Bauerngut

[462] Bauerngut, ein Landgut, das der Privilegien der adligen Rittergüter oder andrer bevorzugter Güter nicht teilhaftig ist. Während bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die meisten Bauerngüter nicht im freien Eigentum des Bauern standen und mit mancherlei Lasten behaftet waren, hat die neuere Gesetzgebung durch Erhebung der bäuerlichen Nutzungsrechte zum vollen Eigentum und durch Ablösung der Reallasten den Grundsatz der Freiheit der Bauerngüter durchgeführt (s. Bauer, S. 459). Die üblichen Einteilungen der Bauerngüter haben infolge dieser Änderung ihre praktische Bedeutung verloren. Es gab Güter, die durchaus widerruflich, nur auf Herrengunst, andre, die auf Lebenszeit, zwei oder drei Leben verliehen waren. Wieder andre standen im Erbpachtsverhältnis, neben denen auch völlig freie Bauerngüter vorkamen. Die Meiergüter stehen in einem Erbpachts- oder Erbmeierverhältnis. Der Erbpachter hat nur ein in seiner Familie erbliches Nießbrauchsrecht und entrichtet dafür einen jährlichen unveränderlichen Zins. Hierher gehören der Erbmeiervertrag im Lippeschen, Paderbornischen, Braunschweigischen und Hannöverschen, die Erbleihegüter in Hessen und am Rhein, die braunschweigischen Schillingsgüter (deren Besitzer bei der Übernahme des Gutes dem Gutsherrn einen Schilling erlegt), die luxemburgischen Schafft- und Vogteigüter und endlich die auch im Hessischen vorkommenden Güter zu Waltrecht und zu Landsiedelrecht. Erbzinsgüter finden sich schon in früher Zeit, besonders beim Kirchengut, vor, sie wurden in Hessen als auf Oberbesserung gegebene, in Holstein und Schleswig als feste Hufen, in Bayern als Erbrechtsgüter, im Elsaß als auf Schaußelrecht verliehene und sonst noch als ehrschätzige Güter, Gültgüter, Kurmede oder Kurmedialgüter bezeichnet. Einfache oder schlechte Zinsgüter haben das gemeinsame Merkmal, daß der Bauer einen gleichförmigen geringen Geldzins zum Zeichen früherer Unterwürfigkeit oder eines frühern Eigentumsrechts des Herrn entrichtet. Die Meierdings-, Vogtdings-, Propstdings-, Freiendings-, Hägerdingsgüter führen ihren Namen von besondern Gerichten (Ding), denen sie unterworfen waren, die Stifts-, Kloster-, Kirchen-, Pfarrmeiergüter etc. von der Herrschaft, von der sie verliehen wurden. Hier und da (in Sachsen, Bayern, Württemberg) stehen die Bauerngüter auch in einem dem Lehnsverband nachgebildeten Verhältnis und heißen dann Bauer-, Schulzen- oder Beutellehen, auch Schupf- oder Fallehen, besonders wenn sie nach dem Tode des Lehnsmannes an den Lehnsherrn zurückfallen. Einfache Pachtgüter, jedoch mit verschiedenen Nebenbestimmungen, sind die Meier-, Leihe-, Winn- oder Gewinngüter, besonders die Halb- oder Halswinnegüter, bei denen der Pachter gegen die Abgabe eines bestimmten Teiles vom Gutsertrag den Bau des Gutes übernimmt, dann die in der Grafschaft Mark und Westfalen vorkommenden Leibgewinnsgüter, deren Nutznießungsrecht gegen bestimmte jährliche Abgaben erworben wurde, sowie die Behandigungsgüter, bei denen der Besitz oder Nießbrauch des Gewinnträgers von der gehörig erfolgten Behandigung, d. h. davon abhängt, daß in der Regel zwei Hände in das Behändigungsbuch eingetragen werden, nach deren Absterben neue Beleihung oder Behandigung zu suchen ist. Die hier und da vorkommenden Hobsgüter sind solche Gewinngüter, die von einem Oberhof abhängen und bei diesem gewonnen werden müssen; die Latengüter (Laßgüter), vorzüglich in der Gegend von Xanten, solche, die einem gewissen Gerichte, der Latenbank, oder dessen Statuten unterworfen sind. Auch die Kurmudsgüter sind gewöhnlich Gewinngüter, von denen die Besitzer die Kurmude (Sterbefall) bezahlen. Auf Widerruf verliehen sind die Laßgüter in Sachsen und in der Mark, die Herrengunstgüterin Bayern, die leibfälligen Güter in Schwaben. Eine Art von Bauerngütern, die im Münsterschen, Essenschen, im Kleveschen und in der Grafschaft Mark vorkommt, ist durch den Hofsverband, in dem sie zu einem Haupt-, Sal-, Ding-, Oberhof stehen, ausgezeichnet. Ihre Rechtsverhältnisse werden durch die Hofrechte bestimmt. Sattel- (Setel-), Sal-, Zedelhöfe und sattelfreie Güter werden in einigen Gegenden Lehns- oder Hobsgüter genannt, deren Besitzer ein Ritterpferd zum Dienste stellen müssen, so in der Grafschaft Mark; in andern bezeichnet man damit die ursprünglich adligen Güter, die später in die Hände von Bauern kamen; in noch andern die alten Salgüter, auf denen die ihnen einst nach den Hubrechten zustehenden Vorrechte sich noch erhalten haben, so im Elsaß, in Oberschwaben. Eigentlich freie Güter waren die schlechten Zinsgüter, wie die Stabrechtsgüter, ludeigne Güter in Bayern, Freigüter oder freie Zinsgüter im Erfurtischen; dann die Güter, die nur unter einem vogteilichen oder schutzherrschaftlichen Verhältnis standen (Güter der Wetterfreien in Westfalen, der Erbexen in [462] Bremen, der Erbhöfe in Lüneburg). In einem andern Sinne heißen auch solche Bauerngüter, die nur von Frondiensten, aber nicht von den allgemeinen Lasten der Untertanen frei sind, Freigüter, so in Sachsen. Die Benennungen Ackerhof, Vollspännerhof, Vollmeierhof, Halbacker-, Dreiviertelspänner- und Halbspännerhof sowie Groß- und Kleinköterhof, Kotsassenhof etc. beziehen sich nur auf den Umfang, nicht auf besondere rechtliche Verhältnisse der Bauerngüter.

Die besondern Rechtsverhältnisse und Rechtsgewohnheiten, die sich an die Bauerngüter knüpfen und die Erhaltung der letztern bezwecken, sind durch Bestimmungen der Partikularrechte und Anwendung des römischen Rechts vielfach abgeändert worden. Hinsichtlich der Vererbung findet sich durchgängig schon in früher Zeit die Regel, daß das B. nur in der Familie dessen forterbt, von dem es herrührt, und daß die Söhne vor den Töchtern den Vorzug haben, weshalb die Kinder der sogen. Auskömmlinge, d. h. derjenigen, die in die Familie des Hofbesitzers einheiraten, nie die Rechte erlangen können, die den Kindern des letztern zustehen. Seitdem das B. erblich ist, kann der Bauer innerhalb obiger Regeln über dasselbe beliebig, namentlich durch Erbverträge, verfügen. Stirbt er ohne Testament oder Erbvertrag, so entscheidet gewöhnlich das Los unter gleich nahen Erben über die Nachfolge im Hof. Unter den übrigen Verwandten gilt die Ordnung des gemeinen Rechts mit dem Vorbehalt, daß die Söhne vor den Töchtern und unter jenen hier und da die jüngern vor den ältern (sogen. Minorat) einen Vorzug haben. Wichtig ist die Unteilbarkeit oder Geschlossenheit der Bauerngüter, und was sich daran knüpft (s. Anerbenrecht und Abfindung). Danach ist jedes B. als ein Fideikommiß zu betrachten, das der zeitige Besitzer nicht zersplittern darf. Besonders sind solche Höfe unteilbar, die nicht volles Eigentum des Bauern sind, weil hier jede stückweise Veräußerung dem Gutsherrn oder Obereigentümer Nachteil bringen würde. Auf den Grundsätzen der Unteilbarkeit fußt die sogen. Pertinenzeigenschaft der Bauerngüter, wonach entweder die Teile, die seit einem gewissen Normaljahr sich bei einem B. befanden, oder die, welche von alters her dazu gehörten, davon nicht getrennt werden dürfen. Man gestattete dem Hofbesitzer in Fällen vollzogener Trennung ein Vindikationsrecht und machte ihm dessen Ausübung oft sogar zur Pflicht. Das auf diesem Weg erfolgende Herbeiziehen der Pertinenzien heißt das Reunieren und die deshalb anzustrengende Klage die Reunionsklage. Neuere Gesetzgebungen haben dagegen nach dem Vorgang des Code Napoléon und der deutschen Grundrechte das Grundeigentum für teilbar erklärt und die Verbote der Dismembration (s. d.) aufgehoben. Allerdings wird auch heute durch die Gesetzgebung mehrfach das Zusammenhalten der Höfe durch letztwillige Verfügung begünstigt, so durch das badische Landrecht, mehrere preußische Gesetze etc. (vgl. Höferecht). Eigentümliche Rechte knüpfen sich an das in die Bauerngüter in Form von Naturalien oder barem Geld Eingebrachte (Mitgift, Aussteuer, zugefreites Gut, Hauptgut etc.). Die vom gemeinen Recht abweichende Grundregel ist, daß die eingebrachten Gegenstände bei der Auflösung der Ehe nicht zurückgefordert werden können. Statt dessen werden andre Zugeständnisse gemacht: der Eingeheiratete hat den zeitigen oder lebenslänglichen Mitgenuß des Gutes; die überlebende Frau hat das Recht, einen Interimswirt aufzunehmen, und kann für sich und den zweiten Ehegatten eine teils den Kräften des Hofes, teils ihrem Zugebrachten angemessene Leibzucht fordern. Das Interesse des Gutsherrn sowohl als die Schwierigkeit für einen alternden Hofbesitzer, alle auf dem Hofe ruhenden Lasten zu tragen, machen es zuweilen nötig, daß der Hofbesitzer den Hof noch bei seinen Lebzeiten einem Nachfolger zur Bewirtschaftung übergebe, aber im Hofsverband insofern noch bleibe, als er auf Lebenszeit aus den Gutseinkünften gewisse Reichnisse bekommt, die er sich bei der Gutsübergabe vorbehalten hat. Hierin besteht das Wesen der Leibzucht oder des Auszuges. Verwandt hiermit ist die Einrichtung der Interimswirtschaft (s. d.), die im Interesse von Gutsherrn und Anerben verhüten soll, daß in der Zeit der Minderjährigkeit des letztern das B. verwahrlost werde. Eine wenigstens früher sehr gewöhnliche Last der Bauerngüter war die Laudemialpflicht (s. Laudemium), der gemäß der neue Erwerber des Gutes bei der Übernahme desselben eine gewöhnlich in Prozenten des Gutswertes bestehende Summe zu bezahlen hatte, die Handlehen, Weinkauf, Ehrschatz, Lehenware, Winnegeld, Anlait, Pfundgeld, Willengeld heißt. Als eine besondere Art der Vertreibung vom B. und des Verlustes desselben kam früher die Abmeierung (s. d.) vor, die zum Besten des Gutsherrn stattfindet, wenn der Bauer seinen Verpflichtungen in Ansehung des Gutes nicht nachkommt. Die neuern Gesetzgebungen haben fast alle diese Eigentümlichkeiten der sogen. Bauerngüter beseitigt, so daß auch das frühere Hauptmerkmal derselben, daß sie neben den allgemeinen öffentlichen noch besondere bäuerliche Lasten tragen, meist ganz verschwunden ist. Vgl. v. Maurer, Geschichte der Fronhöfe, der Bauernhöfe und der Hosverfassung in Deutschland (Erlang. 1862–63, 4 Bde.); Derselbe, Geschichte der Dorfverfassung in Deutschland (das. 1865–66, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 462-463.
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