1. Das Lehn ist der Ritter Sold. – Graf, 558, 40.
Dadurch unterscheidet sich das Lehn aufs deutlichste von der Satzung, dass sich jenes auf ein Treu- und Dienstverhältniss zwischen Herr und Mann gründet. Satzung verlangt keine Dienstleistung durch Mannschaft, aber Lehn soll dem nicht zustehen, der den Dienst nicht tragen kann (vgl. Lünig, I, 257), denn es ist ein Sold der Ritterschaft.
Mhd.: Das lehen ist der rittere sold. (Homeyer, Glosse, zum Lehnrecht, 2.)
2. Gemein Lehn kann man an des Kaisers Hand reichen. – Graf, 558, 46.
Der Lehnsherr kann sie an einen Höhern, aber nicht [1877] an einen einem niedern Stande, als der Lehnsmann ist, Angehörenden übertragen. (S. ⇒ Gut 227.)
Mhd.: Daz gemein lehen daz mag man reichen an dez keisers hant. (Endemann, III, 24.)
3. Getheilt Lehn erstirbt dem Reiche. (S. 18.) – Graf, 560, 70.
Mhd.: Geteylet lehin daz sal dem riche ensterbin. (Senckenberg, III, 12.)
4. Getheilt Lehn fällt zum Reiche. (S. 18.) – Graf, 560, 69.
Mhd.: Daz geteilt lehen sal zum riche gevallen. (Endemann, III, 25.)
5. Lehen erben und sterben auf den Nächsten im Blut und Aeltesten auf der Strasse, Mann vor Weib. – Graf, 559, 64.
6. Lehen fallen auf den nächsten Leib, den Aeltesten auf der Strasse, Mann vor Weib. – Graf, 559, 63.
Die Folgeordnung des Lehnsbesitzes war an verschiedenen Orten und Zeiten verschieden. Die einen behaupten, dass überall das Alter der Linie entschieden habe; nach andern ist Gradesnähe und bei Gradengleiche das Alter massgebend gewesen, sodass der nächste Leib und Aelteste auf der Strasse, der Mann vor dem Weibe folgt.
Holl.: Het leen is voor den oudste, het geld is voor den stoutste. (Harrebomée, II, 13.)
7. Lehen fallen nicht auf die Spindel (oder: an die Kunkel). – Eisenhart, 684; Hillebrand, 78, 107; Pistor., X, 30; Eiselein, 416; Simrock, 6280; Graf, 560, 76.
Spindel oder Kunkel = Spinnrocken. Dies ins Lehnrecht gehörende Sprichwort handelt von der weiblichen Erbfolge hinsichtlich der Lehngüter und sagt, dass die Lehen nur an Söhne fallen, weil zur Einführung der Lehen ursprünglich der Kriegsdienst Veranlassung gab. Aus besonderer Rücksicht hat man aber in späterer Zeit diese Güter bei Mangel männlicher Erben den weiblichen gelassen, in der Meinung, sie könnten durch einen Lehnsträger die Kriegsdienste verrichten lassen. Diese Lehen hiessen Weiber- (Schleier-, Kunkel-) Lehen.
8. Lehen nehmen die Knecht voraus. – Graf, 559, 62.
Sie gehen auf die männlichen Nachkommen mit Ausschluss der weiblichen Glieder über. »Daz lehn nemen die knechte bevor.« (Schott, I, 84, 130.)
9. Lehen tragen keine Schulden. – Graf, 557, 27; Hillebrand, 85, 113; Simrock, 6281.
Dem Lehnsmann ist die Belastung des Lehns untersagt, besonders darf bei blos persönlichen Schulden desselben das Lehngut nicht angegriffen werden; der Gläubiger darf vielmehr sich nur an die Früchte halten, welche während des Besitzes des Schuldners auf dem Gute gewonnen werden. Es gilt dies als Regel; doch steht der Verpfändung eines Lehns im allgemeinen ein rechtliches Hinderniss nicht entgegen. Geliehen Gut kann man verpfänden, aber gemiethetes nicht. (Westphalen, IV, 1941.)
10. Lehen tragen Schulden. – Eisenhart, 699; Hertius, I, 43; Hillebrand, 84, 112; Pistor., IV, 92; Graf, 557, 28.
Dies Sprichwort enthält die Ausnahme von der allgemeinen Regel: »Lehnfolger bezahlen keine Schulden, welche ihre Vorgänger gemacht haben.« Nach demselben ist der Lehnsfolger auch im Nothfall zur Bezahlung aller Schulden in Ermangelung anderer Güter verbunden.
11. Lehn erhöht des Mannes Adel. – Graf, 33, 78.
Aber nur ⇒ Fahnlehen (s.d.).
Mhd.: Daz len daz hogerit des mannis riterschaft. (Köhler, I, 441, 26.)
12. Lehn erlischt nie. – Graf, 557, 25.
Der Lehnmann kann nie das Obereigenthum ersitzen; es bleibt nur Lehn, wenn er auch die Huldigung unterliesse. »Lehn verlöscht nimmermehr.« (Weingarten, I, 268, 43.)
13. Lehn gibt kein Eigenthum. – Graf, 557, 26.
Dieser geraische Rechtssatz soll sagen, dass die Lehnsreichung, ein Ausdruck, mit welchem das sächsische Recht die gerichtliche Uebertragung des Grundeigenthums bezeichnet, nicht unter allen Umständen Eigenthum überträgt. Es soll nämlich in Gern eine von dem sonstigen sächsischen Recht abweichende Praxis bestehen. Vgl. über das obige Rechtssprichwort die Schrift Lehn gibt kein Eigenthum. Ein streitiger Rechtssatz. Von E.M. Semmel (Leipzig 1856).
14. Lehn ist von Gnaden. – Klingen, IIIa; Graf, 557. 17.
Ein Lehngut wurde nämlich nur dem verliehen, der sich der Gunst eines Mächtigen erfreute, welcher im Besitz grosser Liegenschaften war.
15. Lehn kann nicht ⇒ Satzung (s.d.) sein. – Graf, 558, 36.
Das Pfandrecht eines Gläubigers an den ihm zur Befriedigung aus den Früchten übergebenen Gute, Satzung [1878] genannt, ist kein Lehen, weil es nur mit Gelübde und auf so lange vergeben wurde, bis die Forderung getilgt ist.
Mhd.: Lehen mag nitt saczung gesein. (Lassberg, 72, 1.)
16. Lehn kommt in die siebente Hand. – Graf, 559, 58.
Einige Lehen ausgenommen, kann jedes andere ohne weiteres an einen dritten, verliehen werden, ohne dass er dazu der Einwilligung des Lehnsherrn bedarf. Jeder Lehnsmann kann sein Gut bis in die siebente Hand weiter verleihen, aber diese, des Dienstmanns Hand, kann es nicht weiter geben. (S. ⇒ Heerschild.)
17. Lehn muss lauter Lehn sein. – Graf, 558, 37.
Es muss nicht hlos das Pfandrecht und die Nutzung (s. 21), sondern das Gut selbst verliehen sein.
18. Lehn ohne Gewere entbehrt der Folge. – Graf, 557, 32.
Jedes Gut, das der Mann nicht in seinem Besitz hat und das ihm nicht als Lehn überwiesen ist, das vererbt er weder an seinen Sohn, noch folgt er ihm, wenn es an einen andern Herrn übergeht.
Mhd.: Alles lehen ane gewer mangelt der volge. (Ficker, 171, 167.)
19. Lehn ohne Lehnrecht kann nicht bestehen. (S. ⇒ Lehnrecht 1.) – Graf, 556, 3.
Mhd.: Len ane lenrecht mag nicht bestehin. (Homeyer, Glossen zum sächsischen Lehnrecht, 2.)
20. Lehn soll nicht, gespalten werden. – Lünig, II, 1050; Graf, 560, 68.
Durch Gedinge, Landesgesetze oder Gewohnheit kann eben sowol Erstgeburtsfolge, wonach stets der Aelteste aus der ältesten Linie berufen wird, bestimmt sein, oder Seniorat, wonach der Bejahrteste unter den lehnsfähigen Verwandten ohne Rücksicht auf Grad und Linie folgt. Wo solche besondere Ordnungen bestehen, vererben die Lehen als Ganzes und werden durch Theilung hinfällig.
21. Lehn vererbt auf das nächste Blut, den Aeltesten auf der Strasse, den Mann vor der Frau. – Graf, 559, 65.
»Leen vererft op dat naeste bloed, de oudste op straete man voor vrouw.« (Kamptz, II, 483, 14.)
22. Niemand kann sein Lehn verlieren, der bei Nutz und Gewere sitzt. – Graf, 557, 33.
Gewaltthätige Störung ist dem Besitzer ohne rechtlichen Nachtheil. Raub und Mord kann niemand an seiner Gewere schaden. »Nieman sein lehen Verliesen mag, der sein pei nütz vnd pei gwer sitzet.« (Westenrieder, II, 16.)
23. So viel Lehen, so viel Fälle1. – Graf, 50, 176.
1) Todfälle, Besthaupt, Cornut. (S. ⇒ Fall 6, ⇒ Hand 508, ⇒ Hof 94 und ⇒ Rauch.)
Mhd.: Als mennig lehen, als menig val. (Grimm, Wb., I, 377.)
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