1. Alles Mehl hat Kleien. – Eiselein, 459; Simrock, 6928.
It.: Ogni farina ha crusca. (Eiselein, 459.)
2. Aus gestohlenem Mehl kann man auch Kuchen backen, aber sie sind bös zu verdauen.
3. Das Mehl (kaufe) beim Müller, das Brot beim Bäcker. – Altmann VI, 484.
4. Das Mehl des Teufels verwandelt sich in Grüsche (Kleie).
Frz.: La farine du diable s'en va moitié en son. (Bohn II, 28.)
Holl.: Het meel van den duivel gaat heel in gruis weg. (Harrebomée, II, 70b.)
Ital. Schweiz.: La farina dal diaul la va in crüsca. (Schweiz, I, 234, 9.)
5. Das Mehl gegen den Wind beuteln, ist Narrheit. – Simrock, 6931.
6. Das Mehl ist dess, der die Brote daraus bäckt. – Altmann VI, 441.
7. Das Mehl ist gut, aber der Sack taugt nichts.
Papst Clemens brauchte dies Wort in Bezug auf den gewandten Juristen Farinarius, auf dessen Namen es eine Anspielung ist. Derselbe besass eine tiefe Kenntniss des geistlichen und weltlichen Rechts, und strafte als Advocat und päpstlicher Fiscal mit unerbittlicher Strenge, sündigte aber selbst auf die sträflichste Weise.
8. Das Mehl vom Teufel geht gemeiniglich in Graus.
9. Der muss Mehl han, mehr denn viel, der allen 's Maul verstopfen will. – Eiselein, 453.
Lat.: Arbitrio non est nostri, quid quisque loquatur. (Eiselein, 455.) – Cunctorum, multis eget implens ora farinis. (Cato.) (Loci comm., 62; Gaal, 1144.)
10. Der muss vil mel haben, der alle meuler wil verkleybe. (S. Leute ⇒ 1348 u. ⇒ 1351 und Maul ⇒ 173, ⇒ 179 u. ⇒ 196.) – Franck, I, 85a; Egenolff, 344b; Eyering, I, 519; Gruter, I, 16; Lehmann, II, 157, 175; Winckler, I, 27; Schottel, 1127b; Gaal, 1144; Sailer, 282; Schmitz, 201, 255; Körte, 4188; Frischbier2, 2563; Braun, I, 2597.
Mhd.: Der muost mal han vil me daun vil wer yedems mul verstopffen wil. (Narrenschiff.) (Zingerle, 101.)
Dän.: Den skal have meget meel, der vil stoppe alle munde. (Bohn I, 355.) – Han skal have lange arme alle munde vil lukke. (Prov. dan., 35.)
Holl.: Het heeft veel meels van noode, de iedereen den mond stoppen zal. (Bohn I, 322.) – Het meel al was 't ook duizend pond, stopt nog niet eens één' klappers mond. – Hij behoeft wel meel met groote koppen, die allen klappers den mond zal stoppen. (Harrebomée, II, 76b.)
Lat.: Famam quotus quisque potest effugere. (Masson, 288.) – Multum farris habet qui cuncta obstruit ora. (Lochner, Com., 377b.) – Qui a malo liber est is etiam ad malum suspicandum tardior. (Sutor, 200.)
11. Es geht viel Mehl in einen Kasten.
12. Es gibt Mehl wie Korn. – Simrock, 6928a.
13. Es ist kein Mehl, es hat seine Kleien.
In Italien heisst es: Kein Mehl ohne Kleien, keine Nuss ohne Rinde, kein Korn ohne Stroh, kein Mensch ohne Fehl. (Reinsberg II, 74.)
14. Es ist kein Mehl so fein, es hat seine Klümpchen.
Manches ist sogar mit fremden Stoffen vermischt und gefälscht. So sagen die Perser: Das Mehl von Peschawer ist nicht ohne Beimischung von Gerste, und die Frauen von Kabul haben keinen Mangel an Freunden. Die Einwohner der Stadt Kabul sind theils Perser (Schiiten), theils Afghanen (Sunniten). Die Frauen der letztern haben, nach dem Beispiel ihrer betrügerischen und unmässigem Trunk ergebenen Männer, ebenfalls den Weg der Tugend nicht gewählt und leben in anderer [559] Weise, wie das Sprichwort andeutet, ausschweifend. (Vgl. Ausland, 1835, Nr. 164.)
Dän.: Intet meel er saa fiint, som jo har sander, eller viin saa klar, som jo haar bærme, eller træ saa godt, som jo har knort. (Prov. dan., 326.)
15. Es ist nicht alles Mehl, was weiss ist, sonst wäre die Katze nicht betrogen. (S. ⇒ Butter 22-24.)
Holl.: Het is niet al meel, wat witheid heeft. (Harrebomée, II, 70b.)
16. Es ist schade ums Mehl, wenn der Sack ein Loch hat.
Die Russen: Sorge, dass dein Mehlsack kein Loch hat. (Altmann VI, 485.)
17. Es müsste viel Mehl in der Welt sein, wenn man allen Ehrabschneidern das Maul verpappen wollte. – Chaos, 158.
18. Es müste einer viel Mehl haben, der allen bösen Leuten wollte das Maul verkleben. – Gruter, III, 35; Mayer, II, 174; Masson, 287.
19. Es wird nicht alles Mehl zu Kuchen1 verbacken. – Altmann VI, 485.
1) Kollern, sagt man in Petersburg. (Altmann V.) – Die Finnen: Nicht aus jedem Mehl gebacken wird ein süsser Hochzeitsfladen. Die Esten: Nicht alte Grütze wird zu Kuchen verbacken. Die Bulgaren: Nicht aus allem Honig wird Meth gemacht. Die Russen: Nicht aus allen Wachholderbeeren wird Branntwein gepresst. Nicht aus allem Rogen wird Kaviar bereitet. (Reinsberg IV, 21.)
20. Grobes Mehl für immer ist besser als feines Mehl nur von Zeit zu Zeit. – Burckhardt, 544.
21. Gut Mehl, gut Brot.
22. Gutes Mehl belehrt die Bäckerin, guter Flachs die Spinnerin.
23. Gutes Mehl hat auch seine Kleien.
Schwed.: Got miöl haar och sådor. (Grubb, 273.)
24. Gutes Mehl ist feiner Säcke werth.
Zur Bedauerung, wenn das Gute, Edle, Schöne in einem schlechten Gehäus ist.
25. Gutes Mehl verkauft sich allein.
Wer gute Waare hat, bedarf keiner öffentlichen Anpreisungen.
Port.: Faze boa farinha, enaõ toques basina. (Bohn I, 277.)
Span.: Haz buena harina, y no toques buzina. (Bohn I, 224.)
26. Hat man nur erst Mehl, der Sack findet sich wol. – Altmann VI, 402.
27. Je reiner mehl, je besser brot. – Henisch, 319, 49.
28. Man kann nicht das Mehl im Munde behalten und blasen. (S. ⇒ Geben 132.)
Zwei sich widersprechende Dinge, Thätigkeiten, Verrichtungen u.s.w. lassen sich nicht gleichzeitig von jemand ausführen, wie dies wol von allen Völkern sprichwörtlich ausgesprochen worden. So sagen die Engländer: Man kann nicht zugleich spinnen und weifen; die Spanier: blasen und schlucken, blasen und einathmen; die Venetier: trinken und pfeifen; die Franzosen: trinken und Feuer anblasen, jagen und das Horn blasen; die Lombarden: schlafen und Wache stehen u.s.w. (Reinsberg IV, 115.)
29. Man muss mit dem Mehl backen, das man hat.
Dän.: Man faaer at bage af det meel man har. (Bohn I, 386.)
30. Mehl ist Mehl, sagte die Maus und frass weizenes (oder: frass vom besten). – Altmann VI, 409.
31. Mehl vom Teufel gibt schlechtes Gebäck.
Frz.: Farine de diable se tourne en bran. (Leroux, I, 44.)
32. Mehl wie Korn.
33. Ohne Mehl geht's Brotbacken fehl. – Gaal, 1443.
»Ich wolt, dass ich die Frau find, die ohn Meel Brod bachen kündt.« (Sutor.)
Holl.: Men en can gheen broot backen sonder meel. (Horae Belgic., IX, 519, von Hoffmann von Fallersleben.)
Lat.: Panem Catharina (Justina) non conficit absque farina. (Sutor, 141.)
34. Ohne Mehl vnd Wasser ist nicht gut Brot backen. – Petri, II, 504; Mayer, II, 52; Körte, 4187; Simrock, 6939; Reinsberg IV, 3.
Bei Tunnicius (742): Sunder mâl unde water is quat backen. (Decoxit nullus panem sine farre vel unda.)
It.: Senza farina non si può far pane. (Pazzaglia, 262, 4.)
35. Siebe dein Mehl und iss deine Pasteten; aber hüte dich, es auszutrompeten.
36. Was man am Mehl gewinnt, mag man schon an den Kleien verlieren. – Altmann V, 127.
37. We vell Mehl de häw'n sull', de all' Müler verklöäwen wull'. – Schlingmann, 1046.
[560] 38. Wem man das Mehl gibt, der will auch noch Eier und Butter haben.
Um Ungenügsamkeit zu bezeichnen. Die Russen haben dafür das Sprichwort: Wer den Weizen hat, will auch den Reis haben. (Altmann IV.)
39. Wenn das Mehl verdorben, ist es zu spät, Kuchen backen.
40. Wenn es an Mehl fehlt, wird auch die Kleie verbacken.
It.: In tempo di carestia tanto si vende la crusca, quanto la farina. (Pazzaglia, 395, 5.)
41. Wenn ich Mehl hätte, ich büke Kuchen, sagte meine Mutter, es fehlt mir nur die Butter. (S. Bier ⇒ 26 u. ⇒ 36, ⇒ Hund 1631, ⇒ Katze 604 und ⇒ Kohl 18.)
Da, wo alles, oder gerade die Hauptsache fehlt. Wenn wir so viel Mehl hätten, wie wir keine Butter haben, sagen die Czechen, so würden wir für die ganze Welt Buchteln (runde, in Schmalz gebackene Kuchen mit Pflaumenmus in der Mitte) backen. Die Walachen: Wenn ich nur Mehl hätte, würde ich Eier borgen und Kuchen backen, aber es fehlt mir an Fett. (Reinsberg IV, 5.)
42. Wer das Mehl eigen hat, der achtet des Brotes nicht. – Altmann VI, 509.
43. Wer das Mehl gibt, dem fordert man auch die Säcke ab.
44. Wer das Mehl (sicher) haben will, muss den Sack selbst zur Mühle tragen.
45. Wer Mehl bey dem Becker kaufft, Kohlen bey dem Schmiede, Fleisch bey dem Metzger, Seyde bey der Kammer-Jungfrau, das ist theur wahre. – Schuppius, Tract.
46. Wer Mehl hat, kann Brot und Pasteten backen. – Altmann VI, 403.
47. Wer Mehl hat, kann leicht backen. – Reinsberg II, 128.
48. Wer Mehl1 in die Sonne stellt, muss auf Regen Acht geben. (Surinam.)
1) Wol ausgetrocknete Bananen, auch Gorgothen genannt. – Jeder muss seine Sache wahrnehmen.
49. Wer Mehl kauft, ist auf einem Auge blind; wer Brot kauft, auf beiden.
It.: Qui comporat sa farina, est cegu ad un oju, et qui comporat su pane, ad ambos ojos.
50. Wer Mehl versprochen hat, denkt oft genug gethan zu haben, wenn er Kleien gibt.
51. Wer mit Mehl umgeht, kann auch voll Mehl sein.
52. Wer sein Mehl mit Hühnerfett schmalzen will, wird keine fetten Kuchen backen. – Altmann VI, 390.
53. Wer sein reinstes Mehl in der Welt verstreut, bringt die Kleien Gott.
54. Wer sich des Mehls freut, sei auch mit den Kleien zufrieden.
*55. Aus dem Mehle wird kein Brot gebacken. – Frischbier2, 2590.
*56. Das gibt kein Mehl zu Brot (oder: zum Brei, in die Küche, in den Kasten, kein Speck in die Wurst). – Eiselein, 459; Körte, 4187; Reinsberg IV, 78; Braun, I, 2646.
Lat.: Nihil ad farinas. (Eiselein, 459; Tappius, 34a; Philippi, II, 21.) – Quid ad farinas? (Philippi, I, 22.)
*57. Das Mehl aus dem Sack schütten und Asche dafür einraffen.
*58. Das Mehl hat er gegeben, aber Kuchen hat er nicht erhalten.
*59. Das Mehl im Maul behalten. – Mathesy, 19b.
*60. Das Mehl ist noch nicht gemessen, wovon er das Brot soll essen.
*61. Er behält (kein) Mehl im Maule. – Luther's Tischr., 303; Eiselein, 504; Braun, I, 2648.
Wer nicht frei herausredet, der behält Mehl im Maul. »Lieber Erasme, du waschest den Pelz und machst ihn nicht nass. Ich lobe mir die von Wittenberg, die behalten doch kein Mehl im Maul, sondern sagen ihre Meinung frei und redlich heraus.« (Herzog Georg von Sachsen.)
*62. Er bläst sein Mehl in den Wind.
Holl.: Hij built het meel in den wind. (Harrebomée, II, 70b.)
*63. Er geht nach Mehl und verliert den Sack. – Winckler, XI, 67.
[561] *64. Er hat geröstet (oder gebacken) Mehl begert. – Henisch, 244, 63.
»D.i. er ist mit seim haussmälin (eigene Küche, Hauskost) nicht vergnügt; er begert anderswo etwas bessers vnd herrlichers.«
*65. Er hat Mehl im Munde und Holzbündel im Schlunde. (Leipzig.)
Von einem, der sehr undeutlich, unverständlich redet.
*66. Er hed nid übel Mehl a der Kelle. – Sutermeister, 74.
*67. Er (es) ist aus demselben Mehl gebacken.
Lat.: Ex eodem luto factus est. (Faselius, 338.) – Farinae ejusdem est. (Binder II, 1098.)
*68. Er ist nid ins Mehl g'kît. – Sutermeister, 89.
Nicht dumm, nicht mit Stroh ausgefüllt. Ueber kîen vgl. (ge-)heyen, keyen, bei Stalder, II, 31.
*69. Er nimmt Mehl genug, aber zu wenig Teig. – Parömiakon, 177.
Von Bäckern, welche das Backwerk zu klein liefern.
*70. Es geht viel Mehl in den Kasten. – Sutor, 368.
Von jemand, der viel Empfänglichkeit für Geschenke besitzt, bestechlich ist. Von Sutor a.a.O. mit den folgenden Redensarten: Du bist mit der silbern Büchsen geschossen. Dein Zung ist an ein gulden Ketten geschmidet. Man muss dir oft ins Büchsle blasen. Platteisen essen, so kleben die Händ. Schlüpffrige Händ bleibt leicht daran kleben. Du greiffst gern zu, hast lange Finger, für die lateinische: Fisco manus tingere.
*71. Es gibt nit mehl in den brey. – Tappius, 34a.
Es trägt nichts ein, es ist eine brotlose Kunst.
*72. Es gibt nit mehl in den sack. – Tappius, 34b.
*73. Es gibt nit mel in kasten, sack oder brei. – Franck, II, 33a.
»Brauchs, so du wilt ein Ding vnnütz heyssen, das nicht in die küchen trag vnd nit vol kästen mach«, sagt Franck und fügt für das lateinische: Nihil ad farinas, noch folgende verwandte Redensarten für diesen Zweck bei: Es tregt nit in küchen. Es ist nit för mich, tregt nit ein. Es ist kein gattung in meinen krom. Es gibt nit speck in die bratwürst.
*74. Gemahlenes Mehl mahlen.
*75. Nach Mehl kommen und den Sack darüber einbüssen.
*76. Will er Mehl, so will sie Gries, will er ⇒ sauer (s.d.), will sie süss. – Chaos, 653.
Uneinige Ehe.
77. Ein Sack voll Mehl und ein Beutel voll Geld, das sind die besten Vettern in der Welt. (Rumänisch.) – Franzos, Vom Don zur Donau.
78. Wer Mehl im Munde hat, kann kein Feuer anblasen.
[1597] 79. Wo man Mehl findet, mag man auch nach Speck suchen. (Rumänisch.) – Neue Freie Presse, 4592.
*80. Das Mäl im Mund behalten vnd mummum sagen. – Theatr. Diabolorum, 412.
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