[439] Potsdam, 1) Regierungsbezirk der preußischen Provinz Brandenburg, gebildet aus der Priegnitz, der Mittelmark (ohne. den Kreis Lebus u. die Herrschaft Beeskow), der Uckermark u. den vor 1815 sächsischen Ämtern Jüterbock u. Dahme, dem Fürstenthum Querfurt, der Herrschaft Baruth, dem Amte Belzig u. noch einigen Theilen des Wittenberger Kreises; grenzt an Mecklenburg, die Regierungsbezirke Stettin, Frankfurt u. Merseburg, Anhalt u. Hannover; 382,5 QM., 1,310,000 (fast durchaus evangelische) Einw. (beides ohne die neu hinzugekommene Herrschaft Beeskow); Ebene, nur von geringen Höhen unterbrochen, mit sandigem, leichtem Boden u. einzelnen, sehr fruchtbaren Strichen, bes. in den Thälern; Flüsse: Oder, Elbe, Havel, Spree, viele Landseen u. mehre Kanäle (Finowkanal); Producte: Getreide, Vieh, Holz, wenige Mineralien; Industrie u. Handel meist in den Städten, vorzüglich in Berlin u. Potsdam. Der Regierungsbezirk begreift 14 Kreise: Angermünde, Belzig, Berlin, Jüterbock, Niederbarnim, Oberbarnim, Osthavelland, Ostpriegnitz, Prenzlau, Ruppin, Teltow, Templin, Westhavelland u. Westpriegnitz. 2) Hauptstadt darin, im Kreise Osthavelland, zweite königliche Residenz, Sitz der Regierung u. der Oberrechnungskammer, des Oberpräsidenten der Provinz, rechts der Havel, in welche die Ruthe fällt, u. an der Berlin-Magdeburger Eisenbahn, auf einer 4 Meilen Umfang habenden Insel (Potsdamer Werder) regelmäßig gebaut. Sie besteht aus der Alt- u. Neustadt (durch einen aus der Havel kommenden Kanal, über welchen 7 Brücken gehen, geschieden) u. aus 4 Vorstädten (Berliner, Nauener, Brandenburger u. Teltower Vorstadt). Aus der Altstadt führt über die Havel die 600 Fuß lange, 182225 erbaute eiserne Teltower Brücke. Plätze: Wilhelmsplatz, der alte Markt mit Obelisk, der Lustgarten (Paradeplatz), die Plantage, das Bassin (worauf das Tabakscollegium Friedrich Wilhelms I.); das sogenannte Holländische Viertel, von Friedrich Wilhelm I. angelegt. Kirchen hat P. fünf, darunter die Garnisonkirche, mit Begräbniß Friedrich Wilhelms I. u. Friedrichs II. u. Tropäen aus dem Kriege von 181315; die nach dem Pantheon in Rom erbaute Französische Kirche, die neue Nicolaikirche etc. Merkwürdige andere Gebäude: das königliche Schloß mit Lustgarten, das 660 Fuß lange u. 72 Fuß breite Reit- u. Exercierhaus; mehre Kasernen, namentlich die Gardeuhlanen- u. Gardehusarenkaserne. Wissenschaftliche Gesellschaft: Ökonomisch-märkische Gesellschaft mit Bibliothek u. Modellsammlung. Unterrichtsanstalten: Gymnasium, Landschullehrerseminar, Garnisoa- u. Industrieschule, höhere Bürgerschule, Provinzialgewerbschule, Cadettenhaus, Gärtnerlehranstalt mit Landesbaumschule. Wohlthätigkeitsanstalten: Stiftung (Luisendenkmal) zur Ausstattung tugendhafter Mädchen, Militärwaisenhaus mit mehr als 600 Zöglingen, Civilwaisenhaus, Armenhaus, Friedensgesellschaft zur Unterstützung talentvoller Jünglinge, Evangelisches Prediger- u. Schullehrerwittwenhaus. Industrie: Fabriken in Seiden-, Wollen u. Baumwollenwaaren, Leder, lackirten Stöcken, Fayence, Nähnadeln, Bleistiften, Knöpfen, Tapeten, Saiten, Zucker, Kutschen, musikalischen Instrumenten, chemischen Farben, Chocolade, Pottasche. Essig, Tabak etc., bedeutende Bierbrauereien u. Branntweinbrennereien. Vergnügungen: das Theater, wo das königliche Hoftheater in Berlin zuweilen Vorstellungen gibt u. im Winter die Martorelsche Truppe spielt; das Offiziercasino. Freimaurerlogen: Teutonia zur Weisheit u. Minerva zur Standhaftigkeit. Mit Militär 46,000 (ohne dasselbe 32,900) Ew. Vor dem Brandenburger Thore der Schloßgarten; hier Palais der Fürstin von Liegnitz; das Lustschloß Sanssouci, von Friedrich d. Gr. nach 1740, auf einem 60 F. hohen, terrassirten Hügel gegründet u. Lieblingsaufenthalt desselben so wie Friedrich Wilhelms IV.; jetzt ist es Wittwensitz der Königin Elise. Besondere Gebäude sind die Bildergallerie, das Cavalierhaus u. die neuen Kammern (Wohnungen für die Hofdamen). Vor der breiten Treppe der Terrasse springt eine mächtige Fontaine, welche durch eine Dampfmaschine, welche das Wasser auf dem nahen Ruinenberg in ein Bassin treibt, gespeist wird. Hinter Sanssouci steht noch die Windmühle, welche Friedrich in seinen Bauplänen sehr hinderte, welche er aber dem den Verkauf weigernden Besitzer nicht abzwang, u. die Allee, welche des Häuschens einer Wittwe halber, die sich gleichfalls weigerte es zu verkaufen, noch jetzt einen Winkel macht. Friedrich Wilhelm IV. kaufte beide an sich, um sie als Reliquie des Gerechtigkeitssinns Friedrichs II. zu erhalten. Marly Garten mit Friedenskirche, der Grabstätte Friedrich Wilhelms IV.[439] Die neuen Orangeriehäuser mit dem Rafaelsaal, ein Prachtbau Friedrich Wilhelms IV. (unvollendet), bestehend aus einem gewölbten Mittelbau mit zwei Thürmen u. Gallerien, an welchen sich links u. rechts lange Treibhäuser, wo im Winter die Orangerie untergebracht wird, anschließen. Am Ende dieser Treibhäuser springen Flügel vor, zu Cavalierwohnungen bestimmt. In dem Rafaelsaale befinden sich Copien der Rafaelschen Gemälde in Marmorsculpturen. Die den Bau umgebenden Gartenanlagen stehen mit Sanssouci in Verbindung. Ein Park verbindet Sanssouci mit dem Neuen Palais, von Friedrich II. zu Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 begonnen u. 1769 vollendet. Gegenüber der Hauptfaçade stehen die sogenannten Communs (j. Kaserne des Lehrbataillons), zwei durch eine Colonnade mit einander verbundene Gebäude. Hinter dem Neuen Palais an der Brandenburger Chaussee liegt der 2 Meilen im Umfang haltende Wildpark. Neben dem Neuen Palais ein Gebäude mit dem zweiten Exemplar der Rauchschen Statue der Königin Luise. 1/4 Stunde von beiden entfernt, durch parkähnliche Anlagen mit dem Garten von Sanssouci u. des Neuen Palais verbunden, liegt Charlottenhof, welches Friedrich Wilhelm IV. als Kronprinz für sich einrichtete, mit Villa im römischen Styl nach Modellen aus Pompeji; in der Nähe von Charlottenhof die Fasanerie. Auf der entgegengesetzten Seite P-s befindet sich am Ufer des Heiligen Sees das Marmorpalais, von Friedrich Wilhelm II. im Neuen Garten angelegt, vor dem Schloß steht ein Obelisk; außerdem sind in dem Garten der gothische Thurm mit Bibliothek, das Orangeriehaus, die ägyptische Pyramide, das maurerische Haus, die Meierei, das Grüne Haus. 1/2 Meile von P., nach Berlin zu, liegt die Pfaueninsel (sonst Kaninchenwerder) in der Havel, 2000 Schritte lang u. 500 breit; 17941797 in eine Gartenanlage mit Landhaus in Form einer verfallenen Villa (momentaner Sommeraufenthalt Friedrich Wilhelms III.) verwandelt; auf ihr liegen noch das Cavalierhaus, eine Meierei, bis 1849 Zwinger für ausländische Thiere, das Danziger Haus (von Danzig wegen seiner merkwürdigen Bauart hierher gebracht) etc.; der Insel gegenüber liegt das russische Blockhaus Nikolskoe, mit Peter-Paulkirche u. Schulhause, u. diesem gegenüber, jenseit der Havel, das Dorf Sacrow. In der Teltower Vorstadt bei P. liegt der Brauhausberg, mit Spaziergängen u. einer Burg in wendisch-gothischem Geschmack; der Stern, ein königliches Jagd- u. Lustschloß; 1/2 Meile von P., bei Klein-Glienicke, das 1834 in alt-deutschem Styl erbaute Schloß des Königs Wilhelm I. Im Dorfe Klein-Glienicke das Palais des Prinzen Karl von Preußen, mit Parkanlagen, dabei die Havelbrücke. Dort ist auch der Bahnhof der Berlin-Potsdamer Eisenbahn, welche nach Brandenburg u. Magdeburg verlängert ist. Vor der Nauener Vorstadt liegt noch die 1826 erbaute russische Colonie Alexandrewna, welche eine griechische Kapelle u. 13 auf russische Art angelegte Wohnhäuser enthält u. von Militärsängern bewohnt wird. P. ist eine alte slavische Anlage u. kommt schon unter den sächsischen Kaisern als Potzdubini vor; nach dem Aussterben der askanischen Fürsten in Brandenburg 1320 kam P. an das Stift zu Brandenburg, hernach an die Herren von Rochau, deren Einer es 1416 an Kurfürst Friedrich I. abtrat. 1660 legte Kurfürst Friedrich Wilhelm d. Gr. das Schloß u. den königlichen Garten an, u. er u. seine Nachfolger lebten viel in P. u. vergrößerten u. verschönerten Schloß u. Garten. Hier am 3. November 1805 geheimer Allianzvertrag zwischen Rußland u. Preußen, welcher jedoch durch die Schlacht von Austerlitz vereitelt wurde. Vgl. Schmidt, Geschichte u. Topographie von P., Potsd. 1825; Wegweiser in P. u. dessen Umgebungen, Berl. 1857. 3) Postort in der Grafschaft St. Lawrence im Staate New York (Nordamerika), am Racket River, an der P.-Watertown Eisenbahn u. an der New York Nordbahn; Akademie, Bank, Maschinenwerkstätten, Eisenwerke; 6000 Ew.
Buchempfehlung
Als leichte Unterhaltung verhohlene Gesellschaftskritik
78 Seiten, 6.80 Euro