Oper

[305] Oper (ital. Opera), ein mit Gesang u. Orchestermusik, od. doch mit Instrumentalbegleitung vereinigtes Drama, dessen äußeren Rahmen die Dichtung (Text, Libretto) bildet, u. dessen Hauptaufgabe es ist, durch harmonisches Zusammenwirken der Musik, des Gesanges u. des Textes interessante Situationen u. Handlungen zur Darstellung u. Leidenschaften zur Anschauung zu bringen. Die einzelnen Gesangstücke darin werden entweder durch Recitative od. durch gesprochenen Dialog verknüpft; doch ist das Recitativ in der Italienischen O. nicht immer vom Componisten in Tönen wirklich vorgeschrieben, sondern der augenblicklichen Eingebung des Darstellenden überlassen, wodurch sich das Recitativo parlante bildet. Nach ihrem Inhalte ist die O. entweder ernst (Opera seria, Große O.), vol. welcher die Tragische O. eine Art bildet; od. komisch (Opera buffa, Komische O.), od. aus beiderlei Elementen gemischt (Opera semiseria, wie z.B. Don Juan, die Zauberflöte). Gehört die Komische O. dem bürgerlichen Leben an u. ist sie kurz, leicht u. ohne vorgeschriebenes Recitativ behandelt, so nennt man sie Operette. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Gattungen der O. sind oft bei einzelnen Werken kaum zu finden, u. selbst der darzustellende Inhalt ist manchmal gemischt. Indessen unterscheidet man doch hier im Allgemeinen zwischen dem historisch-wahren u. nur etwa aus Beweggründen der Ästhetik erweiterten od. abgeänderten Inhalte, wobei sich wieder die Unterarten der Helden- u. der Conversations- od. bürgerlichen D. ergehen; u. dem erfundenen, woraus die Zauber- u. Romantischen Opern entstehen. Letztere erfordern, um die Phantasie so zu beschäftigen, daß sie wirklich Geschehenes zu sehen glaubt, die meiste Zuthat an Decorationen, Maschinerie, Tänzen etc., dochwird jetzt auch bei der Heldenoper durch Aufzuge, blendendes Costume, Waffen od. andere eingelegte Ballettänze viel Pracht entfaltet. Vom Singspiele im engern Sinne unter die Situationen erweckten Empfindungen der Spielenden, diese aber auch das Geschehende selbst musikalisch behandelt. Verwendet der Tonsetzer für das Singspiel hauptsächlich schon vorhandene, namentlich altbekannte Melodien, indem er ihnen nur andern Text gibt, sie für seinen neuen Zweck verbindet, theilt etc., so entsteht das Vaudeville, wiewohl man nicht selten auch andere Singspiele (z.B. Himmels Fanchon) Vaudevilles nennt.

Da der Beginn der O. blos in die Verbindung verschiedener Madrigalien u. Chöre behufs Eines obersten Zweckes u. der dramatischen Darstellung gesetzt werden kann, so sind Opern in einer unvollkommenen Gestalt wohl schon früh als Schulacte, zur Faschingslustbarkeit etc. gegeben worden. Und als nun Adrian Willaert in Venedig um das Jahr 1530 seine Madrigalien aufbrachte, u. dieselben großen Beifall fanden, so lag der Gedanke nahe, aus ihnen ein von einer obersten historischen Idee getragenes Ganzes herzustellen. Am planmäßigsten geschah dies in dem Cirkel des Grafen Giovanni Bardi di Vernio (nachmaligen päpstlichen Capellmeisters) zu Florenz. Hier wirkte mit besonderer Thätigkeit vor u. um das Jahr 1600 Caecino, genannt Giulio Romano, mitwelchem Vincenz Galileiden begleiteten einstimmigen Gesang als den Grund der Opernarieschuf. In der Construction der O. selbst kamen Andere ihm zuvor, namentlich stellte der mediceische Capellmeister Emilio del Cavaliere, unter Anwendung des Caccinischen Recitativs, zeitig schon Schäferspiele u. ein dramatisches Oratorium (Geist u. Körper) auf, u. Jakob Peri brachte, unter Corsic Beihülfe, schon 1594 eine eigentliche O. (Daphne, mit Text von Rinuccini) zu Stande, wogegen Caecino seine Eurydice mindestens erst 1600 drucken ließ. Daher wird die Erfindung der O. bald ihm, bald Peri, bald Cavaliere, auch wohl schon Malvezzi, sowie dem Marenzio u. Quagliati zugeschrieben; das Hauptverdienst bleibt wohl Caecino. Waren aber seine u. Peris Werke noch unvollkommen, Cavalieres Arien überladen u. verschnörkelt, so gab bald darauf der Cremonese Claudio Monteverde, Kapellmeister in Venedig, dem Operngenre seine Gesetzmäßigkeit u. Classicität; er warf die contrapunktischen Künsteleien völlig bei Seite u. stellte in der Instrumentation bewunderte Erfindungen auf. An seinen Werken, wie Ariadne u.a.m., begeisterte sich Heinrich Schütz, Oberkapellmeister des Kurfürsten Johann Georg zu Dresden, welcher zur Vermählung der Prinzessin Sophia Eleonore mit dem Landgrafen Georg II. von Hessen die erste deutsche O. schuf, indem er Rinuccinis Text zur Daphne, von Opitz frei übersetzt, componirte u. zuerst im April 1627 auf dem Schlosse zu Torgau zur Aufführung brachte. Aber auch diese mit einem Ballet endende Daphne war von den heutigen Leistungen einer O. weit entfernt, u. Schütz selbst that für die O. keinen Schritt weiter vorwärts, es müßte denn das 1650 in Dresden gegebene Ballet (d.h. die mit Tanz verschönte O.) Paris u. Helena von ihm herrühren. Ihm folgte unter den Deutschen 1653 Mich. Jacobi, Cantor zu Lüneburg, Joh. Theile, welcher in Hamburg eine Opernanstalt gründete, welche sogar eine Opera buffa, den Don Quichotte von Förtsch, 1680 gab; in Leipzig wurde seit 1694 von einigen Studirenden in jeder Messe eine neue O. vorgetragen, in Dresden, Braunschweig, Berlin u.a. O. blieb die O. fürs Erste noch Sache des Hofes, u. Albrigis, Bontempis u. Perandas Werke für Dresden hatten italienischen Text. Berühmte Operncomponisten damaliger Zeit waren Strungk u. Cousser in Hamburg, Reinhard [305] Keiser in Leipzig, Fux in Wien u. Heinichen in Dresden. Die Operomanie hatte ums Jahr 1700 ihren Gipfel erreicht; jede Feierlichkeit heischte eine neue O., u. in Rudolstadt erschien sogar eine solche mit dem Titel: Die Weisheit der Obrigkeit in Anordnung des Bierbrauens. Indessen hatte Italien an der Vervollkommnung der O. fortgebaut; treffliche Werke lieferten ihm Carissimi, Foggia, beide Bernabei, Legrenzi, Stradella, Scarlatti, Porti, Lotti u.a., wie in Frankreich der Italiener Lulli, Cambert u. Campra, in England Purcell u.a. Junge Meister der nördlicheren Lande holten sich wieder aus Italien den feinern Styl, so Heinichen, Händel u. bes. Hasse, dessen prachtvolle O. zu Dresden das Muster für halb Europa war. Indessen wirkten Caldara u. Wagenseil in Wien, Jomelli in Stuttgart (später in Neapel), Rameau u. Monsigny in Paris, Vinci (der Erfinder des begleiteten Recitativs), Porpora, Leo u. Durante in Neapel, Galuppi u. Bertoni in Venedig, Pergolesi u. Guglielmi in Rom, in London aber Arne, welchen sich, unter Verlassung des italienischen Einflusses, Gluck zum Vorbilde nahm. Dieser trat als ein zweiter Schöpfer der Opernmusik in Wien u. Paris auf, u. wenngleich er mit Hasse u. Jomelli überall, mit Piccini u. Sacchini in Paris, mit Gaßmann in Wien zu wettkämpfen bekam, so hat er doch als Sieger durch charakteristische Wahrheit fast noch entschiedener in Frankreich, als in Deutschland das Feld behauptet. Ihn übertraf aber Mozart, welcher mit der Wahrheit das Ansprechende des Styles von Leo u. Hasse verknüpfte, u. neben welchem Vogler, Schulz, Naumann in seiner spätern Zeit, B. A. Weber u.a. minder beachtet wurden. Bleibendere Stätte gewann Glucks Styl in Paris durch die deutschen Meister Goffer, Gretry u. Vogel, durch die Franzosen Méhul, Lesurer u. Catel, durch die Italiener Cherubini u. Spontini. In jene Periode fallen auf dem Gebiete der deutschen O. noch die Begründung des Singspieles durch Hiller in Leipzig, u. der edlern Komischen O. durch Dittersdorf in Wien, auf welchen Gluck vielleicht noch stärkern Einfluß gehabt, als auf Mozart. In beiden Sphären aber hat später nur je Ein Meister sich hervorgethan: im Singspiele Himmel, in der Komischen O. Lortzing. Um die deutsche Operette machten sich Neefe in Bonn u. Schenk in Wien, ferner Schuster u. Bierey in Dresden u. Breslau, um die mehr possenhaft Komische O. Wenzel Müller verdient. Für die Große O. wirkten außer den Genannten Winter, Reichardt, Süßmaier, Gyrowetz, Kunzen, Weigl, Seyfried u.a. Italien blieb indessen der Scarlattischen Weise getreu; vor Anderen glänzten dort Paesiello, Cimarosa, Salieri (der jedoch von Gluck u. Mozart manches adoptirte), Zingarelli, Righini, Parr, der Spanier Martin u. der Deutsche Simon Mayr. Zu Paris lieferten im minder strengen u. großen Style d'Allayrac, Berton, Solié, Boyeldieu, della Maria u. der Isuarde Nicolo viel Treffliches. Nähere Beziehung auf die Gegenwart bieten unter den Italienern Morlacchi in Dresden, Generali in Novara, Rossini, Caraffa, Sampieri, Pacini, Donizetti, Bellini. In derselben Periode gehörte auch Meyerbeer entschieden den Italienern zu. In Paris waren es vor Allen Auber u. Herold, welche die Vergangenheit mit der Gegenwart vermittelten. Mit Aubers »Die Stumme von Portici« entstand der neuromantische Styl u. Inhalt der O., welcher zu seiner Zeit viel Anklang fand; Herold wurde mit seinem Zampa der Vorläufer der Meyerbeerschen Hauptopern, er liebte es, ältere deutsche Melodien in seinen neuen Opern zu adoptiren. Unter den Deutschen endlich sind hier bes. Weber in Dresden, durch welchen die Romantische Oper den Gipfel zum zweitenmale erreichte, Fesca in Karlsruhe, Schlard (Chelard) in Weimar, Lindpaintner in Stuttgart, Nicolai in Berlin u. Kreutzer zu nennen; Beethoven begnügte sich mit einer O. (Fidelio), u. F. Schuberts Bühnenwerke sind zu wenig bekannt geworden; Spohr hörte bald auf zucomponiren, Mendelssohn schrieb wenig für das Theater. Der neuesten Zeit gehören als Operncomponisten an die Italiener Ricci, Persiani, Verdi, Perotti, Rossi, Lauro, Mandanici, Litto, Nini, der ihnen anzureihende Irländer Balfe u. Adam; Deutschland stand ärmer an eigentlichen Meistern da, als jemals seit anderthalb Jahrhunderten, unter den noch wirksamen behauptet Marschner in Hannover den Vorrang, u. die ironisch-humoristische Seite der Romantik dankt ihm die höchste Ausbildung, Meyerbeer erreichte den Gipfelpunkt der neuromantischen O. u. ging nachher zur historischen O. über, welche hauptsächlich durch die Masse wirkt. Außer ihnen waren Operncomponisten: Flotow, Lachnerin München, Reißiger in Dresden, beide Mangold in Darmstadt u. Hartmann in Kopenhagen; Rastrelli, Dorn, Lobe, Hiller, Bertelsmann zu Amsterdam, Bennet in London, Gustav Schmidt; Richard Wagner (s.d.) nahm Glucks Ansichten von der Bestimmung u. Emancipation der O. wieder auf u. will in ihr Wort, Rhythmus u. Ton gleichberechtigt wissen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 305-306.
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