Schweiz

Schweiz

[134] Schweiz (die), 777 ! M. groß, ist das höchste Land Europas. Ihre Grenzen sind im S. die Lombardei und das Königreich Sardinien, im W. Frankreich, im N. das Großherzogthum Baden, im O. Vorarlberg und Tirol. So trennt sie mit ihrem mächtigen Gebirgsrücken Italien von Frankreich und Deutschland. Von den Alpen (s.d.) gehören ihr die Schweizeralpen und ein Theil der rhätischen Alpen an. Auch von dem Juragebirge (s.d.), das anfangs die Grenze gegen Frankreich macht, reicht der nordwestl. Theil in die Schweiz hinein, indem er durch den Canton Neuenburg und einen Theil des Cantons Bern nach dem Rheine zu streicht. Die Formation des Landes kann man sich am besten veranschaulichen, wenn man von dem St.-Gotthard, zwischen den Rhein-, Reuß-, Rhone- und Tessinoquellen, als dem Hauptknoten, die nach den verschiedenen Richtungen ausgehenden Gebirgsketten betrachtet Die höchste Spitze dieses Knotens, in der Nähe des eigentlichen St.-Gotthard, ist die Furka (13,200 F.). Es gehen von hier aus 1) gegen SW. die lepontischen Alpen bis zum Monte Rosa (14,222 F.), dem höchsten Berge in der Schweiz, und von hier die penninischen bis zum großen St.-Bernhard (10,400 F.). Zu den penninischen Alpen gehört auch der Simplon (10,800 F.). Gegen WSW. erstrecken sich 2) die berner Alpen bis in die Gegend des Genfersees, mit der Grimsel (9100 F.), dem Finsteraarhorn (13,200 F), dem Schreckhorn (12600 F.), den Viescherhörnern (19,500 F.), dem Mönch (12,650 F.) und der Jungfrau (12,850 F.) Zwischen 1) und 2) ist das Gebiet der Rhone. Es gehen ferner 3) gegen O. die lepontisch-rhätischen Alpen, welche Tessino und Adda von Rhein und Inn trennen; 4) gegen NO. die thurner, glarner, St.-Gallener, appenzeller und schwyzer Alpen, welche den Rhein von Reuß, Linth und Thur scheiden; 5) gegen [134] N. und NW. die westurner und unterwaldner Alpen, welche das Gebiet der Reuß von dem der Aar trennen. Die hierbei angegebenen Höhenpunkte zeigen schon den ganz verschiedenen Charakter der in diese Gebiete fallenden Gebirge und Länder. Denkt man sich nämlich eine Linie nördl. vom Genfersee, am südl. Ende des Zürichersees vorüber nach dem Südostende des Bodensees gezogen, so hat man südöstl. derselben den eigentlichen Hauptkamm des Gebirges und den Alpencharakter von Land und Bewohnern. Hier sind die von ewigem Schnee starrenden Gipfel, hier die ewig dauernden Eismassen in den hochgelegenen Thälern, die Gletscher, hier stürzen die Lawinen von den Bergen herab, hier gelangt man auf schwindelnden Pfaden von den tiefer liegenden grünen Matten in wenigen Stunden an das Ende der Vegetation. Rauschende Gebirgswasser eilen durch die tiefen, engen Thäler, und Bäche fallen von Felswänden herunter, prächtige Stürze bildend, überall ist mehr die Hand der Natur als die des Menschen sichtbar. Ganz anders verhält es sich nordwestl. dieser Linie, zwischen dem eigentlichen Rücken der Alpen und dem Jura. Hier, im freiburger, berner, solothurner Gebiet, in Zürich, in Thurgau, ist kein eigentlicher Alpencharakter mehr, wie hoch auch noch die Erhebungen gegen andere Länder Europas sind. Die Oberfläche hat eine sanftere Form, die Erhebungen sind abgerundet und theils bebaut, theils mit Wiesen und Wäldern bedeckt. Weite, riesige Niederungen ziehen als grüne Säume den schöngefärbten, langsamer fließenden Gewässern zur Seite. Die Gegenden, welche dem Jura angehören, sind gebirgiger als die letztern, können sich aber mit den erstern beiweitem nicht messen. Eigentliche Ebenen gibt es in keinem Theile der Schweiz. Der niedrigste Punkt der Schweiz ist das Dorf Magadino am Lago Maggiore, liegt aber noch 636 F. hoch; die Höhe des Rheins bei Basel beträgt 752 F. über dem Meere. Der Kern der Alpen besteht aus Granit, ist aber mit Kalk bedeckt. Die niedrigern Gebirge auf der Nordseite sind Kalkgebirge, die Gebirge der dritten und vierten Stufe bestehen aus Sandstein und Kalkstein und aus Sandstein und Mergel. Der Jura besteht ganz aus Kalk. Die Schneelinie hat in der Schweiz die Höhe von 7500–8500 F. Wegen der Gewässer verweisen wir auf die einzelnen Cantone und nennen nur unter den Seen: den Boden-, Zürcher-, Zuger-, Vierwaldstädter-, Thuner-, Brienzer-, Bieler-, Neuenburger-und Genfersee; unter den Flüssen, von denen, außer einzelnen Strecken, keiner in der Schweiz schiffbar ist, den Rhein mit der Thur und der Aar und den Zuflüssen der letztern, die Rhone, den Tessino und den Inn. Gebirge und Gewässer vereinigen sich miteinander, um die höchsten Naturgenüsse darzubieten. Diejenigen Gegenden, welche von Reisenden vorzugsweise aufgesucht werden, sind der Rheinfall bei Schaffhausen, Zürich und von hier aus die Strecke über Zug, Schwyz und Altdorf nach dem St.-Gotthard; ferner Luzern, von wo man durch das reizende Entlibuch nach Bern geht, von Bern nach dem berner Oberlande, nämlich nach Thun, Lauterbrunnen, dem Staubbach, Grindelwald und dem Haslithal; ferner die Gegenden des Neuenburger- und endlich des Genfersees. Das Chamounythal und der Montblanc gehören schon Italien an. Es sind in diesem Jahrhundert, namentlich durch Napoleon, mehre Alpenstraßen angelegt worden, die zu den größten Werken von Menschenhand auf der ganzen Erde gehören. Die Hauptpässe sind in der Schweiz (aufgezählt von W. nach O.): über den Forclaz aus Wallis nach Savoyen, über den großen St.-Bernhardsberg (s.d.), über das Weißhorn und Matterhorn, über den Simplon (s.d.) und über den Gries aus Wallis nach Piemont, über die Furka aus Uri nach Wallis, über den St.-Gotthard (s.d.) aus Uri nach Tessin (es ist dies die Hauptstraße aus Deutschland nach Italien durch die Schweiz), über den Greina aus Graubündten nach Tessin, über den Bernhardin, über den Splügen und über das stilfser oder wormser Joch aus Graubündten nach der Lombardei. Das Klima ist allenthalben in den Ebenen milder als in den meisten Gegenden Deutschlands; in Wallis und Tessin weht schon italienische Luft; von der Ebene zu den Bergen hinan wird die Luft immer rauher bis zum ewigen Winter der Hochalpengipfel. Die Luft ist rein und gesund, die Witterung indessen im Ganzen ziemlich wechselnd. Unter den Winden ist der Föhn der berüchtigtste. Er kommt aus den Schlünden des Gotthard und verfängt sich oft in den hohen Felswänden, die den Vierwaldstädtersee einschließen. – Die wichtigsten Producte der Schweiz sind: vortreffliche Steinarten, als Marmor und Alabaster, viel Bergkrystall, Porzellan und anderer Thon, Kalk, Gyps, Steinkohlen, Torf; Eisen reichlich, aber nur wenig Silber, Kupfer, Blei und Zink; Mineralquellen in einer Fülle und Güte wie in wenigen Ländern Europas (Leukerbad, St.-Moritz, Pfeffers, Baden, Schinznach u.a.); Salz (nur in einem Salzwerke gewonnen, zu Bex); Getreide, aber in lange nicht zureichender Menge (in den höhern Alpengegenden gehört Brot zu den Seltenheiten); Flachs, Hanf, Taback, Futter-, Farbe- und Arzneikräuter; Obst reichlich und gut (aus den Kernen der Kirschen wird in großer Menge Kirschwasser bereitet); Wein; das schönste Rindvieh, daneben auch Maulthiere, Esel, Ziegen und Schafe; in den Hochgebirgen Gemsen, Murmelthiere, Luchse, Wölfe, Bären, Adler und Geier; Wild ist wenig vorhanden, der Steinbock fast ausgerottet; Seen und Flüsse sind reich an Fischen; die Bienenzucht ist beträchtlich.

Die Einwohner, nach der Zählung von 1838, betragen 2,190,000 (worunter 56,300 Ausländer), und sind fast alle deutschen Stammes, nur im S. sind Italiener, im W. Franzosen, deshalb ist auch die deutsche Sprache die fast allein herrschende. Außer dem Italienischen und Französischen wird in einigen Gegenden Graubündtens auch noch romanisch oder ladinisch gesprochen. Der Religion nach gehören mehr als zwei Drittel der protestantisch-reformirten Kirche an, die übrigen sind fast sämmtlich Katholiken, wenige Wiedertäufer und Juden. Die Schweizer sind ein kräftiger und gesunder Menschenschlag, haben aber, besonders in den höhern Gegenden, zu scharf ausgeprägte Züge, um schön genannt werden zu können. Übrigens herrscht, wie immer in Gebirgsgegenden, unter ihnen die größte Verschiedenheit, oft zwischen ganz nahe gelegenen, nur durch einen Gebirgsrücken voneinander getrennten Thälern, sodaß sich wenig von einer gemeinsamen Nationalität sprechen läßt. Über die eigenthümliche Alpenwirthschaft s. Alpen. Neben Viehzucht und Ackerbau blühen in einigen Cantonen auch die Fabriken, nämlich in Aargau, Basel, Bern, Zürich, St.-Gallen, Appenzell, Genf, Waadt und Neuenburg. Die wichtigsten Gegenstände des Fabrik- und Gewerbewesens sind Baumwollenzeuche, Uhren und Papier, dann Leinwand, Spitzen, [135] Seidenwaaren, Leder, Wollen- und Metallwaaren. Die Buchdruckereien sind leider zum Theil noch mit dem unedlen Gewerbe des Nachdrucks beschäftigt. Obgleich die Schweiz mehre ausgezeichnete Künstler und Gelehrte hervorgebracht hat, so steht sie doch in Wissenschaft und Kunst, vielleicht mit Ausnahme der Musik, Deutschland nach. Sie besitzt jetzt drei Universitäten, Basel, Zürich und Bern; Genf ist mehr eine Akademie als eine Universität. Sonst ist das Unterrichtswesen in den protestantischen Theilen der Schweiz sehr gut, und namentlich gibt es in der franz. Schweiz so viele Unterrichtsanstalten, daß das Hinziehen der Fremden zu denselben sogar als eine nicht unbeträchtliche Erwerbsquelle für die Einwohner zu betrachten ist, und daß die Schweiz Erzieher und Erzieherinnen für einen großen Theil von Europa liefert. In den katholischen Cantonen sind die meisten Schulen in den Händen der Geistlichkeit.

Die Schweiz oder schweizerische Eidgenossenschaft ist ein Bundesstaat. Die neueste Bundesverfassung ist vom 7. Aug. 1815. Danach bestehen 22 Cantone in folgender Rangordnung: 1) Zürich; 2) Bern; 3) Luzern; 4) Uri; 5) Schwyz; 6) Unterwalden (getrennt in Unterwalden ob dem Wald und Unterwalden nid dem Wald); 7) Glarus; 8) Zug; 9) Freiburg; 10) Solothurn; 11) Basel (getrennt in Basel-Stadttheil und Basel-Landtheil); 12) Schaffhausen; 13) Appenzell (getrennt in Appenzell-Innerrhoden und Appenzell-Außerrhoden); 14) St.-Gallen; 15) Graubündten; 16) Aargau; 17) Thurgau; 18) Tessin; 19) Waadt; 20) Wallis; 21) Neuenburg; 22) Genf. (S. die Artikel der einzelnen Cantone.) Jeder dieser Cantone hat seine eigne, republikanische Verfassung und ist in eignen Angelegenheiten souverain (nur Neuenburg gehört dem Könige von Preußen zu); die einzelnen Verfassungen sind aber sehr verschieden, die meisten rein demokratisch, andere aristokratisch oder gemischt; die Verfassung von Neuenburg kann man constitutionnell-monarchisch nennen. Die allgemeinen Angelegenheiten des Bundes leitet die aus Deputirten der einzelnen Cantone gebildete Tagsatzung, welche sich jährlich im Jul und Aug. in einem der drei Vororte (Zürich, Bern und Luzern) versammelt. Die Sitzungen sind öffentlich. Bei wichtigen Angelegenheiten sind zur Entscheidung zwei Drittel der Stimmen nöthig, bei minder wichtigen entscheidet die Stimmenmehrheit. Auf Verlangen von wenigstens fünf Cantonen können auch zu andern Zeiten außerordentliche Versammlungen der Tagsatzung berufen werden. Während die Tagsatzung nicht versammelt ist, leitet die Vollziehungsbehörde des Cantons, welcher grade die Vorortschaft hat, die allgemeinen Angelegenheiten. Der Oberste dieser Behörde, der Cantonschultheiß, hat dann den Titel Landamman der Schweiz und das Prädicat Excellenz. Die Vorortschaft wechselt zwischen den genannten Cantonen alle zwei Jahre, 1835 und 1836 hatte sie Bern, 1837 und 1838 Luzern, 1839 und 1840 Zürich. Bei dem Vororte sind auch die fremden Gesandten accreditirt; die Schweiz unterhält nur in Wien und Paris Gesandtschaften. Stehendes Militair hat die Schweiz nicht, bis auf einige wenige Mann in manchen Cantonen; jeder Schweizer ist aber vom 20.–45. Jahre wehrpflichtig. Das Bundescontingent beträgt 3378 M.; nach dem Bundescontingent tritt die Bundesreserve ein. In frühern Zeiten standen oft Schweizertruppen in ausländischen Kriegsdiensten und waren durch ihre Tapferkeit, sowie ihre Treue berühmt. Jetzt sind nur noch drei wirkliche Schweizerregimenter in Neapel, zwei Fremdenregimenter unter schweizerischen Offizieren in Rom, aber sehr viele Schweizer unter den holländ. Nationalregimentern und der franz. Fremdenlegion. – Das Wappen der Schweiz ist ein alter Schweizer, der in der einen Hand eine Hellebarde hält und sich mit der andern auf einen Schild mit der Unterschrift: »XXII Cantone Schweizerischer Eidgenossenschaft«, lehnt.

Für die Geschichte der Schweiz ist es eine wichtige Vorbemerkung, daß das Land, mit Ausnahme des Bodensees und Rheins und eines Theils des Juragebirges, weder Naturgrenzen hat (denn die Alpen reichen ohne Unterbrechung südwestl. und südl. bis an das mittelländ. Meer und östl. bis nach Steiermark und Illyrien), noch eine ihm eigenthümliche Nation. So haben wir hier weder die Geschichte eines Landes noch eines Volkes, sondern die Geschichte der Entstehung, der weitern Vergrößerung und festern Begründung der schweizer. Eidgenossenschaft. Als die ältesten Einwohner in diesen Gegenden, nämlich zwischen Alpen, Jura und Rhein, finden wir vor Christi Geburt die Helvetier, ein gallisches Volk, nach denen man auch noch zuweilen die Schweiz Helvetien nennt. Später gehörten alle Landschaften, welche die heutige Schweiz ausmachen, zum röm. Reiche, aber durchaus nicht in ihren jetzigen Grenzen als eine besondere Provinz dastehend, sondern sie gehörten verschiedenen, über diese Grenzen hinausreichenden Provinzen zu. Durch die Völkerwanderung wurde das ganze Land von deutschen Stämmen besetzt, vornehmlich von den Alemannen, Burgundern, Longobarden und Gothen. Letztere bevölkerten die bis dahin unbewohnten Thäler am nördl. Saume der Alpen, also die heutigen Cantone Schwyz, Uri und Unterwalden. In der größten Ausdehnung des Frankenreichs war die heutige Schweiz ein Theil desselben, nach der Auflösung desselben gehörte der westl. Theil zum Königreiche Hochburgund. Als letzteres 1032 wieder Deutschland einverleibt wurde, blieb die Schweiz ein Theil des deutschen Reichs. Es wurden damals einige Städte und einige adelige Geschlechter vor andern mächtig, unter letztern besonders die Herzoge von Zähringen, durch welche die Kaiser bis zum Aussterben dieses Geschlechts (1218) die Schweiz verwalten ließen. Ein anderes mächtiges Geschlecht waren die Grafen von Habsburg, aus dem Rudolf sogar 1273 deutscher Kaiser wurde. Unter dem Sohne desselben, Kaiser Albrecht (1298–1308) brach der Aufstand der Schweiz aus. Es hatten nämlich bisher die schweizerischen Landschaften unmittelbar zum deutschen Reiche gehört, sie wollten daher auch dem Kaiser Albrecht nur als deutschem Kaiser, nicht als Erzherzog von Östreich (das die Habsburger unterdeß erworben hatten) gehorchen. Kaiser Albrecht wollte sie aber Östreich selbst einverleiben, fing an sie wie östr. Besitzungen zu behandeln, kränkte besonders die Gebirgsländer Schwyz, Uri und Unterwalden, welche ausgedehntere Gerechtsame besaßen und völlig reichsfrei waren, dadurch, daß er kais. Vögte, überdies harte Männer, in ihr Land schickte, welche Zwingburgen bauten und das Volk zu schwerem Dienste drängten. Da schlossen die Angesehensten aus diesen drei Ländchen, an ihrer Spitze Walther Fürst aus Uri, Werner Stauffacher aus Schwyz und Arnold von Melchthal aus Unterwalden am 7. Nov. 1307 auf dem Rütli, einer einsamen [136] Gegend am Vierwaldstädtersee, einen Bund zur Aufrechthaltung ihrer Freiheit und verabredeten einen Aufstand zur Vertreibung der Vögte. Der Aufstand brach, nachdem kurz vorher der Vogt Hermann Geßler von Wilh. Tell (s.d.) ermordet worden war, am Neujahrstage 1308 aus und gelang, begünstigt durch die gleichzeitige Ermordung des Kaisers Albrecht. Doch hatten die Schweizer noch manchen harten Kampf mit den Habsburgern zu bestehen, welche von ihren Ansprüchen nicht ablassen wollten; aber sie bestanden diese Kämpfe mit einem Heldenmuthe, der ihren Namen berühmt gemacht und unsere ganze Theilnahme diesem tapfern, für das Vaterland blutenden Hirtenvolke zugewandt hat. Nach dem Siege bei Morgarten (1315) erneuerten die drei Urcantone ihren Bund unter dem Namen eines ewigen Bundes, bald traten auch noch mehr Landschaften dazu, so 1332 Luzern, und bis 1353 noch Zürich, Glarus, Zug und Bern. Diese acht sind also die ältesten Cantone. Eine neue große Gefahr wandten sie durch die Siege 1386 bei Sempach (s.d.) und bei Näfels (1389) ab. Aber nun begannen trübere Jahre durch unlautere Leidenschaften und unrechtmäßige Bestrebungen nach Erweiterung. Der 26. Aug. 1444 war ein Unglückstag für die Schweizer, wo sie bei St.-Jacob zwar mit Heldenmuth gegen ein franz. Heer, das Friedrich III. gegen sie aufgerufen hatte, kämpften, aber der Übermacht erliegen mußten. Um die toggenburger Erbschaft entstand sogar blutiger Bürgerkrieg unter den Schweizern selbst, und damals ist, da Schwyz an der Spitze aller übrigen gegen Zürich stand, zuerst der Name Schwyzer, Schweizer, auf Alle übertragen worden. Siegreich kämpften die Schweizer gegen Karl den Kühnen von Burgund (s.d.). Im J. 1481 wurden Freiburg und Solothurn, 1501 Basel und Schaffhausen, und 1513 Appenzell in den Bund aufgenommen, und diese 13 Cantone, zu denen bis 1798 keine neuen hinzukamen, sind die sogenannten alten Cantone. Doch war der Umfang der Eidgenossenschaft fast so groß als der der heutigen Schweiz, denn es gab noch »zugewandte« Orte, wie St.-Gallen, Graubündten, Wallis und andere, und Länder, die zu den übrigen in einem gemeinsamen Unterthanenverhältnisse standen, wie Thurgau. Eine Lossagung vom deutschen Reiche war eigentlich mit dieser Eidesverbrüderung nie ausgesprochen, sondern nur eine Behauptung der Reichsunmittelbarkeit. Doch kam es damals, wo so manche Theile des deutschen Reichs nur dem Namen nach dazu gehörten, leicht zu dieser völligen Unabhängigkeit. Eine Mahnung an ihr Verhältniß zum deutschen Reiche geschah bei Maximilian I. Errichtung des Reichskammergerichts und Eintheilung des Reichs in 10 Kreise. Die Eidgenossen widersetzten sich der Aufnahme in einen dieser Kreise und der Unterordnung unter das Reichskammergericht, was ihre erste deutliche Lossagung vom deutschen Reiche war, behaupteten diese Widersetzlichkeit mit den Waffen in der Hand und haben nie zu einem der Kreise gehört. Im westfäl. Frieden (1648) wurde endlich die Schweiz als souverainer Staat anerkannt. Zu innern Zerwürfnissen gab die durch Calvin (s.d.) und Zwingli (s.d.) eingeführte Reformation (s.d.) Veranlassung. Es trat endlich eine 150jährige Ruhe ein, durch eine sowol nach außen bewahrte Neutralität, als auch durch friedlichere Gestaltung der innern Angelegenheiten. Die Verfassung war der jetzigen ähnlich, Zürich war der leitende Canton und hatte die äußern Geschäfte zu führen und für die allgemeinen innern Angelegenheiten die Tagsatzungen zu berufen. Die Verfassung der einzelnen Cantone war mehr aristokratisch als jetzt, die Verwaltung in den Händen der Haupt- und einiger Municipalstädte und der altgefreiten Landleute, die daneben bestehenden Unterthanen hatten keinen Antheil daran. Dies machte die innern Verhältnisse immer schwieriger, und die Schweiz bedurfte einer Umgestaltung, die sie 1798, freilich auf eine sehr traurige Art, erfuhr. Vergebens suchte sie ihre Neutralität gegen Frankreich zu bewahren, die Franzosen rückten im Anfange des Jahres 1798 in Waadt ein und nahmen am 5. März das umsonst heldenmüthig vertheidigte Bern, worauf sie dem Lande eine neue Verfassung gaben; es war dies eine Centralverfassung, durch welche die Schweiz in ein en Staat umgeschaffen wurde. Zugleich wurden Genf, Mühlhausen, Biel und Veltlin von der Schweiz losgerissen und der cisalpinischen Republik einverleibt. Daß die Schweiz 1799 der Kriegsschauplatz der Franzosen, Russen und Östreicher war, brachte keine Änderung. Doch schalteten die Franzosen jetzt auf eine so gehässige Art im Lande, viele Landschaften waren ganz verwüstet, die neue Regierung hatte so wenig Vertrauen, daß Alles immer mehr zu einem Aufstande für die alte Föderativverfassung reif wurde. Dieser ging durch den heldenmüthigen Aloys Reding (s.d.) von Schwyz aus, wurde zwar unterdrückt, brachte aber doch die Mediationsacte vom 19. Febr. 1803 zuwege, welche Napoleon gab und durch welche das alte Cantonalsystem wiederhergestellt und nur das oben erwähnte Unterthanenverhältniß aufgehoben wurde. Es kamen dadurch sechs neue Cantone hinzu, St.-Gallen, Graubündten, Aargau, Thurgau, Tessin und Waadt. Neuenburg erhielt 1807 der Fürst Berthier als souveraines Fürstenthum, und Wallis wurde 1810 Frankreich einverleibt. Von nun an blieb die Schweiz von den Stürmen, welche Europa heimsuchten, verschont. Die Jahre 1813, 1814 und 1815, welche die europ. Angelegenheiten entschieden, gaben ihr darauf ihre jetzige Gestaltung. Sie erhielt die verlorenen Theile Genf, Wallis und Neuenburg als drei neue Cantone wieder, die Mediationsverfassung wurde am 29. Dec. 1813 in der Tagsatzung für aufgehoben erklärt, und auf diese Erklärung die neue Bundesverfassung vom 7. Aug. 1815 gegründet. Unter dem 20. Nov. 1815 erhielt die Schweiz von den Großmächten Europas eine immerwährende Neutralität zugesichert. Die Zeit von 1815–30 wurde zur Hebung des allgemeinen Wohlstandes benutzt, doch bereiteten sich die unruhigen Auftritte vor, welche nach der franz. Julirevolution im J. 1830 ausbrachen und in mehren Cantonen eine Verfassungsreform, in Basel (s.d.) selbst die Trennung in Basel-Stadttheil und Basel-Landtheil hervorgebracht haben. Eine allgemeine Bundesreform und Einführung einer schweiz. Centralregierung hat indessen der Bewegungspartei noch nicht gelingen wollen. Diese Partei hat sich auch in den letzten Jahren sehr stark geregt und, durch die von ihr ausgehende Beschützung der revolutionnairen Bestrebungen, zu vorübergehenden Spannungen mit Östreich, Frankreich und andern Mächten geführt.

Für die Geschichte der Schweiz besitzen wir ein berühmtes historisches Meisterwerk von Joh. v. Müller in fünf Bänden, [137] das aber nur bis 1489 geht. Es ist von Glutz-Blotzheim und I. I. Hottinger bis 1531 (3 Bde.) fortgesetzt. Ausgezeichnet ist auch Zschokke's »Geschichte des Schweizerlandes für das Schweizervolk«. Über das Land gibt es viele theils rein geographische, theils zugleich malerische und poetische Beschreibungen. Die beste Reisekarte ist von Keller.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 134-138.
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