Dasitzen

*1. A sitzt dau wie a Hoifel Unglicke. (Sprottau.) – Firmenich, II, 298, 3.


*2. Du sitzest da, wie der Veitle auf dem Hafen. (Schwäb.)

Wie kommt der heilige Veit in den Sanct- Veitstanz und in dies Sprichwort, sowie in andere Redensarten des schwäbischen Volks, in Spitz- und Schimpfnamen, z.B. du Veit, du Erzveit, dummer Veit u.a.m.? Ich habe nirgends einen Grund dafür auffinden können, vielleicht kann es aus seiner Legende erwiesen werden. (Vgl. Braga und Hermode, Bd. 3, Abth. 1, S. 120.)


*3. Er sitzt da, als hätte er eine Laus im Ohr.


*4. Er sitzt da wie die verdammte Luise, als sie durch die Limonade geblitzt war.

Was dies heissen soll, wissen vielleicht die holländischen Matrosen, bei denen die Redensart zu Hause ist. (Vgl. Reise eines deutschen Romantikers nach Batavia, von K. Heinzen.)


*5. Er sitzt da, wie ein Affe in einem Garnladen.


*6. Er sitzt da wie ein geschnitztes Bild.


*7. Er sitzt da wie ein Matador. (Ostpreuss.)


*8. Er sitzt da wie ein Maulaffe.


*9. Er sitzt da wie ein Oelgötze.Körte, 4648; Körte2, 5835.

In Dresden war ausserhalb der Kreuzkirche ein Anbau, welcher der Oelberg hiess. Es wurde dort die lebensgrosse Figur Christi und der drei schlafenden Jünger bei der Oelkelter (Gethsemane) als geheiligtes Wahrzeichen vom Volke verehrt. Dieser im 15. Jahrhundert in Stein ausgeführte Oelberg wurde vor der Reformation, besonders am Grünen Donnerstage prächtig beleuchtet. Nach der Reformation nannte man dergleichen Bilder Götzen und diese daher Oelgötzen. (Vgl. Illustrirte Zeitung, Nr. 729.) Im Hennebergischen bezeichnet man damit einen mit Oel begossenen Pfosten, woran eine Lampe befestigt ist, daher uneigentlich ein unempfindlicher, dummer und träger Mensch. Nach Frisch wird auch der Abgott Krodo in Menken's Scriptor ein Oelgötze genannt, welche Benennung dadurch erklärt wird, dass man Götzenbilder ehemals mit Oel zu salben pflegte.


*10. Er sitzt da, wie eine Eule im Sterben.


*11. Er sitzt da, wie eine Fliege an einem geborstenen Sirupfasse.


*12. Er sitzt da, wie eine Katze auf dem Schleifstein. (Trier.)


*13. Er sitzt da wie hergeborgt. (Meiningen.)


*14. Er sitzt da wie in der deutschen Predigt. (Poln.)

Von Leuten, die reden hören, ohne den Inhalt zu verstehen; daher entstanden, dass Polen, welche der deutschen Sprache unkundig, der deutschen Predigt beigewohnt. Noch jetzt wird in vielen Kirchen Ostpreussens erst deutsch für die Gutsherrschaft gepredigt, während die polnische Gemeinde dasitzt, ohne etwas zu verstehen, und erst dann polnisch für sie. (Wurzbach I, 7.)


*15. Er sitzt da, wie Matz vor der Essigtonne. (Holst.)

Kann nichts anfangen, ist in Verlegenheit.


*16. Er sitzt da wie Plüsch-Balzer. (Schles.)


*17. Hei sittet doa, äs de Ule vörm Astloek. (Westf.)


*18. Se sütt so ehrbar da, wie 'ne Salzmäste. (Westf.) – Körte2, 6474.

Die Salzmäste ist ein Hauptgegenstand der Mitgift westfälischer Bräute.


*19. Sie sitzt da wie ein Flammfaden. (Preuss.)

Von einem Frauenzimmer, das sich auf dem Stuhle mit ihren Kleidern weit ausbreitet und nicht gern aufsteht. Von einem preussischen Gebäck dieses Namens in dünnen und breiten Fladen in Gestalt der Judenkuchen (entsprechend den schlesischen Rauchkuchen), welches beim Hausbrotbacken nebenbei zubereitet und mit aufgestrichener Butter warm gegessen wird. Das Gebäck heisst darum so, weil es wirklich in der Flamme zubereitet wird, indem man die Pfanne, in welcher der Teig liegt, über sie hält. Schon die alten heidnischen Preussen pflegten auf diese Weise bei den Opfern sich ihre Kuchen zu bereiten.


[558] *20. Sie sitzt da wie eine Braut, die niemand haben will.

Sagt man im Holsteinischen überhaupt von einem verlassenen Mädchen, das z.B. auf Bällen nicht zum Tanz aufgefordert wird u.s.w.


[559]

*21. A setzt dô, oass wänn 'm d' Hinner 's Brût g'frassa hätta.Peter, 448.

Betrübt, niedergeschlagen.


*22. A sitzt dô wî a Kerm'sgåst, ån tutt nischt. Peter, 449.


*23. Dä sitz, wie en Lûs zwesche zwei Stäbe. (Bedburg.)


*24. Dasitten as 'ne Ûle in Stierwensnäen.Lyra, 19.

Wie eine Eule in Sterbensnöthen.


*25. Dasitzen, als wollt' er alle Tritt Feuer ausspeien und Kohlen fressen.

»Wenn einer bei ehrlichen Zechen und Gastereien, so Lusts halber sind angestellet, sitzet da als wollt er u.s.w. fressen, redet gar nichts, viel weniger lachet er einmal, darum, dass die Gäste sagen sollen: ach, wie ist das ein ernsthafter Mensch, wie sinnet er stäts so tief u.s.w.« (Schaltjahr, III, 529.)


*26. Dasitzen wie die Braut im Winkel. (Oberösterr.)

So sagt man von jemand, der an einer einsamen Tischecke sitzt. In manchen Gegenden soll die Braut während des Mahles »im Winkel sitzen«, wie dies Baumgarten aus Oberösterreich bemerkt.


*27. Dasitzen wie ein Klotz.Jarisch, 27.

Die Belegstelle lautet: Ar soss dou wie ej Kloutz und rührt sich nie; jo maiche Menschen sein wie de Klötzer.


*28. Dasitzen wie ein Scheffel Unglück.Auerbach, Neues Leben, III, 174.


*29. Er sitzt da, als wenn er Maulaffen feil hätte.

»Er sass wirklich so da und blieb so dasitzen wie ein Maulaffe, oder richtiger und volksthümlicher gesprochen, wie einer, der Maulaffen feil hat.« (Eselsfresser, I, 146.)


*30. Er sitzt da, als wenn ihm der Wein erfroren wäre.Hans Sachs, III, XXXVI, 1.


*31. Er sitzt da, wie der Frosch in dem Meerbusen.

D.h. er schaut behäbig und unbekümmert in die Welt.


*32. Er sitzt da wie ein Daus. (Köthen.)


*33. Er sitzt da, wie ein Kalendermacher, der auf Regen und Wind studirt.Fr. Müller, I, 309.


*34. Er sitzt da, wie ein zusammengefallener (Pfannen-)Kuchen.

Holl.: Zij is daar als een neêrgeslagen-koeh. (Harrebomée, I, 427a.)


*35. Er sitzt da, wie Excellenz bei Bouché.

In Berlin sehr gebräuchlich, um verhüllend zu sagen: dasitzen wie ein Narr. Bouché war ein hervorragender Conditor unter den Linden, bei dem ein General täglicher Gast war und seinen bestimmten Platz hatte. Einmal musste der General sehr lange warten, ehe er bedient wurde, sodass Bouché selbst zu dem dienenden Mädchen in strafendem Tone und so laut, dass es die Anwesenden hören konnten, sagte: Siehst du denn nicht? Excellenz sitzt da, wie ein Narr!


*36. Er sitzt da, wie Petrus am Kohlfeuer. (Breslau.)

So trübe = tümplich.


*37. Hei sittet do, âs Butter in der Sunne. (Sauerland.)


*38. Nun sitz ich da und kann nicht reiten.

Wenn jemand sein Vorhaben nicht ausführen kann.


*39. Sie sitzen da1, als hette man einander auffs maul geschlagen.Mathesius, Postilla, CCLIIa.

1) Beim Mahl so still.


*40. Sie sitzt da wie Braut Sara. (Köthen.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 1117.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wilbrandt, Adolf von

Gracchus der Volkstribun. Trauerspiel in fünf Aufzügen

Gracchus der Volkstribun. Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die Geschichte des Gaius Sempronius Gracchus, der 123 v. Chr. Volkstribun wurde.

62 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon