Paris [2]

Paris [2]
Paris [2]

[411] Paris, die Hauptstadt von Frankreich, liegt 120 F. über dem Meere im Seinedepartement in einer ebenen Gegend, in der sich gegen N. zunächst der Montmartre (s.d.), gegen S. die Höhe von St.-Généviève erhebt, nimmt bei einem Umfange von 3 deutschen M. einen Flächenraum von 3450 Hectaren oder 341/2 Mill. ! Mètres (zu etwas mehr als 3 paris. ! F) ein und zählt 910,000 Einw., über 30,000 Häuser, 1200 Straßen, die Boulevards (s.d.), Quais, Passages oder mit Glasbedachungen versehene Durchgänge aus einer Straße in die andere, wo in geschmackvollen Verkaufsladen Waaren aller Art ausgestellt sind, Sackgäßchen, Carrefoures (Kreuzwege) und Alleen ungerechnet, 96 öffentliche Plätze und 60 Barrièren oder Thore, welche sich meist durch ihre Bauart auszeichnen.

Ziemlich mitten durch die Stadt fließt von Südost nach Nordwest die Seine, über welche 21 Brücken führen, unter denen nur eine hölzerne ist und deren Ufer jetzt durchaus mit von Quadersteinen aufgemauerten Quais eingefaßt sind. Unter Napoleon wurden mehr als 12 Mill. Francs auf diese Uferstraßen gewendet, die zum Theil mit Bäumen bepflanzt sind und von wo man zu den in Zwischenräumen angebrachten sogenannten Ports oder Landungs- und Ausladeplätzen hinabsteigt. Dem Laufe des Flusses folgend, liegen hier die kleine, nur zu Holzniederlagen benutzte Insel Louvier, dann die Inseln St.-Louis und la Cité mit dem ältesten Theile der Stadt. Bald nach dem Eintritt der Seine in die Stadt geht rechts durch den Graben der ehemaligen Bastille [411] (s.d.) der Kanal St.-Martin ab, welcher vor der Barrière Pantin in das Bassin de Villette mündet, welches auch den von N. her kommenden, 10 St. weit von P. aus dem Flusse Ourcque abgeleiteten Kanal von Ourcque aufnimmt. Aus diesem führt ein 1821 eröffneter Kanal nach St.-Denis, wohin auf diese Art für leichte Fahrzeuge ein kürzerer Wasserweg besteht, als ihn die in starken Krümmungen fließende Seine darbietet. Des Sommers ist diese sehr seicht und nur bei hohem Wasser vermögen Holzflößen und Kohlenboote aus Burgund, sowie schwerbeladene Kähne stromauf nach P. zu gelangen. Da P. auf einem bis in große Tiefe felsigen Boden liegt, so fehlt es dort ganz an Quellwasser und man war genöthigt, sich viel mit Wasser aus der Seine, welches vom Nordwestende der Stadt durch die Pompe à feu de Chaillot mittels einer Dampfmaschine nach mehren Stadttheilen getrieben wird, neben dem zu behelfen, was einige Wasserleitungen herbeischafften. Erst neuerdings ist es jedoch mit Hülfe des Kanals von Ourcque gelungen, trinkbares Wasser in genügender Menge zu liefern und man konnte nun in vielen Theilen der Stadt Brunnen einrichten, die zugleich Zierden mehrer öffentlicher Plätze wurden. Seit 1835 läßt die Stadt auch in der Nähe der Barrière von Grenelle an einem artesischen Brunnen bohren, wobei im J. 1838 eine Tiefe von 1500 F. bei 7 Zoll Weite des Bohrlochs erreicht war, ohne daß jedoch bisher Springwasser erhalten worden wäre.

Die Begründung von P. fällt in sehr frühe Zeit, indem schon Julius Cäsar auf der Citéinsel den befestigten Zufluchtsort einer gallisch-keltischen Völkerschaft fand, welche die Römer Parisier, den Ort aber Lutetia nannten, was gleichsam eine Kothstadt bedeutet. Die Römer machten den Platz wegen seiner günstigen Lage zum Mittelpunkte ihrer kriegerischen Unternehmungen in Gallien und bauten ihn dauerhafter wieder auf, nachdem er durch die freigebliebenen Gallier eingeäschert worden war. Erweiterungen und Verschönerungen werden nicht unterblieben sein, zumal der Kaiser Julian im 4. Jahrh. ihn für seinen Lieblingsaufenthalt erklärte. Es haben sich jedoch außer den Resten der röm. Wasserleitungen von Arcueil und Chaillot, einigen im Louvre verwahrten Bildhauerarbeiten und den Überresten des sogenannten Palastes der Thermen oder warmen Bäder in der Straße Laharpe am linken Seineufer, welche aus zwei 40 F. hohen, gewölbten Badesälen bestehen und jedenfalls nur einen unbedeutenden Theil vom Erdgeschosse eines ehemaligen Palastes ausmachten, keine bedeutenden röm. Baudenkmale erhalten. Nach der Eroberung durch die Franken ward P. seit 508 Hauptstadt des fränk. Reiches und als solche befestigt und verschönert; auch unter Karl dem Großen, der sich indeß selten dort aufhielt, gewann der Ort und verdankt ihm namentlich die Stiftung der Schulen, aus welchen später die Universität hervorging. Im 9. Jahrh. hatte P. viel von den Überfällen der Normannen zu leiden, die es 857 eroberten und plünderten, allein als sie 885 wiederkamen, nach einer Belagerung von 18 Monaten zum Abzuge genöthigt wurden. Kaum war aber mit der Thronbesteigung von Hugo Capet (s.d.) zu Ende des 10. Jahrh. ein mehr Sicherheit versprechender Zustand eingetreten, als die Stadt sich auf allen Seiten erweiterte. Der Anfang zum Bau der erst im 18. Jahrh. vollendeten Domkirche von Notre-Dame auf der Citéinsel ward 1163 gemacht und an der Südseite derselben zu gleicher Zeit der erzbischöfliche Palast aufgeführt, welcher 1697 prächtig erneuert, bei den Unruhen im Febr. 1831 aber verwüstet und nachher ganz abgetragen worden ist, wodurch die Kirche eine ringsum freie Stellung gewonnen hat. Die Tempelherren führten einen großen und festen Hof auf, dessen großer viereckiger Thurm, genannt Tempel, noch als Gefängniß Ludwig XVI. und seiner Familie während der Revolution diente, 1805 aber mit seinen nächsten Umgebungen abgebrochen wurde und an dessen Stelle der Marché du Temple jetzt 1880 Trödelbuden vereinigt. Eine erweiterte neue Mauer ward unter König Philipp August (1180–1223) um P. errichtet, das damals auch das erste Straßenpflaster, sowie 1206 seine Universität erhielt und in acht Quartiere getheilt wurde. Von Ludwig dem Heiligen, gest. 1270, ward das Blindenhospital (s. Blindheit) und eine Schule für Wundärzte gestiftet und um die Mitte des 14. Jahrh. zählte P. schon 150,000 Einw., von denen aber eine fürchterliche Seuche, der schwarze Tod, einen großen Theil wegraffte. Die Bevölkerung ergänzte sich jedoch so schnell wieder, daß unter der Regierung König Karl V. (1364–80) die Ringmauern abermals erweitert werden mußten; auch ward unter derselben Regierung die Bastille aufgeführt, welche mit den ältern Thürmen und Schlössern, wie z.B. der Thurm des Philipp Hamelin oder Tour de Nesle und la Tournelle an der Seine, dem großen und kleinen Châtelet (Schlößchen) an den auf die Citéinsel führenden zwei Brücken, die Sicherheit von P. nach außen und im Innern vermehren half. Später diente das kleine Châtelet als Gefängniß und wurde endlich 1782 das zum Sitze der Gerichtshöfe benutzte große Châtelet, nach welchem sogar der Name Châtelet für einen hohen Gerichtshof üblich wurde, erst 1802 völlig abgetragen und der dadurch gewonnene »Platz des Châtelet« mit einer Fontaine verziert, aus der sich eine 58 F. hohe Säule mit einer Siegesgöttin erhebt. Im J. 1284 kam zu den bisher vorhandenen zwei Brücken die dritte (Pont St.-Michel) und 1414 eine vierte, die Brücke Notre-Dame. Der ausbrechende Bürgerkrieg zwischen den Armagnacs (Anhängern der Partei Orleans) und den Burgundern, die verderbliche Regierung des wahnsinnigen Karl XI., unter der P. 1420–36 in den Händen der Engländer war, Hungersnoth und verheerende Krankheiten brachten aber die Stadt jetzt für einige Zeit sehr herab. Unter Ludwig XI. (1461–83) nahm sie jedoch einen neuen Aufschwung, und die Einwohnerzahl hob sich schnell auf 300,000, doch erst der kunstliebende Franz I. (1515–47) ließ eine neue Erweiterung eintreten und durch Anlegung neuer Plätze und Straßen, durch Abtragen von alten und Aufführung neuer Gebäude, sowie der ersten Quais, an der Verschönerung von P. eifrig arbeiten, um die sich auch die Königin Katharina von Medici (s.d.) sehr verdient machte. Während der unter Karl IX. (1560–74) beginnenden Religionsverfolgungen und Bürgerkriege war P. der Hauptsitz der katholischen Partei und 1572 der Schauplatz der gräßlichen Bluthochzeit (s.d.). In den Kämpfen der katholischen Ligue mit den Königlichen wurden 1588 die ersten Barrikaden (s.d.) in P. errichtet, wo erst 1594 durch Heinrich IV., nachdem er die Stadt mit Unterbrechungen seit vier Jahren belagert hatte, das königl. Ansehen wiederhergestellt wurde. [412] Die wiederkehrende Ordnung erlaubte auch für die Vergrößerung und Verschönerung der Hauptstadt zu sorgen, wo die Hauptbrücke derselben, der im Art. Brücke (s.d.) abgebildete Pont-neuf, vollendet, die Quais fortgeführt, die königl. Paläste erweitert, an der Stelle des schon auf Anordnung von Katharina von Medici abgetragenen, alten königl. Palastes des Tournelles in der Nähe der Bastille, der Place royale angelegt und mit Gebäuden besetzt wurde, die sich meist nur durch die Bogengänge des Erdgeschosses auszeichnen und der mit den Nachbarstraßen die Lieblingswohnung der eleganten Welt wurde. Während der Regierung Ludwig XIII. (1610–43) entstanden das Palais royal, das Luxembourg, die Quais und Brücken der Insel St.-Louis, die erste Anlage des Pflanzengartens und der Boulevards. Noch mehr geschah unter Ludwig XIV., nachdem die 1648 hier ausgebrochenen Unruhen der Fronde (s.d.) beigelegt waren, für die Erweiterung und Verschönerung von P., die auch unter Ludwig XV. ihren ungestörten Fortgang hatte, zu dessen Zeit die Boulevards auf der Mittagsseite angelegt wurden. Unter der Regierung Ludwig XVI. entstanden mehre Theater und die Erweiterung des Palais royal begann, durch die Zerstörungen der Revolution aber, während der die Bastille, ein Theil der zahlreichen Klöster und viele andere alte Gebäude theils abgebrochen, theils durch gänzliche Umgestaltung für neue Zwecke vorbereitet, die Begräbnißplätze sämmtlich vor die Stadt verlegt wurden, erhielt P. ein völlig verändertes Ansehen, und hat durch die großen Bauten des franz. Kaiserreiches, den langen Frieden, welcher der Entsetzung Napoleon's nach der zweimaligen Einnahme der Stadt in den Jahren 1814 und 1815 durch die verbündeten Mächte folgte, sowie durch das seit 1830 namentlich für Vollendung zum Theil von Napoleon und noch früher begonnener Unternehmungen Geschehene, einen vorher nie besessenen Glanz und Umfang erlangt. Seit 1796 ist die Stadt in 12 Arrondissements abgetheilt, von denen drei am südl. Seineufer liegen, jedes seinen besondern Maire (s.d.) hat und in vier Quartiere zerfällt, alle zusammen aber dem im Stadthause wohnenden Präfecten des Seinedepartements untergeordnet sind, das nur ein kleines Gebiet außer P. umfaßt. Die Verwaltung der Policei, welche der Stadt des Jahres über 5 Mill. Francs kostet, geschieht durch eine besondere Präfectur, die etwa 1000 M. Gendarmen zu Fuß und zu Pferde, ein Bataillon Sapeurs und Pompiers, eine Menge Sergents de Ville, welche blos ein Seitengewehr tragen, sowie eine Anzahl geheimer Späher zu ihrer Verfügung hat. In jedem der 48 Quartiere ist ein Policeicommissair und ein Friedensrichter angestellt, von denen kleine Streitigkeiten geschlichtet werden. Die Policeipräfectur selbst befindet sich auf der Insel de la Cité und stößt an ein 1828 daneben erbautes Gefängniß zur Verwahrung von vorläufig Verhafteten; von den übrigen Gefängnissen in P. ist La Force, früher die Wohnung des Duc de la Force und davon benannt, für die Angeklagten, die an den Justizpalast und Sitz der Gerichtshöfe angrenzende Conciergerie zur Verwahrung der Übelthäter während des Processes, Sainte-Pelagie für politische Vergehen, St.-Lazare und Madelouettes für Weiber, ein anderes für jugendliche Übelthäter, das in der Clichystraße für Schuldner bestimmt.

Die meisten Häuser in P. sind massiv aus Bruchsteinen aufgeführt, welche man ganz in der Nähe aus unerschöpflichen Steinbrüchen gewinnt, von denen die ältesten als sogenannte Katakomben (s.d.) sich unter dem südl. Theile der Stadt hinziehen und seit 1786 die von den auf, gehobenen pariser Begräbnißplätzen dahin gebrachten Gebeine von etwa 3 Mill. Menschen enthalten und wo aller Orten genau die Lage der darüber befindlichen Gebäude angegeben ist. Die Häuser in den alten Stadttheilen sind sehr hoch, die Straßen meist eng und krumm, daher auch schmuzig, während mehr Reinlichkeit in den neuern Stadttheilen und den durch die Boulevards von der innern Stadt getrennten Vorstädten herrscht, von denen die von St.-Germain als beliebter Wohnort des alten Hofadels und die Chaussée d'Antin als der vieler Bankiers sich besonders auszeichnen. Die Vorstädte St.-Antoine, St.-Marceau und St.-Jacques sind mit Fabriken und Werkstätten aller Art angefüllt, aber schlecht gebaut; Hauptsitze des Kleinhandels sind die Straßen St.-Denis und St.-Martin im nördl. Stadttheile, besonders lebhaft die Straßen Richelieu, Honoré, Vivienne. Als schöne Straßen sind die Rue de Rivoli mit Bogengängen, Rue de Castiglione, de la Pair, de l'Université und die Rue royale im westl. Theile von P. zu nennen, von wo, neben der in Form eines griech. Tempels erbauten, erst neuerdings im Äußern vollendeten prächtigen Magdalenenkirche, bei welcher auch die nach der 5 St. westl. von P. entfernten Stadt St.-Germain en Laye angelegte Eisenbahn beginnt, die Boulevards einen weiten Bogen durch die nördl. Stadt bis östl. zum Bastilleplatze bilden. In der Nähe des letztern sind sie weniger belebt, weiterhin aber von schönen Gebäuden mit glänzend eingerichteten Kaufmannsläden, Restaurationen, Kaffeehäusern u.s.w. eingefaßt, und in der schönen Jahreszeit dienen einige Gegenden derselben der eleganten Welt zu Sammelplätzen. Von den öffentlichen Plätzen ist der nach einem ehedem hier gelegenen Palast des Herzogs von Vendome benannte Vendomeplatz durch seine achteckige Form und die im Äußern völlig übereinstimmenden Gebäude, welche ihn umgeben, sowie durch die unter Napoleon hier zum Andenken des Feldzuges von 1805 an der Stelle errichtete Triumphsäule ausgezeichnet, wo bis 1792 eine damals zerstörte Reiter. statue Ludwig XIV. stand. Die Säule ist eine Nachahmung der des Trajan zu Rom, 134 F. hoch und 12 F. im Durchmesser stark und spiralförmig mit aus dem Erz eroberter Kanonen gearbeiteten Darstellungen von Vorgängen jenes Feldzuges bekleidet. Eine im Innern befindliche Wendeltreppe führt auf die Platform des Gesimses, über welches sich eine kleine Kuppel erhebt, welche ursprünglich die Bildsäule Napoleon's im röm. Costum trug, die aber 1814 abgenommen und eingeschmolzen, bei Gelegenheit der Feier der Juliusrevolution 1833 aber durch die im Art. Napoleon Bonaparte (s.d.) abgebildete ersetzt worden ist. Außerordentlich groß ist der Cärousselplatz vor den Tuilerien, welcher durch Wegräumen aller zwischen diesen und dem Louvre noch befindlichen Straßen und Gebäude nach Napoleon's Plane noch mehr erweitert werden und an der nördl. Seite ebenso von den deshalb bis zum Louvre zu verlängernden Tuilerien umschlossen werden sollte, wie dies schon an der südl. durch einen 900 Schritt langen Flügel, die sogenannte »Galerie des Louvre«, geschieht, deren Ansicht nachstehend, nebst der anstoßenden südl. Fronte des Louvre und [413] dem nur für Fußgänger bestimmten Pont des Arts von Gußeisen, von der Mitte des Pont-neuf aus vorgestellt ist. Napoleon ließ einen Theil des Platzes durch ein schönes eisernes Gitter mit einem Triumphbogen in der Mitte abgrenzen und so den Hof der Tuilerien bilden, wo Paraden und Revuen gehalten werden. Zwischen dem Tuileriengarten und den elyseischen Feldern (Champs-Elysées), welche auch zu Volksfesten benutzt werden, übrigens ein sehr besuchter Spaziergang, von Vergnügungsorten vieler Art umgeben und von der großen Straße nach Neuilly durchschnitten sind, welche durch die Barrière von Neuilly zu dem von Napoleon nach dem zweiten östr. Kriege 1806 zu bauen angefangenen, aber erst 1836 vollendeten Triumphbogen und in das Boulogner Gehölz (s.d.) führt, liegt der Platz Ludwig XV., welcher nach Zerstörung der seit 1772 dort gestandenen Reiterstatue jenes Königs während der Revolution, wo an deren Stelle eine Bildsäule der Freiheit stand, der Revolutionsplatz hieß und wo Ludwig XVI. am 21. Jan. 1793 und nach ihm zahllose Opfer der Parteiwuth hingerichtet wurden. Später bekam er den Namen »Platz der Eintracht« (Place de la Concorde) und in der Mitte desselben wurde 1836 der nach P. gebrachte Obelisk (s.d.) von Luxor aufgestellt, welchen 20 vergoldete Candelaber zur Gasbeleuchtung und die Bildsäulen der acht vornehmsten franz. Städte umgeben. Der Place des Victoires ist an drei Seiten mit gleichförmigen Gebäuden umgeben, deren Erdgeschoß Arcaden bilden und trägt in der Mitte die 1822 wieder errichtete Reiterstatue Ludwig XIV. im röm. Costum aber mit der Allongenperücke. Der Platz des Palais royal liegt vor dem großen Eingange dieses Palastes, der seit Jahrhunderten durch Hinrichtungen bekannte Grèveplatz, befindet sich vor dem Hôtel de Ville oder Rathhause und wird durch den Pont d'Arcole, welche Brücke von einem hier am 28. Jul. 1830 mit der dreifarbigen Fahne gefallenen jungen Manne ihren Namen hat, mit der Insel der Cité verbunden. Das Marsfeld am westl. Ende von P. und am südl. Seineufer, dessen Erhöhungen an den beiden, 2700 F. langen Seiten 1790 zum Behuf des großen Föderationsfestes von der ganzen Bevölkerung von P. freiwillig angelegt wurden, dient zu Pferderennen, Revuen und Manoeuvres und wird durch die von 1806.–13 erbaute, 460 F. lange Brücke von Jena mit dem nördl. Ufer verbunden. Von den vielen Marktplätzen ist besonders der Marché des Innocents wegen seiner Größe und seines schönen Springbrunnens und weil dort jene zahlreichen Fischweiber (poissardes) feil halten, zu erwähnen, die bei Volksaufständen oft eine Rolle spielten. Andere Marktplätze sind überbaut und heißen dann Hallen.

Zu den merkwürdigsten Gebäuden und Denkmalen gehören ferner in der nördl. Hälfte der Stadt die Tuilerien, eigentlich erst seit 1789 das Residenzschloß der franz. Könige, welches 1564 von Katharina von Medici zu bauen angefangen wurde und seinen Namen von den vorher an dieser Stelle vorhandenen Ziegeleien hat. Schon Heinrich IV. begann [414] die oben mit abgebildete, zum Louvre führende Galerie, welche aber erst von Ludwig XIII. vollendet, übrigens auch das ganze Gebäude bis auf die neueste Zeit im Innern und Äußern verbessert und erweitert wurde. Der gegen W. sich anschließende Garten ward auf Ludwig XIV. Befehl angelegt und ist nördl. von der mit einem Eisengitter besetzten Terrasse der Feuillants, so genannt nach einem vor der Revolution dort angrenzenden Kloster, südl. an der Seine entlang von einer zweiten höhern und breitern Terrasse begrenzt, welche, gleich dem unter der jetzigen Regierung unmittelbar am Palaste angelegten und mit einem Gitter und Graben umschlossenen kleinen Blumengarten, der königl. Familie vorbehalten ist. Mitten durch den Garten geht eine breite Avenue, die westl. durch ein Gitterthor auf den Eintrachtsplatz und weiter nach Neuilly, dem Landsitze König Ludwig Philipp I., führt. Den Raum zu beiden Seiten der Avenue füllen Blumenbeete und Rasenplätze, Kastanien und Ulmenalleen, Orangerie, mehre Springbrunnen mit Bassins und allerlei Werke der Bildhauerkunst. Die Galerie des Louvre verbindet die Tuilerien mit dem östl. davon gelegenen Palast Louvre, welchen Franz I. an der Stelle eines vorher dort befindlich gewesenen festen Schlosses 1528 zu erbauen anfing und der erst von Napoleon ganz vollendet, im Innern auch noch von Karl X. verschönert worden ist. Er bildet ein Viereck, umschließt einen regelmäßigen Hof und der glänzendste Theil desselben ist die gegen O. gewendete Façade mit ihrer berühmten Colonnade. Das Louvre war die Wohnung mehrer Könige und vor der Revolution der Sitz der verschiedenen Akademien, sowie später des Nationalinstituts und enthielt unter Napoleon die durch die franz. Waffen aus halb Europa zusammengebrachten Kunstschätze, welche aber 1815 fast sämmtlich zurückgegeben werden mußten. Darum gehören aber die noch hier in mehren Museen verwahrten Sammlungen von Gemälden, Alterthümern und andern Kunstwerken nicht minder zu den vorzüglichsten in Europa. Etwas nördl. vom Louvre liegt das Palais royal (s.d.), weiter hinauf an der Seine das hier vorgestellte, 1533 erbaute und neuerdings durch Anbau sehr erweiterte Hôtel de Ville, d.h. Rath- oder Stadthaus mit seiner des Nachts beleuchteten Thurmuhr und dem großen Saale St.-Jean, wo häufig öffentliche Sitzungen gelehrter und philanthropischer Vereine gehalten werden. Nördl. vom Palais royal liegt das Gebäude der königl. Bibliothek, welches außer einer der wichtigsten Bücher- und Handschriftensammlung noch bedeutende Kupferstich- und Münzcabinete, sowie eine Sammlung von allerlei Alterthümern enthält. Noch weiter nach N. steht in der Mitte des Börsenplatzes die von 1808–26 jedoch mit Unterbrechungen aufgeführte Börse, die auch das Local des Handelsgerichts enthält und ein 212 F. langes und 126 F. breites, mit 66 korinthischen und 10 Mètres hohen Säulen umgebenes Viereck darstellt. Der zu ebener Erde befindliche Hauptsaal kann 2600 Personen fassen, ist von Arcaden umgeben, welche einen rings herum laufenden Corridor tragen und wird durch ein gewölbtes Fenster im Dache beleuchtet. Zum Theil auf der Insel de la Cité liegt an beiden Flußufern das Hôtel Dieu, das größte und älteste Hospital von P., mit 23 Sälen, gegen 1500 Betten und das Muster der übrigen Wohlthätigkeitsanstalten dieser Art. Auf der Citéinsel erhebt sich ebenfalls die alte Hauptkirche von P., Notre-Dame, eine der größten [415] gothischen Kirchen in Frankreich und 390 F. lang, 144 F. breit, 180 F. hoch, mit zwei unvollendeten, viereckigen Thürmen. Außer den katholischen gibt es in P. auch drei evangelische Kirchen.

Im südl. Theile von P. befindet sich am östl. Ende die Salpétrière, ein zu Ludwig XIV. Zeit auf dem Grund und Boden einer frühern Salpetermanufactur gegründetes Hospital, welches jetzt blos für arme und kranke Frauen bestimmt ist und mit 600 dienenden Personen gegen 7000 Bewohner zählt. Westl. daneben liegt der Pflanzengarten (Jardin des plantes), ein weitläufiger botanischer Garten mit einer langen Reihe von prächtigen Treibhäusern, deren einige über 30 F. hoch und auf drei Seiten von Glas und Eisen und nur an der vierten von Stein aufgeführt sind. Es befindet sich hier ferner eine Sammlung lebender ausländischer Thiere und in einem großen Gebäude eine überaus reiche Sammlung von Naturalien aller Art, das reichste Cabinet für vergleichende Anatomie mit unzähligen Skeletten vor- und nachsündflutlicher Thiere, Menschen aller Racen und anatomischen Präparaten, sowie ein Amphitheater zu Vorlesungen und eine Bibliothek. Der Mitte des Umkreises der südl. Hälfte von P. nahe befindet sich das Observatorium, von dem sich nördl. ein mit Bäumen bepflanzter Platz bis zum Garten des Palais du Luxembourg erstreckt, welches Maria von Medici in ital. Style aufführen ließ und wo jetzt die Kammer der Pairs sich versammelt und eine Galerie für Werke lebender Künstler besteht. In östl. Richtung davon erhebt sich das Pantheon mit seiner herrlichen von Säulen getragenen Kuppel, ursprünglich eine Kirche der h. Genovefa, welche in der Revolution die Bestimmung erhielt, die Asche und die Denkmale aller berühmten Männer zu vereinigen, bis jetzt aber blos die Modelle zu Grabmalen für Voltaire und Rousseau und einfache Denksteine mehrer franz. Generale enthält. Vom Luxembourg nördl. liegt die prächtige Kirche St.-Sulpice, von deren zwei Thürmen jeder einen Telegraphen trägt. Der Seine näher liegt das Palais des Instituts (s.d.), das Münzgebäude und weiter unten, der vom Eintrachtsplatze herüberführenden Brücke gegenüber, das ehemalige Palais Bourbon, der Sitz der Deputirtenkammer. (S. Kammer.) Südl. davon liegt das Invalidenhôtel mit einem Garten und einer mit Bäumen bepflanzten, nach der Seine hin offenen Esplanade. Erbauer desselben war Ludwig XIV. und mit den spätern Erweiterungen schließen die Gebäude desselben jetzt 15 Höfe ein und können 6000 Invaliden aufnehmen, werden aber kaum von der Hälfte dieser Zahl bewohnt. Alle Bedürfnisse derselben werden hier anständig befriedigt und außerdem noch Jedem ein monatlicher Sold gereicht, welcher zwei Francs für den Gemeinen beträgt. Gouverneur der Anstalt ist stets ein Marschall von Frankreich. Die dazu gehörige Kirche mit einer schönen Kuppel ist überaus prächtig und in ihren Gewölben sind mehre berühmte Männer, zuletzt der Marschall Mortier (s.d.) und die mit ihm durch Fieschi's Höllenmaschine am 28. Jul. 1835 Gefallenen beigesetzt worden. Die Casernen für die Besatzung von P. liegen meist in den Vorstädten und sind zum Theil sehr stattliche Gebäude.

Überaus reich ist P. an öffentlichen Vergnügungen, unter denen die zahlreichen Theater eine Hauptstelle einnehmen und bei anziehenden Vorstellungen von den schauspiellustigen Parisern selbst im Sommer viel besucht werden. Neue Stücke, welche Beifall finden, werden zuweilen 20 und mehre Male hintereinander gegeben, und da es Theater mit hohen und mit geringen Eintrittspreisen gibt, können ziemlich alle Stände dieses Vergnügen theilen. Die Zahl der Theater beträgt jetzt etwa 20, von denen die größern, das des Odéon ausgenommen, alle im nördl. Theile von P. und an den Boulevards liegen und sich meist auf Darstellung einer Art dramatischer Werke beschränken. Die große Oper (Académie royale de musique) besitzt die besten franz. Sänger, prächtige Decorationen und das vollkommenste Ballet und spielt wöchentlich dreimal, die ital. Oper nur den Winter über. Im Théâtre français werden jeden Abend ein Trauerspiel und ein Lustspiel, im Ganzen von für jede Gattung besonders angestellten Schauspielern aufgeführt und alle Singstücke und niedrigkomische Werke sind ausgeschlossen. Das Théâtre de l'opéra comique gibt leichtere franz. Opern, das du vaudeville täglich drei oder vier Vaudevilles, welche nebst niedrigkomischen Stücken, Dramen und Melodramen, auch in den Theatern des variétés, Gymnase dramatique, du Palais royal, de la Porte St.-Martin, de la gaîté, des folies dramatiques und dem erst 1836 erbauten Théâtre de la porte St.-Antoine aufgeführt werden; ein großes Bereitertheater ist der Cirque olympique. In mehren kleinen Theatern werden Vorstellungen von Kindern für Kinder, Puppen- und Schattenspiele gegeben und auch noch vor den Barrièren werden in sechs kleinen Theatern, Théâtre de la banlieu genannt, viele von den auf den Stadttheatern gegebene Stücke aufgeführt. An Concerten, öffentlichen Ausstellungen von Panoramen und Sehenswürdigkeiten aller Art, kleinern und größern öffentlichen Vergnügungsorten und Gelegenheiten, zu jeder Tageszeit Erfrischungen, Speisen und Getränke einzunehmen, gebricht es natürlich nicht. Eine Menge Miethwagen, wie Omnibus, Dames blanches und françaises, Orleanaises, Tricycles u.a.m., welche viele Personen einnehmen, fahren alle 10 oder 15 Minuten immer auf denselben Wegen von einem bestimmten Punkte zum andern, nehmen dabei Personen unterwegs auf und setzen deren ab, sowie außerdem zwei- und einspännige Fuhrwerke überall bereit stehen, Jedermann um mäßige feste Preise nach seiner Angabe zu befördern. Die Theilnahme an den gesellschaftlichen Unterhaltungen wird in P. auch dem Fremden und Ausländer nicht schwer, und wie durch die zuvorkommende Höflichkeit der Bewohner ist nicht minder von der Regierung dafür gesorgt, daß man nicht blos angenehm, sondern auch mit Nutzen dort verweilen kann, indem alle öffentlichen Sammlungen und gemeinnützigen Anstalten den Fremden täglich und ohne Kosten zugänglich sind. Unter der großen Zahl der wissenschaftlichen sind zuerst das Institut (s.d.) und die jetzt königl. Universität von Frankreich, die Aufsichtsbehörde aller Unterrichtsanstalten im Lande, zu nennen, an der, wie an dem als besondere Lehranstalt für alte und morgenländische Sprachen, Naturwissenschaften u.s.w. bestehenden Collgège de France, die Vorlesungen unentgeltlich sind. Außerdem bestehen noch höchst wichtige Anstalten, meist mit Sammlungen und Bibliotheken für besondere Zweige der Wissenschaft und des Unterrichts, wie z.B. die für Bergwerkswissenschaft, für Pharmacie, die polytechnische Schule zur Bildung von Ingenieurs, Chemikern und Mechanikern, das Conservatorium [416] der Künste und Gewerbe mit großen Modellsammlungen, sowie eine große Zahl Vereine und Gesellschaften für wissenschaftliche Zwecke. Es gibt ferner sieben große Gymnasien, gegen 200 Volks- und 524 Privatschulen und Erziehungsanstalten. In der Normalschule werden Lehrer für die ersten Lehranstalten gebildet, für höhere musikalische Bildung wirkt das Conservatorium der Musik, die bildenden und zeichnenden Künste werden vorzüglich von der Ecole des beaux arts und durch die Museen des Louvre und des Luxembourg befördert. Diese glänzende Vereinigung von Bildungsanstalten und Schätzen der Kunst und Wissenschaft erscheint jedoch weniger außerordentlich, wenn man bedenkt, daß in P. fast alles Bedeutende aus dem ganzen Lande angehäuft wurde und daher außerhalb der Hauptstadt auch eine verhältnißmäßig große Dürftigkeit an wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen herrscht. Unter den drei großen Begräbnißplätzen von P. ist der des Père Lachaise auf der Morgenseite der Stadt der merkwürdigste und hat seinen Namen von Ludwig XIV. Beichtvater, dem Jesuiten Lachaise, welcher hier einen Landsitz bewohnte. Erst seit 1804 ist dieser, jetzt 400 Morgen einnehmende Begräbnißplatz eingerichtet und enthält durch malerische Anordnung und bei der Unebenheit des Bodens sehr hübsche Partien. Die Zahl der hier befindlichen und zum Theil glänzenden Grabdenkmale, unter denen auch das Abälard's (s.d.) und seiner Heloise ist, belief sich 1835 schon auf 11,944.

Überaus wichtig sind auch Handel und Gewerbfleiß von P. und die Erzeugnisse des letztern, namentlich was Luxusgegenstände betrifft, werden nach allen Erdtheilen abgesetzt. Hauptartikel sind Modewaaren, künstliche Blumen, Porzellan, Uhren, Gold- und Silberwaaren, Seidenzeuche, Shawls und Tapeten; auch befindet sich hier die königl. Manufactur der Gobelins. (S. Tapeten.) P. ist ferner der Sitz des franz. Buchhandels und der vorzüglichsten Buchdruckereien, der königl. Bank, mehrer Versicherungsanstalten und anderer den Verkehr begünstigenden Institute. Die Einnahmen der Stadt belaufen sich jährlich auf 40 Mill. Francs, und welche ungeheure Massen Lebensmittel in P. verbraucht werden, ergibt sich daraus, daß 1838 allein 70,307 Ochsen, 20,126 Kühe, 79,902 Kälber, 426,166 Schafe daselbst geschlachtet wurden, wozu im Durchschnitt jährlich noch 80,000 Schweine, 550,000 Säcke Mehl, für 13–14 Mill. Francs Butter und Eier und für einen gleichen Betrag Wildpret, Geflügel, Fische und Austern kommen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 411-417.
Lizenz:
Faksimiles:
411 | 412 | 413 | 414 | 415 | 416 | 417
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Historia von D. Johann Fausten

Historia von D. Johann Fausten

1587 erscheint anonym im Verlag des Frankfurter Druckers Johann Spies die Geschichte von Johann Georg Faust, die die Hauptquelle der späteren Faustdichtung werden wird.

94 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon