Johann

1. Der Johann ist mein, der Michel (29. Sept.) euer, sagt der Wiesenbauer zu seinen Arbeitern. (Memel.) – Boebel, 31.


2. Ein furchtsamer (blöder) Johann ist besser als ein todter.


3. Johann, schiessen sie noch? fragte der Lieutenant. (Neisse.)

Spott auf sehr vorsichtige Krieger. Es wird erzählt, dass ein Offizier während eines Gefechts sich zurückgezogen und vorstehende frage an seinen Burschen gerichtet habe, um zu erfahren, ob noch Gefahr vorhanden sei.


4. Johann, spann an, de Katten vöran, de Hunnen vörop und denn na'n Blocksbarg henop. Diermissen, 311.


5. Johann, spann an, drê Katten voran, drê Müse vörut, Johann, sett di up (oder: so fährt Johann to sin Brut).

»Mit Katzen, wer da ackern will, der spann' die Mäus' voraus, so geht es alles wie ein Wind, so fängt die Katz' die Maus.« (Wunderhorn, I, 211.)

6. Johann, spann dîn Wagen an, un hal förn Dreling Semp.Volkskalender, II.


7. Kôrd (Konrad) Johann maket biswylen ên êgen Nest.

Welchen Vogel das Sprichwort hier mit dem Konrad Johann meint, ob Zaunkönig oder Kukuk, weiss ich nicht, ändert auch die Bedeutung des Sprichworts nicht.


8. Von Sanct Johann läuft die Sonne winteran.

Auch die Czechen haben, dem neuen Kalender folgend, den Spruch: Von Johann dem Täufer an läuft die Sonne zum Winter und der Sommer zur Hitze; von Johann dem Evangelisten an kehrt die Sonne zum Sommer um und der Winter zu den Frösten. Dagegen behaupten die Russen, ihrem Kalender folgend: Mit Peter Athonsky (12. Juni) wendet sich die Sonne dem Winter und der Sommer der Hitze zu; mit Spiridion (12. Dec.), dem Sommerwender geht die Sonne dem Sommer und der Winter der Kälte zu. (Reinsberg VIII, 143.)


*9. Johann (jüdisch: Meschores) mach' Wind. Tendlau, 250.

Um ein anmassendes Begehren mit Spott zurückzuweisen. Nicht wahr, ich bin dein Diener, dass ich dir aufwarten und Wind fächeln soll.

*10. Sanct Johann's Segen trinken.Eiselein, 228; Sandvoss, 59.

In Wüurzburg: Johannis Säga trinke (Sartorius, 168), d.h. noch einmal zum Schluss trinken. In der Kirche versteht man unter Johannis Segen denjenigen Wein, der am Feste Johannis des Evangelisten, am 27. Dec., und bei feierlichen Hochzeiten nach der Trauung von dem Priester nach Vorschrift des Rituals gesegnet und dann von diesem den Gläubigen oder den Brautleuten, Zeugen und Hochzeitgästen in einem Kelche zum Trinken mit den Worten dargereicht wird: Bibite, amorem sancti Joannis in nomine Patris et Filii et Spiritus sancte. Amen. Es geschieht dies zur Erinnerung an den Evangelisten, dem der Heide Aristodemus einen Kelch mit vergiftetem Weine darreichte, um den Gott der Christen zu erproben. Das Gift verwandelte sich aber, nach der kirchlichen Sage, in eine Schlange und schadete dem Heiligen nicht. Darum heisst das letzte Glas, damit es nicht schaden möge, Johannis Segen. Der Johannissegen wird aber auch ausserhalb der Kirche getrunken und ist seinem Ursprung nach älter als die Kirche. »Beim Wirth saufts Brantwein, wie Johannissegen, nicht wahr, ihr Schelmengeschlechter, ehe ihr herkommt.« (Vgl. Schmeller, II, 268; III, 429.) Waldis (I, 49, 21) : »Denn du mich gedenkst zu verführen, mit meiner Hant dein wangen schmieren vnd schencke mir Sanct Johanssegen, wie die wölff den lemmern pflegen.« Der brachte mir Sanct Johanns Segen, das ist Sanct Johanns Minne. – Die alten Alemannen tranken, Columban's Nachricht zufolge, aus ihren grossen Bierkesseln Wuotan's Minne (Eiselein, 228; Grimm, Myth., 53), ein mit dem Zutrinken verwandter Gebrauch, der noch jetzt in den Rheinlanden und einigen andern Ländern herrscht. Ist ein lieber Gast oder Freund im Begriffe zu scheiden, so werden alle Gläser [1020] nochmals mit dem besten Weine gefüllt, angestossen und unter den Wünschen einer glücklichen Rückreise ausgetrunken. Dies nennt man: den Johannissegen trinken. Wie J. Grimm, nachgewiesen, ist dieser Gebrauch aus der heidnischen Zeit in die christliche übergegangen. Wie es uralter Gebrauch war, den Hausgöttern bei festlichen Mahlzeiten einen Theil der Speisen zurückzulassen und namentlich der Berchta und Hulda eine Schüssel mit Brei hingesetzt wurde, so liess man die Götter auch den feierlichen Trank mit geniessen. Aus dem Gefässe pflegte der Trinkende, ehe er trank, etwas für den Hausgeist hinzugiessen. Bei festlichen Opfern und Gelagen ward der Götter gedacht und Minne getrunken. Dieser Sitte entsagte man nach der Bekehrung nicht, sondern trank nun Christus, Maria und der heiligen Minne. Im Mittelalter waren es namentlich zwei Heilige, denen zu Ehren Minne getrunken wurde: Johannes (der Evangelist) und Gertrude. Johannes soll vergifteten Wein ohne Schaden getrunken haben und der ihm geheiligte Trunk gegen alle Gefahr der Vergiftung schützen. Gertrude aber verehrte den Johannes über alle Heiligen. Bei der Minne pflegten besonders Scheidende, Reisende und Friedliebende zu trinken. Nach einem alten Volksliede über den Johannissegen hatte sich ein armer Mann dem Teufel verschrieben, erhielt aber von der heiligen Gertrude einen Trank mit Johannissegen, sodass der Böse keine Gewalt über ihn hatte. Ein nürnberger Meistersänger (Handschrift des 16. Jahrhunderts) erzählt, ein mainzer Bürger habe sich dem Teufel verschrieben, der aber keine Gewalt über ihn gehabt habe, weil er den Johannissegen getrunken habe. Der Schluss des Meistersanges lautet: »Der Papst Pelagius (gestorben 560) anfing, dass man segnen sollt den Weine am Sanct Johannis Tag alleine, dass jedermann den Segen trank, also neme zu Dank ein Anfang Sanct Johannis Segen.« (Vgl. Fr. Grebel, Der Wein, in Hackländer's Hausblättern, Stuttgart 1867, 6. Hft.)


[Zusätze und Ergänzungen]

11. Es ist nicht immer Sanct Johann.

Nicht jeder Tag ist ein Feiertag.

Poln.: Nie zawsze świętego Jana. (Frischbier, 4282.)


12. Sanct Johann schlägt der erste Mäher an.

Holl.: Te Sint-Jan slaat de eerste maaijer an. (Harrebomée, II, 268a.)


*13. Dir kann man auch einen Johann nachschicken.

D.h. einen Diener, der die Arbeit noch einmal thut. (Westermann, Monatshefte, Nr. 188, S. 139.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870.
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