[788] Zeitschriften, Journale, Zeitungen, periodische Schriften sind literarische Erzeugnisse, welche Sammlungen von Wissenschaft, Kunst, Gewerbe angehenden Nachrichten aus der Gegenwart oder Vergangenheit, auch nur auf Unterhaltung berechnete Aufsätze in zu bestimmter oder unbestimmter Zeit einander folgenden Blättern, Bogen oder Heften veröffentlichen. Man bezeichnet sie näher als Tage- und Wochenblätter, Monats- und Quartal- oder Vierteljahrschriften, und sie bilden die sogenannte periodische Literatur. Von den in Lieferungen erscheinenden Schriften unterscheiden sie sich dadurch, daß sie auf keinen Umfang beschränkt sind, sondern von Jahr zu Jahr fortgesetzt werden, wenn es die Umstände gestatten. Was von einer Zeitschrift innerhalb eines Jahres erscheint, wird ein Jahrgang derselben genannt. Der Nutzen solcher Schriften, die gleichsam mit der Zeit selbst fortschreiten und daher auch die zeitlichen Richtungen der Menschheit abspiegeln, wie sie sich geltend zu machen suchen, ist für Berichtigung der Meinungen und Ansichten und Verbreitung von geistiger Cultur und nützlicher Kenntnisse ungemein groß. Als Nachtheile werden hauptsächlich die Beförderungen von Oberflächlichkeit und der mögliche Misbrauch ihres Einflusses zur Irreleitung der Meinung, sowie der Schade angeführt, welchen manche durch ihren geschmacklosen, unsittlichen, groben Ton anrichten, was aber Alles weit von den Vortheilen dieses Literaturzweiges oder des sogenannten Journalismus überboten wird. Im engern Sinne unterscheidet man zwischen Zeitschriften, welche reinwissenschaftlichen Zwecken dienen (wie die Literaturzeitungen und sogenannten gelehrten Zeitschriften) oder die Verbreitung nützlicher Kenntnisse beabsichtigen (wie Gewerbeblätter, polytechnische und landwirthschaftliche Journale), oder ihren Lesern eine angenehme und die Bildung im Allgemeinen erweiternde Unterhaltung gewähren wollen, und zwischen Zeitungen, welche hauptsächlich die neuesten Zeitereignisse und politischen Begebenheiten und Verhältnisse berichten und besprechen, wozu noch die meist auf örtliche und provinzielle Angelegenheiten sich beziehenden Wochen-, Tage-, Intelligenz-, Kreis-, Amtsblätter, Anzeiger u.s.w. kommen. Das Bedürfniß, von öffentlichen Vorfällen unterrichtet zu werden, hatte schon im alten Rom die Bekanntmachung der sogenannten Tagesverhandlungen (acta diurna) veranlaßt, welche freilich nur für die Hauptstadt und auch da nur in beschränkter Weise einzelne Zwecke unserer heutigen Zeitungen und Anzeigeblätter vertraten. Es waren das auf einigen öffentlichen Plätzen Roms täglich bekanntgemachte Nachrichten über allerhand Angelegenheiten des Volkes, über die Verhandlungen der Gerichtshöfe, der Volksversammlungen, über Ehescheidungen, Todesfälle, Geburten, Fortschritte der öffentlichen Bauten u.s.w. Während des Mittelalters scheint nirgend auch nur eine ähnliche Einrichtung bestanden zu haben und im 16. Jahrh. erst begegnet man in Venedig einer Art von Zeitung, welche aber noch himmelweit von Dem verschieden war, was mittels der Buchdruckerkunst und bei zunehmender Verbreitung der Schreib- und Lesefertigkeit unsere jetzigen Zeitungen geworden sind. Als nämlich die Republik Venedig seit 1536 mit den Osmanen Krieg führte, wurden von Zeit zu Zeit geschriebene Nachrichten (daher Notizie scritte) über den Gang der Feindseligkeiten an bestimmten Orten ausgelegt, welche man gegen Bezahlung einer kleinen, Gazetta genannten Scheidemünze lesen konnte, wovon später der Ausdruck Gazetta gleichbedeutend mit Zeitung geworden und auch ins Französische aufgenommen worden ist. Erst lange Zeit nachher gestattete die argwöhnische Republik, daß jene Nachrichten gedruckt verbreitet werden durften, wo sie dann in mehren ital. Städten nachgeahmt wurden.
In Deutschland waren vereinzelte gedruckte Flugblätter mit Nachrichten von wichtigen Begebenheiten die Anfänge der Zeitungen und gingen zum Theil ohne Angabe der Druckorte vorzüglich von Augsburg, Nürnberg und Wien unter mancherlei Titel aus, wie: »Relationen«, die gewöhnlich in Briefform abgefaßt waren und deren in Augsburg und Wien 1524, in Regensburg 1528, später in Dillingen und andern Orten herauskamen; ferner »Newe Zeitung vom Türken, so ein gut Freund, welcher damit und dabei gewest ist, von Wien hrauf geben« (Nürnb. 1529), oder »Wahrhafte Sendbriefe«. Das erste, wenn auch anfangs nicht regelmäßig, doch in fortlaufender Reihe herausgekommene Neuigkeitsblatt war das seit 1612 in numerirten Blättern zu Frankfurt gedruckte »Aviso, Relation oder Zeitung, was sich begeben oder zugetragen hat in Deutsch- und Welschland Spanien und Frankreich, in Ost- und Westindien u.s.w.« Die erste regelmäßig herauskommende Zeitung gründete 1615 der frankfurter Buchhändler Egenolf Emmel im »Frankfurter Journal«; seit 1617 kamen in Frankfurt auch, »Die Postavisen« heraus, welche im Verlaufe der Zeit zur jetzigen »Oberpostamtszeitung« geworden sind. In Fulda erschien 1618 eine Zeitung »Der Postreiter«, andere kamen um dieselbe Zeit in Augsburg, Nürnberg und verschiedenen Orten, München z.B. 1628 »Die gewisse und wahrhaftige wochentliche Ordinari-Zeitung« heraus. Die Zahl der Zeitungen, welche Benennung von dem veralteten Theiding oder Theidung, d.i. Begebenheiten oder Ereignisse, herkommt, vermehrte sich nun allmälig und sie erschienen unter vielerlei Titeln, als »Correspondent«, »Courier«, »Ristretto«, »Mercur«, [788] »Chronik«, »Bote«, »Beobachter«, meist mit landesherrlichem Privilegium und waren von den Regierungen der Censur unterworfen. Wie sehr ihnen aber auch die allgemeine Verbreitung der Buchdruckerkunst und die zunehmenden erleichterten Postverbindungen günstig waren, bedurfte es doch erst eines Umschwunges der Welt und der Ideen, wie er durch die franz. Revolution bewirkt worden ist, um auch dem vorher fast nur als ein Berichten von Neuigkeiten auftretenden deutschen Zeitungswesen eine höhere politische Richtung zu geben, welche das engl. schon viel früher verfolgte. Denn wo der Drang nach einem öffentlichen Leben nicht erwacht ist und das Volk sich nicht zu selbstthätiger Theilnahme an den gemeinsamen Angelegenheiten berufen fühlt, wenn es auch noch nicht dazu wirklich berufen ist, wird es auch keine Zeitungen von höherer Bedeutung und überhaupt keine eigentliche periodische Literatur geben. Diese ist wesentlich an die europäische Volksbildung geknüpft und geht den maschinenartig auf das Herkömmliche beschränkten und despotisch beherrschten asiatischen Nationen ab. In dem ungeheuren chines. Reiche kommt zwar in Peking seit uralter Zeit eine Hofzeitung unter dem Titel »King pao« (Bote der Hauptstadt) heraus, und in den Hauptorten der Provinzen erscheinen noch einige Blätter. Sie werden jedoch sämmtlich im Auftrage der Regierung abgefaßt, enthalten nur amtliche Bekanntmachungen und Hof- und Stadtneuigkeiten, soweit man die Mittheilung derselben für gut findet, während kein Privatmann eine Zeitung herausgeben oder Nachrichten in die Regierungsblätter einrücken lassen darf. In Persien kommen auch nur vereinzelte Zeitungsblätter von einigen Zollen Länge und zwei Zoll Breite zum Vorschein, während in dem unter brit. Botmäßigkeit stehenden Ostindien schon eine beträchliche Anzahl in engl. Sprache und indischen Mundarten geschriebener Zeitungen herauskommen. Im osman. Reiche hat die Einführung von Verbesserungen nach europ. Vorbilde auch neuerlich die Herausgabe einer regelmäßig in Konstantinopel erscheinenden Regierungszeitung, des »Takwimi Wakaji« mit amtlichen und andern Nachrichten über Zeitereignisse, Handel, Wissenschaften und Künste zur Folge gehabt, während schon früher, namentlich in Smyrna, in europ. Sprache geschriebene Blätter und in Ägypten arab. herauskamen.
Das in seinen Culturzuständen hinter dem westl. Europa so weit zurückstehende Rußland, wo außerdem der geistigen Wirksamkeit von der fortwährend geschärften Censur die engsten Schranken gezogen sind, hat jetzt etwas über 100 periodische Schriften, welche in 12 Sprachen gedruckt werden und von denen gegen 20 deutsch, sieben franz. geschrieben sind. Was davon als Zeitung zu betrachten ist, entbehrt freilich jeder Selbständigkeit. Die erste russ. Zeitung wurde 1703 herausgegeben und vor 1830 waren kaum 40 derselben vorhanden. Die meisten kommen in Petersburg heraus, die verbreitetste aber ist die »Moskauer Zeitung«, welche täglich erscheint und gegen 9000 Abnehmer haben soll. Sie gibt nur aus andern Blättern gezogene Nachrichten und verdankt ihren großen Absatz wesentlich einem ausschließlichen Privilegium zur Aufnahme von Ankündigungen, welche jährlich eine bedeutende, zu den Einkünften der moskauer Universität gehörende Summe abwerfen. Von den russ. Zeitschriften haben eigentlich nur die der verschiedenen Ministerien, von welchen jedes ein von seiner Geschäftsführung handelndes Journal herausgibt, und die über Rußland selber sprechenden (wie »Die nord. Biene)« oder Erzeugnisse russ. Dichter und Schriftsteller veröffentlichenden, für das Ausland Interesse. Im Zarthum Polen wurden vor 1830 gegen 40 Zeitschriften gedruckt, erscheinen jetzt aber nur 15. Es kommen aber außerdem periodische Blätter in poln. Sprache in Lemberg in östreich. Galizien (sechs), in Krakau (sieben) und im Großherzogthum Posen (fünf) heraus. Auch in Ungarn, wo die periodische Literatur in deutscher und magyarischer Sprache fortwährend an Umfang und Bedeutsamkeit zunimmt, erscheinen slaw. Zeitblätter, zum Theil als Opposition zu den magyar, von welchen »Jelenkor« (Gegenwart), welche Zeitung ihre Nachrichten aus Serbien und den Fürstenthümern an der untern Donau unter der Rubrik Ungarn gibt und damit andeuten will, daß jenes blos abgerissene Theile des Reichs sind, und der »Hirnök« (Herold) die verbreitetsten sind. In Griechenland rief der Freiheitskampf bald Zeitungen als Organe der verschiedenen Parteien ins Leben und sind seitdem aus verschiedenen, auch mit von der Regierung herbeigeführten Ursachen fast alle eingegangen, so sind dafür andere in griech. und in franz. Sprache geschriebene entstanden. In Italien lastet ein solcher Druck auf der periodischen Presse, daß die wenigen Zeitungen sich auf das Unverfänglichste in ihren Nachrichten beschränken müssen und Rom von allen europ. Hauptstädten diejenige ist, wo die wenigsten periodischen Blätter herauskommen. Bei allen Dem gibt es gegen 200 Zeitschriften und Zeitungen in Italien, welche der Unterhaltung, der medicinischen, Rechts-, Staats- und Naturwissenschaft und der literarischen Kritik gewidmet sind, von der aber alle Politik ausgeschlossen bleiben muß. In Mailand kommt sogar eine deutsche Zeitschrift, »Echo«, heraus, in welcher auch die deutsche Literatur fortgesetzte Beachtung erfährt. Dennoch macht sich auf jedem gestatteten Wege die Idee der ital. Nationaleinheit geltend, und selbst das in Modena erscheinende, den grellsten Absolutismus und röm. Fanatismus verfechtende Blatt »Voce della verità« huldigt dieser Richtung. Spanien blieb hinsichtlich der periodischen Literatur lange weit hinter dem benachbarten Frankreich zurück und politische Zeitungen singen erst in der Zeit an, einige Bedeutung zu gewinnen, wo das Land unter franz. Einflusse stand. Die Herstellung Ferdinand VII. unterdrückte jedoch, was von unabhängigen politischen Blättern da war und mehre singen an, im Auslande, z.B. in London, zu erscheinen. Während der kurzen Herrschaft der Cortes im J. 1820 war die Zahl politischer Blätter schnell auf 64 gestiegen, sobald aber Ferdinand VII. wieder die Gewalt in Händen hatte, mußten alle Zeitschriften bis auf ein paar officielle politische Blätter und einige wissenschaftliche Journale eingehen. Nach seinem Tode fing die periodische Presse sich von neuem an zu heben, fand aber 1834 neue Hindernisse und erst 1836 wurde die Preßfreiheit hergestellt. Das Journalwesen bewegte sich nun wieder ungebundener und in der jüngsten Zeit scheinen mehre Blätter entschieden republikanische Richtungen zu verfolgen. In Portugal haben die Zeitungen auch erst in neuester Zeit und besonders seit der Vertreibung des Dom Miguel (s.d.) einigen politischen Charakter erhalten. Bei der Trennung Belgiens von Holland spielten die Zeitungen dort einflußreiche Rollen. In Belgien sind die meisten franz. geschrieben und es [789] kommt fast in jeder Stadt eine heraus, was auch von Holland gilt, wo viele Courant (z.B. Arnhemschen Courant) betitelt sind. In dem kleinen Dänemark kommen über 50 Tage- und Wochenblätter und 30 Monats- und Vierteljahrsschriften heraus. Schweden und Norwegen haben zwar erst in der neuesten Zeit eine unabhängigere politische Presse erhalten, zählen aber zusammen über hundert Zeitungen, indeß kaum den vierten Theil so viel wissenschaftliche und Unterhaltungsblätter.
Als Anfang der Zeitungen in Frankreich werden die Flugblätter angesehen, welche der vielbeschäftigte Arzt Theophrastus Renaudot in Paris 1623 anfing wöchentlich drucken zu lassen und die er meist mit Nachrichten füllte, welche er in den Häusern seiner Kranken zur Unterhaltung für Andere sammelte. Seit 1632 wurden sie privilegirt und mit dem Titel »Gazette de France« herausgegeben, bestanden auch nach seinem Tode (1653) fort und sind die Grundlage der noch heute unter demselben Titel in Paris herauskommenden Zeitung geworden, welche jetzt der Partei der 1830 abgesetzten ältern bourbonischen Linie und der Hierarchie dient, worin besonders die »Quotidienne« mit ihr wetteifert. Der »Mercure français«, eine Wochenschrift, hatte jedoch schon 1605 angefangen. Erst während der Revolution nahmen die franz. Zeitungen eine bedeutendere Stellung zu den herrschenden politischen Parteien an und wurden Vertheidiger und Bestreiter politischer Meinungen und Verhältnisse, was in England schon früher der Fall war. Waren die sogenannten Zeitungsschreiber bisher meist untergeordnete Leute und ohne gesellschaftliches Ansehen gewesen, so übernahmen nun patriotische Männer von Geist und Kenntnissen, häufig auch von ausgezeichnetem Range, deren Geschäft. Die Zeitungen hörten auf, dem Hofe nachzubeten und singen an, vom nationalen Standpunkte aus die Bedürfnisse der Nationalwohlfahrt zu erörtern. Öffentliche Vorgänge, die Verhandlungen der Nationalversammlung wurden mitgetheilt und von den verschiedenen Standpunkten der Parteien aus beurtheilt. Jede derselben gründete sich dazu ihre Organe oder benutzte schon bestehende Blätter zu ihren Meinungsäußerungen. Als das fortwährend im Sinne der jedesmaligen Regierung geschriebene und ihre amtlichen Erlasse enthaltende Blatt ist der seit 1789 erscheinende »Moniteur« (s.d.) wichtig; ebenfalls aus jener Zeit stammt das 1791 begonnene »Journal des débats«. welches 1804–14 und im März 1815 unter Napoleon'scher Herrschaft »Journal de l'empire« hieß und immer ausgezeichnete Mitarbeiter zählte, sowie großen Einfluß besaß. Der 1815 gegründete »Constitutionnel« hatte es bei streng constitutionneller Haltung vor der Juliusrevolution einmal zu 24,000 Abnehmern gebracht, aber nachher die meisten wieder verloren und hat sich nur in der neuesten Zeit als ein von A. Thiers (s.d.) bevorzugtes Blatt wieder etwas gehoben, der schon vor 1829 ein Hauptmitarbeiter daran war. Damals half er den »National« mit begründen, welcher aber später unter der Leitung des geistvollen und charakterfesten A. Carrel, der 1836 von dem gesinnungslosen Emil von Girardin im Duell erschossen wurde, entschieden auf republikanische Institutionen hinarbeitete, auch noch immer das angesehenste und verbreitetste Blatt der amerikanischen Richtung in Frankreich ist, hinter welchem der mit größerer Keckheit derselben Meinung folgende »Bon sens« weit zurücksteht; das wichtigste republikanische Journal ist aber das von L. Blanc geleitete »Revue du progrés«. Die Ansichten der Partei von Odilon-Barrot (s.d.) werden im »Courier français« und im »Siècle« vertheidigt; nicht leicht eine Gelegenheit zu Witz und Spott läßt sich der »Charivari« entgehen, welcher täglich eine große und mehre in den Text eingedruckte, dazu in komischer und spöttischer Beziehung stehende Abbildungen liefert. Das »Journal du commerce« hat besonders die materiellen Interessen im Auge, steht aber jetzt unter der Leitung des als Anwalt und Redner in der Deputirtenkammer berühmten François Mauguin, geb. 1785, dessen entschiedene Treue gegen die Grundsätze der Juliusrevolution in den letzten Jahren etwas an Vertrauen eingebüßt hat, ohne ihn deshalb der Regierung zu nähern oder zum Führer einer ansehnlichen Partei der Kammer zu machen. Die Gesammtzahl der franz. Zeitungen und Zeitschriften übersteigt 500, wovon mehr als 350 Provinzialblätter sind. Im Ganzen zeichnet sich der Ton und die Haltung derselben durch einen gewissen Anstand, durch Bewahrung der äußern Formen vortheilhaft aus und es gibt keine so eigentlichen Schimpfblätter, wie das manche engl. Sonntagszeitungen, viele nordamerik. und auch mehre schweizerische Blätter sind. Dagegen haben Ehrgeiz, Ämterjagerei und Habsucht nur zu großen Einfluß auf die franz. Journalistik, und Gesinnungslosigkeit und Bestechlichkeit sind häufig. Wie der Schriftsteller und Künstler sich die Gunst der Kritiker erkauft, ebenso vermag die Regierung durch Anstellungen, eine Auszeichnung der Unternehmer, Zeitungen für sich zu gewinnen oder wenigstens zum Schweigen zu bewegen, was ihr nur bei den freilich zu weit von ihr abweichenden republikanischen Blättern nicht oder doch weniger möglich ist.
Nach der venetian. Republik hat England die ältesten politischen Zeitungen aufzuweisen, indem schon 1588, wo die große span. Flotte oder Armada (s.d.) die Engländer mit einer Landung bedrohte, der damalige Minister Lord Burleigh anfangs schriftlich, dann in gedruckten und numerirten Blättern unter dem Titel »Mercury« das besorgte Volk von der Lage der Sachen unterrichtete. Mit der Entfernung der Gefahr kamen seltener solche Blätter heraus, deren Zweckmäßigkeit aber das Bedürfniß nach dergleichen Mittheilungen von Nachrichten über Zeitereignisse so fühlbar gemacht hatte, daß in den nächsten Jahren rasch eine Anzahl von regelmäßig herauskommenden Neuigkeitsblättern in London entstanden. Auch wurden sie sehr bald zur Erörterung der Volksrechte gegenüber unbeschränkter Fürstengewalt benutzt und um 1688 waren ihrer der Zahl nach 70, von welchen aber blos eines täglich herauskam. Im 18. Jahrh. gliederten sich die engl. Zeitungen immer entschiedener nach den Parteien und die allgemeine Foderung öffentlicher Besprechung der Staatsangelegenheit brach selbst das gegen Mittheilung der Verhandlungen des Parlaments eigentlich noch bestehende, strenge Verbot. Denn obgleich dasselbe niemals aufgehoben worden ist, wurde nach der Mitte des vorigen Jahrh. ihre Veröffentlichung so gewöhnlich. daß Niemand mehr wagen wird, dessen Aufrechthaltung zu verlangen. Im Ganzen hat Großbritannien und Irland jetzt an 500 Zeitungen (wovon über 100 in London herauskommen), daneben etwa 300 Monats- und Vierteljahrsschriften und schon vor zehn Jahren hat man berechnet, daß täglich weit über 70,000 Bogen Zeitschriften gedruckt wurden, was seitdem beträchtlich zugenommen hat. [790] Die bedeutendste in London herauskommende Zeitung sind die »Times«, welche täglich auf ihrem mit sieben Spalten auf jeder Seite eng bedruckten größten Bogen eine Masse von Gedrucktem geben, welche einen Octavband von 15–20 Bogen füllen würde und zuweilen diesen Umfang verdoppeln. Nachdem sie früher die eifrigsten Beförderer der Reform waren, sind sie seit ungefähr acht Jahren zu den Ansichten der Tories übergegangen und da diese zu Anfang Sept. 1841 an die Spitze der Regierung traten, sind sie das vornehmste Blatt der jetzt in Großbritannien herrschenden ministeriellen Partei. Vorher waren die Zeitungen der Whigs (s. Tories und Whigs), der»Globe« seit 1830 und das »Morning Chronicle« in späterer Zeit die ministeriellen Blätter. Eine Zeitung wie der franz. »Moniteur« gibt es in England nicht, denn das amtliche Blatt »The Gazette« enthält blos Beförderungen, amtliche Bekanntmachungen und Hofnachrichten und jede der beiden politischen Hauptparteien findet, wenn sie zur Regierung gelangt, unter den Zeitungen ihrer Farbe auch ihre besondern und bevorzugten Wortführer. Als dritte Partei hat in neuester Zeit sich beim Zeitungswesen noch die der Radicalen geltend gemacht, deren Meinung mehre Wochenblätter, z.B. der »Examiner«, »Spectator«, »Weekly dispatch«, vertreten. Bei der gesetzlich begründeten, von keiner Laune der Gewalt abhängigen und durch die Macht der öffentlichen Meinung vor jedem Eingriffe geschützten Freiheit der Presse in England und Frankreich sind die Zeitungsanstalten dort auch in kaufmännischer und industrieller Beziehung von größerer Wichtigkeit als in irgend einem andern europ. Lande, und bei einmal gegründeten und verbreiteten Blättern können Capitalien wenigstens mit der Sicherheit angelegt werden, daß sie durch kein willkürliches Verbot des ganzen kostspieligen Unternehmens über Nacht verloren gehen. Die gelesensten engl. und franz. Zeitungen beschäftigen eigne Druckereien, haben mehre Redacteure, von welchen die Hauptredacteure Gehalte von 20–39,000 Francs und 800–1000 Pf. St. beziehen. Außerdem bezahlen sie den Mitarbeitern noch beträchtliche Honorare, schicken oft Berichterstatter auf eigne Kosten nach bestimmten Orten, unterhalten in den Kammern oder im Parlamente Geschwindschreiber zu den Berichten der Verhandlungen und haben in allen europ. Hauptstädten von politischer Bedeutung eigne Correspondenten. Außer andern gelegentlichen Mitarbeitern bedürfen sie noch der Berichterstatter über die Tagesbegebenheiten in der nächsten Umgebung, die man in London Penny-a-line-men (Pfennigzeilenleute) nennt, weil sie ihre Mittheilung mit 1–11/2 Penny für die gedruckte Zeile bezahlt bekommen. Der Capitalwerth einer solchen Zeitung beträgt zuweilen gegen eine Million Francs und den gegenwärtigen Werth der engl. »Times« schätzt man nahe an eine halbe Million Pf. St. Obgleich aber diese jetzt einen täglichen Absatz von mehr als 10,000 Exemplaren hat und des Jahres am Orte gegen 100 Thlr. kostet, müssen die Kosten und der Gewinn doch hauptsächlich mit aus der Einnahme für Privatanzeigen gedeckt werden, die freilich mitunter die Hälfte des Blattes einnehmen und an einem Tage schon gegen 5000 Thlr. eingebracht haben. Die Gründung einer neuen, mit Ausnahme des Sonntags alle Morgen erscheinende Zeitung in London erlangt freilich ein Capital von mehr als 50,000 Pf. St., daher dieses meist antheilweise (auf Actien) zusammengebracht wird. Auch in den engl. Colonien hat das Bedürfniß, stets über die öffentlichen Angelegenheiten unterrichtet zu sein, überall Zeitschriften entstehen lassen. Der ostind. ist oben schon gedacht worden; in Australien kommen bereits gegen 50 heraus, auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung wurde 1838 sogar eine in der Kaffernsprache gedruckt, im brit. Nordamerika erscheinen gegen 50, darunter mehre wissenschaftliche Zeitschriften und einige noch in franz. Sprache.
In Deutschland ist die Zahl der Zeitungen und der Zeitschriften überhaupt, theils in Folge des günstigen Standes der Volksbildung, theils aber auch durch die politische Zerstückelung, größer als in einem andern europ. Lande. Es erscheinen jetzt gegen 150 politische Blätter, wozu noch einige 30 schweizerische gezählt werden können, an 450 Wochen-, Kreis-, Amts- und andere Localblätter und gegen 500 literarische, theologische, medicinische und andere wissenschaftliche, sowie besondern Künsten, gewerblichen Fächern u.s.w. gewidmete Zeitschriften. Von den Zeitungen sind freilich viele auch wenig mehr als eine Art Amtsblätter, die zur Aufnahme gerichtlicher und anderer amtlicher Bekanntmachungen bevorrechtet sind, nebenbei auch einige kurz zugeschnittene politische Nachrichten bringen und sich nur mit Hülfe der den Behörden und Beamteten des Ländchens oder Landes auferlegten Zwanges sie zu halten, auf ihrem mitunter sehr günstig erscheinenden und ansehnlichen Ertrag abwerfenden Stande behaupten, der aber auch dann nur die Frucht eines auf Kosten der Industrie der Unterthanen von der Regierung behaupteten Monopols ist. Die Unternehmungslust auf diesem Gebiete wird außerdem noch durch drückende Bedingungen und die Unsicherheit beschränkt, von welcher die deutsche Presse unter dem Drucke der Censur und der allgemein für sie noch geltenden örtlichen und bundesgesetzlichen Bestimmungen zu leiden hat, daher noch kein so großartiges Zeitungsunternehmen, wie deren in England bestehen, hat gedeihen können. Gegen Ausgang des vorigen Jahrh. war der »Hamburgische Correspondent« (welcher aus der seit 1712 zu Schiffbeck bei Hamburg erschienenen »Holsteiner Correspondence« 1714 hervorging) beinahe die einzige deutsche Zeitung, welche eigne Mittheilungen aus der Ferne enthielt und andern als Quelle diente. Im Jahre 1798 ward von dem verstorbenen Buchhändler Cotta in Tübingen die »Neueste Weltkunde« gegründet, deren Leitung anfangs Schiller übernehmen sollte, der sich aber davon lossagte. Da sie nach kurzem Bestehen von einem Verbot getroffen wurde, nahm sie den Titel »Allgemeine Zeitung« an, erschien vom zweiten Jahre an in Stuttgart, seit 1803 in Ulm und als dies 1806 würtemberg. wurde, kam sie nach Augsburg, wo sie sich noch befindet. So reichhaltig diese Zeitung ist, kann sie doch nur von Leuten mit Nutzen gelesen werden, die mit Geschichte und Politik und vielen örtlichen und persönlichen Verhältnissen der Gegenwart hinlänglich vertraut sind, um sich aus der Masse einander zum Theil widersprechender Nachrichten und Abhandlungen und trotz der Einseitigkeit in den Mittheilungen über manche Erscheinungen, ein selbständiges Urtheil zu bilden, da die Zeitung selbst in ihrer sogenannten Parteilosigkeit dazu keine Anleitung gibt, aber z.B. doch sorgfältig darauf achtet, nicht um das ihr werthe Vorrecht zu kommen, in Östreich frei einzugehen. Der erst 1813 gebrochene franz. Einfluß in Deutschland ließ auch bis dahin das deutsche Zeitungswesen nicht selbständig sich ausbilden [791] und als nachher ein Anlauf dazu kaum genommen worden war, stellten Bundestagsbeschlüsse 1819 alle Zeitungen unter Censur. Die Begebenheiten des Jahres 1830 regten von neuem auch die patriotische Ausbildung der periodischen deutschen Presse an, aber mehre zu diesem Zwecke gegründete Blätter in Süddeutschland gefielen sich in einem zu leidenschaftlichen Tone, daher Verbote derselben [z.B. der »Deutschen Tribune« von Wirth (s.d.), des »Freisinnigen« von Rotteck und Welcker in Freiburg, des »Hochwächters«, der sehr geachteten »Deutschen Allgemeinen Zeitung« in Stuttgart] von der Bundesversammlung 1832 erfolgten und die Beaufsichtigung der Zeitschriften im Allgemeinen wieder geschärft wurde, so wenig das auch der öffentlichen Meinung entsprach. Das immer fühlbarer werdende Bedürfniß vielseitiger Erörterung der öffentlichen Angelegenheiten und der Vertrautheit mit denselben war daher der Gründung neuer politischer Blätter günstig, wenn sie auf der Höhe unserer Zeit Wurzel zu fassen verstanden. Das wichtigste von allen diesen Unternehmungen ist die zu Michaelis 1837 begonnene »Leipziger Allgemeine Zeitung«, der eine ansprechende Richtung schnell einen weiten Kreis von Lesern erwarb. Die neuesten deutschen Zeitungen von Interesse sind die »Oberdeutsche Zeitung« und die »Badische« in Folge äußerer Veranlassung in die »Nationalzeitung« umgetaufte in Karlsruhe, die beide erst seit 1841 erscheinen. Von den für das Volk bestimmten Zeitungen hat die seit 1818 in Hildburghausen herauskommende »Dorfzeitung« eine große Verbreitung. Nachdem die Zeitungen schon an 100 Jahre die Bekanntmachung politischer Nachrichten vermittelt hatten, führten Bedürfniß und zunehmende literarische Betriebsamkeit auch die Gründung periodischer Schriften zur raschen Verbreitung der Ereignisse auf wissenschaftliche Gebiete und in der gelehrten Welt herbei und es entstanden die vorzugsweise als Zeitschriften bezeichneten Blätter. Wie sie sich in ihren Hauptrichtungen gegliedert haben, seitdem in Frankreich mit dem 1665 gegründeten »Journal des savans« das erste Beispiel einer kritischen (s. Kritik) Zeitschrift, im »Mercure de France« die erste der Unterhaltung gewidmete herauszukommen anfing, sind sie theils kritische, die Erscheinungen in Literatur, Wissenschaft und Kunst beurtheilende, theils einzelnen Fächern des Wissens ausschließlich bestimmt, theils für das Unterhaltung und angenehme Belehrung wünschende, große gebildete Publicum berechnet und deshalb mit dem mannichfaltigsten Inhalte bedacht. Die Grenzen dieser Richtungen werden jedoch nicht durchgängig streng beobachtet und namentlich in den unterhaltenden Zeitschriften Dinge aus allen Gebieten zusammengestellt, sobald sie durch allgemeineres Interesse und Fügsamkeit in die Form des Vortrags sich dafür eignen. Die erste kritische Zeitschrift in Deutschland waren die »Acta eruditorum«, welche 1682 von Otto Mencken in Leipzig begonnen wurde und sich bis 1776 hielt. Wie sich seitdem die deutsche wissenschaftliche Kritik in vielen andern Zeitschriften herausgebildet hat, kann sie mit Recht als die auf der vielseitigsten Bildung beruhende, unbefangenste und vorurtheilsfreieste unserer Zeit bezeichnet werden. Anfänglich nur für gelehrte Kreise bestimmt, gewann die literarische Kritik nach und nach auch die Aufmerksamkeit des größern Publicums und mit dem zunehmenden Umfange der Literatur selbst wurden Wege wünschenswerth, die Übersicht derselben zu erleichtern. Dieses vermittelt namentlich das seit 1834 in Leipzig vom königl. Oberbibliothekar der Universität, Hofrath Gersdorf herausgegebene »Repertorium der gesammten deutschen Literatur«, welches von allen in Deutschland jährlich herauskommenden Schriften kurze, beurtheilende Anzeigen liefert. Dem allgemeinen Interesse der gebildeten Welt an den Vorgängen auf literarischem Gebiete überhaupt, kommen die von Heinrich Brockhaus herausgegebenen »Literarischen Unterhaltungsblätter« (entstanden aus dem 1818 von Kotzebue gegründeten »Literarischen Wochenblatte«, welches von F. A. Brockhaus 1820 angekauft, als »Literarisches Conversationsblatt«, seit 1826 unter dem jetzigen Titel fortgesetzt, erweitert und verbessert worden ist), in der vielseitigsten Weise, und wie keine andere deutsche Zeitschrift entgegen. Für die einzelnen Zweige der Wissenschaften und Künste und für die Gewerbe bestehen nirgend zahlreichere Zeitschriften als in Deutschland, noch beträchtlicher aber ist die Zahl der Unterhaltungszeitschriften, welche als Tage- und Wochenblätter, Monats- und Vierteljahrsschriften herauskommen. Von ihrem Gebiete ist eigentlich nichts ausgeschlossen, sobald es sich nur in eine für sie passende Form bringen läßt. Die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts entstandenen ersten unterhaltenden deutschen Zeitschriften sahen meist in den 50 Jahre früher gegründeten engl. Wochen- und Monatsschriften ähnlicher Richtung ihre Muster, von den unterhaltenden Tageblättern ging dagegen die 1801 von Karl Spazier, gest. 1805, in Leipzig gestiftete und noch bestehende »Zeitung für die elegante Welt« voran. Sie gehört mit dem 1807 vom Buchhändler Cotta gegründeten »Morgenblatte«, welches von einem Literaturblatte (seit 1826 von W. Menzel geleitet) und einem Kunstblatte begleitet ist, der Dresdner »Abendzeitung« von Theod. Hell (s. Winkler), dem von Gubitz in Berlin seit 1816 herausgegebenen »Gesellschafter«, der seit 1808 bestehenden »Allgemeinen Theater-Zeitung« von Bäuerle in Wien, der Leipziger »Allgemeinen Modezeitung«, der in Karlsruhe erscheinenden »Europa« von A. Lewald, zu den verbreitetsten deutschen Unterhaltungsblättern. Diesen schlossen sich nach dem von der engl. Gesellschaft zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse gegebenen Beispiele seit 1833 auch mehre jener wohlfeilen, »Magazine« genannte und für Belehrung und Unterhaltung der weitesten Kreise einem Volke berechneten Zeitschriften an, die ihren Inhalt mit vielen in den Text eingefügten Abbildungen (Holzschnitten) begleiten. Dahin gehören das nur für 1834 erschienene »National-Magazin«, das in drei Jahrgängen herausgekommene »Sonntags-Magazin«, auch die Jugendschrift »Pfennig-Magazin für Kinder« in fünf, eine kleine Kinderbibliothek abgebenden Jahrgängen (1834–38), das noch erscheinende, von Baumgärtner in Leipzig gegründete »Heller-Magazin«, und das seit 1833 bestehende, von 1835 an bei Brockhaus in Leipzig herauskommende, weit umfänglichere »Pfennig-Magazin«, welches allein seine außerordentliche Verbreitung behauptet hat. Außer Deutschland gibt es die meisten Zeitschriften in deutscher Sprache in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo deren 1840 70 herauskamen und überhaupt mehr als 1500 periodische Blätter erschienen, obgleich die erste Zeitung sich nur von 1704 datirt. Die periodische Literatur hat dort den verhältnißmäßig größten Umfang, selbst der Indianerstamm der Cherokesen hat eine Zeitschrift und schon vor einem Jahrzehnt rechnete man gegen sechs Exemplare Zeitungen auf jeden Einwohner der [792] Vereinigten Staaten, während nur 11/2 auf den Kopf in England kamen. Keines dieser zahlreichen Blätter hat jedoch eine solche Bedeutung in Hinsicht auf seinen Einfluß und seine kaufmännische Wichtigkeit, wie ihre Vorbilder in England, und neben dieser periodischen Presse sind alle andern Zweige der Literatur noch sehr zurück und wenig ausgebildet.
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