Presse [2]

[482] Presse, bildlich die Gesammtheit der durch den Druck mittelst der Buchdruckerpresse verbreiteten Schriften, auch das gesammte geistige Leben, welches sich mittelst der Verbreitung von Schriften durch den Druck kund gibt; im engeren Sinne der Theil der Literatur, welcher in periodischen Zeitschriften, Zeitungen, Tagesblättern etc. seine Verbreitung sucht, die Tagesliteratur od. Tagespresse. Der große Einfluß, welchen die Erleichterung der Gedankenmittheilung durch die mechanische Vervielfältigung mittelst des Druckes nach Erfindung der Buchdruckerkunst für den Umschwung der Ideen ausübte, mußte sehr bald die staatlichen Organe zu der Erwägung hinlenken, ob dieser neuen Thätigkeit ein völlig unbeschränktes Feld zu lassen sei od. nicht. Die Erregung der Gemüther, welche dadurch eintrat, die zahlreichen u. empfindlichen Angriffe, welche damit gegen einzelne Personen, wie gegen den Bestand der ganzen bisherigen Ordnung ausgeführt wurden, machten die Gewalthaber gar bald auf die bedeutende Macht, zugleich aber auch auf die Gefährlichkeit der P. aufmerksam, u. die Folge davon war, daß man frühzeitig eine obrigkeitliche Überwachung derselben einführte u., wenn die Preßerzeugnisse dem allgemeinen Interesse zuwider zu sein schienen, zur Unterdrückung u. Vernichtung derselben, so wie auch zu Verfolgungen der dabei betheiligten Personen sich berechtigt ansah. Bestimmtere gesetzliche Regelungen der hierauf bezüglichen Verhältnisse u. damit die Anfänge einer eigenen Preßgesetzgebung treten jedoch erst mit dem Anfang des 16. Jahrh. hervor, als in den Religionskämpfen die Bedeutung der P. für die schnelle Verbreitung der neuen Lehre sich mehr u. mehr entfaltete u. in den zahlreichen Flugblättern, Tractätchen, Predigtabdrücken etc. zugleich die anonymen u. pseudonymen Angriffe gegen hohe u. niedere Obrigkeiten, überhaupt gegen alle, welche sich in irgend einer Weise bei dem Reformationswerke hervorthaten, sich häuften. Die nächste Abhülfe dagegen suchte man allgemein in der Censur (s.d.), indem man als Grundsatz aufstellte, daß keine Schrift gedruckt werden od. wenigstens zur öffentlichen Verbreitung gelangen dürfe, bevor sie nicht die Genehmigung einer für diesen Zweck eingesetzten Behörde erhalten habe. Zuerst durch Papst Leo X. eingeführt, verbreitete sich die Censur bald als die allgemeine Einrichtung für Überwachung der Preßerzeugnisse über alle Länder u. wurde namentlich auch für das Deutsche Reich in zahlreichen Reichsgesetzen (vgl. bes. Reichsabsch. von 1529, §. 9, von 1530, §. 58, Reichspolizeiordnung von 1377 Tit. 35, §. 1 ff.) als Regel aufgestellt. In anderer Weise wurde die P. in so fern unter eine staatliche Oberaufsicht gestellt, als man die Betreibung des Buchdruckergewerbes von besonderen Concessionen abhängig machte. Indeß brachten jene Reichsgesetze nur eine sehr unvollkommene Beaufsichtigung[482] der P. zu Stande. Bei der Vielgestaltigkeit des Reichskörpers war die Handhabung in den einzelnen Territorien eine sehr verschiedene; während in manchen die Censur eine sehr strenge wurde u. namentlich in den katholischen Ländern in religiösen Dingen mit großer Rigorosität geübt wurde, schlug man in anderen eine freisinnigere Richtung ein, so daß ihre Wirksamkeit gleich Null wurde. Oft wechselten auch die Ansichten über die Censur in demselben Lande mit der Persönlichkeit der Regierenden. So war in Preußen unter Friedrich dem Großen die Censur eine überaus milde, während sie unter seinem Nachfolger, Friedrich Wilhelm II. unter dem Einflusse Wöllners u. Bischofwerders, wieder einen viel strengeren Charakter annahm. In Österreich bestand unter Maria Theresia ein sehr scharfer Preßzwang, während Joseph II. die Zügel desselben sehr bedeutend lockerte. Von den kleineren Staaten hatten Hannover, Braunschweig u. Holstein die freiesten Preßgesetze, während in Baiern u. Württemberg die Censur mit größter Strenge ausgeübt wurde. Der gleiche Preßzwang bestand auch in den außerdeutschen Staaten, namentlich in Italien, wo die Päpste mittelst Einführung eines Index librorum prohibitorum (s.d.) die Verbreitung aller Arten von antikatholischen Schriften mit harten Strafen verfolgten, in Frankreich u. England.

Seit dem Anfange des 18. Jahrh. bereitete sich in dieser Behandlung der P. insofern eine Änderung vor, als man einestheils sich mehr u. mehr davon zu überzeugen anfing, daß die bisherigen Präventivmaßregeln nicht geeignet seien, um einen wirksamen Schutz gegen Übergriffe der P. zu gewähren, anderntheils zugleich auch die sich entwickelnden Ideen über die Organisirung des Rechtsstaates gegenüber den bisher geltenden Principien des Patrimonial- u. Polizeistaates die Unvereinbarkeit der Censurvorschriften mit den Forderungen eines geordneten Rechtszustandes erkennen ließen. An Stelle des bisher allgemein angenommenen Systems polizeilicher Überwachung der Preßerzeugnisse schon vor ihrem wirklichen Erscheinen wurde das Princip der Preßfreiheit vertheidigt, nach welcher die Benutzung der P. zur Erzeugung u. Verbreitung von Druckschriften an keine vorausgehende obrigkeitliche Genehmigung gebunden ist u. gegen Verletzungen der Rechte Anderer, so wie gegen Angriffe gegen die staatliche u. religiöse Ordnung durch die P. nach bestehenden Gesetzen durch den Richter zu verfolgen sind. Am ersten drang dieses Princip in England durch, wo seit 1694 dadurch, daß das Parlament die früher in gewissen Zeiträumen wiederholten Anweisungen an die Behörden zur Ausübung der Censur nicht wieder erneuerte, die Censur stillschweigend erlosch, u. seitdem der Druck u. die Verbreitung der Preßerzeugnisse nur insofern noch Beschränkungen unterliegt, als die Urheber von Schmähschriften als Störer des öffentlichen Friedens, so wie Verbreiter hochverrätherischer Schriften wegen Felonie mittelst öffentlicher Anklage vor den Geschwornengerichten verfolgt werden können. In Frankreich erfolgte die Aufhebung der Censur mit dem Ausbruche der Revolution im Jahr 1789;. an ihre Statt trat während der ersten Revolutionsjahre eine Zeit lang die ungebundenste Freiheit der Meinungsäußerung, bis dieselbe durch Napoleon wiederum beschränkt ward u. in Verbindung mit dessen Polizeisystem die Censur von Neuem zur Herrschaft gelangte. Mit dem Sturze Napoleons wurde die Preßfreiheit durch die Charte Ludwigs XVIII. wieder hergestellt, u. sie bestand hierauf unangefochten bis 1830; der mißlungene Versuch Karls X., sie durch die Juliordonnanzen wieder außer Wirksamkeit zu setzen, führte die Julirevolution (s. u. Frankreich [Gesch.] X.) u. damit den Sturz der Bourbons herbei. Die constitutionelle Charte Ludwig Philipps versicherte den Fortbestand der Preßfreiheit von Neuem u. erklärte die Censur in alle Zukunft für ausgeschlossen; die Preßvergehen wurden vor die Geschwornengerichte gewiesen. Allein in Folge des durch Fieschi am 28. Juli 1835 auf den König verübten Attentats wurden die Bestimmungen über die P. (durch Gesetz vom 7. September 1835) wieder verschärft, u. wenn dabei auch das Princip der Preßfreiheit aufrecht erhalten blieb, doch theils durch strenge Strafandrohungen, theils durch Einführung von hohen Cautionen für die Herausgeber von Zeitungen u. dadurch, daß die Untersuchung u. Bestrafung der Preßvergehen von den Geschworenen auf die Zuchtpolizeigerichte, in den schwereren Fällen aber auf die Pairskammer übertragen wurde, die Lage der P. wesentlich verschlimmert. Die Februarrevolution vom Jahr 1848 hob zwar zeitweilig alle diese Beschränkungen wieder auf; doch trat bald darauf, zunächst in Folge des Juniaufstandes 1848, durch Cavaignac, sodann durch die Gesetze vom 27. Juli 1849 u. 16. Juli 1850, welche das System der Cautionen wieder adoptirten u. zugleich für jeden in eine Zeitung eingerückten räsonnirenden Artikel die Nennung des Namens des Verfassers forderten, von Neuem eine strengere Beaufsichtigung der P. ein, welche später mit der Wiederaufrichtung des Kaiserreiches durch Napoleon III. u. bes. nach dem Orsinischen Attentat (14. Jan. 1858) so verschärft wurde, daß die Preßfreiheit für Frankreich gegenwärtig nur noch als dem Namen nach bestehend angesehen werden kann. Insbesondere hängt die Existenz der Journale in Frankreich fast ganz von der Willkür der Polizei ab; eine dreimalige Verwarnung durch dieselbe genügt, um ein Journal gänzlich zu unterdrücken, u. durch die daneben bestehenden Sicherheitsgesetze ist jeder Äußerung, welche als staatsgefährlich erscheinen könnte, die Deportation nach Cayenne od. Algier angedroht. Für Deutschland brachte die Auflösung des Deutschen Reiches, bis zu deren Eintritt überall die Censur in Geltung war, zunächst nur eine Verschärfung der polizeilichen Überwachung zur Geltung. Die Napoleonische Gewaltherrschaft unterdrückte jede freiere Regung der P. in den Rheinbundstaaten mit noch größerer Strenge, als sie in Frankreich selbst geübt wurde, u. das Schicksal des Buchhändlers Palm (s.d.) in Nürnberg bewies, daß man solchen Regungen gegenüber selbst die ärgsten Gewaltschritte für erlaubt betrachtete. Mit der Vertreibung der Franzosen aus Deutschland wurden zwar diese Fesseln der P. gebrochen, allein eine gesichertere Stellung erlangte dieselbe trotzdem nicht. Auf Betrieb Preußens u. Hannovers wurde in die Deutsche Bundesacte (Art. 18) mindestens die Zusicherung aufgenommen, daß die Bundesversammlung sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit u. die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller u. Verleger beschäftigen werde, u. in der That ward die Censur in mehren Bundesstaaten,[483] wie in Weimar, Nassau, Baiern, Württemberg, Hannover, Mecklenburg, Hessen-Darmstadt, durch bald darauf erschienene Verfassungsurkunden aufgehoben, in anderen, z.B. in Preußen, nur noch in sehr milder Weise geübt. Indessen änderten sich die Ansichten der Regierungen über diesen Punkt sehr bald. In den Karlsbader Conferenzen (s. u. Deutschland XIII. A) gab man der Bestimmung der Bundesacte die Deutung, daß dieselbe nur auf eine wohlgeordnete, liberale u. in sämmtlichen Bundesstaaten möglichst gleichförmig verwaltete Censur bezogen werden könne, u. als das Ergebniß der darüber gepflogenen Berathungen trat unter dem 20. Sept. 1819 das Bundespreßgesetz an das Licht, wonach für alle Schriften, welche in der Form täglicher Blätter od. heftweise erschienen, so wie für alle Schriften unter 20 Bogen bestimmt wurde, daß sie in keinem Bundesstaate ohne Vorwissen u. vorgängige Genehmigung der Landesbehörden zum Drucke befördert werden sollten, auch der Bundesversammlung noch überdies das Recht beigelegt wurde, einzelne Schriften für den ganzen Umfang des Bundes zu verbieten u. die Redacteure einer solchergestalt verbotenen Zeitschrift auf fünf Jahre für das gesammte Bundesgebiet von der Führung einer anderen Redaction auszuschließen. Kraft dieses, wenn auch anfangs nur provisorischen, später aber wiederholt erneuerten Bundesgesetzes trat die Censur nach u. nach in allen deutschen Staaten wieder in Wirksamkeit. Viele Staaten begnügten sich nicht damit, die Preßfreiheit blos in dem Umfange des Bundesgesetzes aufzuheben, sondern führten die Censur ganz allgemein wieder ein. Bes. bestimmend dafür waren die revolutionären Versuche der Jahre 1830 u. 1831. Ein badisches Gesetz vom 28. Dec. 1831, welches vom Grundsatze der Preßfreiheit ausging, wurde durch Bundesbeschluß vom 5. Juli 1832 für, mit dem Bundesgesetz vom Jahr 1819 unvereinbar erklärt u. mußte wieder beseitigt werden. Die Bundesversammlung machte mehrfach von dem Rechte, einzelne Schriften zu verbieten, Gebrauch u. unterdrückte so u.a. die Deutsche Tribüne, den Freisinnigen, den Hochwächter, die allgemeinen politischen Annalen, die Neckarzeitung, ja schritt sogar zum Verbote des ganzen Verlages deutscher Verlagsfirmen u. zum Verbot aller von einer literarischen Schule (dem Jungen Deutschland, s.d.) bereits herausgegebenen u. etwa noch künftig herauszugebenden Werke. Durch Bundesbeschluß vom 29. Nov. 1832 wurde die Censuranwendung auch auf lithographirte Blätter ausgedehnt; wegen der Veröffentlichung landständischer Verhandlungen verpflichteten sich die Bundesregierungen noch zu bes. strenger Aufsicht darüber, daß aufreizenden Reden keine weitere Verbreitung gegeben werde. Erst mit dem Jahr 1840 traten wieder einige Erleichterungen ein, bes. durch den Regierungsantritt des Königs Friedrich Wilhelm IV. veranlaßt. Eine Cabinetsordre vom 4. Oct. 1842 hob für Preußen die Censur für Bücher über 20 Druckbogen unter der Bedingung, daß Verfasser u. Verleger auf dem Titel genannt seien, gänzlich auf; eine andere vom 4. Febr. 1843 ertheilte eine liberalere Censurinstruction für Zeitungen u. Flugschriften; mittelst Verordnung vom 23. Febr. 1843 wurde neben einer zweckmäßigeren Organisation der unteren Censurbehörden ein Obercensurgericht eingeführt, welchem auch die Beschwerden über verweigerte Druckerlaubniß zur Entscheidung übertragen wurde, u. eine Verordnung vom 30. Juni 1843 gab noch liberalere Instructionen. So wohlgemeint diese Anordnungen auch waren, so zeigten sie indessen nur noch mehr, daß sich das bisherige Princip auf die Dauer nicht halten lasse. Bei den sich steigernden Verkehrsmitteln, welche die Schriften aus den censurfreien Ländern, namentlich Frankreich u. der Schweiz, auf eine sehr leichte Weise in den Bereich der deutschen Staaten kommen ließen, u. bei der Verschiedenheit der Preßbestimmungen in den andern deutschen Staaten wurde es der Censur immer unmöglicher, Alles zu unterdrücken, was nach den angenommenen Grundsätzen noch zu unterdrücken gewesen wäre. Die Regierungen selbst befanden sich dabei am schlimmsten, indem durch das Bestehen der Censur ein Mißtrauen gegen die öffentliche Gewalt erzeugt ward u. viele Anhänger der Regierung dadurch abgehalten wurden, die Presse zu Gunsten des herrschenden Regierungssystems zu benutzen. Fast in allen Ständeversammlungen wurden bald Motionen u. Anträge eingebracht, welche auf eine gänzliche Aufhebung der Censur hinzielten. Besonders geschah dies in Baden u. Sachsen, in welchen Ländern die Presse zugleich unbeschadet der bestehenden Censur einen immer freieren Ton anschlug. Hierdurch veranlaßt, legte auch Preußen i. J. 1846 in Verein mit Sachsen der Bundesversammlung den Antrag auf Aufhebung des bisherigen provisorischen Bundespreßgesetzes u. einen Entwurf zu einer neuen Preßgesetzgebung vor, wonach jedem Bundesstaat freigestellt werden sollte, die Censur aufzuheben u. zum sogenannten Repressivsystem überzugehen. Ehe aber hierüber noch die Abstimmung beim Bunde erfolgen konnte, führten die Ereignisse des Frühjahrs 1848 die Aufhebung der Censur von selbst herbei. Nachdem schon vorher einzelne Regierungen (bes. Baden) die Unmöglichkeit, ferner bei dem System der Censur zu verharren, angezeigt hatten, sah sich die Bundesversammlung genöthigt, am 3. März 1848 das Preßgesetz vom 20. Sept. 1819 durch einfachen Beschluß für aufgehoben zu erklären, worauf sofort in allen deutschen Staaten die Preßfreiheit, zum Theil ohne alle Beschränkungen, eintrat. Zwar erzeugte dieser plötzliche Umschwung manche Extravaganzen, welchen die Behörden theils aus Mangel an ausreichenden gesetzlichen Bestimmungen, theils auch wegen der Ohnmacht gegenüber den eingetretenen außerordentlichen Ereignissen sich für den ersten Augenblick nicht allenthalben gewachsen zeigten; indeß blieb es seitdem doch bei der Preßfreiheit in Deutschland. In den meisten seit 1848 erschienenen Verfassungsurkunden ist dieselbe ausdrücklich als Recht der Staatsbürger gewährleistet u. die Censur als für immer aufgehoben erklärt; die Aburtheilung der Preßvergehen wurde vor die Gerichte, nach einzelnen Verfassungen ausschließlich vor die Geschwornengerichte gewiesen. Die letztere Bestimmung ist zwar später in vielen Staaten wieder aufgehoben worden, ebenso haben die seit 1851 erschienenen zahlreichen Preßgesetze manche beschränkende Bestimmungen, bes. das System der Concessionsertheilungen, so wie der Cautionen für periodische Zeitschriften wieder aufgenommen; allein das Princip der Preßfreiheit ist dabei überall im Wesentlichen unberührt geblieben.

Eine eingreifende allgemeinere Regelung der gesammten, auf die P. bezüglichen Verhältnisse, trat durch den im Wesentlichen dem Preußischen Gesetze[484] vom 12. Mai 1851 nachgebildeten Bundesbeschluß vom 6. Juli 1854 ein, welcher den Einzelregierungen zur Verhinderung des Mißbrauchs der P. die Einhaltung folgender Grundsätze vorschreibt: Zur Ausübung des Gewerbes eines Buch- od. Steindruckers, Buch- od. Kunsthändlers, Antiquars, Inhabers einer Leihbibliothek od. eines Lesecabinets u. Verkäufers von Zeitungen soll in allen Bundesstaaten die Erlangung einer besonderen Concession erforderlich sein. Die Einziehung im Falle des Mißbrauchs kann auch auf administrativem Wege erfolgen, jedoch nur dann, wenn nach vorausgegangener wiederholter schriftlicher Verwarnung od. nach erfolgter gerichtlicher Bestrafung die vorerwähnten Gewerbtreibenden ihre Beschäftigung beharrlich zur Verbreitung von strafbaren, insbesondere staatsgefährlichen Druckschriften mißbrauchen, od. wenn die Concessionen gleich von vornherein nur widerruflich ertheilt wurden. Das Hausiren, Anschlagen od. Verkaufen von Druckschriften an öffentlichen Orten erfordert stets obrigkeitliche Erlaubniß. Auf jeder im Bundesgebiete erscheinenden Druckschrift muß der Name u. Wohnort des Druckers u., wenn dieselbe für den Buchhandel bestimmt ist, auch der des Verlegers, beim Selbstvertriebe der Name u. Wohnort des Verfassers od. Herausgebers genannt sein. Von jeder Druckschrift ist vor deren Ausgabe, Austheilung od. Versendung ein Exemplar der Behörde zu überreichen; nur Druckschriften über 20 Bogen können davon ausgenommen werden. Für jede periodische Druckschrift muß ein verantwortlicher Redacteur bestellt u. dessen Name auf jedem Blatte genannt sein; eine Ausnahme von diesem Grundsatze ist nur bezüglich solcher Zeitschriften zulässig, welche alle politischen u. socialen Fragen von der Besprechung ausschließen. Der Redacteur muß vollkommen dispositionsfähig sein, sich im Genusse der staatsbürgerlichen Rechte befinden u. bei politischen Zeitschriften auch seinen regelmäßigen Wohnsitz in dem Staate haben, in welchem die Zeitschrift erscheint. Für jede periodische Druckschrift muß ferner eine Caution bestellt werden. Nur amtliche od. solche Blätter können nach Ermessen der einzelnen Regierungen davon befreit bleiben, welche alle politischen u. socialen Fragen von der Besprechung ausschließen. Die Caution darf bei Zeitschriften, welche wöchentlich mehr als dreimal erscheinen, nicht unter 1000 Thlr., bei solchen, welche wöchentlich dreimal od. weniger erscheinen, nicht unter 500 Thlr., muß aber bei täglich erscheinenden in der Regel 5000 Thlr. betragen. Nimmt eine periodische Druckschrift Anzeigen auf, so kann sie auch von den öffentlichen Behörden zur Kundmachung amtlicher Erlasse gegen Vergütung der üblichen Einrückungsgebühr (einige Staaten lassen auch diese wegfallen) in Anspruch genommen werden; gerichtliche Entscheidungen u. amtliche Warnungen, welche aus Anlaß einer periodischen Druckschrift erlassen worden sind, müssen jedenfalls auf Anordnung der betreffenden Behörde unentgeltlich u. ohne Zusätze u. Bemerkungen eingerückt werden. Ebenso ist für amtliche od. amtlich beglaubigte Berichtigungen od. Widerlegungen in einer periodischen Druckschrift vorgebrachter Thatsachen der betheiligten Behörde od. Privatperson mindestens der Raum des Artikels, welcher zu der Entgegnung Anlaß bot, kostenfrei in einer der beiden nächsten nach erfolgter Aufforderung erscheinenden Nummern zur Verfügung zu stellen. Anderweite Bestimmungen des Bundesbeschlusses beziehen sich darauf, daß allen Bundesregierungen die Verpflichtung auferlegt ist, durch die Strafgesetzgebung dafür Vorsorge zu treffen, daß für die Fälle der Aufforderung, Anreizung od. Verleitung zum Hoch- u. Landesverrath, Aufruhr, sowie der Militärpersonen od. Beamten zum Treubruch od. Ungehorsam, zur Widersetzung od. zum gewaltsamen Widerstande gegen die Obrigkeit, zum Ungehorsam gegen die Gesetze u. gegen Anordnungen der Obrigkeit, zur Verweigerung von Steuern od. zu verbotenen Geldsammlungen, ferner für Angriffe auf die persönliche Sicherheit od. das Eigenthum, auf die Religion od. die Lehren u. Gebräuche einer anerkannten Religionsgemeinschaft, auf die Grundlagen des Staates u. der Staatseinrichtungen, Beleidigungen der Regierungen u. des Oberhauptes eines fremden Staates entsprechende gesetzliche Bestimmungen vorhanden sind Bezüglich der Verantwortlichkeit für die durch den Inhalt einer Druckschrift begangenen strafbaren Handlungen ist bestimmt, daß Jeder für verantwortlich zu achten ist, welcher nach allgemein strafrechtlichen Grundsätzen als Urheber od. Theilnehmer strafbar erscheint; der Drucker, Verleger u. Commissionär sind überdies noch für die Fälle mit Strafe bedroht, wo der Verfasser nicht genannt od. nicht im Bereiche eines Deutschen Bundesstaates ist, od. wo eine Übertretung preßpolizeilicher Bestimmungen verübt wurde, der verantwortliche Redacteur einer periodischen Druckschrift überhaupt, wenn wegen des Inhaltes derselben eine Strafe zu erkennen war. Enthalten Druckschriften den Inhalt einer strafbaren Handlung, so ist allfällig auf ihre Vernichtung u. Unterdrückung zu erkennen, auch wenn die Verurtheilung einer strafbaren Person nicht damit verbunden werden kann. Zum Behufe der Einleitung des Strafverfahrens steht den Verwaltungs- u. Gerichtsbehörden die Befugniß zu, sowohl die Druckschriften selbst, als auch die zu ihrer Vervielfältigung bestimmten Formen u. Platten mit Beschlag zu belegen. Veröffentlichung von Gerichtsacten, Gerichtsverhandlungen u. Abstimmungen, von Verhandlungen anderer Behörden od. politischer Körperschaften, über Truppenbewegungen od. Vertheidigungsmittel in Zeiten der Kriegsgefahr od. inneren Unruhen können aus Rücksichten auf den öffentlichen Dienst od. Staatsinteressen ganz verboten od. beschränkt werden. Die Namen der Geschworenen dürfen in Zeitungen nur bei der Mittheilung über Bildung des Schwurgerichts, auch die Anklageschrift od. ein anderes Schriftstück des Criminalprocesses nicht eher veröffentlicht werden als bis die mündliche Verhandlung Statt gefunden od. der Proceß auf anderem Wege sein Ende erreicht hat. Gestützt auf diese Bestimmungen, für deren Vollzug die Bundesversammlung selbst den Zeitraum von zwei Jahren setzte, sind hierauf in fast allen einzelnen Bundesstaaten, insofern dergleichen nicht schon bestanden, theils besondere Preßgesetze, theils auch nur Ausführungsverordnungen, welche sich unmittelbar an die vorerwähnten Grundsätze anschlossen, ergangen. Sie haben insbesondere das Maß der Strafen für die Überschreitung der einzelnen preßpolizeilichen Vorschriften u. für die durch die P. verübten Verbrechen, die Höhe der Cautionen noch näher, dabei aber in unter sich vielfach abweichender Weise festgesetzt. In neuester Zeit hat sich zwar gegen den Fortbestand des Systems der Cautionen u. Concessionen als einer mit dem [485] Rechte der freien Meinungsäußerung durch die P. nicht verträglichen Einrichtung mehrfache Opposition erhoben; doch ist dies System bis jetzt noch in keinem deutschen Staate aufgehoben worden u. die Aufhebung desselben auch nicht ohne Abänderung der bundesgesetzlichen Bestimmungen zu erwarten. Vgl. Hesse, Die preußische Preßgesetzgebung, Berl. 1843; Collmann, Quellen, Materialien u. Commentare des gemeinen deutschen Preßrechts, ebd. 1844; Schletter, Handbuch der deutschen Preßgesetzgebung, Lpz. 1846; Wiesner, Denkwürdigkeiten der österreichischen Censur, Stuttg. 1847; O. Helm, Die preußische Preßgesetzgebung, Halberst. 1852; v. Rönne, Commentar über das preußische Preßgesetz, Breslau 1851.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 482-486.
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