1. Aus Knaben werden Leute, aus Mädchen werden Bräute. – Simrock, 5775; Reinsberg VII, 105.
2. Aus Knaben werden Männer, aus Männern all Leute. – Crusius, I, 956b.
3. Besser ein witziger Knabe als ein unerfahrener Mann.
4. Das sein die rechten bösen knaben, wenn sie jhr haut gefüllet haben, dass sie auch steelen gelt vnd pfand; schlecht man sie hart, das ist kein schand.
Lat.: Histrio post nictum nummos quaerens et amictum non est delictum si quis sibi porrigat ictum. (Loci comm., 73.)
5. Die Knaben von hundert Jahren sollen sterben. – Jes. 65, 20; Schulze, 76; Zaupser, 645.
Lat.: Quoniam puer centum, annorum morietur.
6. Ein junger Knab' muss leiden viel, wenn er zu Ehren kommen will. – Körte, 3447.
7. Ein junger Knab' viel leiden muss, bis dass er wird ein Dominus. – Bücking, 21; Struve, I, 8; Simrock, 5776; Körte, 3447; Reinsberg VII, 104.
8. Ein knab dem schlaff sol widerstehn, frü auff sein vnd spat niedergehn, sol betten, lesen, lehrnen singen, hiemit kein stund ohn frucht hinbringen.
Lat.: Surge puer, uigila, canta, lege, disce, uel ora, sic fac nulla sine fructu transeat hora: sic fit hora breuis, et labor ipse leuis. (Loci comm., 104.)
9. Ein Knabe, der was lernen will, muss ausstehen viel.
Lat.: Multa tulit fecitque puer sudavit et alsit. (Seybold, 320.)
10. Ein Knabe hat seinen eigenen Kopf.
Böhm.: Každé pachole plno svévole. (Čelakovsky, 304.)
11. Ein Knabe ist besser als drei Mädchen.
Im allgemeinen werden Knaben den Mädchen vorgezogen. Fragt man einen Pommer, was Gott verliehen habe, so antwortet er: »Ein Kind«, sofern es ein Knabe ist, bei einem Mädchen sagt er kleinlaut: »'S ist nur ein Mädchen.« Die Morlaken Dalmatiens fügen in diesem Falle sogar entschuldigend hinzu: »Mit Verlaub zu melden.« In Mailand behauptet man: Wenn ein Knabe geboren wird, freut sich die Familie; wenn es ein Mädchen ist, geräth sie in Wuth. Die Hebräer meinen: Männliche Kinder sind aller Welt lieb, aber wehe dem Vater der Mädchen. Und: Kommt ein Knabe zur Welt, so bringt er seinen Laib mit, ein Mädchen bringt gar nichts mit. Er behauptet sogar: Eine Tochter ist ihrem Vater ein eitler Schatz; aus Sorge für sie kann er nicht schlafen. Ist sie klein, vielleicht wird sie verführt; ist sie herangewachsen, vielleicht begeht sie einen Fehltritt, ist sie mannbar, vielleicht bleibt sie unverheirathet; ist sie verheirathet, vielleicht bleibt sie kinderlos. Dem Perser ist ein Sohn »des Blinden Stab«, dem Hindostaner »die Lampe eines dunkeln Hauses«, dem Araber »die Frucht des Herzens«. (Reinsberg VII, 18.)
12. Ein Knabe kann lange hämmern, ehe eine Felsenwand einfällt. – Sprichwörtergarten, 271.
Den entschiedenen Charakter machen Hindernisse nicht leicht muthlos; er sagt mit Schiller in der Jungfrau von Orleans: »Vollenden will ich meine Bahn, und käm' die Hölle selber in die Schranken; mir soll der Muth nicht weichen und nicht wanken.«
13. Ein Knabe muss nicht über diejenigen spotten, die keinen Bart haben. – Reinsberg IV, 55.
14. Einen Knaben in der Jugend verwahrlosen ist eine so schwere Sünde, als eine Jungfraw zu Vnehren setzen.
»Der Herr Lutherus saget, es sey vor Zeiten ein Sprichwort gewesen: Einen Knaben in der Jugend verwahrlosen [1418] ist eine so schwere Sünde als eine Jungfraw zu Vnehren setzen.« (Herberger, II, 169.)
15. Es sind nasse Knaben1, die viel verzehren vnd wenig haben. – Schulzeitung, 25.
1) Während jetzt durch das Wort »Knabe« ein männliches, besonders im schulfähigen Alter befindliches Kind verstanden wird, bezeichnete man früher auch den jungen Mann, auch einen Junggesellen überhaupt damit. Unser heutiges »alter Knabe«, soviel wie alter Junggesell, rührt daher. Besonders üblich war diese Ausdrucksweise im 15. und 16. Jahrhundert, es finden sich daher in Luther's Bibelübersetzung viel Beispiele davon. Man sprach in jener Zeit von stolzen, frischen, freien, nassen u.s.w. Knaben. Manche Bezeichnungen schmelzen zu einem Begriff zusammen, wie »freier und nasser Knabe«. Freie Knaben waren ursprünglich heitere, lustige Burschen, später trat der Nebenbegriff der Ungebundenheit, Zügellosigkeit hinzu und man nannte auch die Landsknechte »freie Knaben«. Die Schlemmer, die sich selbst so nannten und sich sogar als Orden bezeichneten, hiessen »nasse Knaben«. (Vgl. darüber und über die geschichtliche Entwickelung der Begriffe den ausführlichen Artikel »Knabe« bei Grimm, 1311 fg.)
16. Knab', iss Käs', die Butter ist theuer. – Simrock, 5777; Reinsberg VII, 62.
17. Knaben gehen gern auf Stelzen.
Schwache Geister kleiden nichtssagende Gedanken in hochtrabende Worte.
18. Knaben, machet's Kreuz, es ist ein wüstes Wort, man darfs nicht aussprechen, sagte der Franciscaner, der nicht griechisch verstand, wenn im Cicero ein griechisches Wort vorkam. – Klosterspiegel, 32, 6.
19. Knaben mag man mit Würfeln betrügen, Männer durch Meineide und Lügen.
Lat.: Jure jurando viros tales pueros oportet fallere.
20. Knaben reissen keine Eichen aus.
Verlange von niemand, was über seine Kraft geht.
21. Knaben wollen Spielzeug haben. – Reinsberg VII, 59.
22. Manch Knabe guter Art durch Erziehung (Bildung, Schule) verdorben (verkrüppelt) ward.
Lat.: Tam etsi bona est natura reddunt curatura junceas. (Terenz.) (Philippi, II, 210.)
23. Sind die Knaben klein, spielen sie im Sande (oder: mit Küglein) fein.
Die Araber: Ein Knabe ist ein Knabe und wenn er den Propheten angeredet hätte. In Afrika: Ein Knabe zählt Kauris (Muscheln, die bei dem Negerstamme als als Geld dienen), er zählt nicht Sterne. – Ein Knabe zählt Dinge, zählt nicht Sand. (Reinsberg VII, 59.)
24. Soll ein Knabe wohl fortgehen, so muss er von guten Sitten bestehen.
25. Wenn der Knabe wächst, hat er einen Wolf im Magen.
Seine Mühle ist stets im Gange, sagen die Perser, und die Mailänder spotten: Söhne machen den Mund früher auf als die Augen, weil sie auch im Schlafe essen möchten. Die Spanier meinen: Ein Knabe von funfzehn Jahren hat einen Schlund aber keine Hände. Die Neugriechen: Des Kindes Bauch ist ein Korb und der ist thöricht, der ihm gibt. (Reinsberg VII, 61 u. 62.)
26. Wie der Knabe, so der Mann.
*27. Einen Knaben à la Jesuite behandeln.
Von der Unzucht der Jesuiten, die sie nicht nur in ihren Häusern und auf Reisen, sondern selbst auf dem Katheder, in der Kirche, im Beichtstuhle und hinter dem Altare, nicht nur mit Weibern, Mädchen und Nonnen, sondern, wovon eben das Sprichwort redet, selbst mit Knaben trieben. (Vgl. Weber's Wöncherei.)
*28. Es ist ein alter Knabe.
Lat.: Puer centum annorum. (Bovill, I, 151.)
*29. Es ist ein nasser Knabe. – Murner, Schelm., 25.
»Das seind mir freilich nasse knaben, die vil verzeren und wenig haben. Vnd seind mit bösem wasser gewaschen, thund heimlich in den mantel stechen, mit fensterwerffen sich selbs rechen, Schmachbüchlein schreiben on' einen namen, mit lügen hetzen wider zamen.« (Kloster, I, 858.) » ...Darumb ist er ein nasser knab vnd sucht sein speiss mit ödem fundt.« (Brandt, Nsch., in Kloster, IV, 791.)
*30. Es sind zarte Knaben, man könnt' ihnen mit der Holzaxt eine Beule schlagen.
31. Der Knabe hat nicht weit zu Thränen, der schon die Lippe hangen lässt.
32. Der Knabe ist ein halber Mensch.
Aus einer alten Rechtsbestimmung.
33. Der Knabe weint, aber er sagt nicht, warum.
Er verschweigt, dass er Strafe erhalten und weshalb.
34. Ein Knabe soll trinken wie ein (Jagd-)Falk, leiden (gezüchtigt werden) wie ein Esel, essen wie ein Ochs und sich kleiden wie ein Hammel.
35. Ist der Knabe noch so klein, er greift ins Beste frisch hinein.
Es liegt in der Natur des Menschen, nach dem zu streben, was er für das Beste hält.
36. Knaben machen Knabenstreiche.
37. Knaben sind Knaben.
D.h. Knaben thun Knabenhaftes.
Lat.: Sunt pueri pueri, pueri puerilia tractant.
38. Man soll den Knaben in die Welt schicken, aber hinter ihm hergehen.
D.h. ihn beaufsichtigen, ihn nie aus den Augen lassen.
39. Was der Knabe zu Hause getrieben, das wird er auch im Dorfe üben.
40. Wer einen Knaben unterrichtet, der lehret ihrer drey: einen Jüngling, einen Mann und einen Greisen. – Harssdörffer, 1058.
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