Niederländische Kolonien

[650] Niederländische Kolonien. Die niederländischen Kolonien (s. Karte »Kolonien II«) teilen sich in die ostindischen und die westindischen (mit Surinam). Die ostindischen Kolonien: die Großen Sundainseln (Java und Ma dura, Sumatra, Borneo und Celebes), die Kleinen Sundainseln (Bali, Lombok, Sumbawa, Flores, Timor, Sumba oder Sandel hout) und die Molukken, umfassen mit den dazugehörigen kleinern Inseln und dem westlichen Neuguinea 1,915,417 qkm (34,786 QM.) mit einer Bevölkerung von ca. 37,7 Mill. Einw. (Genaueres s. Niederländisch-Indien); die westindischen: Curassao, Aruba, St. Martin, Bonaire, St. Eustach und Saba, 1130 qkm (20,46 QM.) mit 53,652 Einw.; Surinam (Niederländisch-Guayana) 129,100 qkm (2344,6 QM.) mit 91,000 Einw. Die ostindischen Besitzungen ergaben nach dem Budget von 1905 eine Einnahme von 147 Mill. Gulden gegenüber einer Ausgabe von 161 Mill. Gulden. Von den westindischen war die Einnahme für Surinam in 1905 geschätzt auf 3,771,036 Gulden, die Ausgabe auf 4,271,718 Gulden; für die Inseln die Einnahme auf 497,590 und die Ausgabe auf 808,763 Gulden. Mithin erforderten die Kolonien vom Mutterland einen Zuschuß von 14,5 Mill. Gulden.

Geschichte der niederländischen Kolonien.

A. Ostindien. Die Anfänge des niederländischen Kolonialhandels erklären sich größtenteils aus der politischen und kommerziellen Stellung der Niederlande am Ende des 16. Jahrh. Der König von Spanien (seit 1580 König auch von Portugal) war Herr der Niederlande. Der Handel der Niederländer war teilweise Zwischenhandel (Vrachtvaart); so nahmen sie regen Anteil an den kommerziellen Beziehungen Spaniens und Portugals mit andern europäischen Ländern und führten unter anderm die von den Portugiesen aus Ostindien nach Europa gebrachten Waren, namentlich Gewürze, nach den Niederlanden und dem Nordosten Europas.

Dies änderte sich mit dem Fortschreiten des Aufstandes gegen Spanien (80jähriger Freiheitskrieg). Besonders seit 1585 wurden die spanisch-portugiesischen Häfen für die Niederländer geschlossen und weitere Hemmungen ihres Handels verursacht. Seitdem (mindestens seit 1592) wurde in Holland, namentlich in Amsterdam, der Plan gefaßt, direkte Handelsbeziehungen mit dem Osten anzuknüpfen. So wurde 1594 eine Aktiengesellschaft errich let: die Companie van Verre; diese rüstete 1595 eine kleine Flotte aus, die den Malaiischen Archipel besuchte (s. Houtman). Nach ihrer Rückkehr entstanden mehrere Handelsgesellschaften in Holland und Zeeland. um nicht durch die alsbald stark getriebene Konkurrenz den auf kommenden indischen Handel im Keime zu ersticken, und um in Ostindien eine Einheit der niederländischen Interessen der von Spanien gestützten portugiesischen Kolonialmacht entgegen setzen zu können, lösten sich diese Gesellschaften in eine einzige auf; so wurde unter dem Einfluß Oldenbarnevelts (s. d.) und des Prinzen Moritz (s. d. 2) 21. März 1602 die Ostindische Kompanie gegründet (s. auch Handelskompanien. S. 731). Dieser Handelsgesellschaft, geleitet von den Siebzehnern (Heeren XVIl, den Bewindhebbers oder Direktoren), wurde von den Generalstaaten ein Oktroi verliehen, wobei ihr ein Handelsmonopol für 21 Jahre (später bis Ende des 18. Jahrh. immer wieder verlängert) zugestanden wurde für die Fahrt aus den niederl än dischen Kolonien ostwärts vom Kap der Guten Hoffnung und durch die Magalhãesstraße; in dem etwa zu erwerbenden ostasiatischen Gebiete war ihr die Ausübung von Souveränitätsrechten gestattet. 1609 folgte die Schöpfung einer Zentralgewalt, bestehend aus dem Gouverneurgeneral (der erste war Both) und den Räten von Indien, der sogen. Hohen Regierung. Damit war außer der Einheit der Interessen die Einheit der Leitung verbürgt. 1619 eroberte der Generalgouverneur Jan Pieterszoon Coen (s. d.) das westjapanische Djakatra und gründete dort Batavia. das Zentrum der niederländischen Kolonialherrschaft. 1650 wurde durch die Siebzehner der Hohen Regierung zu Batavia eine neue Verfassung (Instructie), verliehen, die an die Stelle der frühern (seit 1609) trat und fast unverändert bis zum Ende (1800) in Gültigkeit geblieben ist.

Natürlich war der Handel das Hauptprinzip der Kolonialpolitik der Ostindischen Kompanie, und das wichtigste Kennzeichen ihres kommerziellen Systems war ihr Handelsmonopol; erreicht wurde ein solches unter anderm in Teilen des Malaiischen Archipels, in Japan und Ceylon. Wo das Monopol von einheimischen Fürsten freiwillig eingeräumt war und etwa zu widerrufen, bot es weniger Sicherheit (z. B. Japan). Vollständiger dagegen war niederländischer Allein handel eingeführt, wo die Kompanie auch politische Gewalt, durch Eroberung oder auf Grund geschlossener Verträge, bekommen hatte (z. B. Molukken, Java). Auf Java z. B. lieferte ihr die Bevölkerung im großen ganzen von einzelnen Bodenerzeugnissen die ganze Ernte (verpliehte leverantiën), von andern einen gewissen Teil (contingenten) gegen festgesetzten Preis oder auch umsonst. Die Lieferungsbedingungen wurden meistenteils in den Gegenden Javas, wo keine Fürsten mehr existierten (direct gebied), mit den einheimischen hohen Beamten (Regenten) festgestellt, in den Gegenden, wo die einheimischen Fürsten als Lehnsleute blieben (Bantam, Dschokdschokarta, Surakarta. s. d.), mit diesen selbst oder auch mit den Regenten.

Fast überall war es der Ostindischen Kompanie[650] nicht nur um den Ausfuhr-, sondern auch um den Einfuhrhandel zu tun. Die Einfuhrartikel waren nur wenige niederländische und europäische Waren, sondern größtenteils Produkte andrer orientalischer Handelsgebiete (Gewürze, Seide, Kaffee, Opium, Tücher etc.).

Bei einem derartigen kommerziellen System konnte die Kompanie der politischen Macht nicht entbehren. Im Anfang nötigte sie der Kampf gegen die Portugiesen und Spanier (in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrh. auch gegen die Engländer) zum defensiven, später auch offensiven Auftreten. Den Spaniern und Portugiesen entriß die Kompanie fast alle Besitzungen im Archipel, 1641 unter van Diemen auch Malakka, ferner Teile Vorderindiens und Ceylon. Aber bald machte sich auch Krieg gegen einheimische Fürsten und Völker nötig. Imperialistischen Neigungen war sie, namentlich die Direktion im Mutterlande, im allgemeinen abhold: ihre politische Macht diente nur zur Behauptung und Ausbreitung der Handelsbeziehungen, und wo die politische Gewalt hier und dort weiter ausgedehnt worden ist, als für den Handel nötig war, ist dies meist geschehen, weil man nicht immer imstande war, selbst den politischen Bestrebungen ein festes Ziel zu setzen und weil nach wie vor das eine Ereignis ein andres nach sich zog. Daß dies Kolonialsystem unter den Generalgouverneuren Coen, Anthony van Diemen (s. d.), Joan Maetsuycker (1653–78) etc. mit Mut, Ausdauer, organisatorischen, militärischen, staats- und kaufmännischen Talenten durchgeführt worden ist, zeigt die niederländische Kolonialgeschichte des 17. Jahrh. Anderseits war Härte damit verbunden; das beweisen unter anderm die Eroberung von Banda (s. d.), die Ausrottung der Nelken auf den meisten Molukken (s. d.), die Reglementierung der Kaffeeproduktion auf Java im 18. Jahrh.

Im allgemeinen hat sich die niederländisch-indische Regierung in den Zeiten der Ostindischen Kompanie um den ein heimischen Regierungshaushalt wenig gekümmert. Sie überließ dies meistens den einheimischen Behörden. Aber wo sie es tat, wurden die Rechtsverhältnisse verbessert, und die Bevölkerung gegen Willkür der einheimischen Fürsten, der Großen oder sonstiger Behörden (Hoofden) vielmals besser geschützt. Und obgleich das Verhältnis zwischen Europäern und Einheimischen von der damals vorherrschenden Meinung beeinflußt wurde, die einheimische Bevölkerung sei nach Hautfarbe, Charakter- und Geisteseigenschaften, Religion eine minderwürdige Rasse, so ist in der Praxis da, wo die Bevölkerung sich dem System der Kompanie einmal gefügt hatte, von einer harten Behandlung wenig oder gar keine Rede. Auch die Sklaverei zeigte eine gewisse Milde. Namentlich galt dies den ein heimischen Christen gegenüber. Die Kompanie hat (kirchliche) Mission (mit Unterricht) getrieben fast von den ersten Jahren ihres Auftretens an, in einzelnen Gegen den (z. B. Molukken, Ambon, Sol or, Formosa) nicht ohne Erfolg.

In der Zeit ihrer größten Ausdehnung erstreckten sich die Beziehungen der Ostindischen Kompanie von dem Kap der Guten Hoffnung bis nach Japan und Australien. Alle niederländischen Faktoreien etc. am Kap der Guten Hoffnung, in Arabien, Persien, Ostindien, Ceylon, Bengalen, Malakka, Hinterindien, China, Japan, Formosa und im Malaiischen Archipel (s. die betreffenden Artikel) unterstanden der niederländisch-indischen Zentralgewalt in Batavia. Das 17. Jahrh. war die Blütezeit der Kompanie; im 18. Jahrh. kam der Verfall. Die Doppelstellung Kaufmann und Souverän wirkte entschieden nachteilig: der kaufmännische Gewinn wurde teilweise von den Regierungsunkosten verschlungen; der Souverän hatte nicht staatliche, sondern kaufmännische Zwecke zu verfolgen. Die Untreue mancher Beamten, der Schmuggelhandel wirkten ebenfalls schlecht. Die Konkurrenz andrer Kolonialmächte machte sich immer mehr geltend, namentlich die Englands. Diesem allen war die Ostindische Kompanie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. nicht mehr gewachsen. Seit dem Krieg mit England (1780–84, Verlust Negapatams, s. d.) ging es deutlich mit ihr zu Ende. Die niederländische Republik hat sie noch einige Jahre gestützt; aber 1800 wurden ihre Besitzungen mit ihrer großen Schuldenbürde vom Staat übernommen.

Im J. 1808 trat Daendels (s. d.) als Generalgouverneur auf (seit 1810 als Vertreter des Kaisers Napoleon). Die meisten Besitzungen außer Java waren in den Kriegen mit England seit 1795 verloren gegangen. Straff und streng, nicht ohne Willkür, wurden Java etc. von ihm regiert. Die Fürsten Javas wurden der niederländischen Regierung mehr untergeordnet, die einheimischen Gewalten uniformiert und mit der niederländisch-indischen Zentralgewalt in Übereinstimmung gebracht: die Regenten wurden niederländische Beamte. Das Justizwesen wurde verbessert, eine regelmäßige Steuererhebung vorbereitet, eine bessere Finanzverwaltung ins Leben gerufen. Sein Nachfolger J. W. Janssens wurde 1811 gezwungen, Java und was damals von den niederländisch-französischen Besitzungen noch übrig war, den Engländern abzutreten.

Solange die niederländischen Besitzungen unter englischer Gewalt standen, waren sie in verschiedene Abteilungen geteilt, die, voneinander unabhängig, unmittelbar dem englischen Generalgouverneur in Kalkutta unterstanden; »Java and its dependencies« war die wichtigste. Sie wurden 1811–16 von Th. S. Raffles verwaltet, der, obgleich nicht grundsätzlich dem Monopolwesen abhold, für Java freiere Grundsätze aufstellte. Er ist der Schöpfer eines auch vorher von Niederländern angepriesenen, in Britisch-Indien bekannten Steuersystems (land rental, Landrente), das sich bis jetzt auf Java behauptet hat: die wichtigste der dortigen Steuern, welche die einheimische Bevölkerung zu zahlen hat. Danach ist der Staat Eigentümer des Bodens; der Besitzer (in diesem Fall hauptsächlich die einheimische Bevölkerung) soll für sein Recht auf den Bodengebrauch einen Teil seiner Erzeugnisse (in natura oder in Geld) dem Staate darbringen: also Miete oder Zins.

Nach den Napoleonischen Kriegen wurden auf Grund des Londoner Vertrags vom 13. Aug. 1814 die meisten durch England eroberten orientalischen Besitzungen den Niederländern zurückgegeben (1816 und auch später, bis 1819, fand die tatsächliche Übernahme statt); Ceylon (dies schon 1802) und das Kap der Guten Hoffnung behielt England. Unterm 17. März 1824 fand eine neue Grenzregelung statt: England trat sein Gebiet auf Sumatra (Ben kul en) ab, wogegen die noch übrigen niederländischen Besitzungen außerhalb des Malaiischen Archipels nebst Singapur an England abgetreten wurden. Seit dieser Zeit wurde die niederländische Kolonialmacht im Malaiischen Archipel, in bestimmte Schranken (Inseln) gewiesen, intensiver ausgeübt und ausgebreitet, namentlich seit der Mitte des 19. Jahrh.; so auf Java (Javakrieg 1825–30, erledigt durch General de Kock), auf Sumatra (Palembang 1819–25, 1851–68,[651] Westküste durch den Padrikrieg 1821–37, Atschin, Krieg seit 1873); auf Borneo (Westküste 1850–55, Bandschermassing 1859, Zentralborneo, Entdeckungsreisen), Bali (1846–49), Lombok (1894); auf Celebes (Boni 1859, 1905, Minahassa, Missionstätigkeit) etc. (s. die einzelnen Artikel). Nicht selten wurde die niederländisch-indische Regierung durch die Einheimischen selbst angerufen; jedenfalls treten überall da, wo die einheimische Regierung der niederländischen untergeordnet ist, bessere Zustände hervor.

Nach 1814 war es in den ersten Zeiten namentlich Java, das in der niederländischen Kolonialpolitik in den Vordergrund trat; dann auch Sumatra, indem seit ungefähr 1850 die übrigen Teile des Archipels mehr und mehr in Betracht gezogen wurden.

In den letzten Jahren des 18. und im Anfang des 19. Jahrh. war die Meinungsverschiedenheit zwischen den Anhängern der Politik der Ostindischen Kompanie und denen eines freiern, frischern, modernern Systems stark hervorgetreten. S. C. Nederburgh, ehemaliger Sekretär (advocaat) der Kompanie, später Mitglied einer »Hohen Kommission« (Commissarissen-Generaal, 1791–99), welche die Zustände in Indien untersuchen sollte, war der Hauptvertreter der ersten Richtung; Dirk van Hogendorp (s. d.) der der letztern. Der Streit drehte sich um Fragen, wie: Handelsfreiheit oder Monopol, gezwungene Arbeit der einheimischen Bevölkerung (Herrendienste und gezwungene Produktenlieferung) oder freie Arbeit mit Steuerzahlung; verknüpft waren damit die Fragen über persönlichen Bodenbesitz für die Bevölkerung Javas, über die Zulassung des europäischen Privatkapitals für die Privatindustrie und über die Möglichkeit, noch nicht bebaute (wüste) Grundstücke dem europäischen oder einheimischen Kapital in Erbpacht zu geben. Das Monopol wurde sogleich nach der Restauration abgeschafft, mit Ausnahme der Molukken, wo es erst in den 1860er Jahren verlassen wurde. Die Beantwortung der übrigen Fragen in freisinnigem Geiste wurde bedenklich in den Hintergrund geschoben, als 1830 der Generalgouverneur Jan van den Bosch (s. Bosch 3 und Java) mit seinem Kultursystem (Kultuurstelsel) auftrat, das große Summen (batige sloten) dem Mutterlande zuführte, das aber, weil es an erster Stelle den Interessen Hollands und nicht der ein heimischen Bevölkerung diente, einen bisweilen schweren Druck auf diese übte. Die Nederlandsche Handelsmaatschappij (gegründet 1824) vermittelte den Verkauf der Kolonialprodukte, lieh dem Staate, wenn nötig, Vorschüsse auf die zu erwartende Ernte (Consignatiestelsel) und wurde dadurch während einiger Jahrzehnte ein wichtiger Faktor.

Ungefähr seit der Mitte des 19. Jahrh. wurde gegen das Kultursystem stärker agitiert: durch van Hoëvell (s. d.), Douwes Dekker (Multatuli, s. Dekker 1) und Frau sen van de Putte (s. d.). Aber auch andre, die den niederländischen Kolonialkreisen weniger nahestanden, ließen sich in diesen Angelegenheiten hören, namentlich Mitglieder der Generalstaaten. Das niederländische Grundgesetz von 1848 brach mit dem bisher befolgten Prinzip, wonach die Obergewalt in Kolonialangelegenheiten ausschließlich beim König ruhte, teilweise; nun erhielten auch die Generalstaaten ihren Anteil. Damit wurde auch der öffentlichen Meinung mehr als früher Gelegenheit geboten, sich hören zu lassen; gleichzeitig taten die bessern Verkehrsmittel zwischen Indien und den Niederlanden das ihrige. Seit 1848 schritt die freisinnige Auffassung der niederländischen Kolonialpolitik vorwärts. Das Regierungsreglement von 1854 vermittelte noch zwischen den verschiedenen Auffassungen, gab aber in der Praxis Raum auch für freisinnige Maßregeln. Das Kultursystem wurde allmählich verlassen, die Sklaverei rechtlich abgeschafft; der Privatindustrie wurde Möglichkeit zur Entfaltung geboten, die Umwandlung des gemeinschaftlichen Grundeigentums in das persönliche mehr ermöglicht. Im allgemeinen hat sich die niederländische Kolonialpolitik in den letzten Jahren in diesem Sinne weiterentwickelt: nicht die Interessen des Mutterlandes sind allein oder an erster Stelle geltend zu machen, sondern diesem liegt vielmehr die Pflicht ob, die Interessen der einheimischen Bevölkerung in den Vordergrund zu stellen.

Der Zustand der indischen Finanzen war, teilweise infolge des dreißigjährigen Krieges mit Atschin, in den letzten Jahrzehnten nicht mehr ein solcher, daß dem Mutterlande direkte Vorteile zufließen könnten: das hat aufgehört. Schon hat dagegen Holland seinerseits den ostindischen Kolonien finanzielle Hilfe geleistet. Das Budget für Niederländisch-Indien wies 1902 bei einem Gesamtaufwande von 158 Mill. Gulden einen Fehlbetrag von 6 Mill., 1906 bei einer Ausgabe von 160 Mill. ein Defizit von 11 Mill. Gulden auf. Dann hat man in der Richtung auf eine definitive Trennung beider Finanzen gearbeitet. Daß das ganze indische Budget für 1906 in Indien selbst entworfen worden ist (bis jetzt geschah dies nur teilweise), stimmt damit überein. Begonnen ist eine Dezentralisation unter anderm durch Einführung von Gemeinderäten in den wichtigsten Plätzen (Batavia etc.).

Vgl. Zimmermann, Die Kolonialpolitik der Niederländer (Berl. 1903); »Encyklopädie van Nederlandsch-Indie« (Haag 1894–1905, 4 Bde.); F. Valentijn, Ouden nieuw Oost-Indiën (Dordrecht und Amsterd. 1724–26, 8 Bde.); G. Lauts, Geschiedenis van de veroveringen etc. der Nederlanders in Indië (Groning. u. Amsterd. 1852–66, 7 Bde.); de Jonge, van Deventer, Tiele und Heeres, De opkomst van het Nederlandsch gezag in Oost-Indie (Haag 1862–95, 18 Bde.); Heeres, Corpus diplomaticum Neerlando-Indicum I (das. 1906); J. J. Meinsma, Geschiedenis van de Nederlandsch Oost-Indische bezittingen (das. 1872–75, 2 Bde.); J. E. de Sturler, Het grondgebied van Nederlandsch-Indie (Leiden 1881); van der Chijs, Geschiedenis der stichting van de Vereenigde Oost-Ind. Compagnie (2. Aufl., das. 1857); Klerk de Reus, Geschichtlicher Überblick der administrativen, rechtlichen und finanziellen Entwickelung der Niederländisch-Ostindischen Compagnie (Batavia 1894); Heeres, Colenbrander, de Hullu, van der Chijs, Dagh-Register im Casteel Batavia 1624–1676 (Haag u. Batavia 1893 ff., 28 Bde.); van Berckel, Bijdrage tot de geschiedenis van het Europeesch Opperbestuur over Nederl. – Indie 1780–1866 (Leiden 1880); van den Broek, Oud Oos-Indië (Haarl. 1893); Daendels, Staat der Nederl. – Oostindische bezittingen (Haag 1814, 4 Bde.); Mackay, De handhaving van het Eur. gezag onde Daendels (das. 1861); Smulders, Geschiedenisen verklaring van het tractaat van 17 Maart 1824 (Utrecht 1856); E. de Waal, Nederlandsch Indie in de Staten-Generaal sedert de grondwet van 1814 etc. (Haag 1860–61, 3 Bde.); Spengler, He Nederlandsche Oost-In dische bezittingen onder het bestuur van den Gouverneur-Generaal van der Capellen, 1819–1825 (Utrecht 1863); van der Chijs, Nederland-Indisch plakaatboek (Batavia[652] 1885–1900, 17 Bde.); Grothe, Archief voor de geschiedenis der oude Hollandsche Zending (Utrecht 1884–91, 6 Bde.); van Troostenburg de Bruijn, De Hervormde Kerk in Nederl. – Oost-Indie onder de Oost-Indische Compagnie (Arnh. 1884); Hooijer, De krijgsgeschiedenis van Nederlandsch-Indie 1811–1894 (Haag 1895–97, 3 Bde.); Coolsma, De Zendingseeuw voor Nederlandsch Oost-Indië (Utrecht 1901); van der Wijck, De Nederlandsch Oost-Indische bezittingen onder het bestuur van den Commissaris-General du Bus de Gisignies 1826–1830 (Haag 1866); Meijer, Jean Chrétien Band (Utrecht 1878); van Deventer, Bijdragen tot de kennis van het landelijk stelsel op Java (Haag 1865–66, 3 Bde.); Pierson, Koloniale politiek (Amsterd. 1877, 2 Bde.); van Soest, Geschiedenis van het Kultuurstelsel (Rotterd. 1869–1871, 3 Bde.); Heeres, Het aandeel der Nederlanders in de ontdekking van Australië (Amsterd. 1899); Nachod, Die Beziehungen der Niederländisch-Ostindischen Kompanie zu Japan (Leipz. 1897); Groeneveldt, De Nederlanders in China (Haag 1898); van Geer, De opkomst van het Nederlandsch gezag over Ceylon, Bd. 1 (Leiden 1895); M'Call Theal, History of South Africa under the administration of the Dutch East India Company (Lond. 1897, 2 Bde.); Leibbrandt, Precis of the archives of the Cape of Good Hope (Kapstadt 1897). Weiteres bei den einzelnen Kolonialländern etc.

B. Westindien. Die Geschichte Niederländisch-Westindiens umfaßt nicht nur die Gegenden Amerikas, womit die Niederländer im Laufe der Jahre Beziehungen angeknüpft haben, sondern auch teilweise die Westküste Afrikas. Weit weniger wichtig als die Ostindiens, hat sie auch viel weniger allgemein-charakteristische. Züge: sie wird am besten behandelt bei der Geschichte der einzelnen Gegenden (s. die besondern Artikel). Der westindische (afrikanische und amerikanische) Handel, der schon im 16. Jahrh. von niederländischen Kaufleuten begonnen worden war, gewann Ende des 16. Jahrh. und Anfang des 17. Jahrh. an Bedeutung (Balthasar de Moucheron, Willem Usselinex). 1621 wurde die Niederländisch-Westindische Kompanie errichtet, die wie ihre ostindische Schwestergesellschaft mit Oktroi und Monopol ausgestattet wurde (für Afrikas Westküste, Amerikas Ostküste etc.). Sie übernahm Nieuw-Nederland von einer früher errichteten »Compagnie van Nieuw-Nederland«; bald wuchs dse Bedeutung des schon 1612 gegründeten Nieuw-Amsterdam (später New York, s. d.) und der ganzen Kolonie Nieuw-Nederland. Weiter ließen sich Niederländer nieder in Guayana (s. d.): Essequibo (später mit Demerary vereint), Berbice, und die Westindische Kompanie eroberte Brasilien (1624, 1630–61), Curassao (s. d.), St. Eustatius (s. d.), Saba, S. Martin (s. d.), Surinam (1667) und an Afrikas Westküste: St. George d'Elmina (s. Elmina) etc.

Verhältnismäßig rasch kam die Westindische Kompanie in ungünstige Finanzen. Dazu kamen große territoriale Verluste: Brasilien wurde 1661 an Portugal abgetreten, Nieuw-Nederland an England (1664, 1674). Schon 1674 wurde die Westindische Kompanie aufgehoben; doch unmittelbar folgte ihr eine gleichnamige Gesellschaft mit begrenztem Monopol. Aber auch diese hatte keinen finanziellen Erfolg. 1791 wurde sie nach vielerlei Wechseln ebenfalls aufgehoben und Ende des 18. Jahrh. der westindische Besitz vom Staat übernommen. Nach den Napoleonischen Kriegen, während deren die Engländer die westindischen Kolonien weggenommen hatten, wurden Demerary, Essequibo und Berbice 1814 von England behalten, Surinam und die niederländisch-westindischen Inseln zurückgegeben. – Die Besitzungen der Niederländer an der Guineaküste (s. Guinea) kamen 1871 durch Vertrag an England. Für die westindischen Kolonien vgl. J. K. J. de Jonge, De oorsprong van Nederlands bezittingen op de kust van Guinea (Haag 1871); J. H. de Stoppelaar, Balthasar de Moucheron (das. 1901); P. M. Netscher, Les Hollandais an Brésil (Haag 1853) und Geschiedenis van de koloniën Essequebo, Demeraryen Berbice (das. 1888); C. A. van Sijpesteijn, Beschrijving van Suriname (das. 1854); J. R. Thomson, Overzicht der geschiedenisvan Suriname (das. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 650-653.
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