Persien

Persien
Persien

[447] Persien, bei den Bewohnern Iran, heißt ein Reich im westl. Hochasien, das nördl. von Rußland, dem kaspischen See, der Bucharei, östl. von Afghanistan und Beludschistan, südl. vom pers. Meerbusen und dem ind. Meere, westl. von dem asiat. Theile des osman. Reiches begrenzt wird und auf mehr als 22,000 ! M. eine Bevölkerung von 7 Mill., nach Andern von 20 Mill. zählen soll.

Dem größern Theile nach dem Hochlande Iran angehörend, dessen Hochebenen sich bis 4000 F. über das Meer erheben, wird das heutige P. gegen O. durch kein Gebirge von den Nachbarländern geschieden, die sich übrigens auch erst in neuerer Zeit davon losgerissen haben. Um die südl. Ufer des kaspischen Sees erhebt sich das Elbursgebirge, äußerst steil gegen den See abfallend, zu dem von der Hochebene hinunter die vier beschwerlichen Pässe von Keramli, Kowar, Kurzan und Pil Rubar führen, von denen die beiden ersten die im Alterthum hochwichtigen kaspischen Pforten sind, durch welche die Hauptstraße von Ekbatana in Medien nach Baktrien und überhaupt östl. führte. Der höchste, die Schneegrenze erreichende Gipfel dieses Gebirgs ist der über 11,000 F. hohe Vulkan Demavend, 8 St. nordöstl. von der pers. Hauptstadt Teheran. Durch minder hohe Bergzüge steht der Elburs in der nordwestl. Ecke von P. mit den armen. Gebirgen und dem Kaukasus in Verbindung. Den Südwestsaum bildet in Kurdistan das wilde Zagroschgebirge, über welches von Bagdad aus nach der Hochfläche nur der Paß von Tauk oder Tak führt, welcher im Alterthum die Straße von Ekbatana nach Babylon war. Unter verschiedenen Benennungen ziehen sich vom Zagrosch südl. und südöstl. Gebirgszüge am Rande hin bis nach Beludschistan und am pers. Meerbusen entlang, wodurch dessen Gestade zu einem 4–6 M. breiten sandigen Küstenlande wird, wo im Sommer eine erstickende Hitze herrscht, auch der Samum oft weht, daher die Bevölkerung während dieser Zeit größtentheils in die Palmenwaldungen und Gebirge flüchtet. Diese bestehen fast durchgängig aus schroffen, grauen Felsenmassen, auf denen weder Baum noch Strauch gedeiht und die nur stellenweise auf kurze Zeit im Jahre ein dürftiges Grün bekeidet; eine Ausnahme davon machen blos die im pers. Armenien, wo Berge und Thäler mit der reichsten Vegetation prangen. Die Winter sind aber hier und in den angrenzenden Provinzen Kurdistan und Irak sehr streng und auch die Ebenen sind dann mit Schnee bedeckt. Der Boden, der nur von wenig Hügeln unterbrochenen Hochfläche ist thonartig und salzhaltig, auch nehmen besonders den östl. Theil des Reiches große Wüsten ein, unter welchen die von Naubendan an mehren Stellen über 40 M. breit, sowie über 80 M. lang ist und südöstl. an die große Salzwüste von Kerman sich anschließt. Das Klima der Hochebene ist durch beinahe beständig heitern Himmel und außerordentliche Reinheit und Trockenheit der Luft ausgezeichnet; im Sommer fällt weder Thau noch Regen und Gewitter kommen nur in der Regenzeit vom Nov. bis Febr. vor. Da nun besonders dieser Theil des Reichs sehr dürftig bewässert ist und die meisten Bäche und Steppenflüsse im Sommer meist ganz versiegen, so ist der Boden blos da des Anbaus fähig, wo künstliche Bewässerung demselben die erfoderliche Feuchtigkeit zuführt. Dies wird durch Kanäle und auch durch unterirdische Wasserleitungen bewirkt, deren Anlage und Unterhaltung zwar von besondern Beamten beaufsichtiqt werden, allein von denen bei den Kriegen und innern Kämpfen der neuern Zeit doch ein großer Theil eingegangen ist. Ganz P. hat keinen schiffbaren Fluß aufzuweisen und einigermaßen bedeutend sind nur der Arasch, welcher aber blos Grenzfluß gegen Rußland ist, der Kyzil-Ozan und der reißende Kurkan, welche nebst dem aus Afghanistan kommenden Tedsen in den kaspischen See münden; in den Tigris an der westl. Grenze ergießt sich der große Zab und der Kerah, sowie der Karun durch einen Kanal in den Schat el Arab oder vereinigten Euphrat und Tigris, doch steht der Karun auch noch durch fünf Ausflüsse, die Khores genannt, von denen aber blos der westlichste größern Fahrzeugen zugänglich ist, mit dem pers. Meerbusen in Verbindung. Bedeutende Landseen sind, außer dem nur noch zum kleinsten Theile zu P. gehörenden kaspischen See, nur zwei bekannt, von denen der Baktegan oder Hamkan im südöstl., der Urumia oder Urmia im westl. Theile des Landes, in den armen. Bergen liegt und sechs Tagereisen im Umfange haben soll. Sein Wasser ist salzhaltiger als das Meerwasser und an seinem östl. Ufer liegen bei dem Dorfe Schiramihe merkwürdige Teiche oder Sümpfe, in denen das Wasser sich fortwährend in einen schönen durchsichtigen Stein verwandelt, der in P. unter dem Namen tabrizer Marmor zu kostbaren Verzierungen der Paläste und Grabmale der Vornehmen verwendet wird. Manche Gegenden leiden häufig von Erdbeben und 1824 wurden Schiras, Kazroun und andere Städte durch ein solches Naturereigniß beinahe gänzlich zerstört.

Zu den Landeserzeugnissen P.'s gehören ausgezeichnete Pferde, Maulthiere, Esel, Kameele, Dromedare, Rindvieh (auch Büffel), die sämmtlich als Hausthiere gehalten werden und unter dem Einflusse des gefunden Klimas eine ungewöhnliche Schönheit und Kraft erlangen; ferner Schafe, feinhaarige Ziegen, fast alles in Europa bekannte zahme und wilde Geflügel[447] und an Raubthieren Löwen, Tiger, Leoparden, Hyänen, Wölfe, Schakals und Füchse, sowie Gazellen, Hirsche und Hafen. Affen gibt es nur am pers. Meerbusen, wo auch Perlen (s.d.) gefischt werden und wie im kaspischen See auch der Fischfang wichtig ist. Die edelsten Obstsorten, Wein in mehr als 40 Arten, Südfrüchte, Palmen am pers. Meerbusen, Zuckerrohr, Gewürze, Rhabarber, Taback, Indigo, Krapp und andere Farbepflanzen, Mohn mit Benutzung auf Opium, Baumwolle, Reis und alle gewöhnlichen Getreidearten gedeihen in geeigneten Lagen und wo die Bewässerung nicht fehlt und sind nebst Kampher, Mastix, Gummi, Seide, baumwollenen und seidenen Zeuchen, zum Theil wichtige Handelsartikel. Der Bergbau wird höchst unvollkommen und wenig betrieben und liefert hauptsächlich Kupfer, Eisen und Blei, wenig Silber und Gold, Salpeter und Schwefel; auch gehören unter die Producte des Mineralreichs Porzellanerde, Rubinen und Türkise, Naphtha, Uberfluß an Salz und ein Mumie genanntes, sehr seltenes Bergharz, welches als Heilmittel gegen Wunden geschätzt und jährlich nur einmal in einigen Höhlen der nördl. Gebirge von königl. Beamten gesammelt wird. Heuschrecken weiße Ameisen, die in kurzer Zeit großen Schaden anrichten, Taranteln und Skorpionen gehören zu den Landplagen. Für den Handel, der bei dem Mangel von Wasserstraßen so weit er nicht über den pers. Meerbusen und die kaspische See betrieben wird, nothwendig durch Karavanen besorgt wird und meist in den Händen armen., christlicher und ind. Kaufleute ist, liefert der Gewerbfleiß noch Gold- und Silberstoffe, Kupfer-, Gold- und Silberwaaren, Schagrin und Saffian, Shawls und Teppiche. Die Bevölkerung besteht dem größern Theile nach aus den ansässigen Thats oder Tadschiks, welche Abkömmlinge von Persern, Arabern, Juden und Christen sind, die den Islam angenommen haben, aus Gebern (s.d.), Armeniern und aus Nomaden oder Ihlauts, welche etwa den zehnten Theil der Einwohner ausmachen. Die zahlreichsten und angesehensten dieser Nomaden sind die türk. redenden Stämme, welche durch die zu einem derselben, dem Stamme Kadschar, gehörende Regentenfamilie [448] das herrschende Volk sind; die übrigen sind Kurden, Luren und Seeraub treibende Araber am pers. Meerbusen. Landesreligion ist die mohammedanische von der Sekte der Schiiten, welche für den allein gültigen Nachfolger des Propheten oder als ersten Khalifen dessen Schwiegersohn Ali erklären und blos den Koran, nicht aber die mündlichen Überlieferungen Mohammed's und seiner ersten Schüler, deren Sammlung Sunna heißt, anerkennen. Die mohammedan. Sekten der Zabier und Ismaeliten, armen. und griech. Christen (etwa 60,000), Banjanen und Juden sind geduldet, die Parsen oder Gebern aber wurden oft verfolgt.

Die Bewohner stellen sich im Ganzen als ein wohlgebildeter, kräftiger, kriegsmuthiger Menschenschlag dar, ungleich gewandter und seiner als z.B. die Türken und mit großen Anlagen zur Dichtkunst, dazu gesellen sich aber Verstellung, Geiz, Eifersucht und die Hintansetzung jeder Verpflichtung, wo der Eigennutz ins Spiel kommt. Die Armen bewohnen elende Lehmhütten, allein auch die von Backsteinen erbauten Häuser der Wohlhabenden und die Paläste der Vornehmen, welche meist von Gärten umgeben sind, haben im Innern eine höchst einfache Einrichtung, obgleich die pers. Bauart zierlicher als die türk. ist. Teppiche und höchstens einige Polster zum Sitzen, welche unmittelbar auf den trockenen Erdboden gelegt werden, machen die ganze Einrichtung eines Zimmers aus. Man sitzt mit untergeschlagenen Beinen und beim Essen ist der Gebrauch von Messer, Gabel und Löffel noch nicht üblich, sondern die rechte Hand muß allein die Stelle derselben vertreten, während die linke müßig in das Gewand gesteckt wird. Bei Gastmahlen setzt man sich in einen Halbkreis und die Gerichte werden in Schüsseln für je zwei der Gäste vor dieselben hingestellt. Gern prunkt der Perser mit Waffen und Kleidung und die letzte besteht im Allgemeinen aus weiten und langen Beinkleidern, einem seidenen Hemde, einer Weste und einer Art Überrock, bald länger, bald kürzer, welchen ein Gürtel zusammenhält, in welchem der Dolch nicht fehlt; als Kopfbedeckung dient eine hohe Mütze von schwarzem Schaffell, der Kopf selbst aber wird bis auf zwei Locken hinter den Ohren kahl geschoren. Außer dieser männlichen Tracht stellt die vorstehende Abbildung auch die einer Tänzerin, sowie eine Perserin ohne die beim Ausgehen unerläßliche Verhüllung und eine mit derselben vor, die in einem weiten weißen Überwurfe, der bis auf die Füße reicht, und einem Schleier besteht, welcher nur eine kleine, länglichrunde Öffnung für die Augen hat. Vom öffentlichen und geselligen Leben sind die Frauen ebenso ausgeschlossen, wie bisher bei den Türken. Allgemeine Landessprache ist das Parsi oder Neupersische, welches verwandt mit dem wahrscheinlich vor Alters im nördl. P. herrschenden Zend, in welcher Sprache die Religionsbücher Zoroaster's (s.d.) geschrieben sind, sowie mit dem Pehlewi oder der alten Sprache des westl. P. ist. Während das Land den Arabern unterworfen war (636–1220), gingen viel arab. Worte in das Neupersische über, das auch mit arab. Buchstaben geschrieben wird und selbst im nördl. Indien besonders unter den vornehmern Mohammedanern sehr verbreitet und ungefähr wie die franz. in Europa, die Staatssprache des Orients ist. Außerdem wird noch Türkisch, Arabisch, Armenisch, Georgisch und Russisch- an der Ostgrenze die afghanische, an der westl. die kurdische Sprache geredet. Nach Maßgabe der Hauptsprachen ordnet sich auch die pers. Literatur, und in der Zend- und Pehlewisprache sind blos Schriften vorhanden, welche sich auf die Religion Zoroasters beziehen. Die ersten bekannten neupers. Schriften von theils dichterischem, theils geschichtlichem Inhalte rühren aus der ersten Hälfte des 10. Jahrh. her und diese beiden Zweige der Literatur sind überhaupt am fleißigsten angebaut worden. Im Übrigen beschränken sich die wissenschaftlichen Bestrebungen der Perser auf das Studium des Koran, welcher Quelle der Theologie und Rechtswissenschaft ist, auf Wahrsagekunst, Astrologie und Medicin, und danach ist denn auch der Unterricht in den zum Theil mit reichen Einkünften versehenen Madressen oder Schulen eingerichtet. Die erste und einzige Buchdruckerei ward im I. 1826 auf Betrieb des pers. Prinzen Abbas Mirza zu Teheran, sowie 1831 eine lithographische Anstalt zu Schiras errichtet.

Schon in der frühesten Zeit werden jene alten Perser, von denen noch das heutige P. den Namen hat, als ein tapferes Volk und besonders als treffliche Bogenschützen gerühmt, doch sind alle Nachrichten über dieselben ungewiß, bis sie unter der Führung des Cyrus (s.d.) als die Stifter eines großen Reiches auftreten, welches Medien und Kleinasien, sowie unterdes Cyrus Sohn Kambyses (529–522 v. Chr.) auch Ägypten umfaßte. Darius Hystaspes unterwarf Macedonien und Thrazien (s. Darius), ward aber dadurch in die noch seinem Sohne Xerxes (s.d.) und dessen Nachfolgern verderblichen Kriege mit Griechenland verwickelt. Unfähige Herrscher, welche das Spiel von Weibern und Günstlingen waren, führten später den Verfall des pers. Reiches herbei, dessen Thron Darius Kodomanus 330 v. Chr. an Alexander den Großen (s.d.) verlor, nach dessen frühem Ableben 323 v. Chr. der größere Theil des pers. Reiches zu dem von Seleukus gebildeten syr. kam, welches dessen Nachfolger (die Seleuciden) bis 250 v. Chr. beherrschten. Um diese Zeit machten sich die Parther (s.d.) zum herrschenden Volke über P. und es behaupteten ihre Könige sich bis 229 n. Chr., wo sie durch einen Perser, Artaxerxes, Sohn des Sassan, gestürzt wurden. Seine Nachfolger, die Sassaniden, besaßen den Thron über 400 Jahre und hatten viel mit innern und äußern Feinden zu streiten. Einzelne große Fürsten dieses Hauses, wie Kosru Anushirwan (531–579), welcher sich die Länder vom Mittelmeer bis zum Indus unterwarf, und Kosru II. (591–628), welcher Ägypten und Äthiopien dazu eroberte, erhoben das pers. Reich vorübergehend auf den höchsten Gipfel der Macht, von dem es aber schnell wieder herabsank und 636 unter dem Khalifen Omar von den Arabern und Osmanen unterworfen wurde. P. war nun ein Theil des großen Reiches der Khalifen, bis es bei dem Sinken des Ansehens derselben die Beute einzelner Statthalter und mächtiger Familien und kühner Soldaten wurde, welche die Herrschaft über große Provinzen an sich rissen und einander streitig machten, bis durch Dschingis-Khan (s.d.) 1230 die Tataren und Mongolen in einem großen Theil P.'s herrschend wurden und eine mongol. Herrscherfamilie, unabhängig vom Großkhan entstand, welche 1387 von Tim ur (s.d.) wieder gestürzt wurde. Nach dem Tode dieses Eroberers nahm die mongol. Herrschaft über P. ein Ende [449] und die Turkomanen waren im 15. Jahrh. die Oberherren, zu Anfang des 16. Jahrh. aber wurde Ismael Sophi der Stifter einer neuen Herrscherlinie.

Als Nachkomme des im 18. Jahrh. berühmten heiligen Sophi, der wieder von dem angeblich allein rechtmäßigen ersten Khalifen Ali (s. Khalifen) abstammen wollte, bediente sich Ismael Sophi, geb. 1487, geschickt der religiösen Vorurtheile zu seinen Eroberungsplänen und hatte sich den größern Theil P.'s bei seinem Tode (1524) unterworfen. Er nannte sich Schah Ismael und führte die Sekte Ali (Schiiten) in den eroberten Ländern ein, über welche die Herrschaft seiner Nachkommen aber erst durch die Talente und Tapferkeit seines Enkels, des Schah Abbas I., der Große genannt (1587–1629), befestigt wurde. Er eroberte von den Türken ganz Armenien, Mesopotamien, Irak Arabi, im N. von den Usbeken Khorasan, von den Portugiesen die Insel Hormus im pers. Meerbusen, ihren wichtigsten Handelsplatz, Kandahar von den Mongolen, unterwarf Georgien von Neuem, und wählte das unter ihm aufblühende Ispahan zur Residenz. Die Nachfolger Abbas I. ließen aber das Reich wieder herabkommen und 1722 kam P. fast ganz unter die Herrschaft der Afghanen, die wieder seit 1728 von dem kühnen Nadir, den Häuptling einer Räuberhorde aus Khorasan, vertrieben wurden, welcher den Thamasp, einen Sohn des letzten Schah von P., auf dem Throne seiner Vorfahren herstellte. Nadir behielt jedoch unter dem Titel Thamasp Khuli Khan, d.i. Diener des Thamasp, die Macht selbst in Händen, entthronte Thamasp wieder, als derselbe Armenien und Georgien an die Osmanen abtrat, und ersetzte ihn durch dessen unmündigen Sohn Abbas III. Dieser starb 1735 und Kuli Khan nahm nun als Schah Nadir selbst den pers. Thron ein. Seine glücklichen Waffenthaten verschafften P. sein früheres Ansehen wieder und seine Eroberungszüge erstreckten sich bis nach Indien, wo er 1738 Delhi verwüstete und dem Großmogul einige Provinzen, sowie einen Theil seiner Schätze entriß, maßlose Grausamkeit aber hatte 1747 seine Ermordung durch seine eignen Befehlshaber zur Folge. Neue Zerrüttung riß nun in P. ein, von dem sich Kandahar und der östl. Theil unter Herrschaft der Afghanen ganz lostrennte (s. Afghanistan), und Georgien (s.d.) ebenfalls abfiel, während in Khorasan und Fars oder in den nördl. und westl. Provinzen, nach langem Kampfe mit Statthaltern und Bewerbern um die höchste Gewalt, der Kurde Kerym Khan, ein erprobter Krieger des Schah Nadir, die Regierung an sich riß. Er residirte seit 1755 zu Schiras, nannte sich aber nur Vekil oder Regent und gewann durch seine Gerechtigkeit und Kriegserfahrung die Zuneigung und Achtung des In- und Auslandes. Sein Tod (1779) hatte neue Kämpfe zwischen seinen Brüdern und Söhnen um die Oberherrschaft zur Folge, die endlich dem Eunuchen Aga Mohammed zufiel, welcher sich zuerst in Mazanderan unabhängig gemacht hatte. Er ernannte seinen Neffen Babakhan, aus dem turkomanischen Stamme Kadschar, zu seinem Nachfolger, und dieser nahm auch, nachdem Aga Mohammed 1796 von einem Sklaven ermordet worden war, unter dem Namen Feth Ali Schah den Thron ohne Widerstand ein und machte Teheran zu seiner Residenz. Seine unglücklichen Kriege mit Rußland kosteten ihm 1797, 1813 und zuletzt 1828 im Frieden von Turkmantschai ungeheuere Gebiete und große Summen, welche dem Sieger als Kriegs, kosten gezahlt werden mußten. Die dadurch hervorgerufene Erbitterung gegen die Russen brach im Febr. 1829 in einen Aufstand gegen den russ. Gesandten Gribojedow in Teheran aus, der einige georgische Frauen als russ. Unterthanen aus der pers. Sklaverei befreit hatte und darüber vom Pöbel mit seiner Gemahlin und dem größern Theile seines Gefolges ermordet wurde. Zur Genugthuung für Rußland wurde der Oberpriester als Hauptanstifter verbannt und 1500 Theilnehmern die Nase, die Ohren oder die Zunge abgeschnitten. Seit 1823 war P. den besonders 1830 furchtbaren Verheerungen der Cholera ausgesetzt, zu der sich im letztern Jahre auch die Pest in der Gegend von Teheran auf mehre Monate gesellte. Ein harter Verlust auch war für die Zukunft des Landes der 1833 erfolgte Tod des zum Thronfolger bestimmt gewesenen Abbas Mirza, geb. 1785, der bei großen Anlagen sich auch mit europ. Bildung bekannt gemacht hatte. Ein Sohn desselben, Mohammed Mirza, geb. 1806, folgte hierauf unter russ. und engl. Schutze dem am 20. Oct. 1834 verstorbenen Feth-Ali in der Regierung, um die er jedoch erst mit einigen seiner zahlreichen Oheime zu kämpfen hatte, indem sein Großvater 48 Söhne, sowie 200 Töchter von vier rechtmäßigen Frauen und mehren hundert Bei schläferinnen und Sklavinnen hinterließ. Einige jener Thronbewerber wurden von Mohammed Mirza's Soldaten unter Anführung des noch kürzlich einen hohen Rang im pers. Heere bekleidenden engl. Obersten Sir Henry Bethune gefangen und erlagen später der über sie verhängten harten Behandlung. Im J. 1837 unternahm der Schah behufs der Wiedereroberung der früher pers., jetzt zu Afghanistan und Kabul gehörenden Landstriche die Belagerung von Herat im östl. Khorasan und keine Vorstellung von Seiten Großbritanniens, dem an der Selbständigkeit der P. von seinen ostind. Besitzungen trennenden Reiche gelegen sein muß, konnten ihn von dem auf Betrieb der Russen und mit Beistand russ. Offiziere begonnenen Vorhaben abbringen. Sir Henry Bethune und die im pers. Heere angestellten engl. Offiziere nahmen daher ihre Entlassung, und den Vorstellungen des engl. Gesandten mehr Nachdruck zu geben, wurde die Insel Karak dicht bei Buschir im pers. Meerbusen im Jul. 1838 von einigen tausend M. engl. Truppen besetzt. Seitdem hat zwar der Schah die Belagerung von Herat vorläufig aufgegeben, allein die freundschaftlichen Verhältnisse zu Großbritannien sind noch nicht wiederhergestellt.

Die Gewalt des Schah von P. als Staatsoberhaupt ist unbeschränkt und alle Unterthanen sind seine Sklaven, die herumziehenden Horden der Turkomanen, Kurden, Araber und andere stehen jedoch durch ihre Häuptlinge nur in einer Art Lehnsverbindung zum Schah und bilden mit ihrer zahlreichen Reiterei den Kern des über 200,000 M. starken Heers, von dem etwa 20,000 M. auf europ. Art bewaffnet und abgerichtet sind. Die Waffen der Übrigen bestehen in Bogen und Pfeilen, Lanzen, Säbel und Dolch und Streitkolben. Eine eigne Waffengattung ist die Kameelartillerie, bei der jeder Mann hinter sich auf dem Sattel eines Kameels ein kleines Geschützrohr führt, das er beliebig richten kann und abfeuert, während das Kameel kniet, wovon die folgende Abbildung, sowie von andern pers. Kriegern und in der Mitte von einem Strafgefangenen eine Ansicht gibt. Eine Seemacht geht P. gänzlich ab, was zum Theil von [450] dem Mangel an Schiffbauholz herrührt, und auf dem kaspischen See darf jetzt ohnedies nur Rußland bewaffnete Fahrzeuge halten. Erbliche Würden und Standesunterschiede gibt es nicht, in einigen Familien ist jedoch der Titel Mirza erblich, den sie vor dem Namen führen, und nur die Söhne des Schahs dürfen denselben hinter ihren Namen setzen. Die Rechtspflege und die Religionsangelegenheiten stehen unter dem Scheikh Islam, dem ersten Gelehrten und Religionsdiener. Gesetzbuch ist der Koran und die Staatseinkünfte werden auf 30 Mill. Gulden geschätzt.

Das pers. Reich wird jetzt in 11 Provinzen getheilt, von denen die nordwestlichste, das gebirgige, 1400 ! M. umfassende Aderbidschan oder Aserbeidschan (d.h. Feuerland als Heimat der Feuerverehrung der Gebern), das im I. 760 von Zobeide, Gemahlin des Khalifen Harun al Raschid, erbaute Tabris oder Tauris zum Hauptorte hat. Von Krieg und Erdbeben oft verheert, ist diese Stadt doch eine Hauptniederlage pers. und ind. Waaren geblieben und zählt unter ihren 100,000 Einw. viel Baumwollen- und Seidenarbeiter; auch bestehen dort Pulvermühlen, eine Gewehrfabrik und Kanonengießerei. Durch die Grabmäler vieler pers. Könige und Heiligen, unter andern des Scheikh Sophi, Stammvaters der Sophiten, merkwürdig ist Ardebil mit 4000 Einw.; Khoi am Otrav mit 6000 Einw. ist nach europ. Art befestigt; das volkreiche und feste Urmia soll auf der Stelle von Tatarma, dem Geburtsorte von Zoroaster, stehen. – Die Provinz Ghilan bildet ein schmales Küstenland am kaspischen See, hat nur 246 ! M. Flächenraum, fruchtbaren aber sumpfigen Boden und liefert viel Reis, sowie die beste pers. Seide. Der Hauptort Rescht mit 60,000 Einw. liegt zwei St. vom See und hat wichtige Seidenwebereien. – Mazanderan am südl. Ufer des kaspischen Sees, seiner Fruchtbarkeit wegen der Garten P.'s genannt, enthält 356 ! M. und ist das Hyrkanien der Alten. Die Hauptstadt Astrabad ist sehr verfallen und hat kaum 20,000 Einw., liegt aber in schönen Umgebungen und ist der Hauptsitz des Stammes der Kadscharen. Eine der blühendsten Städte P.'s, das durch den Handel emporgekommene Balfrusch mit 200,000 Einw., liegt hier am kaspischen See, südöstl. davon Sari mit 40,000 Einw. Die ehedem prächtigen Residenzen Schah Abbas I., Farahabad und Aschraf, sind jetzt von Trümmerhaufen umgebene Dörfer. Der nordöstl. Theil dieser Provinz [451] führt auch den Namen Dahistan. – Von Mazanderan südl. liegt das schmale Bergland Taberistan, 327 ! M., dessen südl. und schon auf der Hochebene gelegener Theil Kumis heißt. – Khorasan, 3800 ! M., die nordöstlichste pers. Provinz, bildet den nördl. und südl. Abhang des hier niedrigen und kahlen Elbursgebirgs und hat gegen N. und O. sehr unbestimmte Grenzen. Die schlechtgebaute Hauptstadt Nischapur am Schurarud hat 5000 Einw., der berühmte Wallfahrtsort Mesched mit dem prächtigen Grabmale des h. Iman Riza aber 30,000, sowie Sammt- und Baumwollwebereien, Säbelfabriken und ansehnlichen Handel. Drei Meilen nördl. davon liegen die Trümmer der von Dschingis-Khan zerstörten Stadt Thus mit dem Grabmal des Dichters Firdusi. – Den höchsten Theil der Hochebene P.'s nimmt südl. von Khorasan die Provinz Kuhistan ein, die 1200 ! M. und viel umherziehende Bewohner enthält. Als volkreichster Ort dieser noch sehr unbekannten Landschaft wird die Stadt Birdschun genannt. – Die südöstlichste Provinz, Ker man mit 3000 ! M., das alte Karamanien, ist im N. zum Theil Wüste, die südlichsten Gegenden aber liegen am pers. Meerbusen und heißen Moghistan oder Palmenland. Der sonst wichtige Hafenplatz Bender Abassi oder Gamron ist des ungesunden Klimas und der bürgerlichen Unruhen wegen ganz herabgekommen und die dort bestandenen europ. Factoreien sind aufgehoben; von arab. Kaufleuten stark besucht ist das südlichere Kischmisch, der Hauptort der Provinz aber, die feste Stadt Kerman mit 20,000 Einw., vielen Seiden- und Wollenwebereien und Shawlsarbeitern, und Hauptniederlage des pers. Handels mit Bagdad, liegt dicht am Gebirge im nördl. Theile der Provinz. – Von der vorigen westl. und nordwestl. breitet sich vom pers. Meerbusen bis in die Hochebene hinein die größte und wichtigste Provinz, Fars oder Farsistan mit dem Bezirke Laristan aus, die gegen 6000 ! M. enthält. Der nördl. Theil dieses Stammlandes der alten Perser erhält auch den Namen Serdsir oder das kalte, der südl. aber wird Germsir oder das warme genannt. Fars ist noch die am besten angebaute Provinz P.'s und der Hauptsitz der pers. Betriebsamkeit, obgleich auch hier ganze Landstriche unter dem Drucke der Ereignisse verödet sind. Die Hauptstadt Schiras mit 20,000 Einw., welche 1824 von einem Erdbeben fast ganz zerstört wurde, genießt nicht blos durch ihre Zeuchfabriken, sondern auch durch die Pracht ihrer Gärten und die köstlichen Blumen derselben, besonders der Rosen, sowie des hier wachsenden herrlichen Weines wegen eine besondere Berühmtheit. In ihrer Nachbarschaft befinden sich die Grabmäler der Dichter Hafiz aus dem 14. und Saadi aus dem 13. Jahrh., nördl. davon aber liegen die berühmten Trümmer von Persepolis (s.d.). An der Grenze der Wüste liegt Jesd mit 50,000 Einw., der Hauptsitz der Parsen und ein für den Karavanenhandel wichtiger Platz, auf einer Erdzunge am pers. Meerbusen aber Abuschähr oder Bender Abu-Schähr, von den Europäern Buschir genannt, der wichtigste Hafenplatz P.'s mit 10,000 Einw., und auch von Karavanen besucht, der aber unter einem dem Statthalter zu Schiras zinspflichtigen arab. Scheikh steht, dem auch die Inseln Karak und Bahrein Abgaben zahlen. Mehre andere Inseln und ein großer Theil der Küstengegend gehorchen aber dem Imam von Maskate in Arabien. – Von Fars westl. bis an die türk. Grenze erstreckt sich die Provinz Khusistan, das Susiana der Alten, umfaßt 1400 ! M. und enthält die Hauptstadt Schuster mit 15,000 Einw. am Karun, welches unter dem Namen Susa die Hauptstadt der alten Perserkönige war. Gleichbedeutend ist die Stadt Difful, in den nördl. Gebirgen aber hausen im District Luristan die fast unabhängigen und ein Wanderleben führenden Luren. – Eine andere Grenzlandschaft gegen das osman. Reich ist der pers. Antheil von Kurdistan (s.d.), etwa 600 ! M. mit 450,000 Einw., das in seinen Gebirgen mancherlei merkwürdige Denkmale und Trümmer aus sehr früher Zeit aufzuweisen hat. Die Provinz Irak-Adschemi, d.i. pers. Irak oder Dschebal, das alte Medien, östl. von Tigris, umfaßt den größten Theil der Hochebene P.'s, hat über 4400 ! M. und enthält unter den meisten großen Städten des Reichs auch die Haupt- und Residenzstadt Teheran, am südl. Fuße des Demawend und Elbursgebirges, die zwar im Winter gegen 70,000 Einw. zählt, allein im Sommer der unerträglichen Hitze und der von den nahen Morästen dann verpesteten Luft wegen von allen Wohlhabenden verlassen wird. Vier Stunden nordöstl. davon liegt das vom vorigen Schah erbaute Lustschloß Tak-Kadschar (Thron des Kadschar), dessen kühner Bau an die hängenden Gärten der Semiramis zu Babylon erinnern soll. Im südöstl. Theil der Provinz liegt das berühmte Ispahan (s.d.), weiter nördl. Kaschan mit 30,000 Einw., die im Rufe vorzüglicher Verfertiger von Gold- und Silberstoffen und sehr schöner Gold-, Silber- und anderer Metallarbeiten stehen. Kum oder Kom mit 15,000 Einw., deren es aber früher 100,000 hatte, ist noch als Wallfahrtsort zu dem dort befindlichen Grabe der heiligen Fatime, Tochter Mohammed's, merkwürdig. In einer schönen, gut angebauten Ebene liegt Kaswin mit 60,000 gewerbsamen Bewohnern und am Fuße des Berges Elwend die Sommerresidenz der alten pers. Könige, Hamadan oder Amadan, das alte Ecbatana, jetzt ebenfalls sehr verödet. Ein wichtiger Gewerbszweig seiner Bewohner ist die Verfertigung der in ganz P. gebräuchlichen Nummuds oder Filzteppiche; Merkwürdigkeiten sind das Grabmal des berühmten arab. Arztes Avicenna, gest. 1036, und die angeblichen Gräber von Esther und Mardochai, zu denen die Juden wallfahrten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 447-452.
Lizenz:
Faksimiles:
447 | 448 | 449 | 450 | 451 | 452
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon