Kunstgewerbe

[751] Kunstgewerbe. Im allgemeinen gehört zum Kunstgewerbe alles, bei dessen Herstellung eine gewisse künstlerische Tätigkeit sich entfaltet; wie weit diese Tätigkeit gehen muß, läßt sich nicht bestimmen und es bleibt der persönlichen Auffassung ein weiter Spielraum. Es verhält sich ähnlich wie mit den Begriffen Handwerk und Fabrik, die ohne große Willkürlichkeit nicht in feste Rahmen gefaßt werden können. Die erste Eigenschaft, die jeder kunstgewerbliche Gegenstand haben muß, ist die, daß er technisch vollkommen sei; erst auf der technischen Solidität baut sich die künstlerische Ausgestaltung auf. Ein Widerspruch in diesen beiden Eigenschaften wirkt abstoßend und macht den Gegenstand wertlos. Auch die übrigen Forderungen, welche die praktische Aesthetik an gewerbliche Produkte Stellt, müssen gerade bei kunstgewerblichen besonders hoch gestellt werden: es muß die äußere Form dem Material, der Technik und dem Gebrauchszweck vollständig entsprechen. Das Holz kann nicht wie Metall, Glas und Ton können nicht wie Bronze und Eisen ausgebildet werden; die Ornamente müssen Sinn und Verständnis haben und namentlich dazu dienen, Konstruktion und Zweck künstlerisch auszusprechen, zu kahle Flächen zu beleben oder wichtige statische Punkte hervorzuheben. Eine Einteilung der kunstgewerblichen Objekte kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus erfolgen. Man kann von einem Kunstgewerbe des Orients und des Abendlandes reden,[751] von einem Kunstgewerbe der verschiedenen Jahrhunderte, der verschiedenen Kulturvölker, von einem Kunstgewerbe nach den zu bearbeitenden Stoffen. Wir wollen nur letztere Einteilung wählen und die einzelnen kunstgewerblichen Produkte nach dem Material ordnen.

Die Textilarbeiten teilen sich nach der Art ihrer Herstellung in Flechtarbeiten, Gewebe, Stickereien, Spitzen und Näharbeiten; nach der Art des dabei verwendeten Materials in Seiden-, Baumwollen-, Wolle-, Jutestoffe u.s.w.; nach der Art ihrer Verwendung in Teppiche, Ausstattungs- und Bekleidungsstoffe. Unter den Flechtarbeiten nehmen die Posamente den ersten Platz ein. Wir haben hier nur jene Posamente im Auge, die als Abschluß von Dekorations- oder Bekleidungsstoffen dienen und in Quasten, Fransen, Gitterungen und Knüpfungen bestehen, und lassen die mehr gewebten Litzen und Bänder für Livreezwecke weg. Der Name Posamente ist von passamano abgeleitet, das eine Art Treppengeländer bezeichnet. Die Franzosen machten daraus passementerie, die Deutschen Posamenterie. Die Posamenterie hat sich erst in den letzten Jahrzehnten wieder zu einem kunstgewerblichen Zweige ausgebildet, nachdem die früheren schönen, längst vergessenen Arbeiten in den Museen und Sammlungen die Aufmerksamkeit der Fachleute wachriefen und eine etwas feinere Wohnungsausstattung das Bedürfnis erregte. Wichtiger als die Posamente sind die Produkte der Weberei und der damit verwandten Techniken.

In erster Linie müssen wir die Teppiche [1]–[3] erwähnen, die aber bezüglich ihrer Herstellung in vier ganz verschiedene Kategorien fallen: in geknüpfte, gewirkte, gewebte und gefilzte Arbeiten. Der Knüpfteppich ist wohl der ursprünglichste von allen. Die Herstellung erfolgt zumeist von Frauen und Kindern. Wir treffen den Knüpfteppich im ganzen Bereiche des Islam und als gesuchten Importartikel im ganzen Abendland. Bei der Fertigung des Knüpfteppichs wird in primitivster Weise eine Kette an zwei Balken vertikal befestigt und je nach Wahl und Muster werden an diese Kettenfäden einzelne kurze Wollfäden angeknüpft und darüber zur Verbindung des Ganzen kräftige Schußfäden angezogen und angeschlagen. Der Knüpfteppich besteht aus Wolle, und man hat es in der Hand, durch nochmaliges Ueberscheren die geknüpften Wollfäden kürzer oder länger, also den Teppich dünner oder dicker zu gestalten. Ueber die Geschichte der Knüpfteppiche haben vor allem die bahnbrechenden Arbeiten Riegls und das Prachtwerk über orientalische Teppiche, welches das k.k. österreichische Handelsmuseum Wien 1895 herausgab, ganz neues Licht verbreitet. Besondere Arten dieser Teppiche, die auch im Abendlande (Maffersdorf in Böhmen, Schmiedeberg in Schlesien u.s.w.) hergestellt werden, haben eigne Namen: To z.B. die Gebetsteppiche, die Kameltaschen, in denen der Reifende seinen nötigen Proviant mitnimmt. Ferner die Smyrna-, Mekka- und andre Teppiche, benannt nach den Häfen, von denen aus sie ins Abendland exportiert werden. Die zweite Klasse der Teppiche bilden die gewirkten Teppiche: in die vertikal gespannte Kette wird mit einer langen Nadel ein Muster mit Schußfäden eingewirkt und nur durch einige Fäden bleiben diese gemusterten Teile mit dem Grund verbunden. Ein solcher gewirkter Teppich zeigt die einzelnen Ornamente, Farben und Abteilungen wie mit kleinen Löchern konturiert und erlaubt selbstverständlich eine viel feinere und freiere Ausführung als der geknüpfte. Im Orient scheint seine Aufnahme in uralter Zeit durch die gewirkten Kleiderstoffe bedingt gewesen zu sein. Der orientalische Wirkteppich ist geschichtlich und technisch der Vorläufer unsrer sogenannten Gobelinteppiche (arazzi u.s.w.). Seiner ganzen Bedeutung nach ist er darauf angewiesen, als Wandverkleidung zu dienen, und nur die gewöhnlicheren Arten dienen als Diwandecken u. dergl., sogenannte Kelims. Der gewebte Teppich ist ein abendländisches Produkt. Ob derselbe plüsch- und samtartig oder glatt gewoben wird, immer erscheint er als der eigentliche Bodenteppich für unsre Verhältnisse. Im vorigen Jahrhundert hat sich auch der Jacquardwebstuhl der gemusterten Weberteppiche angenommen und auf diese Weise sie sehr verbilligt, ohne daß ihre Güte eine Einbuße erlitten hätte. Der Filzteppich, wie er namentlich in Ostasien sehr verbreitet ist, ist der orientalische Gebrauchs- und Fußteppich. Die Gewebe werden auf dem Webstuhl hergestellt; die darauf gefertigten Stoffe in Leinwand, Wolle, Baumwolle, Seide, Jute und andern neueren Materialien unterscheidet man nach der Art, wie die Schußfäden zu den Kettenfäden sich zeigen, und man spricht von einer Leinwand-, Köper- und Atlasbindung, die sich natürlich wieder in Varianten teilen.

Von den Wollgeweben haben wir die ältesten Reste. Man fand in Aegypten einen Kirchhof mit alten Gewandresten (Fig. 1), die etwa bis ins 6. Jahrhundert u. Chr. reichen, in den herrlichen Purpurfarben der Alten, Rot, Violett, Braun, Gelb, Schwarz, Grün u.s.w.; die sämtlichen Stoffe sind jedoch nicht gewebt, die Verzierungen sind nicht geflickt, sondern mit der Nadel eingewirkt. Auf diese Weise erklären sich die Ausdrücke alter Schriftsteller acu pictus als Werknadelarbeit, und da die kunstvolle Wirkerei, wie sie uns hier entgegentritt, auf eine mehrhundertjährige Tradition sich gründen muß, so ist es auch wahrscheinlich, daß die Bilder auf den Kleidern, gegen welche die alten Kirchenväter eisern, eingewirkt waren, daß die Gewandsäume, die wir auf den Kleidern der Griechinnen auf Vasenbildern sahen, eingewirkte Verzierungen sind, daß endlich die Frauen des heroischen Altertums, Penelope, Helena u.s.w., ihre[752] Gewänder mit kunstvollem Schmucke zu durchwirken verstanden. Ja, ein sogar ganz moderner Zug begegnet uns in diesen alten Stoffen: wir sehen aus ihnen deutlich, daß einzelne Teile für sich gewirkt und auf den gewebten Grund aufgenäht wurden. Im Mittelalter kam die Wirkerei vom Orient ins Abendland durch Vermittlung der Moslemin; wenigstens begegnen wir im frühen Mittelalter in Frankreich einer besonders unter dem Namen Tapissiers saracinois auffallenden Handwerksgenossenschaft, in der wir die historischen Vorläufer der Gobelinkünstler sehen.

Die Gewebe aus Flachs und Hanf zeichnen sich durch ihre Fertigkeit und Reinheit aus und sind deshalb für Leib- und Tafelwäsche bevorzugt. In der Regel sind die früheren derartigen Gewebe ohne jede Musterung; wenn eine solche notwendig schien, wurde sie mittels Stickerei in waschecht gefärbtem Garn – rot, blau, braun – angebracht. Für Vorhänge, Bettgardinen u.s.w. diente vielfach ein blau und weiß gemustertes Gewebe, das mitunter volle Städteansichten, Figuren u.a. brachte. Der Haupterzeugungsort dieser Art Stoffe scheint am Rhein, in der Nähe von Cöln, gewesen zu sein. Mit der Einführung des Jacquardwebstuhls in die Textilindustrie wird auch die Bildweberei in die Leinenfabrikation eingeführt.

Die Baumwollindustrie kommt nur insofern in Betracht, als sie das Material für den Kattundruck liefert. Beiläufig sei bemerkt, daß, wie die Baumwolle, selbst ein orientalisches Produkt, zunächst aus Indien kam, auch der Zeugdruck im Orient auf ein viel höheres Alter als bei uns sich zurückführen läßt. Gegenwärtig steht der Zeugdruck in hoher Blüte, und es haben in den zwei letzten Jahrzehnten die Engländer in bedruckten Baumwollgeweben Hervorragendes geleistet. Farbig bedruckte Cretonne- und Velvetstoffe (Fig. 2 und 3) haben sich, dank den Bemühungen erster Künstler, wie Crane, Wilson Voysey, Anning Bell, Arthur Silver u.s.w., den Weltmarkt erobert und lange Jahre alles übrige verdrängt, namentlich für Wandbespannungen. Die interessanteste unter allen Textilindustrien ist unstreitig die der Seide; die Chinesen waren hierin die ersten. Von China kam die Seide nach Japan, Persien, Indien, dann durch die Araber nach Aegypten, Nordafrika und Spanien. Durch König Rogers Kriegszug nach Griechenland und durch die Eroberung des nach der Fülle der Maulbeerbäume in Morea umgenannten Peloponneses kam die Seidenindustrie nach Sizilien, von da nach Italien, Frankreich, Deutschland u.s.w. Die ältesten Seidengewebe zeigen alle, wie heute noch die ostasiatischen, eine Musterung mit Tier- und Pflanzenfiguren. In den Inventarien alter Kirchenschätze werden diese Musterungen ausführlich geschildert; eine Hauptquelle sind die diesbezüglichen Aufzeichnungen des Bibliothekars Anastasius in Rom [3]. Bei den Arabern hatte sich die Tiersymbolik besonders reich ausgebildet, und eine Menge uns unverständlicher Zusammenstellungen, denen man später christlich symbolischen Sinn und Bedeutung unterschob, werden erst aus der orientalischen Bildersprache klar [4], [5]. Die Musterung vollzog sich ebensowohl auf geköperten wie auf glatten[753] und samtenen Geweben. Die Samtgewebe haben ein mehr oder weniger hohes Vlies, durch Aufschneiden der Schoßnippen entstanden, können dann stellenweise niedriger geschoren oder mit einem eingepreßten Muster versehen werden (ziselierter Samt) oder werden mit Gold- oder Silberfäden durchwirkt (broschierte Gewebe, Fig. 4). Diese Gold- oder Silberfäden werden heutzutage in Ostasien durch Goldpapierfäden und wurden früher durch cyprisches Gold – vergoldete und zu Fäden geschnittene Tiermembrane – ersetzt. Ein Versuch, diese cyprischen Goldfäden wieder einzuführen, ist leider gescheitert. Die geköperten, mit Gold und Silber durchwirkten Gewebe heißen Brokatgewebe. Eigentümlich ist ihnen, wie den Samtgeweben, das große Muster und namentlich das sogenannte Granatapfelmuster in allen Formen und Variationen (Fig. 6). Das steife Verhalten dieser Stoffe und der daraus gefertigten Gewänder bedingte einen knitterigen, eckigen Faltenwurf, wie er uns in den Figuren und Bildern der Künstler des Mittelalters fast ausnahmslos begegnet. Erst in der Renaissance, als die Tracht kleidsamer, mehr dem Körper angemessen erschien, wandte man sich von den großen Mustern ab und bevorzugte kleine Streublumen, die namentlich an Samtgeweben sehr vorteilhaft wirken (Fig. 5). Unter Frankreichs Führung kamen die Spitzenmuster auf, dann die großen Blumen, unter Ludwig XV. und unter Ludwig XVI, die kleinen Blumen, dann blumige Streifen – nach der Revolution wieder Blumen, bis in die vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, zu welcher Zeit man auf kirchlichen Gebieten zuerst zu den mittelalterlichen Stoffen, dann auf weltlichem Gebiete zu allen formschönen Motiven früherer Zeit zurückkehrte. Eine besondere Bevorzugung hat in dieser Zeit auch der schillernde Damast gewonnen, dann die mit Seide dem Schein nach imitierten broschierten GewebeBrokatell genannt. Hat die Muster- und Bildweberei der modernen Zeit an den Beispielen der Alten eine neue Blütezeit erlebt, so hat sie auch etwas Eignes von unvergänglichem Werte geschaffen, den Jacquardstuhl 1802, der den Webstuhl mit einer mechanischen Vorrichtung bereicherte, durch die alle die früheren mechanischen Hilfeleistungen von Menschenhänden überflüssig wurden und die Bildweberei jene Verbreitung und jenen Grad der Vollkommenheit erreichen konnte, der ihr heute eigen ist. In neuester Zeit werden Seidengewebe auch bedruckt mit Holzstöcken oder von Hand battikt. Die Battiktechnik stammt aus Indien und besteht in einem Tränken des Seidenstoffes an gewissen Stellen mit heißem Wachs, Färben und Wiederauswaschen des Wachses in heißem Wasser, Terpentin, Benzin u.s.w. Zum Aufbringen der Zeichnung sind besonders geformte Näpfchen aus Kupfer mit seinem Ausfluß nötig. Schließlich müssen wir noch eines Ausdrucks erwähnen, der häufig vorkommt, des Byssus. Byssusgewebe ist nach den analysierten Proben aus Leinen- oder Nesselfasern hergestellt, ist ungemein dünn und zart, von einem herrlichen glänzenden Schimmer und war das Material, aus dem die durchschimmernden choischen Gewänder der Alten, der sogenannte gewebte Wind, hergestellt waren.

Die Stickerei hat die Aufgabe, Gewebe und Stoffe mit Ornamenten u.s.w. zu versehen, die mittels der gewöhnlichen Nähnadel angebracht werden. Die Technik der Stickerei ist sehr alt; wir begegnen ihr an den altägyptischen Stoffen und im frühesten Mittelalter. Vorzugsweise in Schlössern und Klöstern von Frauen ausgeübt, wurde die Stickerei eine Hausindustrie, die bei allen Völkern heute noch blüht, bei denen sich eine nationale Tracht erhalten hat. Im Norden Europas, in Norwegen, Schweden und Rußland, in der Schweiz, in Spanien, Italien, in den Ländern des südlichen Donaugebietes ist die Stickerei hochentwickelt. Der Technik nach unterscheidet man folgende Hauptarten: 1. Stickereien mit aufgenähten Fäden, vorzüglich[754] bei der ostasiatischen Goldstickerei gebräuchlich. 2. Stickereien, die auf beiden Seiten vollständig gleich aussehen, doppelseitiger Plattstich, vielfach im Orient angewendet, aber auch im Abendlande nicht unbekannt. 3. Stickerei einseitig, mit nebeneinander gereihten Fäden, der einfache Plattstich. 4. Stickerei, auf einem trommelartigen Geräte mittels eines einer Häkelnadel ähnlichen Instrumentes ausgeführt, die Tambourinstickerei. 5. Applikationsstickerei, die einzelne nach einem Plane ausgeschnittene Gewebestücke auf den Grundstoff anheftet, sie mit Schnüren konturiert und die allenfalls entstandenen Lücken durch Plattstich ausfüllt (Fig. 7). 6. Kanevas- oder Straminstickerei, auch Kreuzstich genannt; die einfachste aller Techniken. Wird der Kreuzstich nur halb ausgeführt, wie bei ganz seinen Arbeiten, so heißt diese Stichart der kleine Stich (petit point). 7. Weißstickerei mit ausgezogenen oder ausgeschnittenen Fäden und Flächen, gewöhnlich auch schleswig-holsteinische Technik genannt 8. Weißstickerei auf beiden Seiten gleich. 9. Filetstickerei, durch teilweises Ausfüllen eines Maschengewebes hergestellt und endlich 10. die Maschinenstickerei. Die einzelnen Sticharten selbst haben im geschäftlichen Leben eine Unmasse eigner Namen, wie Holbein-, Stiel-, Hexen-, Gobelinstich u.s.w. Eine besonders schöne und eigne Art der Stickerei findet sich noch auf Stoffen in den Ländern am Mittelmeer und besteht darin, daß anstatt der Ornamente der Grund geflickt wird, die leer gelassenen Stellen aber das Ornament bilden. Stark beeinflußt ist die Stickerei der Moderne von Japan und England. Insbesondere sind englisches Leinen und englische Seide, die bei modernem Entwurf eine große Verwendung bei den weiblichen Handarbeiten gefunden haben (vgl. Stuttgarter Mitteilungen 1905/06, 3. Heft: Frauenarbeiten). In neuester Zeit hat die von Heilmann in St. Gallen erfundene Stickmaschine mit der Handstickerei einen Kampf aufgenommen, der aber nur in Massenartikeln zugunsten der ersteren ausfallen kann. Vgl. Sticken.

Die Spitzen datieren aus der Zeit der Renaissance. Man unterscheidet technisch Nadel-, Klöppel- und Maschinenspitzen. Die Nadelspitzen nahmen ihren Ausgangspunkt von der Stickerei auf Leinen mit ausgezogenen Fäden und eingenähten Müllern. Man fertigte dann Spitzen ganz mit der Nadel, indem man Leinenfäden auf Pergament nach bestimmter Zeichnung anheftete und dann diese Fäden mit Knopflochseide überstickte, erweiterte, vervielfachte und schließlich Knöpfchen, Rosen u. dergl. ansetzte. Zahlreiche Künstler machten Vorlagewerke zu diesen Spitzen, namentlich in Italien (Fig. 8); Frankreich und Deutschland folgten nach. In Frankreich wurden die Points de France eine gefeierte Spezialität. Statt die Spitzen mit der Nadel herzustellen, verfiel man auf den Gedanken, sie zu flechten, zu klöppeln. Das Muster wird auf Pergament oder Karton gezeichnet, diese Vorlage auf ein wulstartiges Klöppelkissen befestigt und daran werden durch Stecknadeln die Verschlingung- und Knüpfstellen markiert. Die mit Fäden versehenen Klöppel werden von der Klöpplerin um diese Stecknadeln geschlagen und dann ein künstliches Flechtwerk hergestellt. Das Heimatland der Klöppelspitzen ist gleichfalls Italien; von da aus verbreitete sich die Kunst nach Frankreich und England, nach der Schweiz und Deutschland, nach den Niederlanden und dem Norden. Von verschiedenen Städten und Ländern erhielten die Spitzen gewisse Namen, die aber weniger die Technik als vielmehr ein bestimmtes Muster bezeichnen. Eine besondere Spezialität sind die spanischen Seidenspitzen mit Goldfäden durchzogen, die Blonden. In neuester Zeit hat man auch die Spitzen maschinell auf dem Bobbinnetwebstuhl herzustellen verbanden. Diese Maschinenspitzen sind aber nur ein schwacher Ersatz für die Handspitzen, wie sie in Wien, im Erzgebirge und anderswo wieder in voller Feinheit herzustellen versucht werden. In engstem Zusammenhange mit den Spitzen stehen die leonischen Fabrikate als Abschlußverzierungen von Kleider- und Gewandstücken. Der Name hängt mit Lyon zusammen, von woher die französischen Reformierten nach Aufhebung des Ediktes von Nantes diese Kunst nach Deutschland brachten. Die leonischen Gold- und Silberfäden haben gewöhnlich eine Seele aus Kupfer. Diese Spitzen, Zacken und Litzen werden ausschließlich geklöppelt, und zwar in hausindustrieller Uebung. Hauptfabrikationsort ist Mittelfranken. Erwähnenswert dürften die sogenannten Frivolitäten sein, die mittels eines schiffchenartigen Gerätes in Spitzenart zu Ueberzügen und Decken hergestellt werden. Vgl. Spitzen.

Das Papier ist nach zwei Richtungen hin von größter Bedeutung: zur Aufnahme von Schrift und als Ersatz für Gewebe. Es hat von der Papyrusstaude in Aegypten den Namen bekommen. Diese heute in Unterägypten ganz ausgerottete und nur im Sudan, außerdem bei Syrakus auf Sizilien noch vorkommende Staude ist ein 2–3 m langes Binsengewächs, das in einen fächerartigen Wipfel verläuft; aus dem Mark des Schaftes wurde das Papier hergestellt. Man[755] schnitt das Bastgewebe des Stammes in dünne Streifen, die, neben- und übereinander gelegt, mit Wasser befeuchtet und mit hölzernen Hämmern auf fester Unterlage so geschlagen wurden, daß sich die einzelnen Fasern ineinander verfilzten. Heutzutage machen die Neuseeländer ihre Matten (tappas) in ganz ähnlicher Weise noch aus dem Baste verschiedener Pflanzen. Neben diesem eigentlichen aus Papyrus gefertigten Papier entstand frühzeitig eine Leinen-Papierindustrie (s. Papierfabrikation), und zwar zuerst durch chinesische Arbeiter in Samarkand. Eine kunstgewerbliche Bedeutung ersten Ranges beanspruchen die Papiertapeten und Buntpapiere. Die Papiertapete ist chinesischen Ursprungs und vertritt dort die Stelle unsrer Zugjalousien an den Flechtwänden und Gitterungen. Um das Jahr 1740 kamen durch eine englische Handelsgesellschaft solche Tapeten nach England und fanden bei der Vorliebe der damaligen Zeit für Chinesereien reißenden Absatz. Es entstanden alsbald Tapetenfabriken im Lande selbst, dann um 1780 in Frankreich, 1808 in Wien. Die Tapeten mußten bei der Mangelhaftigkeit der damaligen Papierfabrikation aus einzelnen geschöpften Bogen zusammengeklebt und mit Holzmodeln gedruckt werden (Fig. 9). Zuweilen wurde das Muster mit einer Kupferplatte vorgedruckt und mit Handmalerei vollendet. Mit der allgemeinen Aufnahme der Papiermaschine entstand, der Kattundruckmaschine nachgebildet, auch die Tapetendruckmaschine (s. Tapetenfabrikation). Die Buntpapierfabrikation (s.d.) ist älter als die abendländische Tapetenindustrie. Ihr Hauptsitz in Deutschland ist Aschaffenburg in Bayern. Eine intensive Ausbildung auf kunstgewerblichem Gebiete hat neuerdings auch die Buchausstattung erfahren, insbesondere durch Herstellung der Drei- und Vierfarbendrucke auf glattem Kunstdruckpapier. Der Bucheinband ist durch Anwendung der Vorsatzpapiere ein Gegenstand für künstlerische Bestrebungen geworden. Diese Vorsatzpapiere, deren Ursprung bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht, werden größtenteils mit der Hand gefertigt und mittels geeigneter Instrumente in farbigen nassen Kleister eingezeichnet u.s.w. (vgl. Kgl. Museum zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Führer durch die Sonderausstellung, Buntpapiere 1907). Man unterscheidet: gestrichene und gesprengte Papiere, alte und neue Tunkpapiere, Kleister-, Maschinenstreich- und Sprengpapiere, Modeldruck-, Walzendruckpapiere u.s.w. Hervorragende Ausbildung ist sodann dem Schriftsatz in neuester Zeit zuteil geworden. Tonangebend ist hierin Leipzig mit seiner Akademie für das Buchgewerbe. Angeregt durch den großen englischen Reformator Morris, sind in der neuesten Zeit Meisterwerke der Buchdruckerkunst geschaffen worden, die bereits Allgemeingut des Volkes geworden sind. Insbesondere ist es die Akzidenzdruckerei, die einen ungeahnten Aufschwung genommen hat.

Von den Lederarbeiten beschäftigen uns zunächst die Ledertapeten und die Bucheinbände. In technischer Beziehung haben wir es mit Lederpressung einschließlich Vergoldung, Bemalung und Einlage und mit sogenannter Lederplastik zu tun. Das Material zu diesen Arbeiten ist (Schweinsleder und Pergament ausgenommen) lohgares Leder, russische Juchten oder seine orientalische Leder, die von den Ausfuhrstädten die Namen Corduan, Saffian u.s.w. erhielten.

Die Ledertapeten kamen wohl zuerst in Spanien auf und verbreiteten sich über Frankreich, Deutschland und den Norden. Ihrem eigensten Wesen nach sind es Sommertapeten, die zuerst in den fürstlichen Schlössern die aus Wolle hergestellten Wintertapeten ablösten und deshalb nur lose an der Wand befestigt wurden. Mit der Verwendung dieser Tapeten für bürgerliche Wohnungen hörte diese Befestigungsart auf und die Tapeten wurden auf festen Rahmen -gestellen dauernd mit der Wand verbunden. Ihre historisch nachgewiesene Verwendung als Sommertapeten gründet sich namentlich auf deren leichte Reinhaltung, ihre Unangreifbarkeit durch Motten u. dergl. und ihren seinen, von der Gerbsäure flammenden Geruch. Die Herstellung dieser Tapeten, meistens aus Pferdeleder, geschah in der Weise, daß mit einem größeren mit Ornamenten versehenen Druckbrett das Leder in feuchtem und weichem Zustande gepreßt, dann getrocknet, mit Blattmetall belegt und bemalt wurde. Wollte man größere Wirkung erzielen, so griff man zur Lederplastik und behandelte das Leder wie Blech, trieb von rückwärts Erhöhungen heraus, die man dann unterlegte und halb trocknen ließ und wie Metall mit [756] Punzen und Hämmern nach Art der Ziselier- und Treibarbeiten behandelte. Die Ledertapeten kamen vom 16. Jahrhundert bis Mitte des 18. Jahrhunderts vor. Das zierliche Rokoko fand an denselben keinen Gefallen. Erst in allerneuester Zeit sind diese Tapeten wieder in bevorzugte Aufnahme gekommen und dienen sowohl für Wanddekorationen wie für Möbelüberzüge und als Antipendien in Kirchen, wozu sie in früherer Zeit vielfache Anwendung fanden. Eine ganz umfassende Verwendung hat das Leder in der Buchbinderei (s.d.) erfahren. Lange vor Erfindung der Buchdruckerkunst sehen wir die Klostereinbände in derber, massiver Erscheinung, aus Juchten oder Schweinsleder mit messingenen Beschlägen und Schließen. Das Leder ist als schützende Decke des Buches über Holzdeckel gezogen und mit Stempeln, Fileten und Rollen gepreßt (s. Buchbinderei). Nachträglich wurde sodann das Leder auf die verschiedenste Art ornamentiert. Die einfachste Art war die Blindpressung mit heißen Stempeln, Rollen und Fileten, dann kamen diese Pressungen in Gold und Silber vor, endlich wurden einzelne Streifen und Bänder mit Lackfarben bemalt und ausgezeichnet. Der Schnitt wurde vielfach vergoldet, um das Eindringen des Staubes in die Blätter zu verhindern, vielfach auch vor der Vergoldung bemalt und nach derselben mit Punze und Hammer ziseliert (Fig. 10). Für den festen Zusammenschluß des Buches dienten entweder kunstvolle Beschläge oder seidene Bänder, die durch die Deckel gezogen wurden. Die Blütezeit des Bucheinbands war das 16. Jahrhundert. Damals erhielten gewisse Einbände nach der Vorliebe einzelner Bücherfreunde eigne Namen, wie Franzband, Grolier- und Majolibände, und die fürstlichen, klösterlichen und Privatbibliotheken legten einen Stolz darein, ihre Bücher im vollendeten schönen Gewände zu zeigen. Auch im Orient begegnen wir der Buchbinderei auf hoher Stufe, und da sind es namentlich die Koraneinbände mit ihren reichen Pressungen, Vergoldungen und Farben, die unser Erstaunen erregen. Charakteristisch für diese Einbände ist auch der Umstand, daß der hintere Deckel mit einer Klappe versehen ist, die sich beim geschlossenen Zustande des Buches auf den vorderen Deckel legt, ähnlich wie das bei unsern früheren Brieftaschen der Fall war. Ein Abweichen von der Manier der alten Buchbinder trat ein, als man den Rücken nicht mehr fest mit dem Buche verband, sondern hohl gestaltete. Das Buch ließ sich dadurch leichter aufschlagen, aber seine Solidität litt darunter, und dies wurde noch schlimmer, als in unsrer Zeit die Plattenpressung aufkam, welche die Deckel unabhängig vom Buche herstellte und in einfacher, aber ebenso leichter Weise mit dem Buche mehr wie zum Scheine verband. Neben der Handpressung- und Vergoldung des Leders begegnet uns die Lederplastik. Die einfachste ist die, daß die Konturen der Ornamente mit einem scharfen Messer umschnitten und die Grundflächen des Leders mit Hammer und Punze zurückgetrieben werden. Man erhält so ein leichtes Flachrelief, das auch durch die verschiedene Farbe von Grund und Ornament wirkt. Eine andre Art besteht darin, daß die Konturen der Ornamente in derber, fester Weise in das Leder vertieft eingepreßt und eingeschnitten sind. Diese Art findet namentlich an größeren Gegenständen, wie Reisekoffern, Anwendung und ist häufig auf spanischen Arbeiten zu sehen. Eine weitere Art endlich besteht darin, daß das Leder vollständig wie Blech behandelt, getrieben und ziseliert wird. Da nun das in Buckeln herausgetriebene Leder leicht wieder zurückgeht, so hat man häufig diese von rückwärts herausgetriebenen hohlen Stellen mit Baumwolle, die man mit Lack getränkt hat, ausgefüllt und dadurch ein Zurückgehen verhindert. Anwendung fand diese Art namentlich für Kästchen, Pulverflaschen (Fig. 11), Futterale, Schilde u.s.w. in Deutschland (neuerdings Hulbe in Berlin, Fig. 12), Frankreich und Italien.

Wie in der Lederplastik ein geschulter künstlerischer Sinn sich geltend macht, so ist das im höheren Grade noch der Fall bei den kleinen Bildnerarbeiten aus Holz, Horn, Elfenbein und andern ähnlichen Stoffen. Den ersten Platz nehmen die Elfenbeinarbeiten ein; ihre Geschichte ist uralt. In der Römerzeit wurde Elfenbein[757] vorzugsweise zu jenen Diptychen verwendet, die wir am besten Notizbuchdeckel nennen könnten und die Abbildungen der Konsuln in erhabener Arbeit zeigten, während die inneren Flächen, mit Wachs ausgekleidet, zur Aufnahme von Notizen dienten (Fig. 13). Die christliche Kirche nahm diese Deckel gleichfalls in Dienst, versah sie mit religiösen Darstellungen und benutzte sie nicht selten als Zierdecken für liturgische Bücher. – Neben diesem Gebrauche fand das Elfenbein Verwendung für kleine Figuren, z.B. Schachfiguren, religiöse Darstellungen und namentlich für Luxusgefäße (Fig. 15). Letztere Verwendung war durch die Meinung gefördert, daß Elfenbein das Gift unschädlich mache, und wir sehen deshalb solche Gefäße vorzüglich in der ersten Zeit der Renaissance an fürstlichen Höfen und in vornehmen Häusern. Das Elfenbein spielte hier die nämliche Rolle wie die seltenen Beinsubstanzen, angeblich vom Nashorn, die man mitkostbaren Fassungen von Gold und Email versah. Seiner Härte und doch verhältnismäßig leichten Bearbeitungsfähigkeit halber war das Elfenbein ein gesuchtes Material für die Dreherei, und es wurden daraus nicht bloß einfachere Arbeiten auf der Drehbank hergestellt, sondern man setzte einen besonderen Stolz darein, auf der sogenannten Passigdrehbank wahre Kunststücke der Dreherei zu liefern (Fig. 14). Berühmt war in dieser Beziehung die Familie Zick in Nürnberg, aus deren Werkstätte die schönen Kunstdreharbeiten, Augen, ineinander gedrehte Kugeln u.s.w., hervorgingen, die in unsern Museen das Interesse der Fachleute erregen und auch mit Erfolg wieder nachgebildet werden. Eine besondere Berücksichtigung verdient bei Erwähnung der Elfenbeinschnitzereien unser moderner Fächer. Die Geschichte des Fächers geht in das früheste Altertum zurück. Vom Orient kam er zu den Griechen und Römern und zum zweitenmal später zu den Spaniern, Holländern, Italienern und Franzosen; heute ist er in der ganzen Welt verbreitet. Rechnet man doch, daß jährlich tausend Millionen dieses zierlichen Gerätes gefertigt werden. Die Elfenbeinstäbe unsrer Fächer wurden in der mannigfaltigsten Weise ausgestaltet, und wenn nicht der ganze Fächer aus dünnen Elfenbeinplatten bestand, so wurden doch die beiden äußersten Endplatten mit plastischem und malerischem Schmucke reich verziert. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts finden wir an den Fächern auch zuweilen kleine Pikanterien angebracht, wie Vergrößerungsgläser, Spiegel u.s.w. Heutzutage spielt der ostasiatische Fächer in der Handelswelt eine große Rolle und man kann den dritten Teil der gesamten Fächerproduktion auf die Fabrikate aus China und Japan berechnen.

Eine der schönsten, interessantesten und zugleich ältesten Industrien ist die des Glases. Schon im alten Aegypten waren die Glasmacher bekannt, wie die Abbildungen von Glasbläsern zeigen. Da das Glas kein einfacher Körper, sondern ein künstliches Produkt aus Kieselerde, Kalk und einem Alkali ist, so ist seine Bearbeitung und Herstellung in so alter Zeit rätselhaft, und die späteren in historischer Zeit versuchten Erklärungen über die Erfindung des Glases beweisen bloß, daß man von dieser Erfindung nichts Sicheres weiß. Technisch unterscheidet man Kalikalkglas, das böhmische Kristallglas, Natronkalkglas, das Fensterglas und das Kronglas für optische Zwecke und das Kalibleiglas, besonders lichtbrechend und deshalb auch zur Herstellung künstlicher Edelsteine verwendet. Nach der Art der Verwendung unterscheidet man Hohl- und Tafelglas. Eine besondere Verwendung findet das Glas noch als Email zur Dekoration von Gebrauchs- und Ziergegenständen aus Metall. Auch die Glasmosaiken verdienen wenigstens Erwähnung (Näheres s. Glas). Die Verzierungsarten umfassen Schleifen, Gravieren oder Schneiden, Aetzen, Bemalen, Vergolden und Versilbern. Gewöhnlich zeigt das Glas eine mehr oder weniger tiefe grüne Farbe; reines, farbloses Glas kann erst durch Entfärbungsmittel: Braunstein, Salpeter, Arsen u.s.w., rein hergestellt werden. Zum Färben des Glases werden Metalloxyde verwendet. Eine eigne Art bilden die Ueberfanggläser, d h. Gläser, welche aus zwei oder mehreren voneinander in der Farbe abweichenden Glasschichten bestehen. Ursprünglich dürfte das Glas seines Glanzes und seiner Farbe wegen zumeist als Ersatz für Edelsteine gedient haben. Die erste bedeutende Glasindustrie begegnet uns bei den Römern, und wir sehen dort nicht nur einfache Gefäße, Graburnen, Medizingläser u. dergl., sondern auch Kunstwerke ersten Ranges, die erst in neuerer Zeit wieder herzustellen mit Erfolg versucht wurde. Dazu gehören die sogenannten diatretischen Gläser und die gravierten Ueberfanggläser. Erstere sind Gläser, welche ursprünglich eine sehr dicke Wand hatten; diese Wand wurde dann durch Gravierung oberflächlich in ein netzartiges Gebilde zerlegt, und durch immer größere Vertiefung dieser Gravierung stand schließlich dieses Netz, nur mit einigen Stäben mit dem festen Glaskörper noch verbunden, als freies Gebilde auf der darunterliegenden Gefäßwand. Die gravierten Ueberfanggläser haben ihr schönstes Beispiel in der sogenannten Portlandvase im Britischen [758] Museum in London; es ist dies eine Vase von blauem Glas mit weißer Glasschicht überfangen und der weiße Ueberzug ist stellenweise so weit weggeschliffen bezw. weggraviert, daß sein modellierte, reliefierte Darstellungen auf blauem Grunde sich zeigen. Erwähnenswert dürften noch die sogenannten Goldgläser sein, von denen man mehrere in den Katakomben fand. Ihre Eigentümlichkeit besteht darin, daß auf dem Boden des fertigen Gefäßes ein dünnes Goldblättchen befestigt war, in dem man mit der Radiernadel Wörter, Konturen von Figuren u.s.w. auskratzte und das man dann durch wiederholtes Eintauchen in die flüssige Glasmasse mit einem Glasüberzug versah. In der nachrömischen Zeit wird Alexandrien in Aegypten das Zentrum der Glasfabrikation; die Araber verbreiten diese Industrie weiter und zu Ausgang des Mittelalters tritt Venedig an die Spitze derselben. Um diese Industrie als Monopol zu erhalten, begünstigte der Rat die Glaskünstler und verbot deren Auswanderung. Die Glasmacher galten als halbadlig, d.h. eine Donna nobile vergab ihrem Range nichts, wenn sie einen Glasmacher heiratete. Anderseits war ein Gesetz, daß ein Glasmacher, der seine Kunst nach auswärts bringen wollte, sofort aufgefordert wurde, zurückzukehren; tat er es nicht, wurden seine Verwandten und Freunde gefänglich eingezogen, und rührte ihn auch dieses nicht, wurden Häscher ausgeschickt, ihn zu erdolchen. 1. Die Venezianer Gläser (Fig. 16) sind weiß und zeichnen sich durch ihre Dünnwandigkeit, Reinheit und die Originalität ihrer wahrhaft künstlerischen Formen aus, da sie vielfach mit freier Hand gebildet wurden. Eine besondere Klasse bilden die Flügelgläser, deren Fuß in kunstvoller Weise aus vielfarbigen Glasstäben so geflochten wurde, daß dadurch Rosetten, Tiergestalten und andre phantastische Formen entstanden. 2. Filigrangläser mit spiralförmig den Leib umwindenden und umziehenden Fäden aus weißem durchsichtigen oder milchweißem undurchsichtigen Glase. Werden die Fäden nach zwei entgegengesetzten Richtungen dem Glaskörper angelegt, so entsteht das artikulierte oder Netzglas. Werden die farbigen Fäden vor ihrer Erstarrung mit einem Eisen nach oben oder unten gezerrt und die Glaskörper dann weiter aufgeblasen, so erhält man die gerissenen Filigrangläser. 3. Eisgläser, die im glühenden Zustande ins Wasser getaucht werden. Die Oberfläche bedeckt sich dadurch mit zahllosen kleinen Rissen, welche durch wiederholtes Anwärmen des Glases sich oberflächlich schließen und dem Gefäß einen eisartigen Charakter geben. 4. Farbige Gläser und zwar einfarbige – braun, rot, blau, grün, oder Edelsteine nachahmend, namentlich Achate, Onyxe, Opale u.s.w. 5. Millefiorigläser, hergestellt aus Abschnitten bunter, zusammengeschmolzener Glasstäbe, die entweder mit einem durchsichtigen Ueberzug versehen und in demselben eingeschlossen oder mit diesem weiter ausgezogen und ausgeblasen werden. Endlich 6. bemalte und vergoldete Gläser. Von Italien aus verbreitete sich die Glasindustrie in die übrigen Länder, obgleich die Verhältnisse überall weniger günstig waren. Von einer direkten Einwirkung italienischer Arbeiter kann aber nur in sehr seltenen Fällen die Rede sein, und die Veneti, die urkundlich oft in Deutschland genannt wurden und denen die Sage an manchen Orten die Einführung der Glasfabrikation andichtet, waren keine Venezianer, sondern bergbaukundige und erzsuchende Wenden. Die deutsche Glasindustrie reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Auf der Appianischen Karte finden wir schon fünf Glashütten im Bayrischen Walde; in Böhmen und Schlesien können einzelne Hütten ihre Geschichte noch weiter zurückdatieren. Charakteristisch für die ältesten deutschen Gläser ist deren Schwere und die Unreinheit des Materials, obgleich sie in einzelnen Stücken nicht einer derb realistischen Schönheit entbehren. Eines haben aber die deutschen Glashütten vor allen andern voraus: sie haben die Glasindustrie mit einer Gefäßform bereichert, die durch Anmut, Zierlichkeit und Zweckmäßigkeit sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat – den Römer (Fig. 17). Ursprünglich war das Gefäß hohl bis auf den unteren ausladenden Fußteil; dann wurde diese Höhlung weiter nach oben gerückt, bis endlich nur der eigentliche Kelch blieb. Der Fuß wurde gesponnen, d.h. er wurde aus Glasfäden über einen Gipskern gezogen und dann geschmolzen. Die Riesen, welche den Kelch des Römers schmücken, und die gesponnenen Füße hatten den Zweck, das Licht besser zu brechen und dem Wein einen besonderen Glanz zu geben. Andre spezifisch deutsche Gläserformen waren der Humpen oder Willkomm von zylindrischer Form und häufig mit Malerei versehen. Gesucht sind die alten Humpen mit dem Reichsadler, den Kurfürsten, Zunftemblemen u.s.w. Eine sehr beliebte Form war ferner das Paßglas. Es war gleichfalls zylindrisch mit stark ausladendem Fuß und hatte in regelmäßigen Zwischenräumen Glasfädenumschnürungen. Der Raum zwischen zwei solchen Fäden hieß Paß, und es galt als Trinkerregel, daß man jeweilig nur einen Paß trank; wer den Abstand nicht ganz erriet, mußte zur Strafe einen weiteren Paß sofort nachtrinken. – Der Angster (Fig. 19), wohl gleichbedeutend mit Gutrolf, bestand der Hauptsache nach aus einem flaschenartigen Gefäß mit mehrrohrigem Hälse. In alten Inventaren kommt häufig der Ausdruck Spechter (Fig. 18) vor. Dieses Wort scheint weniger die Bezeichnung einer bestimmten Form gewesen zu sein als[759] vielmehr die für die Produkte der Spessarter Hütten. Charakteristisch für die meisten dieser Produkte ist, daß sie in rautengemusterten Modeln geblasen sind. Eine besondere künstlerische Bedeutung kommt denselben keineswegs zu. Aehnlich verhält es sich mit den Fichtelberger Gläsern (Fig. 20), die deswegen eine besondere Erwähnung verdienen, weil ihre Geschichte eine sehr alte ist. Häufig sind auf diesen Gläsern Malereien angebracht, am häufigsten ein hoher Berg (Ochsenkopf) mit Wild aller Art und vier Flüssen, die an dessen Fuß entspringen (Main, Naab, Saale, Eger). Die Phantasie des Glaskünstlers hat in alter wie in neuer Zeit noch eine Menge von Formen geschaffen: Tier- und Menschenfiguren (Fig. 21), Nachbildungen von Blech- und Holzwaren, Scherzartikel u. dergl. Auf den jüngsten Aufteilungen konnte man derartige Gegenstände in neuer Gestalt oft genug sehen, und »der Hausrat der Glasmacherleute im Bayrischen Wald« zeigt eine Mannigfaltigkeit von solchen Dingen, die höchlich ergötzt und belustigt. Eine besondere Spezialität sind die von Kunkel erfundenen Rubingläser, die erst in der neuesten Zeit wieder herzustellen der Rheinischen Glashüttenaktiengesellschaft Ehrenfeld bei Cöln gelungen ist (Fig. 26). Die Verzierung der Gläser kann zugleich mit ihrer Herstellung oder nach derselben selbständig geschehen. Wird der Model mit einem Muster versehen, so drückt sich dieses Muster in die weiche Glasform beim Blasen derselben ein; am schönsten geraten solche Muster beim Preß- oder Gußglas, wie solches in Böhmen, England, Amerika in großen Massen hergestellt wird. Von großer Wichtigkeit ist das Schleifen des Glases und das Gravieren. Für ersteres benutzt man Schleifsteine und zum Polieren dann Holzräder. Durch das Schleifen entstehen Ecken und Kanten, Prismen und geometrische Körper, die, wenn das Glas ein weiches Bleiglas ist, das Licht in vorzüglicher Weise brechen und dem Gefäß ein diamantglänzendes Ansehen geben. Mit Schleifen werden auch Nachbildungen alter Bergkristallgefäße von besonderer Feinheit erzielt. Das Gravieren geschieht auf einer Art Drehbank mittels kupferner Rädchen und Schmirgel in Oel; die Glashütten haben für gewisse Verzierungsarten besondere Ausdrücke wie ordinär, halbfein, ganzfein, und erst bei feineren Kunstarbeiten tritt der Glasgraveur oder Glasschneider als selbständig schaffender Künstler auf. In Holland war eine Zeitlang das Gravieren der Gläser mittels des Diamantstifts beliebt.

Bemalte, vergoldete und versilberte Gläser sind im allgemeinen mehr Dekorationsstücke; beim Gebrauch wirkt die opake Farbe unschön und störend, namentlich wenn zu viel verwendet wurde. Eine antiquarische Rarität bilden die von Schaper in der Mitte des 17. Jahrhunderts mit besonderer Feinheit braun und schwarz gemalten Gläser (Fig. 22), die nach ihm auch genannt werden. Bei den vergoldeten Gläsern müssen die mit Zwischenvergoldung (Fig. 23) besonders erwähnt werden. Vielfach wurde ein Teil eines Glases herausgeschliffen und ein andrer dafür in die entstandene Höhlung hineingepaßt; durch Anbringung von Gold und Farben in der Mitte zwischen den zwei Glasschichten entstand eine spiegelnde, vornehme Wirkung. Häufiger noch bestehen diese Gläser aus zwei ineinander geblasenen Exemplaren, von denen das innere bemalt oder vergoldet und am oberen Rande dann mit dem äußeren seit verkittet wurde. – Eine ähnliche Technik zeigen auch die sogenannten eglomisierten Gläser, welche ihren Namen von einem französischen Rahmenmacher haben und deren wesentlichste Eigenheit die ist. daß sie mit Malerei auf der Rückseite versehen sind, die verkehrt aufgetragen wurde, wie dies bei Abziehbildern der Fall ist, und daß dann Goldblättchen aufgelegt wurden, welche den Grund der Malerei bilden. Auch die Moderne hat sich der Ausbildung der Glasmacherkunst zugewendet und zum Teil Mustergültiges geschaffen. Insbesondere ist es die Glasgravierung, die Fortschritte gemacht hat, sowie Gläser in schillernden Farben (Fig. 24 und 25) [6]. Aus Glasmosaiken, d.h. Glaswürfeln mit vergoldetem Grund, setzen sich auch die alten Glasbilder in[760] den Kirchen zusammen. Glasmosaiken werden in Deutschland überall gefertigt, und es ist neuerdings gelungen, sowohl Technik als künstlerische Qualität wieder auf eine hohe Stufe zu bringen (Puhl & Wagner in Rixdorf, Johann Odorico in Berlin u.a.).

Die Glasmalerei ist bekanntlich eine deutsche Erfindung, die, soweit jetzt unser Wissen reicht, in Tegernsee oder Umgegend gemacht wurde. Man unterscheidet verschiedene Arten derselben, wie die Grisaillemalerei, wobei mit Schwarzlot auf das weiße Glas gezeichnet und gemalt wurde –, die Mosaikmalerei, nämlich die Zusammensetzung der Fenster aus farbigen Glasstücken mit eingezeichneten Konturen und Schraffierungen –, die eigentliche Glasmalerei mit Figuren. Die Alten verwendeten zu ihren Fenstern ein derbes, rauhes Glas (Kathedralglas) und sahen darauf, daß einzelne Partien von ein und derselben Farbe, je nachdem diese Farben stellenweise heller oder dunkler erscheinen sollten, von mehr oder weniger dickem Glase geschnitten wurden. Es kam den alten Glasmalern darauf an, einen möglichst harmonischen Gesamteindruck in [761] Licht und Farbe zu erzielen und den Raum teppichartig abzuschließen. Darum sind perspektivische Wirkungen wie auch eigentliche Modellierung der Figuren möglichst vermieden. Strenge Stilisierung ist stets durchgeführt. Sie standen unter Umständen sogar nicht an, die Haare violett zu geben, wenn diese Farbe ins Ganze paßte. Dabei darf aber nicht vergessen werden, daß sie trotz alledem an einen gewissen, durch Tradition überkommenen Kanon gebunden waren, ähnlich den Malern vom heiligen Berge Athos. Zu diesem Kanon gehörten die typologischen Zusammenstellungen von Darstellungen aus dem Leben Jesu mit solchen Begebenheiten aus dem Alten Testamente, die man dazu in Verbindung setzen konnte. Mit dem Ausgang des Mittelalters wurde die Glasmalerei auch in die Privat- und öffentlichen Gebäude eingeführt und feierte durch häufige Anwendung einer gelben, durchsichtigen Farbe (Silbergelb) eine zweite Blütezeit. – Mit dem 17. Jahrhundert geht die Glasmalerei unter, um im 18. Jahrhundert ganz zu verschwinden. Im 19. Jahrhundert war es ein Nürnberger – Frank –, der die Kunst wieder zu beleben versuchte, und unterstützt durch König Ludwig I. von Bayern, wurde München die Zentrale der Glasmalerei. Nur langsam entwickelte sich an unzähligen Versuchen wieder die alte Technik des Mittelalters. Allzu große Scheiben und viel zu malerische Behandlung der Schatten verhinderten lange den Fortschritt. Auch gelang es zunächst nicht, die Farben der Alten auch nur annähernd zu erreichen. Doch besitzen wir jetzt eine ausreichende Skala prachtvoller Gläser im alten Sinne, die größtenteils aus England flammen. Eine Neuerung der Glasmalerei ist die Verwendung des sogenannten Opaleszentglases und des gepreßten Glases, welche aus Amerika stammen und die für profane Zwecke ausgiebige Verwendung finden; vgl. a. Glasmalereitechnik.

Zum Schluß dürften auch noch die Spiegel einer kurzen Erwähnung wert sein, weniger ihres eignen Wesens als ihres Rahmens wegen. Man hat sich daran gewöhnt, von Spiegeln mit Rahmen, die aus geschliffenen und zusammengesetzten Glasstücken bestehen, als von Venezianer Spiegeln zu reden (Fig. 27). Diese Technik ist aber mehr deutsch als italienisch und wird heutzutage in der Spiegelstadt Fürth noch geübt. Die Venezianer setzen ihre Rahmen mehr aus Glasblumen zusammen, die freilich sehr zerbrechlich sind. In jüngster Zeit werden die Spiegel an den Kanten nicht selten mittels Kupferscheiben ornamental gerändert und angeschliffen, auch ist die Hinterglasmalerei für durchsichtige und Spiegelgläser wieder durchaus modern geworden. Das glänzendste Beispiel dieser Technik ist im Würzburger Schloß zu sehen.

Eine mit der ganzen Kultur und Geschichte der Menschheit aufs engste zusammenhängende Industrie ist die der Tonwaren. Tonscherben sind vielfach die einzigen Zeugen menschlicher Tätigkeit in prähistorischer Zeit: Ton ist das Material, das der Mensch zur selbständigen Herstellung von Gefäßen zuerst benutzte. Die wichtigsten, heute noch im Gebrauche stehenden Tonwaren teilt man nach der Zusammensetzung des Scherbens in folgende Klassen: 1. Arbeiten aus gewöhnlichem Ton mit Lehm oder Bleiglasur; 2. Fayencen, aus besserem Ton mit Zinnglasur; 3. Steingutwaren aus einer sorgfältig bereiteten Masse mit Bleiglasur; 4. Steinzeugwaren aus stark kieselsäurehaltigem Ton mit Salzglasur, und 5. Porzellane aus Kaolin mit Porzellanglasur. – Die Fabrikation der gewöhnlichen Tonwaren erreichte ihre höchste Ausbildung im klassischen Altertum. Die griechischen und römischen Gefäße sind wahre Wunder von Kunst und Technik und in ihnen offenbart sich ein so vollendeter Formenkanon, daß sie für alle Zeit Muster und Vorbild bleiben (Fig. 28). Außer seiner Verwendung für Gefäßbildnerei wurde der Ton auch zur Herstellung von plastischen Erzeugnissen bei den Antiken mit Vorliebe angewendet. Stirnziegel und Verkleidungen an Bauwerken waren vielfach von Ton. Einen wichtigen Handelsartikel bildeten ferner bei Griechen und Römern die sogenannten Tanagrafiguren, die, meist farbig bemalt, besondere Anziehungspunkte in allen Museen bilden. Das Mittelalter machte von den gewöhnlichen Tongefäßen ausgiebigen Gebrauch und ihre Verwendung für Küche und Tafel war damals viel umfassender als heutzutage.

Eine besondere Rolle spielte der gewöhnliche Ton für die Herstellung von Oefen und Bodenfliesen, von denen unsre Museen noch zahlreiche Beispiele aufweisen. Die Oefen wurden später wahre Volksbücher durch die figürlichen Darstellungen aus Geschichte und Sage und fanden in Deutschland ihre höchste Ausbildung und Vollendung. Einzelne Hafner in der Schweiz und Deutschland – Krauth, Leibold u.s.w. – nehmen in der Kunstgewerbegeschichte ehrenvolle Plätze ein.

Die Fayencen datieren in alte Zeiten, lange vor Christus zurück und stammen aus dem Orient. Ihr Ursprung dürfte mit der Fliesenfabrikation im mesopotamischen Tieflande beginnen, wo man Gebäude aus ungebrannten Ziegeln errichtete und deren Wände durch gebrannte Fliesen oder Alabasterplatten vor schnellem Zusammenfall sicherte. Noch in späterer Zeit bis auf heute ist die Fliesenfabrikation in Persien und den Ländern mit islamitischer Bevölkerung in Betrieb, und die Fliesenverkleidung an Moscheen und Grabmälern bewirkt jenen farbigen Zauber, ohne den wir uns die orientalische Architektur nicht denken können. Vom Oriente kam die Fliesen- und Fayencefabrikation nach Holland, Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich. Besonders in Holland und Deutschland wurden die Küchen mit Fayencefliesen ausgekleidet, zuweilen auch Prachträume, z.B. das Schloß in Ausbach. In neuerer Zeit wird diese Fabrikation allerwärts wieder aufgenommen. In Deutschland besitzt die Firma Villeroy & Boch in Mettlach eine der hervorragendsten Fabriken. Die ältesten Fayencegefäße sind gleichfalls orientalischen Ursprungs. Bekannt sind die persisch-rhodischen Teller, Krüge (Fig. 29) und Flaschen, die über Rhodus und von da aus in alle Länder gingen. Unter dem Einfluß der Araber entwickelte sich eine ausgedehnte Industrie in Spanien. In Frankreich entstand eine selbständige Fayenceindustrie, unabhängig von den übrigen Ländern, durch Palissy (Fig. 30), dessen Arbeiten als Bauernmajolika bezeichnet wurden, heute noch in geringer Anzahl vorhanden sind und als seltene Stücke ungemein geschätzt werden. – Das Charakteristische dieser Majoliken ist ihre Reliefdekoration, die häufig natürliche Pflanzen, Schlangen, Fische, Krebse nachbildet[762] und in bunter Bemalung erscheinen läßt, dann der jaspisartige Grund. Eine andre französische Spezialität, von der auch nur noch wenige Stücke vorhanden sind, sind die sogenannten Henry Deux-Gefäße oder die Fayencen von Osron, die in Porchaire von einem dilettierenden Künstler gefertigt und mittels einer Art Buchbinderstempel verziert wurden und von da aus den Weg in die übrigen Länder fanden. Es ist sogar wahrscheinlich, daß der Name Fayence, der zuerst bei den Franzosen aufkam, auf die Stadt Valencia sich bezieht. Die Italiener gaben diesen Gefäßen, weil sie dieselben aus Majorka oder Majolika bezogen, den letzteren Namen, und beide Ausdrucksweisen sind heute noch üblich, obgleich technisch kein Unterschied zwischen den betreffenden Produkten besteht. Im Handel nennt man Majolika gewöhnlich das bunt bemalte Geschirr, während Fayence vorzugsweise für das blau- oder einfarbig bemalte Produkt angewendet wird. Den höchsten Grad der Vollkommenheit erreichte die Fayenceindustrie in Italien (Casteldurante, Pesaro, Gubbio, Urbino u.s.w.). – Die bedeutendsten Fayencefabriken waren später Rouen, Marseille, Nevers und Moustiers. Von Rouen kamen Fayencisten nach Aufhebung des Ediktes von Nantes nach Deutschland und trugen wesentlich zur Hebung der deutschen Fayenceindustrie bei, die zu Beginn des 18 Jahrhunderts ihre Blütezeit hatte (Fig. 31). Hervorragende Produktionsstätten waren Ansbach, Baireuth, Crailsheim, Göppingen, Hanau, Höchst, Nürnberg, Straßburg u.s.w. – In Holland konzentrierte sich die Fayenceindustrie um Delft, welches seiner engen Verbindung mit dem Orient es verdankte, daß es orientalische Muster dem Abendlande zuführen und dieselben in etwas modernisierter Art als gesuchten Handelsartikel in alle Länder ausführen konnte. In neuerer Zeit ist die Anwendung von Fliesen als Bodenbelag und Wandschmuck (Fig. 34) wieder sehr in Aufnahme gekommen und sind namentlich glasierte Platten mit Musterungen bei Herstellung[763] von Kaminplätzen und Wandbrunnen in jedem besseren Hause anzutreffen. Glasierte Geschirre für den Hausgebrauch werden neuerdings meisterhaft gefertigt von Schmidt-Pecht in Konstanz, Julius Diez in München (Fig. 35) u.a.

Einen wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung der Fayenceindustrie übte die 1709 in Deutschland ins Leben getretene Porzellanindustrie (Fig. 36), deren Produkten die Fayence äußerlich in etwas ähnlich sah, weshalb die alten Fayencefabriken häufig in den Urkunden Porzellanfabriken genannt wurden. Bei dem niederen Stand der chemischen Wissenschaft hielt man es für möglich, die Fayence durch allmähliche Verfeinerung und Verbesserung in Porzellan überführen zu können. Die Konkurrenz des Porzellans und ganz besonders des um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts in England aufgekommenen Steinguts richteten die Fayence zugrunde, die von ihrer einstigen Höhe längst zu gewöhnlicher Ware herabgesunken war, und erst der neueren Zeit war es vorbehalten, auch dieser Industrie wieder neues Leben und neuen Aufschwung zu geben.

Das Steingut besteht aus feingeschlämmtem, meist weißem Ton, der im Feuer einen hohen Härtegrad erreicht und mit Bleiglasur versehen wird. Im Aeußern dem Porzellan sehr ähnlich, ist es das Material für unser gewöhnliches billiges Gebrauchsgeschirr. Eine besondere Art von Steingut ist das Wedgewood-Geschirr aus einer seinen weißen, sehr verschiedenartig zusammengesetzten Masse mit Feldspatglasur und mit Metalloxyden gefärbt Wedgewood war ein englischer Töpfer († 1795) und seine Arbeiten zeichnen sich durch künstlerische Vollendung in Nachahmung antiker Gemmen u.s.w. aus. In Deutschland wurden die weniger guten Arbeiten Wedgewoods vielfach nachgemacht.

Steinzeug besteht aus einem eigenartigen feuerfesten Tone von weißer bis brauner Farbe, der nur in gewissen Gegenden, wie im Nassauischen, in Preußen, in einzelnen Orten in Sachsen vorkommt. Deshalb ist die Fabrikation des Steinzeugs auf gewisse Orte beschränkt, wie Siegburg, Raeren, Frechen, Höhr, Grenzhausen, Kraussen u.s.w. Die Salzglasur macht die Gefäße widerstandsfähig gegen Säuren, weshalb diese Geschirre besondere Verwendung finden für Aufbewahrung von Mineralwässern, Konserven, Bier u.s.w. Die alten Steinzeuggefäße haben meistens eine Reliefornamentation, welche aus Modeln gedrückt und dann auf die Oberfläche der Gefäße aufgeklebt wurde (Fig. 32 und 33). Die Ornamente und Figuren sind meistens von wunderbarer Schärfe und Vollendung und erinnern an Goldschmiedarbeiten. Zumeist finden sich an diesen Krügen Bauerntänze, Bildnisse und Wappen der Kurfürsten u a Eine besondere Spezialität sind die sogenannten Trauerkrüge mit Kerbschnittmusterung und bunter Bemalung und von hoher künstlerischer Wirkung. Sie gehören zu einer Klasse von braunen und schwarzen Gefäßen mit auffallend frischen Farben, Darstellungen von Jagden, dazwischen oft das sächsische Wappen; deren Fabrikationsart ist bis jetzt nicht genau bekannt.

Die Porzellane wurden uns zuerst aus China zugeführt, woselbst die Fabrikation sehr alt ist. Böttcher in Tschirnhausen gelang die Herstellung eines roten Geschirrs von so großer Härte und so vorzüglichen Eigenschaften, daß dasselbe geschliffen, graviert und vergoldet werden konnte und sehr hoch geschätzt wurde. Da auch aus China ähnliche Gefäße ins Abendland gekommen und bekannt geworden waren und man auch diese Gefäße für Porzellan hielt, so glaubte Böttcher, er habe damit wirkliches Porzellan vor sich, während seine Produkte, gerade so wie die gleichen chinesischen, in die Klasse des Steinguts gehörten. Auch heute spricht man vom roten Böttcher-Porzellan, obwohl dessen Natur längst bekannt ist. Bei den Brennversuchen mit verschiedenen Erdarten kam Böttcher auf den Gedanken, die schöne weiße Auesche Erde zu verwenden, und das Resultat war, daß diese Erde eine Art Schmelzprozeß einging und an den Rändern durchscheinend wurde – er hatte Kaolin gebrannt und das Geheimnis der Porzellanbereitung gefunden. Es wurden nun Geschirre nach chinesischer Art angefertigt, an denen nichts mehr auszusetzen war; auch die Bemalung wurde nach chinesischen Vorbildern ausgeführt. Später trug man dem abendländischen Geschmacke Rechnung, und die Meißener Porzellanfabrik wurde die Mutter der gesamten abendländischen Porzellanindustrie. Es entstanden, obgleich das Geheimnis sorgfältig gehütet werden sollte, Fabriken in Wien,[764] Höchst, Berlin, München, Ludwigsburg u.s.w – In Frankreich gelang die Einführung des Porzellans verhältnismäßig am spätesten; hier hatte man ein künstliches Porzellan, das man im Gegensatz zu dem echten (pâte dure) mit pâte tendre bezeichnete und das im großen und ganzen aus einer mehr glasartigen, außerordentlich kompliziert zusammengesetzten Masse bestand. Die Auffindung des französischen Kaolins, welche die Herstellung des echten Porzellans ermöglichte, beruhte auch auf einem Zufall. Was die Porzellanindustrie in früherer Zeit leistete, das ist heute, dank unsrer fortgeschrittenen chemischen Wissenschaft, mehr als erreicht, und die Neuheiten mehren sich jeden Tag. Selbst das eigenartige weiche chinesische Porzellan, das eine reichere Palette verträgt, ist durch den jüngst verdorbenen Seeger als Seeger-Porzellan bei uns eingeführt worden. In einem aber haben die alten Porzellanstätten noch einen Vorzug vor den unsern sich erhalten: in der Herstellung jener kleinen niedlichen Figuren, in denen sich besser als in irgend einem andern Stoffe die Kunst des Rokoko verkörpert (Fig. 37) In diesen Figuren liegt eine Fülle der interessantesten Motive, in ihnen zeigt sich das schwächliche und doch so lustige Leben der Rokokogesellschaft von der heitersten Seite, sie sind die beste Illustration einer Kulturperiode, die das Leben von der heitersten feste nahm und wenig an die Zukunft dachte. Die moderne Porzellanindustrie nahm einen ganz ungewöhnlichen Aufschwung durch die Manufakturen in Kopenhagen und Berlin. Die Kopenhagener Kunst zeichnet sich durch zarte Farben aus und hat einen ganz besonderen Stil, der namentlich in reizenden Tiergruppen rühmlichst bekannt geworden ist (Fig. 37a). Die Charlottenburger Manufaktur glänzt durch gediegene Blumen- und Landschaftsmalerei. Ihre plastischen Formen gehen auf Barock und Rokoko mit Anwendung von viel Gold zurück.

Weitverzweigt ist das Gebiet der Metallindustrie. Die alte Theorie, welche die Kulturperioden in Stein-, Bronze- und Eisenzeit teilte, ist wohl gefallen, aber gerade in der Metallindustrie ist noch vieles unklar. Wie alt ist das Eisen? Konnten die ägyptischen Pyramiden 4000 v. Chr. ohne Eisenwerkzeuge gebaut worden sein? Die neuere Wissenschaft sagt nein. Wer hat zuerst die Bronze aus Kupfer und Zinn hergestellt? Wir wissen es nicht. Das notwendigste und nützlichste Metall ist unstreitig das Eisen. Abgesehen von den technischen Herstellungsweisen des Eisens durch Schmieden, Hämmern, Schweißen, Gießen u.s.w. beschäftigen uns zunächst jene Techniken, welche künstlerische Anforderungen stellen. In erster Linie kommt hier das Schneiden, Feilen und Sägen in Betracht. Dolchgriffe, Degen- und Schwertgriffe u.s.w. wurden in Eisen geschnitten (Fig. 38), d.h. es wurde mit Sticheln und spitzen Stahlinstrumenten das gewöhnliche Eisenstück in ein plastisches Gebilde mit erhabenen, reliefierten Darstellungen und Ornamenten versehen. Dieser Eisenschnitt erfordert eine ungemein lange Arbeit, ist aber dafür künstlerisch von desto höherem Wert, je seiner und exakter er durchgeführt ist. Das Feilen diente wesentlich dazu, die Kanten der Eisenwaren zu verzieren Alte Werkzeuge, wie Zirkel (Fig. 39) und Hämmer, Beschlägstücke und Handhaben, Schlösser und Schlüssel, sind häufig wahre Kunststücke dieser Technik. Das Sägen beschränkt sich zumeist auf die Herstellung der Schlüsselbärte, Schlüsselgriffe und Eingerichte. Eine besondere Anwendung findet die Säge im Orient, wie die schönen persischen Arbeiten mit ihren filigranartig ausgesägten Ansätzen aus Messing und einzelne Geräte aus Eisen beweisen (Fig. 41).

Eine weitere Verzierungsart des Eisens besteht in Gravierung und Aetzung. Beide Arten kommen – zuweilen mit Treibarbeit verbunden – an einem und demselben Objekte vor. Das Aetzen und Gravieren fand seine hauptsächlichsten Anwendungen an den Rüstungen und Waffen (Fig. 40), breitete sich aber auch auf alle möglichen Gebrauchsgegenstände – Kästchen, Schlösser, Türbänder u.s.w. – aus. Auch die Eisentreibkunst feierte an den Rüstungen ihre größten Triumphe. Mit dem Allgemeinwerden der Schußwaffen gingen die meisten dieser Techniken und Fertigkeiten zugrunde, um erst in der neueren Zeit wieder eine besondere Aufnahme zu finden. Erstreckten die vorgenannten Verzierungsweisen sich hauptsächlich darauf, durch Wegnehmen das Eisen zu verzieren, so gehen andre darauf aus, durch Zugabe demselben eine künstlerische Weihe zu verleihen. In erster Linie haben wir eine Technik zu besprechen, die man Tauschieren (Fig. 42 und 44) nennt. Das Wesen der Tauschierung besteht darin, daß in die Eisenfläche mit einem Stichel Verzierungen schwalbenschwanzartig eingegraben und dann mit [765] Silber- oder Golddraht ausgefüllt werden. Das Verfahren ist uralt; wir begegnen derartig hergestellten Verzierungen bereits in alemannischen Gräberfunden, im Mittelalter und ganz besonders in der Renaissance. In letzterer Periode kamen zahlreiche Arbeiten aus Persien ins Abendland, namentlich nach Venedig Sie wurden dort persische Arbeiten genannt, und da Persien von den Arabern Al Dschem genannt wird, galten diese Arbeiten als Algeminaarbeiten und wurden die Veranlassung, daß man in Italien selbst dieselben nachmachte. Die Technik war aber nicht mehr die der echten Tauschierung, sondern schon ein Ersatz derselben Man rauhte nämlich die ganze Oberfläche mit Feilen und spitzen Instrumenten so, daß sie unter dem Vergrößerungsglas ein stacheliges Aussehen erhielt. Darauf wurden dann nach einer bestimmten Zeichnung Fäden und Blätter von Gold oder Silber aufgeschlagen und die übrige rauhe Fläche wieder geglättet. Die meisten in unsern Museen erhaltenen tauschierten Arbeiten zeigen diesen Charakter. In der Neuzeit hat namentlich Spanien diese Technik wieder kultiviert und zur Herstellung von Schmuckgegenständen, kleinen Geräten und Nippsachen mit Erfolg verwendet (Fig. 43), während man anderswo durch einfaches Auftragen und Einbrennen von Gold auch dafür wieder einen, allerdings sehr Zweifelhaften, Ersatz suchte. Die Vergoldung des Eisens als etwas Allbekanntes übergehend, erwähnen wir noch eine Technik, die namentlich an Schlössern und Türbändern sich geltend machte, das Blauanlaufen, dadurch bewirkt, daß man das Eisen mit einer Schablone deckte und diese dann mit glühendheißem Sande überschüttete, wodurch alle von der Schablone nicht gedeckten freien Stellen eine blaue Farbe erhielten Viel wichtiger aber als diese Technik ist die Damaszierung (s. Damaszieren). Der Name selbst flammt von der Stadt Damaskus. Das Wesen des Damasts besteht darin, daß Säbelklingen, Flintenläufe, Schilde u.s.w. aus einem Eisen gebildet werden, welches aus verschiedenen Eisen- und Stahlstäben zusammengeschweißt wurde, nachdem die Stäbe alle einzeln für sich vielfach gedreht und gewunden und dann gemeinsam wieder und wieder zusammengedreht und zusammengeschweißt wurden, bevor sie die beabsichtigte Gestalt erhielten. Die fortwährende Drehung der Stäbe bewirkte nun, daß die Gegenstände im fertigen Zustande, wenn sie mit Säuren behandelt wurden, an jenen Stellen, wo das Eisen sichtbar war, mehr, da aber, wo der Stahl auf der Oberfläche erschien, weniger angegriffen wurden. Es war eine durcheinander gehende lineare Verwicklung der Linien, die von den Orientalen wegen ihrer Aehnlichkeit mit bewegten Wasserwellen Wasser genannt wurde. Dieser echte Damast wird auch heute gemacht, meistens wird er aber künstlich durch Aetzung hervorgebracht oder gar bloß aufgemalt. Der Hauptgrundsatz, daß ein kunstgewerblicher Gegenstand durch schöne und angemessene Form allein schon einen Anspruch auf Kunstschätzung hat, findet gerade in den Eisenwaren am meisten Geltung. Das ganze Mittelalter bis tief herab zu Ende des 18. Jahrhunderts sind die Schmiede Künstler ihres Faches. Die Gitter zeigen viel Phantasie und große Mannigfaltigkeit, Lebendigkeit und Geschmeidigkeit. In Schlössern, Schlüsseln, Beschlägen, Geräten (Fig. 45) – kurz, überall äußert sich ein gestaltungskundiges und gestaltungsfreudiges Talent. Aus den Schmieden und Schlossern gingen die Uhrmacher und Mechaniker hervor, und sie waren es, die selbst den kleinsten Geräten für Haus und Küche, den Werkzeugen und den Geräten für Tisch und Tafel eine künstlerische, bedeutungsvolle Form zu geben wußten. Die Moderne bedient sich des Eisens ebenfalls, um ganz bedeutende Wirkungen hervorzubringen, und zwar in einem Maße, wie die früheren Jahrhunderte es sich nicht haben träumen lassen. Die großartige Entwicklung der Ingenieurkunst wie der Architektur hat Werke entstehen lassen, welche dem Eisen als Baumaterial eine hohe Stelle einräumen. Insbesondere ist es Belgien, welches die Formenwelt des Schmiedes, des Schlossers, der Guß- und Walzwerke völlig neu erstehen ließ, eine Welt, welche selbst den kleinsten eisernen Gegenstand von heute beeinflußt und ihm neue Gestalt verleiht.

Ebenso alt wie die Eisenindustrie scheint die des Kupfers zu sein. Homer kennt Gold, Silber, Eisen und χαλκός, und man hat mit Recht vermutet, daß unter diesem Worte Kupfer zu verstehen sei. Much hat in seinem Werke über die Geschichte des Kupfers diesem einen kulturell höchst wichtigen Platz eingeräumt. Die Haupteigenschaft des Kupfers ist seine Dehnbarkeit und Plastizität- es ist das beste Material für Treibarbeit (Fig. 46). Wegen seiner leichten Angreifbarkeit durch Säuren u.s.w. ist sein Gebrauch beschränkt. Für Bauzwecke – Wasserspeier, Dachrinnenaufsätze, Wetterfahnen u.s.w. – eignet sich Kupfer vorzüglich, und die Alten haben[766] diese Gegenstände häufig in der phantasievollsten Weise behandelt. Auch für die Bildnerei, zur Herstellung großer getriebener Figuren und Gruppen findet Kupfer Verwendung. In mehr künstlerischer Beziehung ist Kupfer das Substrat für Emaillen. Von den verschiedenen Emailarten kommen hier besonders drei in Betracht: das Zellenemail (Fig. 47), das Grubenemail und das Maleremail. Das Zellenemail wird in folgender Weise gefertigt. Auf dem Kupfergrunde wird die Zeichnung mit schwarzer Farbe aufgetragen (Fig. 48 und 49). Hierauf werden die Striche der Zeichnung mit breitgeschlagenen Drähten belegt, diese dann aufgelötet, und in die durch diese Streifen gebildeten Zellen wird pulverisiertes Email eingefüllt, das Ganze gebrannt, bis die Glasflüsse schmelzen, und diese Prozedur wird so oft wiederholt, bis alle Zellen über den Rand mit geschmolzenem Email gefüllt sind. Hierauf werden die Gegenstände abgeschliffen, poliert und die jetzt wieder oberflächlich zum Vorschein kommenden Drähte vergoldet. – Die Technik des Zellenemails ist orientalischer Abkunft. Im Abendlande, namentlich in römischer Zeit, hat man für dieses Email einen Ersatz geschaffen in den Zellenglasmosaiken, d.h. man hat Würfel aus Glasflüssen in Metallhälse eingesetzt und den Gegenständen aufgelegt. Später hat man vom Oriente fertige Zellenemailverzierungen bezogen und dieselben den Gegenständen angenietet oder angelötet. Die Schwierigkeit der Technik veranlaßte das frühe Mittelalter, eine leichtere Art zu erfinden, was mit Erfolg im sogenannten Grubenemail geschah. Bei dieser Art der Emaillierung werden nicht durch Auflötung von Stegen Zellen gebildet, sondern diese werden durch Aushebung des Grundes, durch Herstellung von kleinen Grübchen gebildet, mit Email gefüllt, gebrannt und in der obengeschilderten Weise behandelt. Während das Mittelalter auch für dieses Email Kupfergrund verwendete, wird heute vielfach Bronze genommen, welche weniger der Beschädigung ausgesetzt ist. Das Maleremail unterscheidet sich von den vorgenannten Arten dadurch, daß es weder in Zellen noch in Gruben gefüllt, sondern mit dem Pinsel auf die Oberfläche der Gegenstände nach Art andrer Farben aufgetragen wird. Durch nachträgliches Brennen und Schmelzen und mehrfache Wiederholung dieses- Verfahrens werden die reizendsten Lichteffekte erzielt. Da diese Technik früher namentlich in Limoges geübt wurde, nennt man sie auch Limogesmalerei[767] oder Limogesemail (vgl. a. Email, Bd. 3, S. 441). Eine weniger künstlerische Art wird in China geübt und war früher in Venedig einheimisch, woher die Bezeichnung Venezianeremail stammt, welche heute noch angewendet wird.

Das Zinn (der Name ist chinesisch) ist ein vorzügliches Gebrauchsmetall für Herstellung von billigem Tafelgeräte. Es ersetzt in Bürgerhäusern das Silber und unterliegt ähnlichen Dekorationsgesetzen wie das Silber. Die vorzüglichsten Zinnwaren fertigen die Japaner, welche ihre Geräte leicht und malerisch gravieren und diese Gravierungen dann mit Lack ausfüllen. Neben den gewöhnlichen Gebrauchsgeschirren treten auch Zinnarbeiten von hohem künstlerischen Werte auf, hauptsächlich zu Beginn des 17. Jahrhunderts, und wahrscheinlich wurden diese Gefäße, welche auf zwei berühmte Künstler, den Franzosen Briot (Fig. 51) und den Nürnberger Enderlein, zurückgehen, von getriebenen Silbersachen beeinflußt. Das Zinn dient ferner als Ersatz des Silbers zur Montierung von Glasgefäßen in ähnlicher Weise wie früher Gefäße aus Bergkristall in Gold und Silber gefaßt wurden. Die wichtigste Verwendung findet das Zinn als Legierungsmetall in Verbindung mit Kupfer zur Herstellung der Bronze. Bronze, spätlateinisch bronzium, leitet sich von dem persischen Wort baranz ab, welches glänzen bedeutet. Die Bronze diente in der frühesten römischen und vorrömischen Zeit als Ersatz des Goldes und fand Verwendung für Schmuck, Gebrauchs- und Kunstarbeiten. In erster Linie ist die Bronze das bevorzugte Material für Kunstgüsse, die dann ziseliert werden. Die Orientalen verzierten ihre Bronzegefäße mit eingeschlagenen Silberfäden, die wie ein schimmerndes Spinnengewebe den Leib der dunkelgebeizten Gefäße umzogen. Man nennt diese Gefäße, die in Japan, China, Indien sehr beliebt sind, Koftgariwaren. Im Abendland finden wir Bronzegeräte, die mit andersfarbigen Metallen, namentlich Kupfer, Silber u.s.w. eingelegt sind. Herrliche Beispiele dieser Technik sind einzelne kurulische Stühle auf dem Kapitol in Rom (Fig. 50). Außer mit Zinn wird das Kupfer legiert mit Zink und es entsteht daraus das Messing und der Tombak; neuere Kupferlegierungen sind das Britanniametall und das Neusilber, dann das sogenannte Weißmetall u.a. Letzteres findet eine künstlerische Ausstattung in den bekannten orientalischen Bidriarbeiten, von der Stadt Bidar genannt. Die Dekoration dieser Gefäße besteht darin, daß auf den Gefäßkörper Silberplättchen und Silberfäden so eingeschlagen werden, daß die Ränder in das weiche Metall eingreifen, die dazwischenliegende Fläche aber auf dem Grunde ohne weitere Verbindung aufliegt.

Zu den Edelmetallen übergehend, ist das Silber in ähnlicher Weise wie Kupfer das bevorzugte Metall für Treibarbeiten feinerer Art. Herrliche getriebene Arbeiten hat die Antike hinterlassen, wie der prächtige Hildesheimer Fund zeigt (Fig. 52). Im Mittelalter und durch alle folgenden Zeiten war das Silber für kirchliche Gefäße und für Ausstattung von Tisch und Tafel bevorzugt, und Gold- und Silberschmiede genossen das größte Ansehen (Fig. 53). Eigne Ordnungen und Gesetze sorgten für richtige Legierung, und die Silberschmiede waren unerschöpflich in der Herstellung der originellsten Formen für Geräte und Gefäße, für Schmuck und äußeren Zierat. Das Silber wird in der chemischen Zeichensprache mit der Mondsichel charakterisiert; es hat auch einen mondglanzähnlichen Schein, und darauf muß die Dekoration sich stützen. Die dem Silber eigenste Verzierung ist außer dem Treiben das Niellieren, d.h. das Einlegen von schwarzem Schwefelsilber in die weißen Flächen, eine Dekoration, die man nach einer russischen Stadt auch Tulaarbeit nennt. Verschiedene andre Verzierungsarten sind das Gravieren, das Aussägen (namentlich an Repetieruhren, Fig. 54), das Vergolden und Emaillieren. Letzteres ist bei Silber in dreifacher Art angewendet. Man hat das transluzide Email, das Drahtemail (Fig. 55) und das Email à jour. Das transluzide Email wird auf die gravierte Unterlage so aufgetragen, daß[768] es an den weniger vertieften blanken Stellen heller, an den tieferen aber dunkler erscheint. Das Drahtemail hat seinen Namen von den gedrehten und fassonierten Drähten, mit denen die Glasflüsse angepaßt sind. Diese Technik ist vorzugsweise in Ungarn, Siebenbürgen und Rußland zu Hause. Das Email à jour wird hergestellt, indem es zwischen zwei Metallplatten zum Schmelzen gebracht wird. Nach dem Erkalten werden die Metallplatten weggenommen; der Glasfluß ist nun frei in den kleinen Ring eingeschlossen, der es als haltender Steg umgibt (Fig. 56).

Das Gold ist das eigentliche Schmuckmetall und seiner Dehnbarkeit und seines Wertes wegen stets sparsam anzuwenden. Die eigenste Goldtechnik ist die des Filigrans. Die Antike hat vom Goldfiligran den umfassendsten Gebrauch gemacht, und die herrlichen Nadeln, Gehänge, Kettchen, Broschen u.s.w. zeigen das Filigran in allen Arten und Formen (Fig. 57, 58, 58a). Vom Golde weg hat das Filigran Eingang gefunden in der Silberindustrie für den charaktervollen Bauernschmuck [7]. Das Gold als edelstes Metall kann nur mit Materialien weiter verziert werden, die noch wertvoller sind, das sind Edelsteine und das denselben ähnlich wirkende Email, Perlen u.a. Als Email kommt hier das Goldschmiedeemail zur Verwendung, welches ganze Figuren, Knöpfe u. dergl. bedeckt; selbstverständlich können auch Zellen- und Grubenemail angewendet werden.

Zum Schlusse müssen die neueren Prozesse der Dekoration – namentlich die galvanischen – wenigstens erwähnt werden. Sie ersetzen eine Reihe andrer Techniken und sind für das ganze Gebiet der Metallindustrie von der größten Wichtigkeit geworden. Vgl. Galvanotechnik.

Mit keinem Material kommt der Mensch so vielfach in Berührung als mit dem Holze. Eigenartig und verschieden sind die einzelnen Holzarten, und eigensinnig bewahrt das Holz seine Natur, wenn es längst zu Gebrauchszwecken verarbeitet ist; es arbeitet weiter, wirst und dehnt sich und verlangt Rücksicht auf seine Beschaffenheit. Zwei Handwerke sind es vor allem, die der Holzindustrie ihre Bedeutung verdanken, das des Zimmermanns und das des Schreiners oder Tischlers. Der Zimmermann hat vom Zimmer den Namen: er stattete die Gelasse mit Fußböden, Täfelwerken und Decken aus und zog sich dann, als diese Arbeiten mehr verfeinert wurden und in die Hände der Schreiner übergingen, auf die Beschaffung des Hauses zurück und entwickelte im deutschen Holzbau eine Geschicklichkeit, die mit der Kunst eng verschwistert war. Noch sind mehrere deutsche Holzbauten im Norden, unsre Gebirgshäuser im Süden, unsre Bauernhäuser lebendige Typen und Zeugen dieser alten, spezifisch deutschen Kunsttätigkeit. – Der Schreiner hat vom Schreine, der Tischler vom Tisch den Namen, und Tisch und Schrein[769] waren die ersten und wichtigsten Möbel. Am Tisch versammelte sich die Familie, der Schrein, truhen- und kastenartig, barg die Schätze der Hausfrau. Als Sitzmöbel war in früherer Zeit nur ein Stuhl – der des Hausherrn – vorhanden; sonst dienten hierfür Bänke und Truhen. Nach den Kreuzzügen und infolge eines verfeinerten Luxus erschienen dann verschiedene Möbel, die schon im Namen die außerdeutsche Abstammung bekunden, das Büfett, die Kredenz, das Sofa, der Diwan und das Kanapee. Selbstverständlich änderten sich mit der Zeit Name, Gestalt und Bestimmung und neue Arten und Namen kamen auf. Aus der Lumpenkiste wurde die Chiffonniere, aus dem Kanapee die Chaiselongue, das Milieu u.s.w. Die Verzierungsarten des Holzes sind mancherlei Art: sie bestehen in Einlagen, Auflagen, Schnitzerei und in Flachverzierung der Oberfläche. Die Einlagen können aus Holz, Elfenbein, Bein oder Metall bestehen und bezwecken, dem Holz ein malerisches Gepräge zu geben. Am gebräuchlichsten waren die Holzeinlagen oder die Intarsia [8] (Fig. 59 und 60). In Deutschland verband sich frühzeitig die Einlagearbeit mit farbigen Bildern. Um an einem und demselben Holze verschiedene Töne zu erzeugen, wurde das Holz in heißen Sand gefleckt, welcher dasselbe braun färbte. Zu diesen Einlagen wurden außerdem noch Auflagen von ausgeschnittenen Laubsägearbeiten angebracht, wodurch in die Dekoration eine größere Abwechslung kam. Ueberaus reich sind die Beispiele von eingelegten Holzarbeiten (Fig. 61). Am meisten Wirkung erzielten die Elfenbeineinlagen in Ebenholz (Fig. 62); es wurden aber auch andre Materialien, wie Marmor, geschliffene Halbedelsteinplatten, Kalksteine, Bein u. dergl., verwendet. Eine besondere Art von Einlage kam unter Ludwig XIV. in Frankreich auf, die bekannte Boulearbeit (Fig. 63). Das Wesentliche dieser Verzierungskunst bestand darin, daß der ganze Holzkörper mit Schildkrotplatten bedeckt wurde, in welche Einlagen von Zinn und Messing gemacht wurden. Eine reiche Bronzemontierung vollendete das Ganze Der Vollständigkeit wegen müssen hier die sogenannten Piquéarbeiten erwähnt werden, deren Verzierung in eingeschlagenen messingenen Linien, Kreisen und Punkten besteht, dann das Tar Idaschi der Indier (Silberdrahteinlagen in schwarzes Holz), welche Technik in Bosnien, Siebenbürgen u.s.w. gepflegt und in neuester Zeit in Cortina im Ampezzotale schulmäßig gelehrt wird. – Neben den Einlagen müssen wir auch die Mosaikarbeiten nennen. Unter Mosaik (s.d.) verstehen wir heute Ornamente und Verzierungen, die aus einzelnen kleinen Holz- u.s.w. -stücken zusammengesetzt werden. Am bekanntesten sind zwei Arten:[770] die Certosamosaik, so genannt, weil sie meistens in italienischen Kartäuserklöstern gepflegt wurde, und die Bombaymosaik. Erstere besteht aus geometrischen Mustern, für deren einzelne Stücke der Grund vom Holz erst ausgehoben wurde; letztere bestehen aus zusammengesetzten Stäbebündeln, die zusammengeleimt, furnierartig abgeschnitten und dann nach einer bestimmten Musterung eingelegt wurden. In neuerer Zeit sehr in Aufnahme gekommen ist die Reliefintarsia. Das Wesen derselben besteht darin, daß mit bunten Hölzern Einlagen hergestellt werden, die man später leicht nachschnitzt.

Die Schnitzerei ist entweder Flach- oder Reliefschnitzerei. Erstere war namentlich im Mittelalter in Gebrauch, und das Ornament wurde entweder einfach mit dem Messer konturiert (Fig. 65) oder aber es wurde der vom Ornament nicht berührte Grund mehr oder weniger vertieft und mit Farben ausgemalt. Namentlich an kirchlichen Möbeln erhielt sich diese Art sehr lang. Die Reliefschnitzerei ist entweder Flach- oder Hochreliefarbeit, je nachdem die Ornamente und Figuren mehr oder weniger hoch vom Grund sich abheben. Ihren höchsten Triumph feiert die Schnitzerei in den ganz durchbrochenen, frei modellierten und geschnitzten Arbeiten, wie sie in der Renaissance und den darauffolgenden Zeit- und Stilperioden des Barock und des Rokoko vorkommen. Namentlich die Zeit des Rokoko zeichnete sich in dieser Art aus, und die geschnitzten Rahmen, Gitterungen, Konsolen u.a. sind Meisterstücke der Kunst und Technik und werden mit Recht heute wieder in erhöhtem Maße bevorzugt und nachgebildet. Das Schnitzmaterial ist im Mittelalter Linden-, Pappel- und Eichenholz, in späterer Zeit wohl auch Lindenholz (Fig. 66) mit Vergoldung.

Eine besondere, namentlich im Norden heimische Schnitzart ist die des Kerbschnitts, welche heute als Dilettantenarbeit viele Hände beschäftigt. Das Hauptaugenmerk ist bei dieser Technik vorzugsweise auf sicheren Schnitt und exakte Ausführung der geometrischen Zeichnung zu richten. Die Schwierigkeit der Holzschnitzerei hat vielfache Versuche erzeugt, dieselbe auf mechanischem Wege zu ersetzen. Da sind vor allem das sogenannte Bois durci, eine französische Erfindung, zu nennen, das aber bald wieder abkam, das Carton pierre und verschiedene andre Stoffe, denen durch Pressung das Aussehen der Schnitzerei gegeben wurde. Die Versuche sind noch nicht abgeschlossen und kehren in vielgestaltigen Formen immer wieder, ohne indes der seinen, wahrhaft künstlerischen Schnitzerei besonderen Abbruch zu tun. – Weitere Verzierungsarten der Holzarbeiten beschränken sich darauf, die Oberflächen der Gegenstände ohne weiteren Eingriff in das Holz selbst zu verzieren. Es gehören hierher das Polieren, Vergolden, Bemalen und Lackieren.

Das Polieren kam namentlich mit der allgemeineren Verwendung der Furniere in Aufnahme, um die Struktur des Holzes vorteilhaft zur Geltung[771] zu bringen. Das Vergolden – teilweise oder ganz – geht in die früheste Zeit zurück und erlebte seine größte Verbreitung in der Zeit des Rokoko und des Barock.

Das Bemalen der Möbel wurde im Mittelalter fast überall angewendet und erhielt sich besonders in den Bauernmöbeln als echte Volkskunst (Fig. 68), die heute namentlich in Süddeutschland wieder zum Leben erweckt wurde [9], [10]. Eine oberflächliche Verzierung der Holzarbeiten bietet auch der sogenannte Holzbrand; doch kommt diese Technik über Dilettantenarbeit nicht hinaus (vgl. Holzbrandtechnik). – Neben den genannten Handwerken, die mit Herstellung von Holzwaren sich beschäftigen, müssen wir noch die Drechsler, Presser und Bildhauer erwähnen. – Die kunstvollen Arbeiten des Drechslers bestehen nicht bloß in Geräten und Phantasieartikeln (das alte Spinnrad nicht zu vergessen), sondern sie schmücken fast alle Objekte, die der Zimmermann, der Schreiner, der Schnitzer geschaffen. Sie finden sich an Möbeln, Vertäfelungen und Decken, sie treten überall teils selbständig, teils ergänzend und verzierend auf. Vorzüglich geschätzt ist die Drechslerei im Orient, wo die schönen Gitterungen an Häusern, in Moscheen und Zimmern die Bewunderung aller Kunstfreunde erregen.

Das Pressen von Holzgegenständen findet und fand zumeist bei Spielwaren und Spielgeräten Anwendung. Im 16. Jahrhundert erfand ein gewisser Danner in Nürnberg die Kunst, sogenannte Dambrettsteine zu pressen. Bald darauf kam man auf den Gedanken, Medaillenstempel, welche dazu bestimmt waren, Erinnerungs- und Gedächtnismedaillen zu prägen, für die Herstellung solcher Spielstücke zu verwenden. Die größte Sammlung solcher Dambrettsteine besitzt das Bayrische Gewerbemuseum in Nürnberg. Den Glanzpunkt erreicht die Holzindustrie in den figürlichen Bildhauerarbeiten, wie sie namentlich zur Ausstattung der Kirchen und Altäre gefertigt, dann aber für profane Zwecke (Fig. 64) hergestellt wurden. Mit diesen Arbeiten tritt die Holzindustrie in das Gebiet der bildenden Künste ein und verläßt die Grenzen des Kunstgewerbes.

Das Lackieren der Gebrauchsgegenstände ist namentlich im Orient gebräuchlich und hat in Persien, Indien, China und Japan kunstgewerbliche Erzeugnisse von höchstem Kunstwert geschaffen. Insbesondere sind es die japanischen Lackarbeiten, von hoher Schönheit, Mannigfaltigkeit und unbegrenzter Dauer, welche das Abendland beeinflussen. Eine Eigentümlichkeit des japanischen Lacks ist seine Widerstandsfähigkeit gegen Feuer; während unsre heimischen lackierten Arbeiten bei einer 100° C. übersteigenden Hitze zerstört werden, leistet der japanische Lack der Einwirkung der Flamme lange Zeit Widerstand und unterliegt eigentlich erst der Zerstörung, wenn die Unterlage, auf welche er aufgetragen ist, zerstört wird. Gute japanische Lackarbeiten werden im Lande selbst sehr geschätzt und erzielen hohe Preise, vor welchen die Europäer oft zurückschrecken; wenn man bedenkt, daß, abgesehen von der unendlichen Mühe und Zeit, die bei der Anfertigung derselben aufgewendet wird, die Gegenstände schon ihres Goldgehalts wegen (seine derartige Waren sind Inkrustationen von echtem Gold und Lack) einen bedeutenden Wert haben, wird man die Preise mäßig finden. Die Herstellung der Lackarbeiten ist außerordentlich mühsam und zeitraubend und besteht im Auftragen einer großen Anzahl einzelner Schichten von Lack (aus dem Milchsafte von Rhus vernicifera), bis zu 30 und selbst noch mehr, deren jede nach dem Trocknen geschliffen wird, um höchste Glätte zu erreichen. Die Malereien sind meist erhaben und werden mit einer Paste aus Ton und Lack hergestellt und dann mit Gold oder in Farben ausgeführt (Fig. 67). Bei sehr seinen und teuern Arbeiten wird nur Gold in verschiedenen Körnungen und Färbungen für die Malereien benutzt; solche Arbeiten gelangen aber selten nach Europa.


Literatur: [1] Lessing, Jul., Wandteppiche und Decken des Mittelalters in Deutschland, Berlin. – [2] Bode, Altpersische Knüpfteppiche, Berlin 1892. – [3] Dupont-Auberville, M., L'ornement des tissus, Paris 1877. – [4] Fischbach, Fr., Die wichtigsten Webeornamente bis zum 19. Jahrhundert, Wiesbaden. – [5] Lessing, Jul., Die Gewebesammlung des Kgl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin, Berlin. – [6] Pazaurek, G., Moderne Gläser, Leipzig 1907. – [7] Luthmer, Ferd., Gold und Silber, Leipzig 1880. – [8] Teirich, V., Intarsiaornamente, Wien 1876. – [9] Zeit, Franz, Volkskunst im Algäu, München o. J. – [10] Seyffert, G., Von der Wiege bis zum Grabe, Wien 1906. – [11] Borrmann, R., Moderne Keramik, Leipzig o. J.

G. Halmhuber.

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Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 751-772.
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