Colombo [2]

[269] Colombo (span. Colon, gewöhnlich Columbus). 1) Cristoforo od. Christoph, nach der wahrscheinlichsten Angabe geb. 1436 in Genua, wo sein Vater Fabrikant wollener Zeuge war, verließ in seinem 14. Jahre die Universität, um Seefahrer zu werden. Über die Ereignisse seines Lebens in den folgenden Jahren ist wenig bekannt. Gegen 1470 war er Capitän eines Kriegsschiffes des Königs René von Neapel u. ging auf dessen Befehl 1473 nach Tunis; 1475 befehligte er ein genuesisches Geschwader, aber wegen der bürgerlichen Unruhen verließ er Genua u. ging nach Lissabon, unternahm von hier mehrere Reisen u. kam 1477 sogar nach Island u. einige Grade über den Polarzirkel. Seine Studien, bes. der Astronomie u. Mathematik, wurden unterstützt durch schätzbare Seekarten, die er durch seine Frau, Donna Philippa Mognizde Perestrello, von deren Familie erhielt. Da er die schon von vielen Kosmographen ausgesprochene Überzeugung von der Kugelgestalt der Erde theilte u. in verschiedenen Erscheinungen, die er auf seinen Fahrten im Atlantischen Ocean wahrgenommen hatte, die Anzeichen für ein im Westen gelegenes Land erblickte, das er für eine östliche Fortsetzung Asiens hielt, so faßte er den Plan, einen neuen, kürzeren Seeweg nach Indien zu entdecken. Bestärkt wurde er in seiner Absicht durch den florentinischen Kosmographen Toscanelli, von welchem der König Alfons V. von Portugal nähere Erkundigungen über seine Ansicht in Betreff der Lage Indiens einzog. C. richtete nun sein Augenmerk darauf, eine Regierung für sein Unternehmen zu gewinnen. Genua lehnte den Vorschlag ab, ebenso England, wohin C. seinen Bruder sandte. Von allen Mitteln entblößt, wandte sich C., nachdem er sich in Porutgal kümmerlich durch Kartenzeichnen erhalten hatte, nach Spanien. Im Kloster Rabida bei Palos fand er 1485 gastliche Aufnahme, u. der Guardian Juan Perez, welcher sich für die Ideen C-s lebhaft interessirte, empfahl ihn dem Beichtvater der Königin [269] Isabella von Castilien. Im Frühjahre 1486 begab sich C. nach Cordova u. legte der Königin u. ihrem Gemahl Ferdinand von Aragonien seinen Plan vor. Der Plan wurde zur Prüfung einer Commission von Gelehrten u. Geistlichen überwiesen, welche denselben als unausführbar verwarf. Im Begriff, seine Bemühungen bei den spanischen Herrschern aufzugeben, bewog ihn Juan Perez, die Hoffnung nicht ganz fallen zu lassen, u. bot seinen persönlichen Einfluß bei der Königin auf, um ihre Einwilligung zur Ausrüstung einer Expedition zu erhalten. Endlich, nachdem der Maurische Krieg beendet war, ging das spanische Herrscherpaar auf den Gedanken ein, u. am 17. April 1492 wurde ein Vertrag unterzeichnet, kraft dessen C. zum Admiral u. erblichen Vicekönig aller von ihm zu entdeckenden Länder ernannt u. ihm der 10. Theil der Einkünfte derselben zugesichert wurde. Drei kleine Schiffe wurden ausgerüstet u. verließen, mit 120 Personen bemannt, am 3. Aug. 1492 den Hafen von Palos. Am 9. Aug. landete die Expedition an den Canarischen Inseln u. setzte am 6. Sept. die Fahrt fort. Ein günstiger Ostwind beschleunigte die Reise, u. am 11. Octbr. erblickte man zum ersten Male Land. (Was von den Meutereien der Matrosen während der Fahrt erzählt wird, ist entweder sehr übertrieben od. völlig erdichtet.) Am Morgen des 12. Octbr. stieg man an das Land, welches C. San Salvador nannte; dann setzte er seine Fahrt nach dem Westen fort, entdeckte unter and. Haiti u. San Domingo u. trat am 16. Jan. 1493 seine Rückreise mit einem einzigen Schiffe an. Unterwegs traf er mit dem Schiffe wieder zusammen, auf welchem sich Martin Alonso Pinzon, der es führte, heimlich entfernt hatte, wahrscheinlich in der Absicht, die Kunde von der Entdeckung Indiens vor C. nach Spanien zu bringen. In der Nähe der portugiesischen Küste drohte am 12. Febr. ein Orkan beide Fahrzeuge zu vernichten. Unter großen Gefahren erreichte C. endlich den Hafen von Lissabon, wo er ehrenvoll empfangen wurde; von dort segelte er nach Palos, wo er am 15. März unter dem Jubel der Bevölkerung einlief. Seine Reise nach Barcelona glich einem Triumphzuge; die Herrscher überhäuften ihn mit Ehrenbezeugungen u. beorderten die Ausrüstung von 17 Schiffen, welche unter C-s Befehl am 25. Septbr. 1493 Spanien verließen. Auf dieser 2. Fahrt entdeckte er wieder mehrere Inseln (vgl. Amerika III.). Inzwischen erregten seine Neider das Mißtrauen des Königs von Spanien, indem sie ihm die Absicht unterschoben, er wolle sich zum selbständigen Herrn der entdeckten Länder aufwerfen, od. er behalte das gefundene Gold für sich, statt es nach Spanien zu senden, u. dergl. mehr. Außerdem beschwerten sich Unzufriedene, welche von Amerika zurückgekehrt waren, über die ihnen von Seiten C-s widerfahrene Behandlung. Darauf wurde ein gewisser Aguado nach Hispaniola gesandt, um C. zur Rechenschaft zu ziehen; dieser verweigerte aber dem Abgesandten Rede u. Antwort zu stehen u. kehrte, um sich selbst zu vertheidigen, am 20. März 1496 wieder nach Europa zurück. Nachdem er sich von jedem Verdacht gereinigt hatte, segelte er am 4. Juli 1498 mit 6 Schiffen zum 3. Male nach Amerika. Alsbald wurde ihm Franc. Bovadilla nachgesandt, um Rechenschaft von ihm zu verlangen; dieser ließ C. mit seinen Brüdern verhaften u. 1500 in Ketten nach Spanien bringen. Nachdem er sich abermals gerechtfertigt hatte, aber als Statthalter abgesetzt worden war, ging er am 2. März 1502 mit 4 Schiffen zum 4. Male nach Westindien, auf welcher Reise er Brasilien berührte u. im Golf von Mexico am Festlande hinfuhr, welches sein Bruder am 17. Aug. in Besitz nahm. In Westindien hatte er fortwährend mit Chikanen des Statthalters zu kämpfen. Er kehrte nach Spanien zurück, u. von den Reisestrapatzen u. dem Kummer über den Undank der Spanier ergriffen, starb er am 20. Mai 1506 in Valladolid. Mit seltenem Scharfsinn u. seiner Beobachtungsgabe verband C. einen durchaus edlen Charakter, eine unbegrenzte Liebe zur Natur u. eine hohe Verehrung ihres Schöpfers. Seine kindliche Frömmigkeit u. sein gläubiges Gemüth ließen ihm das als das Schätzenswertheste an seinen Entdeckungen erscheinen, daß sie zur Verbreitung des Christenthums von hohem Nutzen sein würden. Mit dem aus Amerika zu holenden Gelde, glaubte er, würde man einst die Befreiung des heiligen Grabes ermöglichen können. Er verfaßte ein Buch der Prophezeihungen, in welchem er seine kosmographischen sowohl, wie auch seine mystisch-theologischen Ansichten niederlegte. Sein Leichnam, Anfangs in dem Karthäuserkloster zu Sevilla bestattet (wo ihm König Ferdinand ein prächtiges Denkmal mit der Inschrift: A Castilla y a Leon nuevo mundo dio Colon errichten ließ), wurde später nach San Domingo u. in neuerer Zeit nach Cuba gebracht, u. die Ketten, mit denen er einst gefesselt war u. die er immer bei sich trug, nach seinem letzten Willen mit in sein Grab gelegt. Man hat von ihm schriftlich sein Testament vom Jahre 1493 (herausgeg. von Herrera u. A.). u. Briefe; das Tagebuch C-s der ersten Reise, herausgeg. in Nevarete's Viages de los Españöles, 1. u. 2. Bd.; Lebensbeschreibung von seinem Sohne Fernando (s. unten 5), von Bossi (franz. Par. 1824), von Spotorno (engl. aus dem 1821 von Paris nach Genua zurückgegebenen Codex diplom. Columbi bereichert, Lond. 1824, deutsch von A. Wagner, Lpz. 1825); von Irving (s.d.), von Ungewitter, Frankf. 1828 f., 4 Bde. 2) Bartolommeo, Bruder des Vor., ebenfalls früh Seemann, verließ noch vor seinem Bruder Italien, erhielt in Lissabon als Kosmograph u. Seekartenzeichner Ruf u. hatte auf die Bildung seines Bruders, als auch dieser dahin kam, viel Einfluß. 1488 auf einer Reise nach England begriffen, um Heinrich VII. für seines Bruders Unternehmen zu gewinnen, fiel er barbareskischen Seeräubern in die Hände, wurde erst nach einigen Jahren befreit u. kam von allen Mitteln entblößt in England an. Hier blieben jedoch seine Bemühungen fruchtlos. Nach Spanien zurückgekehrt, wurde er ehrenvoll aufgenommen u. geadelt u. folgte seinem Bruder nach Westindien, wohin dieser bereits seine 2. Reise angetreten hatte; Beide fanden sich auf Hispaniola u. er, zum Lieutenant Christophs ernannt, baute nach dessen Abreise die Stadt Domingo, wobei er jedoch durch seine Strenge den Haß der spanischen Colonisten auf sich zog. 1502 gründete er ein Etablissement auf Veragua, machte noch mehrere Reisen nach Spanien, bekam vom spanischen Hofe die kleine Insel Saona geschenkt u. die Direction über die Bergwerke auf Cuba. 3) Giacomo (in Spanien Diego genannt), 2. Bruder Christophs, nach der Entdeckung Amerikas ebenfalls geadelt, Gouverneur u. Präsident[270] des Rathes von Castilien, scheint wenig Einfluß bei den Unternehmungen Christophs gehabt zu haben. 4) Don Diego, ältester Sohn von C. 1), begleitete den Vater auf mehreren Reisen u. erbte dessen Rechte u. Ehren. 5) Don Fernando, unehelicher Sohn von C. 1) u. der Beatrice Henriquez aus Cordova, geb. um 1490, trat zur Kirche, bereiste Europa, um eine Bibliothek zu sammeln, u. st. 1540 in Sevilla; er schenkte den Dominikanern daselbst seine bis zu 12,000 Bänden angewachsene Büchersammlung (Colombine), u. beschrieb spanisch das Leben seines Vaters (durch Alfonso Ulloa ins Italienische übersetzt, Vened. 1571, n. Aufl. 1614, franz. durch Cotolendi, Par. 1681). 6) Don Luis, Marquese C., Herzog von Veragua, Sohn von C. 4), erhielt durch Karl V. den Titel Admiral von Indien, vertauschte aber die Würde eines Unterkönigs von Jamaica mit dem Titel Marquis, den eines Statthalters von Veragua mit dem Titel Herzog u. bekam jährlich 10,000 Golddublonen statt des C. angewiesenen Zehntels aller Erzeugnisse Indiens. 7) Diego, Neffe u. Erbe des Vor., mit dem 1578 die männliche Linie C. ausstarb. 8) Math. Realdus, geb. in Cremona, des berühmten Vesalis Prosector u. Nachfolger als Professor der Anatomie in Padua, 1546 in Pisa u. st. in Rom 1577; rühmlich bekannt durch seine großen u. zahlreichen Entdeckungen, berüchtigt durch seine sogar gegen seinen großen Lehrer gerichtete Selbstsucht. Er schr.: De re anatomica, Vened. 1559, Fol., n. Aufl. Par. 1562, 1572 u. ö. (deutsch von Schenk, Frankf. 1609); nach ihm benannt die Tunica innominata Columbi. 9) Pietro, geb. 1747 in Campo di Piera, gest. 1838 in Parma; er schr.: Lezioni sulle doti di una colta favella (vermittelnd in dem Streite über das Antike u. Moderne in der Literatur); Sopra cio che compete all' intelletto ed all' imaginativa nelle diverse produzioni dell' ingegno; Anweisung zum Schachspiel, Pad. 1832; als Agnolo Piccione mehrere Novellen; Sammlung, einer kleineren Schriften, Reggio 1826, Bol. 1830; Sammlung seiner philologischen u. pädagogischen Schriften, 1825, 5 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 269-271.
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