1. Erst hängen und dann den Process machen.
Span.: La justicia de Peralvillo, que a horcado el hombre le hace la pesquisa. (Bohn I, 226.)
2. Es lässt sich niemand für einen andern hängen.
3. Häng' dich, sagte der Doctor zum Kranken, der ihm geklagt, dass er weder sitzen, liegen noch stehen könne.
4. Hänge den Hund lieber, als dass du ihm einen schlechten Namen machst.
5. Hängen hat (ist) kein Jagen. – Bücking, 205; Petri, II, 376.
Vielleicht die Antwort eines Delinquenten, den man auf dem Gange zur Hinrichtung zur Eile antrieb und die, weil man es wahr fand, dass man zum Tode immer noch zeitig genug komme, zum Sprichwort wurde, das auch in anderer Hinsicht die reiflichste Erwägung vor der Fällung des Urtheils und seiner Vollziehung empfiehlt, weil ein Mensch schnell getödtet ist, aber wenn es geschehen, falls sich auch seine Unschuld erwiese, nicht wieder ins Leben zurückgerufen werden kann. Auch eine Aufforderung für die, welche sich in der Verzweiflung selbst das Leben nehmen wollen, nicht zu eilen, da in wenig Zeit alles eine bessere Wendung nehmen könne.
Holl.: Hangen heeft geene haast, als 't maar vóór het wurgen geschiedt. (Harrebomée, I, 272.)
6. Hängen hat nie jemand wohlgethan, sonst wollte hängen ein jedermann.
7. Hangen, raderen, köppen, stöcken is ghein sunde, wer datz nicht, wi beheylden ghein bitten nicht in dem munde. – Tappius, 65a.
Hängen, Köpfen, Rädern, Stöcken ist kein' Sunde. wär' das nicht, wir behielten keinen Bissen im Munde. – Aus der Blütezeit der Galgenherrschaft.
8. Hängen und Heirathen geschieht durchs Schicksal. – Demokritos, II, 285.
Engl.: Hanging and wiving go by destiny.
9. Henge weg, ehe das holtz vergehet. – Agricola I, 317; Lehmann, II, 261, 12; Herberger, II, 545; Simrock, 4328.
»Wen man wirdig achtet des todes, von dem sagt man: Henge weg, ehe das holtz vergehet, d.i. henge weg, die weil man bewme hat vnd holtz, daran man hencken mag.« (Agricola.) – Ein Richter aus jener Zeit sagte, wenn der Angeklagte alt war: »Henken, henken! er hat gewiss noch andere Verbrechen begangen«; war er jung, so rief er: »Henken, henken! er dürfte leicht noch mehrere Verbrechen begehen.« (Braun, Bibliothek, Bd. 3, Hft. 2, S. 59, 207.) – Auf der Synode zu Seligenstadt im Jahre 1022 wurde verordnet, dass, wenn ein Dieb auf der That ertappt werde, er sogleich aufgeknüpft werden solle, ohne dass man ihn erst zu einem Richter zu führen brauche. (Wagenseil, Aehrenlese auf dem Felde der Weltgeschichte, Altenburg 1832, Nr. 58.) Unter der Regierung Heinrich's VIII von England sollen, nach Harrison, 72000 Personen gehängt worden sein; unter Elisabeth jährlich nur 3-400.
Holl.: Hang hem, eer het hout vergaat. (Harrebomée, I, 335.)
10. Lât di jung hangen, denn warst nich old. (Ostfries.)
11. Lat man hänge, vakofft öss bôl, awa nich angeschafft. – Frischbier2, 1485.
[348] 12. Man hängt keinen Dieb wider seinen Willen. – Pistor., IV, 22.
13. Man hängt keinen, man habe ihn denn. – Eisenhart, 587; Pistor., V, 59; Sailer, 252; schlesisch bei Gomolcke, 727.
Wenn ein Richter auch das Urtheil über einen Verbrecher fällen kann, so muss er doch erst die Person des Verbrechers – und darauf geht das Sprichwort – in seiner Gewalt haben, ehe er die Todesstrafe an ihm vollziehen lassen kann. Wahrscheinlich hat man zu der Zeit, als dies Sprichwort entstand, noch nichts von der Vollziehung der Strafe an dem Bildniss eines Verbrechers gewusst, oder sie ist noch nicht so allgemein bekannt gewesen und angewendet worden, als dies später geschah.
Holl.: Men kan niemand hangen, eer men hem heeft. (Harrebomée, III, 28b.)
14. Man hängt keinen zweimal. – Eisenhart, 619; Hillebrand, 198, 284; Sailer, 253; Simrock, 4326; Pistor., I, 42.
Kann auf verschiedene Weise erklärt werden. Man hat zunächst die Frage aufgeworfen, ob ein Verbrecher begnadigt werden müsse, wenn der Strick nach der Aufhängung reisst. Einige Rechtsgelehrte meinen, es sei Grausamkeit, einen Menschen von neuem aufzuhängen, dem ein so günstiger Zufall das Leben erhalten habe. Danach war es ein noch im 17. Jahrhundert sich findender Brauch, dem Missethäter die Todesstrafe zu erlassen, wenn beim Hängen der Strick riss. Nicht blos, meinte man, dass der Verbrecher durch die Todesangst die Strafe ausgestanden habe; sondern man glaubte, die Vorsehung deute durch den Vorfall die Unschuld des Verurtheilten an und wolle von einem Justizmorde abmahnen. Andererseits sagt man, das Gesetz habe die Todesstrafe und nicht das blosse Aufhängen zuerkannt, sie müsse also auch, wenn die Absicht des Gesetzes erreicht werden solle, wirklich vollstreckt und könne nicht von einem Zufall, wie das Zerreissen des Strickes ist, abhängig gemacht werden. In Alfred Meissner's Seltsamen Geschichten (Prag 1859) findet sich übrigens ein Beispiel dazu, dass jemand zweimal gehängt worden ist. Und im Gesellschafter von Gubitz, 1835, S. 771, ist ein Fall aus dem 13. Jahrhundert erzählt, dass zwei Falschmünzer dreimal gehängt wurden. Es kann das Sprichwort aber auch dahin gehen, dass, wenn jemand mehrere Verbrechen begangen hat, auf deren jedes die Todesstrafe gesetzt ist, diese doch nur einmal an ihm vollzogen werden kann. – Die Russen haben die Redensart: Einen erst hängen, dann köpfen und zuletzt vollends umbringen. (Altmann VI, 516.)
15. Man hängt nicht, die gestohlen, man hängt, die man fängt.
Böhm.: Nevĕšejí toho, kdo kradl, ale kdo schovati neumĕl. (Čelakovsky, 147.)
16. Man hengt kin, ma hot'n den. – Robinson, 643.
17. Niemand henkt sich selber drumb, dass er gestohlen hat. – Sutor, 172; Henisch, 691, 10.
Lat.: Nemo nocens ipse sibi poenas irrigat. (Sutor, 172; Henisch, 691, 10; Philippi, II, 15.)
18. Soll man je hangen, so verdiene man den Galgen eben recht. – Gruter, III, 82; Eiselein, 203.
19. Was (wer) hängen soll, ersäuft nicht. – Pistor., IV, 70; Bücking, 310; Blum, 503; Schlechta, 45; Mathesy, 273a; Körte, 6485; Simrock, 4327; Sprichwörterschatz, I, 179; Braun, I, 1123; Lohrengel, I, 814.
Wat hänge sul, versöppt nich. (Frischbier2, 1484.)
Böhm.: Co má viseti neutone. – Co má viseti, neutopí se a by voda přes šibenici bĕžela. (Čelakovsky, 34.)
Dän.: Den drukner ei, som hænges skal.
Engl.: He that is born to be hanged, shall never be drowned.
Frz.: Ne puet noier qui doit pendre. (Leroux, II, 268.)
Lat.: Quem fata pendere volunt, non mergitur undis.
Poln.: Co ma wisieć nieutonie.
20. Was sol gehengt werden, das ersäufft lang nicht. – Petri, II, 609; Pistor., 257; Graf, 341, 358.
»Was gehangen sol werden, pfleget nicht leichtlich zu ersauffen.« (Herberger, I, 542.) »Wer hengen soll, ertrincket nicht.« (Waldis, IV, 13.) Dies Sprichwort hat, wie viele andere (z.B. Galgen 31-36) in der Rechtsanschauung, auf welcher die Ordalien beruhen, seinen Grund. Im allgemeinen wurde, wie Fr. Hasenow in einem Artikel Spuren der Gottesurtheile im Sprichwort (Europa, Leipzig 1867, Nr. 22), ausführt, angenommen, »dass schon auf Erden die Strafe den Verbrecher ereile. Wer jetzt das Wort im Munde führt: Wer hängen soll, ersäuft nicht. Was den Raben gehört, er trinkt nicht; will wol sagen: Niemand entläuft seinem Geschick, und selbst aus drohender Todesgefahr errettet die Vorsehung den Schuldigen, scheinbar ihm zum Glück, um nicht durch den zufälligen schmachlosen Tod den Verbrecher der schimpflichen Hinrichtung zu entziehen. Ohne Zweifel ist aber auch das gebrauchte Bild kein so zufälliges, die jetzige Anwendung eine sehr erweiterte und ursprünglich [349] in dem zum Sprichwort gewordenen Satze nur die Anschauung der ›Wasserprobe‹, des judicium aquaticum, wiedergegeben. Mit gebundenen Händen und Füssen wurde dabei der Angeklagte rücklings in einen Wasserkübel anderthalb Ellen tief hineingelassen. Nahm das Wasser ihn an, d.h. sank er unter, so galt er für unschuldig; schwamm er oben, für schuldig und dem Henker verfallen. Ein Exorcismus an dem Beschuldigten, wie an dem Wasser ging vorher. Das Wasser wurde beschworen, das es gefestet werde gegen den Feind des Menschen, den Teufel, und gegen den Menschen, der, von jenem verführt, diesen Diebstahl, Mord u.s.w. begangen, sodass es kein Untersinken des Schuldigen gestatte, sondern denselben von sich stosse und emporwerfe, den Unschuldigen aber nach Wassers Art in sich aufnehmen und ohne Schaden sinken lasse.«
21. Wenn einer eine Viertelstunde hängt, so hängt er mit jedem um die Wette. (Franken.)
22. Wenn ek einen hengen wil, en Strick kan ek bale krîgen. – Schambach, II, 484.
23. Wenn man ênen hangen will; so finnt man ok woll 'n Strick. (Bremen.) – Köster, 255; für Rastede: Firmenich, III, 26, 23.
24. Wer di hänge wöll, find't bol e Ströck. – Frischbier2, 1486.
25. Wer hängen soll zur Osterzeit, dem wird nicht lang die Fastenzeit.
26. Wer sich gestern gehängt hätte, wollte heute wieder los. – Meisner, 100.
27. Wer sich hängen will, findet bald einen Strick.
Dän.: Hvem der vil hænge sig finder nog en strikke. (Bohn I, 375.)
28. Wer sich hängen will, muss sich einen Baum (Nagel) dazu suchen.
29. Wer sich je hengen wil, der sol sich an ein schönen Galgen hengen. – Petri, III, 15.
30. Wer zum Hängen geboren ist, ersäuft nicht. – Frischbier, 302; Frischbier2, 1484; Eiselein, 280.
Dän.: Han drukner ikke, der hænge skal, uden vandet gaaer over galgen. (Bohn I, 373.)
Holl.: Die geboren is om te hangen, behoeft geen vrees te hebben van verdrinken. (Bohn I, 309.)
It.: Chi è nato per la forca mai s'annegherà. (Bohn I, 80.)
31. Wo wat hänget, doa wat rëiert1. (Büren.)
1) Re-ern, rëi-ern = rieseln, von trockenen, körnigen Stoffen gebraucht, z.B. von Sand, Korn.
32. Woas hänga soal, ersefft ne, soite de Moid, do hingk se sich oa an – Suldoaten. (Schles.)
33. Zum Hängen und zum Freien muss niemand Rath verleihen.
*34. Einen erst hängen und (ihn) dann fragen, ob er gestohlen.
Engl.: First hang and draw, then hear the cause by Lidford law. (Bohn II, 201.)
*35. Er ist zum Hängen geboren.
Der Galgenstrick.
*36. Es hängt alles an ihm wie Löffel am Galgen. – Schles. Provinzialbl., 1786, 338.
Von einem in seiner Kleidung nachlässigen, unordentlichen Menschen, den man in Schlesien »Latschhans, Latschgrete« nennt.
*37. Es hängt wie eine Kuh an einem Kirschbaum.
Von sehr unpassenden Zusammenstellungen und Verbindungen. Man denke sich einen blühenden Kirschbaum, an dem eine Kuh hängt.
*38. Hängen (kleben) bleiben. – Frischbier2, 1482.
In irgendeiner Weise gebunden werden.
*39. Mit Hängen und Würgen. – Frischbier2, 1483.
Eine Sache erlangen, etwas durchsetzen, zum Ziel kommen, einen Zweck erreichen; aber unter grossen Schwierigkeiten.
Holl.: Tusschen hangen en wurgen. (Harrebomée, III, 29a.)
*40. Sich an einen hängen wie Koth an den Wagen.
Die Russen: Sich an einen hängen: wie der Koth an das Rad der Telege. (Altmann VI, 520.)
*41. Sie hängen aneinander wie Maikäfer.
Frz.: Ils se tiennent tous par le cû, comme des hannetons (comme des juifs). (Kritzinger, 195a.)
42. As dü willst dich hängen, häng dich auf a grossen Baum. (Jüd.-deutsch. Warschau.)
Wenn man sich einmal einer Autorität unterordnet, so soll es eine hervorragende sein.
43. Dem, der sich hängen will, muss man keinen Strick zur Hand legen.
Die Russen: Wer Lust hat, sich zu erstechen, aus dessen Augen muss man die Dolche entfernen. (Altmann VI, 474.)
44. Eh ich lernt hangen hoch empor, wer ich erworget langist zvor. – Loci comm., 166.
Lat.: Addiscens alte suspendi, strangulor ante. (Loci comm., 166.)
45. Man kann einen nicht höher hängen als der Galgen ist. – Berliner Wespen, 1873, Nr. 24, S. 2.
46. Mancher hängt sich ans gross wie koth ans Radt. – Lehmann, 853, 10.
47. Mit dem Hängen hat's keine Noth, aber eh' man's gewohnt, ist man todt.
Holl.: Hangen heeft geen' nood: worgen brengt den dood. (Harrebomée, II, 129a.)
48. Wenn man nicht selber hängen will, so muss der Hund die Wurst gestohlen haben.
49. Wer sich hängen will, dem zieht der Teufel den Strick zu.
*50. Der hängt bei allem dr Katz d' Schell'n an. – Wurth, 32.
Macht es allen Leuten bekannt.
*51. Dös hanget scho lang drin und schreit: Dau bin e.
In Ulm, wenn jemand unnöthigerweise zum zweiten male nach etwas ruft.
*52. Einen hängen wie einen Dieb.
Me scholde jn henghen alzo deve. (Freybe, Redentiner Spiel, 1268.)
[1405] *53. Er hängt an ihr und vergisst sie nicht, wie an alten Weibern die Gicht, wie der kalte Leim am Tiegel, und wie das Quecksilber am Spiegel.
*54. Hangt jn nit, laist jn leben!
Lat.: Porta patens esto nulli claudaris honesto. (Weinsberg, 114.)
*55. Man wird mich (uns) deshalb nicht hängen.
So schlimm ist die Sache nicht.
*56. 'S hôtch g'wîs Enner g'hang'n. (Lusdorf bei Böhmisch-Friedland.)
Wenn heftiger Wind eintritt, meint der Volksglaube, es habe sich einer gehängt.
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