Obstbäume

[193] Obstbäume, Bäume, welche eßbare Früchte tragen; sie sind entweder hochstämmige od. Zwerg- (Franz-) Bäume. Ihre Vermehrung, Veredlung u. sorgfältige Pflege ist Gegenstand der Obstbaumzucht. Man unterscheidet im Allgemeinen Wildlinge, welche ohne alle Cultur auch in Wäldern u. auf freien Plätzen wachsen u. sich von selbst durch Ausfallen der Kerne od. durch Wurzelausläufer vermehren; u. Veredelte od. Garten-O., welche die feinern Obstsorten liefern u. welche der Gegenstand der Zucht sind. Man erzieht Obstbäume durch Kerne, Stecklinge, Ableger, Wurzelschößlinge u. Veredelung. Die besten u. gesündesten Bäume erhält man aus Samen von edeln Obstsorten; die Vermehrung durch Stecklinge u. Ableger hat noch keinen befriedigenden Erfolg gehabt. Die Kernsaat geschieht bei größeren Zuchten in der Samenschule, welche sonnige, lustige Lage, kräftigen rajolten Boden u. eine Einfriedigung haben muß. Am besten legt man die Obstkerne im October u. November auf 3–4 Fuß breite Beete in 2 Zoll tiefe, 10 Zoll von einander entfernte Rinnen. Nach der Aussaat werden die Rinnen mit Erde flach bedeckt; im Frühjahr muß fleißig gejätet, behackt u. bei Trockenheit begossen werden. Im Frühjahr des zweiten Jahres werden alle Seitentriebe der Stämmchen abgeschnitten u. dieselben vom Gipfel an bis auf drei Augen verstutzt. Sind die Stämmchen zwei Jahre alt, so werden sie in die Baumschule versetzt. Die Baumschule muß eine freie, sonnige, lustige, gegen Nord u. Ost geschützte Lage u. einen tiefen, weder zu magern, noch zu fruchtbaren Boden haben, welcher 2 Fuß tief zu rajolen ist. Die Bäumchen werden in 24–30 Zoll von einander entfernte Reihen gepflanzt; jede Reihe muß einen Abstand von 16 bis 18 Zoll haben. Vorher werden die Wurzeln beschnitten, alle Seitenäste weggenommen u. der Hauptzweig bis auf drei Augen zurückgeschnitten. Die unten am Stamme hervorkommenden Augen sind als Räuber zu entfernen. Im Herbst schneidet man alle Seitenzweige weg u. läßt nur einen, den schönsten, Hauptzweig stehen, welcher der Hauptstamm werden soll. Jäten, Behacken, Begießen ist so oft als nöthig auszuführen. In der Baumschule werden die Stämmchen veredelt durch Copuliren, Pfropfen, Oculiren, Ablactiren (s.d.a.) etc. Die Veredlung geschieht bei hochstämmigen Bäumen ganz nahe am Boden, da der Schaft nicht über 6–8 Zoll hoch sein darf. Für Birnen sind Quittenstämmchen, für Äpfel der Stamm des Johannis- od. Heckapfels die beste Unterlage. Haben die veredelten Bäumchen die Dicke eines Daumens u. eine Höhe von 7–8 Fuß erreicht u. eine gute Krone gebildet, so werden sie auf den bleibenden Standort versetzt. In der Samen- u. Baumschule werden die verschiedenen Obstarten u. Obstsorten durch Nummerhölzer od. Etiquetten kenntlich gemacht. Ausgezeichnete Erfolge wurden mit dem Piquiren (s.d.) der Stämmchen in ihrer zartesten Jugend nach ihrem Emporkeimen im Mai erzielt. Ähnlich ist das Hooibrencksche Verfahren, wonach man die Wildlinge vom Samenbeete weg zwei Jahre nach einander im Frühjahr aushebt, die Wurzeln beschneidet, im dritten Jahre auf ihrem Platze oculirt u. erst wenn die Oculation gelungen ist, in die Baumschule versetzt. Auf schlechtem u. seichtem Boden wird auf diese Art ein sicheres Gedeihen erzielt. Weil die Wuchshaftigkeit, Dauer u. Tragbarkeit der verschiedenen Obstsorten durch Standort[193] u. Beschaffenheit des Grundstammes, auf welchen man sie veredelt, leicht große Modificationen erleiden, so gilt es, diese äußeren Bedingungen für die verschiedenen zu prüfenden Sorten so viel als möglich gleich zu machen, was zum Theil durch Probe- od. Sortenbäume bewirkt werden kann. Man veredelt nämlich einen u. denselben Grundstamm auf seinen verschiedenen Ästen u. Zweigen mit einer Anzahl der zu prüfenden fremden u. einheimischen Sorten. Die Wuchshaftigkeit derselben erkennt man nach einigen Jahren, bes. wenn eine bestimmte Sorte bei mehren Probebäumen selbst auf unbedeutenderen Nebenästen die anderen Sorten überwächst. Die Dauerhaftigkeit des Holzes u. der Knospen der verschiedenen Sorten kann man in einem harten Winter prüfen. Wiederholen sich diese Erfahrungen in späteren Jahren auf anderen Probebäumen bei diesen Sorten auf gleiche Weise, dann erkennt man nach einer Reihe von Jahren die Sorten, welche das Klima der Umgegend vorzugsweise vertragen. Ebenso verhält es sich mit Tragbarkeit u. Güte der Früchte.

Aus der Baumschule kommen die Stämmchen entweder in einen besonderen Obstgarten (s. Baumgarten), od. werden sonst in Gärten schicklich angepflanzt, od. auf freie Plätze, an die Seiten von Landstraßen, in Obstbaumalleen, in eigene Plantagen, od. auch, wo der Boden dafür günstig ist, in Felder (Baumacker), worauf Obstbäume u. Feldfrüchte od. Futterkräuter zugleich gezogen u. die Bäume weiter aus einander gesetzt werden, als in bloßen Baumgärten, od. an Abhänge von Bergen, in welchen Fällen man sie jedoch gewöhnlich etwas größer, bis 7 Fuß hoch, werden läßt, damit sie nicht so leicht von außen Beschädigungen leiden. Die Zeit der Versetzung der Obstbäume ist vom Herbst, wenn die Blätter anfangen gelb zu werden, bis zum Frühling. Beim Ausgraben junger Bäume muß man bes. die Haarwurzeln zu erhalten suchen. Man räumt zuerst die Erde vorsichtig von den Wurzeln weg, ohne die obenliegenden zu beschädigen, umgräbt das Stämmchen in einer Entfernung von 1 Fuß u. hebt es dann behutsam mit dem Spaten aus. An die Seite, mit welcher es nach Morgen stand, macht man ein Zeichen, damit man ihm an seinem neuen Standort dieselbe Richtung wieder geben kann. Die beschädigten Wurzeln schneidet man gleich über dem Schaden scharf u. so ab, daß die Schnittfläche auf die Erde zu ruhen kommt. Die Krone braucht man nicht so wie die Wurzeln zu schonen; je kürzer man ihre Zweige beschneidet, desto besser treiben sie wieder. Gleich starke, kegel- od. pyramidenförmig vom Stamme auslaufende Äste geben den schönsten Baum mit der regelmäßigsten Krone; hat der Baum zwei Hauptäste, so nennt man das eine Gabel. Bäume, welche man aus entfernten Gegenden im Winter erhält, müssen in die Erde eingeschlagen, od., wenn diese zu hart gefroren ist, in einem lustigen Keller bis zur Versetzung aufbewahrt werden. Die Baumlöcher müssen, wenn die Bäume im Frühjahr gesetzt werden sollen, schon im Herbst gegraben u. 3–5 Fuß im Durchmesser u. 2 Fuß tief gemacht werden. Die gute Erde wird bes. gelegt u. von Steinen gereinigt u. kommt dann an die Wurzeln des Baumes; fehlt gute Erde, so muß solche herbeigeschafft werden. Noch ehe der Baum gesetzt wird, schlägt man einen Baumpfahl (s.d.) in das Loch an die Südseite des Baumes u. drückt dann die Erde sanft an die Wurzeln des Baumes an. Zum Gedeihen desselben ist das Einschlämmen nothwendig, wo man das ganze Loch, in welches der Baum kommen soll, voll Wasser gießt, damit sich die Erde gut an die Wurzeln lege. Bei Füllung der Grube muß der Rand zunächst um den Stamm einen Kessel bilden, damit sich das Regenwasser darin ansammelt. Den Baum darf man nicht tiefer setzen, als er in der Baumschule gestanden hat. Regel ist es überhaupt, möglichst flach zu setzen. In unfruchtbarem, steinichtem, sumpfigem Boden ist es vortheilhafter, statt Löcher zu graben, große Erdhaufen aufzuwerfen u. in diese zu pflanzen. Junge Bäume müssen gehörig gepflegt werden. In den ersten Jahren nach der Anpflanzung muß der Boden um den Stamm herum, so weit die Krone reicht, stets locker u. von Unkraut rein gehalten, resp. umgegraben werden. Vom Sept. bis Nov. sind die Bäume auszuputzen (s. Ausputzen), von Moos u. Flechten zu reinigen; bei anhaltend trockener Witterung zu begießen, in unfruchtbarem Boden mit Compost, guter Erde, Knochenmehl, Mist, Asche, Seifenwasser, Blut, Hornspänen im Herbst zu düngen. Die Aste, welche die Krone des Baumes bilden sollen, müssen im ersten Frühjahr stark verstutzt, schwächere Aste auf wenig Augen zurückgeschnitten, alle anderen Äste u. Zweige, welche nicht zu einer schönen Krone taugen, abgenommen werden. Die bei dem Beschneiden entstandenen größeren Wunden sind mit Baumwachs (s.d.) zu bedecken. Junge Bäume sind gehörig anzubinden u. im Herbst gegen Wild durch Umbinden mit Dornen zu schützen. Unfruchtbare O. muß man, wenn Saftüberfluß die Ursache ist, schröpfen (s.d.), ringeln (s.d.), od. die Aste einbiegen; wenn Alter die Ursache ist, verjüngen (s.d.).

Besondere Arten der O. sind die Obstorangerie u. Zwerg- od. Franzbäume. Zwerg- od. Franzbäume sind Stämme, welche durch einen bes. künstlichen Schnitt in gewisse Formen gebracht u. so gebildet werden, daß sie mit ihren Kronen nicht über 6–8 Fuß wachsen, was von Vortheil ist, wenn man Obstbäume in Gärten auf Rabatten, od. auch an Wände u. Planken versetzt, od. in kälteren Klimaten seine, zärtliche Obstsorten erziehen will, da sie wenig durch Frost zu leiden pflegen u. auch gut tragen. Die Zwergbäume geben eigene Sorten von Früchten, die man bes. bei Apfel- u. Birnsorten als Franzobst bezeichnet, zarter sind u. eigene Schmackhaftigkeit haben, doch sich nicht lange halten. Die gewöhnlichen Formen, in welchen die Zwergobstbäume gezogenwerden, sind: a) die des Spalierbaums, welcher an einem Spalier in der Breite gezogen wird, aber auch für sich ganz frei stehend in Fächerform (Fächerbaum) gezogen werden kann; b) die einer Pyramide, vorzüglich bei Birnen gewöhnlich; c) die Buschform (halbhochstämmige Obstbäume); sie unterscheidet sich von hochstämmigen nur dadurch, daß man ihnen einen kurzen Schaft von nur 1–3 Fuß Höhe gibt; bekommt, wie gewöhnlich, ihre Krone durch Schnitt eine kugelförmige Form, so werden sie auch Kugelbäume genannt; d) die Kesselform, mit kronenförmiger Vertiefung in der Krone. Unter Obstorangerie versteht man von Natur niedrig wachsende od. durch die Kunst zu einem niedrigen Wachsthum gezwungene Obstbäumchen von Stein- u. Kernobst, welche in Blumenäschen od. kleinen hölzernen Kübeln mit Beschneidung der Wurzeln erzogen[194] werden; sie tragen eben so schönes Obst, als die gewöhnlichen Obstbäume, u. sehr bald, oft schon im zweiten Jahre. Die Obstorangerie ist ein treffliches Mittel in kurzer Zeit zur tüchtigen Kenntniß einer Menge Obstsorten zu gelangen. Auch wird durch sie die Erzeugung einer seinen Obstsorte durch künstliche Befruchtung möglich. Die Zucht u. Veredlung geschieht ähnlich wie bei gewöhnlichen Obstbäumen. Die Überwinterung kann in einem ungeheizten Zimmer od. durch Eingraben der Scherben in die Erde geschehen. Die Erde in den Scherben od. Kübeln muß eine gute kräftige Damm- od. Mistbeeterde sein. In größern Kübeln darf die Obstorangerie nicht unter 3. Fuß Schafthöhe u. nicht unter 12 Zoll Weite im Durchmesser haben. Obstprüfungsschulen sind Anstalten, welche zum Zweck haben alle vorhandenen Obstsorten kritisch zu prüfen, bes. in Bezug auf die Richtigkeit ihrer Benennungen. Eine Obstprüfungsschule wird im Wesentlichen ebenso eingerichtet wie eine Obstbaumschule; die Obstsorten sind aber nach ihrer Reifezeit zu ordnen, u. die Bäume derselben Sorte, wie sie aus den verschiedenen Gegenden u. Baumschulen bezogen werden, müssen beisammen stehen. Das ganze Areal wird in mehre Fuß breite Beete abgetheilt, u. die Reiser einer u. derselben Sorte werden auf einen u. denselben Baum gesetzt. Die Reiser tragen bald Früchte, u. nun zeigen diese, verglichen mit einander u. ihrer Beschreibung, ob sie wirklich die echte Sorte sind u. den richtigen Namen tragen.

Schon bei den Römern wurde die Obstbaumzucht sehr geschätzt. Die aus Griechenland, Armenien u. Syrien als Beute mitgebrachten Obstbäume dienten dazu, die Triumphe der Römer zu verherrlichen, u. schon Virgil u. die Schriftsteller über das Landbauwesen gaben Unterricht in der Baumzucht. Lange beschränkte sich dieselbe auf Italien; nach Galliens Eroberung wurde sie aber auch dahin verpflanzt. In Deutschland führte Karl der Große den Obstbau durch Befehle, welche er in seinen Capitularien gab, ein. In Augsburg, Ulm u. Nürnberg, wo 1621 Knabe seine Hortipomologia herausgab, fand man im 16. Jahrh. große Obstgärten. Auch die deutschen Fürsten, namentlich der Kurfürst August von Sachsen, von welchem 1636 ein Obstgartenbüchlein erschien, nahmen den Obstbau in Schutz, doch erlangte derselbe erst eine höhere Stufe, als aus der berühmten Karthause in Paris das Franzobst in Deutschland verbreitet wurde u. Quintiny, Duhamel u. Girardet wissenschaftliche Grundlagen der Pomologie aufstellten u. klassische Werke über diesen Gegenstand schrieben. In den Niederlanden erreichte die Obstcultur, unterstützt durch mildes Klima u. natürliche Fruchtbarkeit des Bodens, eine hohe Ausbildung, u. in Deutschland, wo schon früher Sickler, Christ, Diel u. And. sehr für deren Emporbringung gewirkt hatten, breitet sie sich jetzt, befördert durch viele Garten- u. Pomologische Vereine u. durch die alljährlichen Versammlungen deutscher Weinproducenten u. Pomologen, immer mehr aus. Vgl. J. V. Sickler, Über Erziehung, Pflege u. Schnitt der Obstbäume, Prag 1813, 3. A.; Dessen Deutscher Obstgärtner, Weim. 1794 ff.; Diel, Systematische Beschreibung der in Deutschland gewöhnlichen Kernobstsorten, Frankf. a.M. 1799–1819, 21 Hefte; Derselbe, Systematisches Verzeichniß der vorzüglichsten in Deutschland vorhandenen Obstsorten, ebd. 1818; Christ, Pomolagisches Handwörterbuch, Lpz. 1802; Derselbe, Pomologie, Frankf. 1809–12, 2 Bde.; Derselbe, Handbuch der Obstbaumzucht u. Obstlehre, ebd. 1816, 4. Aufl.; Reichard, Land- u. Gartenschatz, Erfurt 1819, 6. Aufl.; Lämmerhirt, Systematische Zusammenstellung der vorzüglichsten in Deutschland vorkommenden Äpfel- u. Birnsorten, Suhl 1836; J. G. Dittrich, Die vollkommene Obstbaumschule, Jena 1839; v. Kollar, Die Kernobstsorten Deutschlands, Prag 1839; E. J. Fintelmann, Die Obstbaumzucht, Berl. 1839; Zeitschrift für Freunde des Obstbaues, Dresd. 1839 ff.: Dittrich, Handbuch der Obstkunde, Jena 1839, 2. Aufl.; Abbildungen dazu, ebd. 1840; Lucas, Der Obstbau auf dem Lande, Stuttg. 1850, 2. Aufl.; Derselbe, Die Gemeindebaumschule, ebd. 1852; Derselbe, Über die Mängel u. Hindernisse des Obstbaues, ebd. 1854, 2 Aufl.; Dochnahl, Der sichere Führer in der Obstkunde, Nürnb. 1854; Oberdieck, Anleitung zur Kenntniß u. Anpflanzung des besten Obstes für das nördliche Deutschland, Lüneb. 1852; Langethal, Deutsches Obstcabinet, Jena 1854; Hardy, Der Obstbaumschnitt (deutsch von Jäger), Lpz. 1854; von Biedenfeld, Handbuch aller bekannten Obstsorten, Jena 1854; Jäger, Die Baumschule, Lpz. 1855; W. Löbe, Handbuch des Obst- u. Gartenbaues, ebd. 1857; Jahn, Lucas u. Oberdieck, Illustrirtes Handbuch der Obstkunde, Stuttg. 1858–60, 2 Bde.; Fischer, die zehn Gebote der Obstbaumzucht, Berl. 1861.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 193-195.
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