Deutscher Befreiungskrieg

[727] Deutscher Befreiungskrieg (Freiheitskriege; hierzu die Porträttafeln »Feldherren des Deutschen Befreiungskrieges I und II«), der Krieg Deutschlands und seiner Verbündeten gegen Kaiser Napoleon I. 1813–15, der die Befreiung Deutschlands und Europas vom französischen Joch bezweckte. Er schloß die Periode unaufhörlicher Kriege ab, die seit der französischen Revolution ganz Europa erschüttert und zugleich politisch umgestaltet hatten. Die Niederlande, das linke Rheinufer, die Schweiz und Italien waren ganz französisch geworden, das alte römische Reich deutscher Nation war zu Grunde gegangen und durch den Rheinbund ein großer Teil deutscher Fürsten unter dem Protektorate des korsischen Eroberers der politischen Selbständigkeit beraubt; mitten in Deutschland, im Königreich Westfalen, herrschte ein Napoleonide. Österreich war nach dem Scheitern des Versuchs von 1809 nicht zu weitern Taten geneigt. Preußen hatte zwar nach der Katastrophe von 1806 sein Heerwesen völlig umgestaltet und durch die Stein-Hardenbergischen Reformen den Grund zu einem modernen Staatswesen gelegt, aber dennoch schien eine selbständige Erhebung Preußens aussichtslos, zumal der König Friedrich Wilhelm III. das Selbstvertrauen verloren und sich für den Feldzug gegen Rußland 24. Febr. 1812 zur Stellung eines Hilfskorps von 20,000 Mann sowie zu großen Naturallieferungen für die durchziehende französische Armee verpflichtet hatte. Es gärte aber unter dem Volke schon lange, und alle Schichten der Bevölkerung waren von einem vorher nie geahnten Patriotismus durchdrungen.

Der Untergang des Napoleonischen Heeres in Rußland brachte endlich die Rettung. General Yorck, der Befehlshaber des preußischen Hilfskorps, das trotz mancher Kämpfe in den baltischen Provinzen noch ziemlich unversehrt war und daher wohl im stande gewesen wäre, den Franzosen den Rücken zu decken und Zeit zu neuen Rüstungen zu geben, schloß auf eigne Verantwortung 30. Dez. 1812 mit dem russischen General v. Diebitsch die Konvention von Tauroggen: die Franzosen mußten bis an die Elbe zurückweichen. In Ostpreußen organisierte Yorck im Verein mit den Präsidenten Auerswald und Schön die Volkserhebung; der Landtag, der am 5. Febr. 1813 in Königsberg zusammentrat, unterstützte Yorck aufs beste: die arme, ausgesogene Provinz verpflegte und ergänzte nicht nur bis zum Frühjahr das Yorcksche Korps, sondern stellte auch nach wenigen Wochen 33,000 Mann Landwehrtruppen. Inzwischen trat auch beim Hof endlich der Umschwung ein. Der König reiste 22. Jan. nach Breslau und erließ von hier 3. Febr. den Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägerkorps. Da nicht bloß Jünglinge, auch ältere Männer in angesehener Stellung in die Reihen traten und alle Stände in Gaben für die Ausrüstung der Freiwilligen wetteiferten, ermutigte dieser ungeahnte Erfolg den König, den Kampf für die Wiederherstellung der Macht und Freiheit Preußens und Deutschlands, bei dem er allerdings den Staat und seine Dynastie aufs Spiel setzte, zu wagen. Am 28. Febr. schloß Hardenberg mit Rußland den Vertrag von Kalisch ab, der freilich Preußen zur zweiten Rolle im Krieg verurteilte und für den Frieden nur Unbestimmtes festsetzte. Es folgten 10. März die Stiftung des Eisernen Kreuzes, 17. März der Ausruf »An Mein Volk« und an das Heer, die Verordnung über die Bildung der Landwehr und des Landsturmes, endlich 27. März die förmliche Kriegserklärung an Frankreich. Ein Ausruf an die Deutschen, den der Oberbefehlshaber Kutusow im Namen Alexanders und Friedrich Wilhelms 25. März von Kalisch erließ, sowie ein am 29. März zu Breslau zwischen beiden Herrschern abgeschlossener Vertrag erklärten die Befreiung Deutschlands vom französischen Joch für den Zweck des Kampfes, verkündete die Wiedergeburt des Deutschen Reiches, forderte alle Deutschen auf, sich der Erhebung anzuschließen, und bedrohte die Fürsten, die dieser Aufforderung nicht Folge leisteten, mit Verlust ihrer Staaten. Die freiwilligen Jägerkorps, namentlich die vom Major v. Lützow errichtete schwarze »Schar der Rache«, sollten den Kern für die erwartete deutsche Volkserhebung bilden. Diese Hoffnungen erfüllten sich indes nicht: die Fürsten hielten sich mit wenigen Ausnahmen aus Furcht und Eigennutz neutral oder blieben Napoleon treu. Die Stimmung im außerpreußischen Deutschland, vor allem in den Rheinbundstaaten, war keineswegs schwungvoll und patriotisch. Nur einzelne begeisterte Jünglinge aus diesem Teil Deutschlands traten in die Lützowsche Schar ein, wie der Sänger der Freiheitskriege, Theodor Körner.

So standen Rußland und Preußen vorläufig allein. Ersteres hatte nur einen Teil seiner Streitmacht zur [727] Verfügung; Preußen stellte aus seinen Reserven ein reguläres Heer von 128,000 Mann auf, dazu 150,000 Mann Landwehr. Da aber die Ausrüstung z. T. ungenügend war und die Einschließung der von den Franzosen besetzten Festungen an der Weichsel, Oder und Elbe bedeutende Streitkräfte in Anspruch nahm, so waren im März nur 36,000 Mann unter Blücher in Schlesien und 54,000 Mann unter Yorck, Bülow und Borstell in der Mark für den Angriffskrieg verfügbar. Der mit dem Oberbefehl über die russisch-preußische Armee betraute russische Feldmarschall Kutusow zog, statt nach Scharnhorsts Plan sofort in Deutschland einzudringen und den Rheinbund zu sprengen, im März langsam durch Sachsen, dessen König nach Prag floh, nach Thüringen. Napoleon, der schon Ende 1812 nach Paris zurückgekehrt war, hatte unterdessen neu gerüstet: 350,000 Mann wurden im Kaiserreich ausgehoben und den Rheinbundstaaten die Stellung neuer Kontingente befohlen. Schon Anfang April konnte die neu erstarkende französische Macht an der untern und mittlern Elbe das weitere Vordringen der leichten Truppen der Verbündeten verhindern. Am 2. April kam es in Lüneburg und 5. April bei Möckern zu den ersten blutigen Zusammenstößen. Die Verbündeten, 90,000 Mann stark, kamen Ende April im östlichen Thüringen in die Nähe der französischen Hauptarmee von 120,000 Mann, und Wittgenstein, des verstorbenen Kutusows Nachfolger, griff 2. Mai die im Marsch befindlichen Franzosen bei Großgörschen an. Für die Verbündeten war es kein Sieg, aber auch keine Niederlage; trotzdem wurde auf Verlangen der russischen Generale der Rückzug angetreten, um hinter der Spree bei Bautzen eine neue Stellung einzunehmen. Sachsen wurde preisgegeben, und der König Friedrich August schloß sich sofort Napoleon an. Dieser griff die Verbündeten, die ihm den Übergang über die Spree verwehren wollten, 20. Mai bei Bautzen an und zwang sie 21. Mai unter eignen schweren Verlusten zum Rückzug, der in aller Ordnung vor sich ging. Die Lage der Verbündeten war nichts weniger als günstig, aber auch Napoleons Heer war schwer mitgenommen, und dieser bewilligte daher im Besitze von Breslau 4. Juni den Waffenstillstand von Poischwitz, um Verstärkungen heranzuziehen und seine Verbindung nach Westen sicherzustellen.

Das preußische Volk, durchaus nicht entmutigt, empfand die Kunde vom Waffenstillstand schmerzlich; das Unglück von Hamburg, das den Franzosen wieder in die Hände fiel und von Davout aufs grausamste behandelt wurde, sowie der Überfall der Lützowschen Freischar bei Kitzen (17. Juni) vermehrten den schmerzlichen Eindruck der bisherigen Unglücksfälle. Ohne den Mut zu verlieren, wurden die Rüstungen mit Eifer und Opfermut vollendet; Ende Juni waren 140,000 Mann Landwehr kriegsbereit, und Rückerts, Schenkendorfs und Körners Lieder sachten die Begeisterung bis zur höchsten Glut an. Der Waffenstillstand brachte den Beitritt Österreichs zur Koalition gegen Napoleon, weil er Metternichs Vorschlag, Warschau, Illyrien und Hannover abzutreten, ablehnte. Österreich hatte sich durch den Vertrag von Reichenbach (27. Juni) verpflichtet, in diesem Falle sich den Verbündeten anzuschließen, und so erfolgte 11. Aug. die österreichische Kriegserklärung. Mit großem Geschick riß Metternich die Leitung der Politik der verbündeten Mächte an sich und verwertete seinen Einfluß zum Vorteil Österreichs und seiner Dynastie, während die in Kalisch verkündete Wiederherstellung des Deutschen Reiches nicht mehr erörtert wurde. Da Österreich zunächst keineswegs Napoleons Sturz wünschte, so durchkreuzte es die kriegerische Aktion wiederholt in entscheidenden Augenblicken durch Friedensverhandlungen. Trotz alledem gewährte Österreichs Beitritt eine bedeutende Machtverstärkung, und als sich auch Schweden und England anschlossen, konnte man, von englischen Subsidien unterstützt, 480,000 Mann gegen Napoleons 410,000 ins Feld stellen. Nach dem am 12. Juli in Trachenberg verabredeten Kriegsplan stellten die Verbündeten drei Armeen auf: die böhmische oder Hauptarmee, 230,000 Mann (120,000 Österreicher, 60,000 Russen, 50,000 Preußen), unter Schwarzenberg; die schlesische, 100,000 Mann (60,000 Russen, 40,000 Preußen), unter Blücher; die Nordarmee, 128,000 Mann (80,000 Preußen, 30,000 Russen, 18,000 Schweden), unter dem Kronprinzen von Schweden, Bernadotte. Die oberste Leitung erhielt Schwarzenberg; in seinem Hauptquartier weilten auch die drei verbündeten Monarchen Alexander, Friedrich Wilhelm III. und Franz.

Die drei Armeen sollten so gegen Napoleon, der in Dresden stand, operieren, daß beim gleichzeitigen Vorgehen gegen Sachsen von Böhmen, Schlesien und der Mark aus diejenige, gegen die Napoleon mit seiner Hauptmacht sich wenden würde, zurückweichen, diesen nach sich ziehen und so den andern Zeit und Raum verschaffen sollte, in Sachsen einzubrechen und sich womöglich im Rücken Napoleons zu vereinigen. Diesem Plan gemäß ging Blücher 15. Aug. bis an den Bober vor. Napoleon zog ihm entgegen, während er Marschall Oudinot mit 70,000 Mann gegen Berlin schickte: bei Großbeeren wurde dieses Heer (23. Aug.) von Bülow geschlagen. Die böhmische Armee rückte bis Dresden vor, wurde aber hier von dem eiligst aus der Lausitz zurückgekehrten Napoleon in der Schlacht von Dresden (26. und 27. Aug.) zurückgeworfen. Auf dem Rückzug nach Böhmen sollte Vandamme den Verbündeten den Weg verlegen und Napoleon die Vernichtung der böhmischen Armee ermöglichen. Indes wurde Vandamme bei Kulm und Nollendorf 30. Aug. nach tapferer Gegenwehr durch Kleist gefangen genommen. Noch härter traf Napoleon die Niederlage Macdonalds, der mit 100,000 Mann Blücher in Schlesien weiter hatte verfolgen sollen, an der Katzbach (26. Aug.). Der Kaiser zog nun selbst nach der Lausitz, während Ney mit dem verstärkten Oudinotschen Korps den Angriff auf Berlin erneuern sollte. Gegen den Willen Bernadottes traten die Preußen der Nordarmee (Bülow) bei Jüterbog den Franzosen entgegen und brachten ihnen 6. Sept. die Niederlage von Dennewitz bei, welche die Siegeszuversicht der Franzosen und den Kampfeseifer der Rheinbundstruppen ernstlich erschütterte: die Lage Napoleons wurde immer mißlicher. Der böhmischen Armee wegen mußte er sich im September nach Dresden und, als Blücher nach der Mittelelbe marschierte und Yorck 3. Okt. bei Wartenburg den Elbübergang erzwang, nach Leipzig zurückziehen. Hier fand die Entscheidungsschlacht statt (s. Leipzig, Völkerschlacht). Am ersten Schlachttag, 16. Okt., hatte nur das Yorcksche Korps, das bei Möckern Marmonts Korps zertrümmerte, Erfolg. Napoleon, der sich nicht entschließen konnte, den Rückzug anzutreten, bot 17. Okt. den Verbündeten, freilich unter ganz ungenügenden Bedingungen, Frieden an. Dieselben ließen das Anerbieten unberücksichtigt und griffen 18. Okt. von neuem an. Napoleon selbst schlug bei Probstheida die böhmische Armee zurück; dagegen errangen die schlesische und die Nordarmee im Norden von Leipzig einen[728] entschiedenen Sieg und drangen bis zu den Toren der Stadt vor. In der Nacht vom 18. auf den 19. Okt. traten die Franzosen den Rückzug an, und als Bülow am Mittag des 19. Okt. Leipzig erstürmte, trafen die Verbündeten außer den Verwundeten und Kranken nur noch 20,000 Franzosen an. Die Preußen drängten nun zu einer energischen Verfolgung; doch die Österreicher verhinderten sie, und Napoleon gelangte noch mit 80,000 Mann an den Main, zersprengte 30. und 31. Okt. bei Hanau das österreichisch-bayrische Heer unter Wrede, das ihm den Weg verlegen wollte, und überschritt 1. Nov. den Rhein. Indes brach in seinem Heere der Typhus aus, das westfälische Königreich fiel zusammen, und die Rheinbundfürsten schlossen Frieden mit den Verbündeten, wobei ihnen Metternich Souveränität und Integrität ihres Gebiets zugestand. Für die Verwaltung der herrenlosen Gebiete wurde eine Zentralkommission unter Steins Vorsitz eingesetzt, welche die waffenfähige Mannschaft für die Verstärkung der verbündeten Heere organisierte. Doch deren Vormarsch über den Rhein erlitt eine Verzögerung durch einen Friedenskongreß, den Metternich im November zu Frankfurt veranstaltete. Hier wollte man Frankreich die Rheingrenze lassen; doch damit wollte Napoleon sich nicht begnügen und rettete so Europa durch seine Verblendung vor einem faulen Frieden. Der Einmarsch in Frankreich wurde Ende 1813 beschlossen.

In drei Heeressäulen rückten die Verbündeten um die Jahreswende über den Rhein. Die Hauptarmee, durch die Truppen der Rheinbundstaaten verstärkt, überschritt den Rhein bei Basel und besetzte das Plateau von Langres. Blücher ging in der Silvesternacht bei Kaub über den Mittelrhein und drang in die Champagne ein. Die Nordarmee unter Bülow (Bernadotte führte den Krieg gegen Dänemark) sollte nach Befreiung der Niederlande durch Belgien nach Nordfrankreich vorrücken. Blücher war schon Ende Januar an der Aube. Hier griff ihn Napoleon 29. Jan. 1814 bei Brienne an, wurde aber 1. Febr. von Blüchers verstärktem Heere bei La Rothière gänzlich besiegt. Da Schwarzenberg sich weigerte, sofort auf Paris zu marschieren, so unternahm es Blücher allein, erlitt aber in mehreren Treffen empfindliche Verluste und mußte sich auf das rechte Marneufer zurückziehen. Aber 9. März bei Laon und 20. und 21. März bei Arcissur-Aube wurden die Angriffe Napoleons von den Verbündeten zurückgeschlagen. Der Kaiser zog jetzt in der Absicht, den Krieg wieder nach dem Rhein zu spielen, nach Osten; doch die Verbündeten folgten ihm nicht, sondern marschierten direkt nach Paris, das Marmont und Mortier verteidigten. Die Preußen und Russen erstürmten die Höhen im Norden und Osten 30. März, und am Abend kapitulierte Paris; 31. März fand der feierliche Einzug des Kaisers Alexander und des Königs Friedrich Wilhelm statt. Auf die Kunde von dem Marsch der Alliierten war Napoleon umgekehrt, und in Fontainebleau erfuhr er die Einnahme von Paris. Er wollte noch den Kampf an der Loire fortsetzen, indes die Marschälle verweigerten den Gehorsam. Der Senat setzte die Bonapartesche Dynastie ab, und der gestürzte Eroberer mußte sich nach der Insel Elba zurückziehen. In Frankreich ward Ludwig XVIII. als König eingesetzt, mit dem die Mächte 30. Mai 1814 den ersten Pariser Frieden schlossen; dieser ließ Frankreich die Grenzen von 1792, es brauchte keine Kriegskosten zu bezahlen und behielt sogar die geraubten Kunstschätze.

Während die Monarchen und Staatsmänner Europas auf dem Wiener Kongreß (s.d.) die Verhältnisse Europas zu ordnen suchten und namentlich über die Neugestaltung Deutschlands verhandelten, wurde durch unkluge reaktionäre Maßnahmen das wiederhergestellte Königtum bald so unpopulär, daß Napoleon den Versuch, den Thron wiederzugewinnen, wagte. Er landete 1. März 1815 bei Cannes in Südfrankreich, und nachdem die gegen ihn geschickten Truppen unter Ney zu ihm übergegangen waren, hielt er 20. März seinen Einzug in Paris, von wo Ludwig XVIII. mit seinem Hof eiligst geflüchtet war. Er gab nun Frankreich eine freiere Verfassung und erklärte vor Europa seine Friedensliebe. Aber der Haß gegen ihn und die Furcht vor ihm waren bei den Völkern und Fürsten Europas noch zu stark. Der Wiener Kongreß erklärte Napoleon als Feind und Störer der Ruhe der Welt in die Acht. Die Mächte erneuerten ihr Bündnis und beschlossen sofort den Angriffskrieg gegen Frankreich. Preußen und England waren zuerst mit ihren Kriegsrüstungen bereit, und 115,000 Preußen unter Blücher und 100,000 Engländer, Deutsche und Niederländer unter Wellington rückten im Juni 1815 in Belgien ein. Gegen sie zog Mitte Juni Napoleon mit 130,000 Mann und fiel zuerst über Blücher her, während Ney Wellington abwehren sollte. Nach heftigem Kampfe wurde Blücher 16. Juni bei Ligny besiegt und Wellington bei Quatrebras abgehalten, ihm zu Hilfe zu kommen. Nun wandte sich Napoleon gegen Wellington, der, nachdem ihm Blücher sichern Beistand versprochen, 18. Juni bei Waterloo die Schlacht annahm. Es gelang Napoleon trotz aller Anstrengung nicht, vor dem Eintreffen der Preußen den Feind zu werfen; das Bülowsche Korps kam ihm in die Flanke, die Franzosen wurden zersprengt und auf der Flucht durch Gneisenaus nachdrückliche Verfolgung gänzlich vernichtet. Am 29. Juni standen die Verbündeten zum zweitenmal vor Paris, und 7. Juli zogen sie als Sieger ein. Im zweiten Pariser Frieden wurde Frankreich nicht so glimpflich behandelt: es mußte die Kunstschätze herausgeben, 700 Mill. Kriegskosten bezahlen, ebenso erhebliche Summen für Kriegsschäden. Für eine Neugestaltung der Lage in Deutschland war nun die Bahn frei, aber England und Rußland verhinderten die Rückgewinnung des Elsaß und eines Teiles von Lothringen, und so blieben die deutschen Grenzen ungesichert, ebenso verhinderten die widerstrebenden Interessen der deutschen Staaten eine Neugestaltung Deutschlands als politischer Einheit. Nur ein völkerrechtlicher Verein, »Deutscher Bund« (s.d.) genannt, kam zu stande. Die Stiftung der Heiligen Allianz (s.d.) deutete an, daß Europa fortan in dynastischem Interesse regiert werden solle. Das Ergebnis der blutigen Kämpfe war nicht die Einheit der deutschen Nation, sondern nur ihre Befreiung vom französischen Joch.

Vgl. außer den Biographien Steins von Pertz, Gneisenaus von Delbrück, Yorcks von Droysen, Scharnhorsts von Lehmann, den Denkwürdigkeiten von Müffling, Marwitz, Toll, Raumer, Ligne, Gagern, Metternich u. a. E. M. Arndt, Geist der Zeit (6. Aufl., Altona 1877); Derselbe, Wanderungen und Wandelungen mit dem Freiherrn von Stein (3. Aufl., Berl. 1870); Häusser, Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Gründung des Deutschen Bundes, Bd. 3 u. 4 (4. Aufl., das. 1869); v. Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. 1 (6. Aufl., Leipz. 1897); F. Förster, Geschichte der Befreiungskriege. 1813–1815 (9. Aufl., Berl. 1888, 3 Bde.); Beitzke, Geschichte der deutschen Freiheitskriege (4. Aufl., Brem. 1882, 2 Bde.); Derselbe, Geschichte des Jahres 1815[729] (Berl. 1865, 2 Bde.); Königer, Der Krieg von 1815 und die Verträge von Wien und Paris (Leipz. 1865); Oncken, Österreich und Preußen im Befreiungskrieg (Berl. 1876–79, 2 Bde.); Hans Dechend, Die Befreiungskriege von 1813 und 1814 (in »Napoleon I.«, hrsg. von v. Pflugk-Harttung, das. 1902); »Geschichte der Befreiungskriege 1813–1815«, in vier Einzelwerken, bisher erschienen: Friederich, Geschichte des Herbstfeldzuges 1813 (Bd. 1, das. 1902) und v. Janson, Geschichte des Feldzuges 1814 in Frankreich (Bd. 1, das. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 727-730.
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