diese Lampahan beruhen, wie namentlich auch die verschiedenen epischen Dichtungen, auf indischen Sagen u. Mythen, welche jedoch ganz frei im javanischen Geiste bearbeitet sind. Die altindischen Helden u. Namen treten in diesen Epen ganz so auf, wie in den modernen abendländischen Literaturwerken die des griechischen u. römischen Alterthums. Die meisten Epopöen, wie sie jetzt vorliegen, haben meist zwei, öfter auch drei Redactionen erfahren. Alle waren zuerst in Kavi geschrieben, wurden dann javanisch u. zuletzt aus diesem auch häufig noch ins Malaiische übertragen. Am bekanntesten unter denselben sind das Brata-Joeda, das Rama u. die Ardjoena-Sasra (herausgegeben in prosaischer Abkürzung von Winter, Amsterdam 1845) u. die auf Java sehr populäre Dichtung Vivaha (herausgegeben von Gericke, Batavia 1849; vgl. Rodet, Journal Asiat. 1858, Bd. 12). Ein Werk religiösen Inhalts ist u.a. die sehr geachtete Manik Maya (herausgegeben von Hollander, 1851). Eine Schrift über javanische Mythologie von Kijahi Karto Mosodho wurde von Winter (Tijdschrift voor Nederl. Indie, 1843, Bd. 1) übersetzt. Durch die Missionare sind in neuerer Zeit mehrere javanische Schriften christlichen Inhalts veröffentlicht worden; die erste Übersetzung des N. T. lieferte Gottlob Brückner (Serampore 1817); verbreiteter ist die neuere von Gericke (Haag 1852, 3 Bde., 1849, 1 Bd., Fol.). In Java selbst hat sich sonst bes. C. F. Winter viel Verdienste um die einheimische Literatur erworben, u.a. wurde von ihm 1001 Nacht ins Javanische übersetzt (Haag 1853, 2 Bde.). Seit 1855 erscheint in Soerakarta eine javanische Zeitschrift Poespito Mantja Varna. In Europa wird das Studium der J. S. u. L. bes. in Holland (T. Roorda, P. P. Roorda van Eijslugga, Veth, Keijser etc.) betrieben; in Frankreich sind Dulaurier, in England Crawfurd, unter den Deutschen Rost (in England) u. Friedrich (in Batavia) zu nennen.
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