Genŭa [2]

[584] Genŭa (ital. Genova, franz. Gênes, hierzu der Stadtplan), Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), erste Hafen- und Seehandelsstadt Italiens und wichtige Festung, mit dem Beinamen la Superba, liegt unter 44°24' nördl. Br. und 8°54' östl. L. an der Nordküste des Golfs von G. Die Stadt erhebt sich von dem halbkreisförmigen Hafenbecken amphitheatralisch an den Höhen zwischen den tief eingeschnittenen Tälern der Flüßchen Polcevera und Bisagno und wird von einer doppelten Umwallung, der innern Stadtmauer und dem äußern Wall, umschlossen.

Wappen von Genua.
Wappen von Genua.

Die äußere, 14 km lange Befestigungsmauer zieht sich vom Leuchtturm im W. der Stadt über das Fort Begato zu dem Fort Sperone (516 m) empor und senkt sich im O. über das Fort Castellaccio bis zum Golf hinab. Außerdem sind auf den umliegenden Höhen zehn Außenforts errichtet worden. Infolge ihrer durch die Berge eingeengten Lage besteht die Stadt in ihren ältern Teilen aus schmalen, unregelmäßigen Gassen und hochgetürmten Häusern. Hier und da sind die Straßen durch Marmortreppen oder Brücken miteinander verbunden; von letztern ist namentlich der 34 m hohe Ponte Carignano bemerkenswert. Als Korso der Innenstadt dient der schöne, mit prächtigen Renaissancepalästen besetzte Straßenzug, der sich aus der Via San Lorenzo, Via Carlo Felice, Via Garibaldi, Via Cairoli und Via Balbi zusammensetzt. Schöne neue Straßenanlagen sind die von der Galleria Mazzini begleitete Via Roma und ihre Fortsetzung, die breite Via Assarotti, die Via[584] Venti Settembre mit dem von ihr ausgehenden südöstlichen Straßennetz, die in neuester Zeit verbreiterte Via Carlo Alberto am Hafen, endlich der auf dem innern Befestigungswall im NO. der Stadt angelegte aussichtsreiche Corso di Circonvallazione a Monte. Unter den öffentlichen Plätzen, die durchweg von geringer Ausdehnung sind, verdienen Erwähnung: die mit Bäumen bepflanzte Piazza Acquaverde (mit dem Marmordenkmal des Kolumbus von M. Canzio, 1862), die Piazza Corvetto mit dem bronzenen Reiterdenkmal Viktor Emanuels (1886), die Piazza dei Banchi (mit der Börse), die Piazza dell' Annunziata, die Piazza Nuova, wo die Wochenmärkte gehalten werden, die Piazza Deferrari, der belebte Mittelpunkt der Stadt, etc. Öffentliche Anlagen bilden der hochgelegene Park Acquasola mit schöner Aussicht und nordwestlich davon die Villetta Dinegro mit prächtigen Gartenterrassen, naturhistorischem Museum und einem Denkmal Mazzinis (von Costa, 1882).

[Bauwerke.] Unter den 82 Kirchen steht obenan die Kathedrale San Lorenzo, ein schöner, drei Stilarten (romanisch, gotisch und Renaissance) vereinigender Bau aus dem 12.- 17. Jahrh. Von den übrigen Kirchen sind zu erwähnen: Santa Annunziata, ein Säulenbau der Spätrenaissance von Giac. della Porta (1587); Sant' Ambrogio, eine prunkvolle Barockkirche von 1589; die schöne hochgelegene Renaissancekirche Santa Maria di Carignano (1552–1600 von G. Alessi erbaut) in griechischer Kreuzform mit Zentralkuppel und zwei schlanken Türmen; San Matteo, ein gotischer Bau von 1278, mit dem Grabmal des Andrea Doria und andern Skulpturwerken von Montorsoli, und Santo Stefano mit Altargemälde von Giulio Romano (Steinigung des Stephanus). Erwähnenswert ist auch der Campo santo (seit 1838 angelegt) mit reichem monumentalen Schmuck. Die hervorragendsten Paläste sind: der ehemalige Dogenpalast (16. Jahrh.), nach dem Brande von 1777 restauriert, mit neuer Marmorfassade und berühmter Treppe; der Palazzo Reale (von 1657); der Palazzo Balbi-Senarega (1632 erbaut) mit prächtigem Säulenhof; der Palazzo Durazzo-Pallavicini (von 1622, mit großartigem Treppenhaus von 1779). Alle diese Paläste enthalten zugleich bemerkenswerte Gemäldesammlungen, die bedeutendste, neuerdings stark restaurierte der von Alessi erbaute Palazzo Rosso, früher Brignole-Sale, den die Herzogin von Galliera 1874 samt der reichen Bibliothek und Gemäldesammlung der Stadt schenkte. Außerdem verdienen noch Erwähnung: der Palazzo del Municipio (ehemals Doria-Tursi), 1564 im Spätrenaissancestil erbaut, mit Marmorfassade, prächtigem Vestibül, Hallenhof und Seitengalerien; der Palazzo Spinola (von Alessi 1560 erbaut); der Palazzo Andrea Doria, 1522 von der Republik ihrem großen Bürger gewidmet, 1529 von Montorsoli umgebaut und von Pierin del Vaga mit Fresken geschmückt; der Palazzo Pallavicini; die Universität (1623 erbaut, s. Tafel »Architektur X«, Fig. 6) mit schönem Hofraum, die von Alessi 1570 erbaute Börse oder Loggia dei Banchi (im Innern mit der Statue Cavours von Vela).

[Bevölkerung, Industrie, Handel.] G. zählt (1901) ca. 175,000 (als Gemeinde 234,710) Einw. und ist nicht nur der erste Seehandelsplatz Italiens, sondern auch eine bedeutende Fabrikstadt. In G. selbst befinden sich mehrere metallurgische Werkstätten, Maschinenfabriken und Schiffswerften, dann Fabriken für Teigwaren, kandierte Früchte, Seiden- und Baumwollgewebe, Wirkwaren, Leder, Möbel, Korallenarbeiten und Buchdruck. Bedeutende Industrieétablissements finden sich aber auch in den benachbarten Vororten von G., wie San Pier d'Arena, Cornigliano, Sestri Ponente, Voltri. G. liegt an den Eisenbahnlinien G.-Turin, G.-Ventimiglia und G.-Spezia. Der Hafen von G. wurde seit 1877 mit großen Kosten (über 65 Mill. Lire, einschließlich der Widmung von 20 Mill. des 1876 verstorbenen Herzogs von Galliera) bedeutend erweitert und ist gegenwärtig einer der größten, besteingerichteten und belebtesten Häfen des Mittelmeers, dennoch den gewaltig gesteigerten Verkehrsanforderungen nicht mehr gewachsen. Er besteht aus einem Vorhafen (Avamporto), dem neuen Hafen und dem innern Hafen (Porto), der den ehemaligen Kriegshafen (Darsena, im N.) und den Freihafen (im SO.) umfaßt. Der Hafen ist durch Batterien befestigt. Der Schiffsverkehr von G. umfaßte 1902 im Einlauf 6487 Schiffe von 5,510,201 Ton. Gehalt, im Auslauf 6294 Schiffe von 5,459,372 T. Gehalt, zusammen 12,781 Schiffe mit 10,969,573 T. Gehalt. Von den letztern entfielen auf den internationalen Verkehr 6116 mit 8,881,326 T., auf den Küstenverkehr 6665 mit 2,068,247 T. An dem letztern ist die italienische Flagge mit 92,8 Proz., an dem erstern ist sie mit 41,2 Proz. beteiligt. G. steht in regelmäßiger Dampfschiffverbindung mit den wichtigsten italienischen Häfen, ferner mit Triest, Piräeus, Marseille, Barcelona, Hamburg und Bremen, Amsterdam, London, Liverpool, Glasgow, Hull, Saloniki, Smyrna, Konstantinopel, Odessa, Tunis, Malta, Tripolis, Ägypten, Ostindien, China, Australien und Amerika, namentlich dem La Plata, wohin eine sehr starke italienische Auswanderung stattfindet. Der Warenverkehr Genuas zu Lande und zur See belief sich 1902 auf 3,756,955 Ton. im Werte von 1062,8 Mill. Lire, davon entfielen auf die Einfuhr 3,137,923 T. im Werte von 592,8 Mill. Lire, auf die Ausfuhr 240,204 T. im Werte von 270,0 Mill. Lire, auf den Transit 378,828 T. im Werte von 199,9 Mill. Lire. Die wichtigsten Einfuhrartikel sind Baumwolle und Baumwollwaren, Getreide und Mehl, Kolonialwaren und Drogen, Kohlen; zur Ausfuhr kommen besonders Seide und Seidenwaren, Wein und Ol. G. ist der erste Auswandererhafen Italiens. 1902 wanderten über G. 62,266 Personen (1901: 103,536) aus, meist nach Argentinien und den Vereinigten Staaten von Amerika. G. wird zu einem immer mächtigern Nebenbuhler von Marseille und wird es nach der Vollendung der Simplonbahn, welche die Entfernung von Basel auf 524, von Lausanne auf 471 km herabsetzt, noch mehr werden.

[Öffentliche Anstalten, Behörden.] Unter den zahlreichen Wohltätigkeitsanstalten sind das großartige Armenhaus (1635 gegründet), das Ospedale Pammatone (1423 gestiftet, zugleich Findelhaus), das neue Spital, das Waiseninstitut, ein Taubstummeninstitut, ein Irrenhaus und das Conservatorio Fieschi, Institut zur Erziehung armer Mädchen, zu erwähnen. An öffentlichen Unterrichts- und Bildungsanstalten sind zu nennen: die 1243 (?) gestiftete, 1783 neugegründete Universität mit (1896) 1091 Studenten, zwei Lyzeen und ein Gymnasium, eine höhere nautische und eine höhere Handelsschule, 3 technische und 2 nautische Institute, 5 technische Schulen, eine Handelsakademie, eine höhere Schiffbauschule, ein Seminar, je eine Normalschule für Lehrer und Lehrerinnen, eine Akademie der schönen Künste (1751 gestiftet), 4 öffentliche Bibliotheken, ein Staatsarchiv sowie 6 Theater, unter denen das 1826 erbaute[585] Teatro Carlo Felice das größte ist. Die Stadt, einst Residenz des Dogen der Republik G., ist jetzt Sitz eines Präfekten, eines Erzbischofs, eines Appell- und Assisenhofs, eines Tribunals, eines Handelsgerichts, des 4. Armeekorpskommandos, eines Hauptzollamtes, einer Handelskammer, zahlreicher Konsuln (darunter auch eines deutschen Berufskonsuls) etc. Die Umgebung von G. bietet namentlich an der Riviera viele herrliche Punkte, darunter Pegli (s.d.) im W. mit seinem herrlichen Park und Nervi (s.d.) im O.

Geschichte.

Im Altertum war G. Hauptstadt Liguriens; die Römer nahmen die Stadt 222 v. Chr. und schlugen sie zur Provinz Gallia cisalpina. Nach dem Untergang des weströmischen Reiches kam G. unter die Herrschaft der Goten, dann der Oströmer, darauf der Langobarden und mit dem Langobardenreich 774 unter die der Franken, unter denen es Hauptort einer Grafschaft war. Diese kam am Ende des 10. Jahrh. an das Haus der Markgrafen von Este; von ihnen aber machte sich die schon 958 von König Berengar mit einem Schutzbrief versehene Bürgerschaft allmählich unabhängig. Seit dem Ende des 11. Jahrh. standen gewählte Konsuln an ihrer Spitze; um die Mitte des 12. Jahrh. waren fast alle Rechte der Este beseitigt, und G. regierte sich selbst, nur dem Kaiser unterworfen, dessen Oberherrschaft zwar anerkannt, dessen unmittelbare Einmischung in die Stadtverwaltung aber abgewehrt wurde. In kirchlicher Beziehung stand das Bistum G. bis 1133 unter dem Erzbistum Mailand und wurde dann selbst zum Erzbistum erhoben.

Damals waren Handel und Schiffahrt in G. schon in hoher Blüte. Pisa und G. vertrieben 1015 vereinigt die Araber aus Sardinien, entzweiten sich aber bald wegen der Herrschaft über diese Insel. Pisa gewann zunächst das Übergewicht und beherrschte sowohl Sardinien als seit 1078 Korsika; 1119 aber entbrannte ein hartnäckiger Kampf zwischen beiden Städten, den erst 1133 ein päpstlicher Schiedsspruch beendete, der G. die Nordhälfte von Korsika überwies. 1162 brach der Krieg aufs neue aus, und 1175 mußte Pisa seine Ansprüche auf die Suprematie über Sardinien aufgeben und G. gleiche Rechte auf der Insel einräumen. Inzwischen hatte sich G. schon die Herrschaft über die Riviera des Ostens wie des Westens angeeignet; 1162 bereits erkannte Kaiser Friedrich I. die Küste von Porto Venere bis Monaco als genuesisches Gebiet an. In den Kämpfen Friedrichs II. gegen das Papsttum stand G. auf Seite des letztern. Nachdem die pisanische Flotte 1284 in der Schlacht bei Meloria vernichtet worden war, gewann G. die Übermacht in den westlichen Meeren und unterwarf auch Elba, während Sardinien unter die Botmäßigkeit des 1296 von Papst Bonifatius VIII. damit belehnten Königs von Aragonien kam. Indem nun aber G. nicht nur an der Küste von Nordafrika festen Fuß gefaßt, sondern seine kolonialen Bestrebungen auch auf das östliche Mittelmeer ausgedehnt hatte, geriet es in Konflikt mit Venedig. Da es 1261 die Paläologen beim Sturz des von Venedig begünstigten lateinischen Kaisertums unterstützte, wurden ihm, neben der Handelsfreiheit im griechischen Reich, die Vorstädte von Konstantinopel, Pera und Galata, eingeräumt, worauf die Genuesen zahlreiche Handelsniederlassungen gründeten, Tana (Asow) und Kassa (Feodosia) in Besitz nahmen, sich am Golf von Smyrna sowie auf den Inseln Chios, Samos, Cypern festsetzten, mit Armenien Verträge schlossen und den Venezianern überall in den Weg traten. Die Folge davon war ein (oft durch Verträge unterbrochener) 100jähriger Krieg mit Venedig, der nach mannigfachen Wechselfällen mit der Niederlage der Genuesen bei Chioggia (Dezember 1379) und mit dem Frieden von Turin (August 1381) zu ungunsten Genuas endigte.

Im Innern wurde G. in diesen Jahrhunderten durch Verfassungskämpfe geschwächt. Die Konsularverfassung war 1217 beseitigt worden; die Regierung der Stadt führten von nun an von auswärts berufene, auf ein Jahr gewählte Podesta, denen ein Großer Rat zur Seite stand; dieser, dem die Entscheidung aller wichtigen Angelegenheiten zukam, ging ebenso wie der seit 1218 bestehende Kleine Rat der Acht aus den vornehmsten Geschlechtern hervor, während das Parlament, die Versammlung aller Teilnehmer der Compagna, d. h. der Eidgenossenschaft der Bürger, den Beschlüssen von Podesta und Rat regelmäßig zustimmte, eigentliche politische Macht aber nicht besaß. Durch einen Aufstand von 1257 wurde die Podestàverfassung beseitigt und Guglielmo Boccanera auf zehn Jahre zum Capitano del popolo gewählt, dem ein Rat von 32 zur Seite stand. Dieser ward 1262 durch den Adel gestürzt und das Podestat wieder hergestellt. Von nun an hörten die innern Kämpfe nicht mehr auf, und die Geschlechter der ghibellinischen (Doria, Spinola u. a.) und der guelfischen (Fieschi, Grimaldi u. a.) Partei befehdeten sich auf das heftigste. In diesen Kämpfen wurde die Aristokratie so geschwächt, daß das Volk endlich das Übergewicht erlangte (September 1339) und den »Volksabt« (abbate del popolo) Simone Boccanera als Dogen an die Spitze des Staates stellte (1339–44); ein großer Teil des Adels wurde verbannt; doch behauptete die Aristokratie die Hälfte der zwölf Stellen im Rate des Dogen für sich (1350). Vorübergehend wurde die Dogenwürde aufgehoben, indem 1353 dem Herrn von Mailand, Erzbischof Giovanni Visconti, die Signoria übertragen ward; doch schon 1356 wurde Boccanera abermals zum Dogen erhoben und schloß den Adel gänzlich vom Stadtregiment aus. Aber auch unter dem Popolo herrschte Parteizwist; nachdem Boccanera 1363 vergiftet war, folgte ihm der Guelfe Gabriele Adorno, der 1370 durch den Ghibellinen Domenico de Fregoso gestürzt wurde. Da die innern Streitigkeiten kein Ende nahmen und die Republik infolge des Krieges mit Venedig auch in ihrer äußern Macht geschwächt war, übertrug man 1396 dem König Karl VI. von Frankreich die Herrschaft über G.

Mehrfache Versuche, die französische Herrschaft wieder zu stürzen, unterdrückte 1401 der königliche Statthalter, Marschall Boucicault. Unter ihm wurde 1407 die Bank von St. Georg gegründet, ein von den Inhabern der Staatsschuldscheine gewähltes Kollegium von acht Räten, das die für die Verzinsung der Staatsschulden verpfändeten Güter und Einkünfte verwaltete. Diese Bank war von der eigentlichen Staatsregierung unabhängig, hatte aber die Finanzen, die sie trefflich verwaltete, ganz in ihrer Gewalt. Als 1409 der Statthalter dem Herzog von Mailand zu Hilfe zog, erhoben sich in seiner Abwesenheit die Genuesen, ermorderten im September alle Franzosen und stellten den Markgrafen von Montserrat als Capitano generale an ihre Spitze, dem 6 Adlige und 6 Popolaren als Rat beigegeben wurden. Indessen war auch die neue Regierung nicht von Dauer; der Markgraf wurde 1413 vertrieben, und nun stritten sich wieder die Parteien um die Dogenwürde. Zugleich wurde G. in Kämpfe mit Mailand[586] verwickelt und 1421 zu Wasser und zu Lande von den Streitkräften der Visconti angegriffen. Nachdem die genuesische Flotte geschlagen worden, mußte der Doge Fregoso dem Herzog Filippo Maria de' Visconti die Herrschaft über G. unter denselben Bedingungen überlassen, unter denen Frankreich sie besessen hatte. Unter dem mailändischen Statthalter Carmagnola hatte G. eine Zeitlang Ruhe. Als jedoch 1435 der von den Genuesen in der Schlacht bei Gaeta gefangen genommene König Alfons von Aragonien von dem Herzog von Mailand freigelassen wurde und G. so die Früchte des Sieges verlor, wurde der Statthalter ermordet, die Mailänder vertrieben (1436) und wieder ein Doge gewählt. Zugleich erneuerten sich die Parteikämpfe, während deren Genuas Handelsmacht durch die Eroberung Konstantinopels durch die Türken (1453) einen empfindlichen Stoß erhielt. Um ihnen ein Ende zu machen, stellte sich die Republik abermals unter die Herrschaft des Königs von Frankreich, dessen Statthalter Johann von Lothringen 1458 die Regierung übernahm. Während er aber 1461 einen Zug gegen Neapel unternahm, wurde sein Stellvertreter von den unter dem Erzbischof Pietro Fregoso vereinigten Parteien zum Abzug genötigt und der Erzbischof 1463 zum Dogen erhoben. 1464 trat jedoch Ludwig XI. von Frankreich seine Ansprüche auf G. an den Herzog Franz Sforza von Mailand ab, und dieser eroberte mit Hilfe genuesischer Großen die Stadt. Trotz vieler Unruhen blieben die Sforza Herren von G., bis 1499 mit Mailand auch G. wieder unter die Botmäßigkeit der Franzosen kam. Ein 1507 unternommener Versuch, die Herrschaft der Franzosen abzuschütteln, wurde von Ludwig XII. hart bestraft; 1522 wurde die Stadt von den Kaiserlichen erobert und geplündert; nachdem sie einen Bund mit Karl V. geschlossen, wurde Antoniotto Adorno zum Dogen gewählt. Nur vorübergehend unterwarf Franz I. 1527 G. wieder; schon 1528 erklärte sich der genuesische Admiral Andrea Doria für Karl V., der, nachdem die Franzosen G. geräumt hatten, dessen Unabhängigkeit anerkannte und seine Hoheit über die ganze ligurische Küste ausdehnte.

Hierauf wurde unter Leitung Dorias die Verfassung reformiert. Der Adel wurde in 28 Zechen (alberghi) eingeteilt, in denen die Vertreter der Geschlechter und Parteien gemischt waren; das niedere Volk wurde von den politischen Rechten ausgeschlossen. Aus den Zechen wurde ein Senat von 400 Mitgliedern gewählt, der alle Staatsbehörden ernannte; daneben gab es einen engern Rat von 100 Mitgliedern. Dem Dogen, dessen Amtsdauer auf 2 Jahre beschränkt wurde, stand eine Signoria von 8 Mitgliedern zur Seite. Die 8 Procuratori del commune leiteten unter des Dogen Vorsitz die innere Verwaltung; 5 Sindaci oder Zensoren waren beauftragt, die Verfassung zu wahren. Doria lehnte die fürstliche Würde, die ihm Karl V. anbot, und die Wahl zum Dogen ab, herrschte aber als Zensor tatsächlich über G. und gab ihm für längere Zeit die Ruhe zurück. Erst allmählich erstarkte die französische Partei im Adel wieder und fand Anhang im Volk, als Doria seinem herrschsüchtigen Neffen Giannettino Doria seine Macht hinterlassen zu wollen schien. Durch die Verschwörung Fiescos (s. Fieschi 1) versuchte sie in der Nacht vom 1. zum 2. Jan. 1547 Doria zu stürzen; diese mißlang jedoch, und Doria behielt seinen Einfluß bis an seinen Tod (1560). Eine Empörung in Korsika wurde 1568 unterdrückt, dagegen wurde Chios 1566 den Genuesen von den Türken entrissen. Genuas Handel verlor im 16. Jahrh. allmählich seine frühere Bedeutung. Im Innern brachen neue Zwistigkeiten innerhalb des Adels aus, die erst 17. März 1576 durch einen Vergleich beschwichtigt wurden. Der streng aristokratische Charakter der Staatsverfassung blieb bestehen und wurde durch die Errichtung des Tribunals der Staatsinquisition geschützt. Die Verschwörung des Vachero (1628), die den Nichtadligen einen Anteil am Regiment schaffen sollte, wurde zeitig entdeckt und Vachero mit dem Tode bestraft.

Da G. im Zeitalter Ludwigs XIV. zu dessen Gegner Spanien neigte, wurde es 17.- 22. Mai 1684 von einer französischen Flotte bombardiert, wobei der Dogenpalast und viele andre Gebäude in Brand gerieten; erst als G. die Forderungen Ludwigs XIV. erfüllte, seine neu ausgerüsteten Galeeren abtakelte und den König durch eine feierliche Gesandtschaft um Verzeihung bat, erhielt es 1685 den Frieden bewilligt. Im Österreichischen Erbfolgekrieg trat G. 1745 auf die Seite Frankreichs und Spaniens, mußte sich aber im September 1746 einer österreichisch-sardinischen Armee ergeben und einen Frieden schließen, kraft dessen der Doge und sechs Senatoren in Wien Abbitte leisten und eine ungeheure Kriegsentschädigung gezahlt werden sollte. Wegen des gewalttätigen Benehmens der österreichischen Truppen kam es 5. Dez. 1746 zu einem Volksaufstand, bei dem die Österreicher bedeutende Verluste erlitten und aus G. verjagt wurden. Die Insel Korsika, die seit 1729 fast ununterbrochen im Aufstand gegen die genuesische Herrschaft war, wurde 1768 an Frankreich verkauft. Im ersten Koalitionskriege gegen die französische Revolution beobachtete G. so lange wie möglich Neutralität und stellte sich erst 9. Okt. 1796, als Bonaparte Oberitalien erobert hatte, unter französischen Schutz. Als 20. Mai 1797 ein von den Franzosen begünstigter Volksaufstand gegen die Aristokratie ausbrach, kam es 22. Mai zu einer Gegenrevolution, bei der eine Anzahl Franzosen erschlagen wurde. Hierauf zwang Bonaparte G. 6. Juni zu einem Vertrag, durch den es in die Ligurische Republik verwandelt wurde. Diese ward durch piemontesisches Gebiet auf 5500 qkm vergrößert und erhielt eine demokratische Verfassung, die 1. Jan. 1798 in Kraft trat. 1800 wurde die Stadt von den Österreichern zu Lande und einer englisch-neapolitanischen Flotte von der See aus angegriffen und 4. Juni besetzt, aber nach der Schlacht bei Marengo 16. Juni geräumt, worauf die Franzosen wieder einzogen. Diese oktroyierten 1802 eine neue Verfassung; aber schon 4. Juni 1805 wurde die Ligurische Republik in Frankreich einverleibt und in drei Departements eingeteilt. Nach Napoleons Sturze wurde G. im Frühjahr 1814 von den Engländern unter Lord Bentinck erobert und die republikanische Verfassung wiederhergestellt. Aber der Wiener Kongreß vereinigte 1815 die Republik unter dem Titel eines Herzogtums mit dem Königreich Sardinien. Eine letzte republikanische Erhebung im April 1849 wurde von General Lamarmora schnell unterdrückt. S. die Geschichtskarte bei Artikel »Italien«. Vgl. Mailly, Histoire de la république de Gênes jusqu'en 1694; Canale, Nuova storia della repubblica di Genova (Bd. 1–4, Flor. 1858–64; Bd. 5, bis 1550 reichend, Genua 1874); Malleson, Studies from Genoese history (Lond. 1875); Langer, Politische Geschichte Genuas und Pisas im 12. Jahrhundert (Leipz. 1882); Heyck, G. und seine Marine im Zeitalter der Kreuzzüge (Innsbruck 1886); Blumenthal, Zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte[587] von G. im 12. Jahrhundert (Kalbe 1872); G. Caro, Die Verfassung Genuas zur Zeit des Podestats, 1190–1257 (Straßb. 1891) und G. und die Mächte am Mittelmeer 1257–1311 (Halle 1895–98, 2 Bde.); Minuti, Genova bella (Genua 1889).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 584-588.
Lizenz:
Faksimiles:
584 | 585 | 586 | 587 | 588
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon