1. Aus Hafer wird kein Reis und sä't man ihn im Paradeis.
Böhm.: Ani v Paříži nedĕlají z ovsa rýži. (Čelakovsky, 209.)
Poln.: Ani w Paryżu niersbia z owsa ryżu. (Čelakovsky, 209.)
2. De Hâwere in 'n Sump un de Gaste in 'n Dump (oder: in 'n Mülm). – Schambach, II, 622.
Danach soll der Hafer in den Sumpf (nassen Boden), die Gerste dagegen in lockern, staubigen gesäet werden.
3. Den Hafer soll man einkleiben, die Gerste einstäuben.
Frz.: Il faut un homme alerte pour semer les avoines et un homme lent pour semer l'orge.
[254] 4. Der Haber zeugt, der Wein geht. – Petri, II, 91; Henisch, 1428, 51.
Wenn man die Pferde gut mit Hafer füttert, so ziehen sie gut; und wenn der Reisende Wein trinkt, so geht er leicht und wohl.
5. Der Hafer, den Georgus fährt, wird gewöhnlich nicht viel werth. – Boebel, 21.
Der Hafer, welcher am 23. April gesäet wird, soll nicht gut gerathen.
6. Der Hafer ist ein Doctor fürs Land. (Köln.) – Boebel, 136.
7. Der Hafer macht den Gaul, der Hopfen den Held, den Herrn das Geld. (Böhm.)
8. Der Hafer wächst durch eine Diele. (Frankenwald.)
9. Der Hafer wird nicht vor der Gerste reif. – Simrock, 4182; Eiselein, 227; Braun, I, 1046.
10. Die den Hafer verdienen, (essen) bekommen ihn nicht.
11. Ehe der Hafer reif, ist das Pferd verhungert.
12. Es ist besser, dass vom Hafer die Rinder springen, als dass vom Hafer die Vögel singen. (Eifel.)
13. Es verseet mancher seinen Habern, eh er zum rechten Acker kompt. – Petri, II, 302.
14. Hafer bringt Nutzen, doch ebenso Striegeln und Putzen.
15. Hafer eingekneten, Korn eingetreten. (Eifel.)
16. Hafer in den Paul (nass), Gerste in die Klaul (trocken). (Warburg.) – Boebel, 86.
17. Hafer ins Nasse gibt Bünde die Masse. (Westf.) – Boebel, 85.
18. Hafer ist dem Pferde gut, aber zu viel übel thut.
Die Türken sagen: Zu viel Hafer macht das Pferd bersten. (Cahier, 2568.) Nach den Grundsätzen, die Abd-el-Kader in einem Schreiben an den französischen General Daumas über die Erziehung der Pferde in Arabien aufgestellt hat, werden in Europa die Pferde überall über- oder schlecht gefüttert und besitzen daher nicht die Ausdauer der arabischen Pferde. (Vgl. Schlesische Zeitung, 1867, Nr. 176.)
19. Hafer und Zinsen schlafen nicht. – Körte, 2527; Graf, 76, 87; Simrock, 4184.
Der Preis des Hafers steigt gewöhnlich vor der Ernte, und die Zinsen des Kapitals wachsen auch zu Nacht, während das Kapital nicht wuchern kann.
20. Hâwer is better im Drügen te säggen osse im Wâter te kleggen. (Waldeck.) – Curtze, 316, 34.
21. Jeder will einen Mund voll Hafer.
Wenn einer dem andern eine Stellung, einen Verdienst, einen Vortheil u.s.w. wegschnappt.
22. Man schneidet den Hafer nicht vorm Korn. (Nürtingen.)
Gibt die Rahel nicht weg vor der Lea.
23. Man soll nicht eher Hafer und Gerste säen, bis der weisse Reiter1 vor dem Lande steht. (Hameln.) – Schambach, II, 624.
1) D.h. bis der Schwarzdorn blüht, weil dann in der Regel die gefährlichen Fröste vorüber sind.
24. Mancher verliert (versäet) den Hafer, eh' er zum Acker (aufs Aeckerlein) kommt. – Sailer, 52; Eiselein, 268; Braun, I, 1047.
25. Mät der Huower schpart em de Gîssel. – Schuster, 56.
Pferde, die ihr richtiges Mass Hafer erhalten, machen die Peitsche überflüssig.
26. Me mot de Hawer neamen äs se de Fliegel (Flegel) giet. (Westf.)
Man muss den Hafer nehmen, wie ihn der Flegel gibt. – Ist doppelsinnig: man muss ihn als Pachtkorn nehmen, wie er gedroschen ist, und dann wie ihn der Bauer als Pacht- oder Zinskorn liefert.
27. Mit Hafer zähmt man auch ein wildes Pferd.
Aehnlich russisch Altmann VI, 444.
28. Später Hafer kommt auch.
Holl.: Late haver komt ook op. (Harrebomée, I, 291.)
29. Stickt di de Haow'r? Töf man, de Zäg wât di bleck'n. (Altmark.) – Danneil, 78.
Sticht dich der Hafer? Warte nur, die Ziege wird dich schälen. – Gebraucht wird dies Sprichwort, wenn jemand sich in einer übermässig lustigen Laune befindet und man ihn aufmerksam machen will, dass er dadurch in Unannehmlichkeiten gerathen könne.
30. Während der Hafer reift, crepirt der Gaul. – Eiselein, 257.
[255] 31. Wan de How'r wächst über die Zäu (Zäune), guckt de Hong' o zum Fenster rei. (S. 34.) (Oberes Kinzigthal in Kurhessen.)
Jahre, in denen der Hafer vorzüglich geräth, sind nass, haben daher Misernten und Theuerung zur Folge.
32. Wann de Hawer düer es, binnt me de Piärre wît van der Krübbe. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 69, 116.
33. Wen der Hafer sticht, der ist schwer zu halten. – Eiselein, 267; Simrock, 4181.
34. Wenn der Haber über 'n Haag us luegt, so luegt d' Thüri drüber yne. (Solothurn.) – Schild, 102, 33.
Bei nasser Witterung gedeiht der Hafer, während die übrigen Feldfrüchte darunter leiden.
35. Wenn der Hafer gross ist, weiss man wohl, wo die Hasen stecken.
Frz.: Avoine pointant, lièvre gisant.
36. Wenn der Hafer gut abgehen soll, muss er einen Regen oder neun Thaue haben. (Oberösterreich.)
37. Wenn man keinen Hafer hat, muss man Klee füttern.
38. Wer den Hafer nicht klotzt (oder walzt) vor Sanct-Urban, der will wahrlich keinen Hafer han. (Eifel.)
39. Wer den Hafer säet im Horn(ung), der hat viel Korn; wer ihn säet im Mai, der hat viel Spreu. (Oels.) – Boebel, 78.
Frz.: Belle avoine de février donne espérance au grenier. (Leroux, I, 66.)
40. Wer den Hawern verdeint, de driggt 'ne nich. (Braunschweig.)
41. Wer genug Hafer hat, kommt leicht zu Gerste.
Dän.: Den er god at borge byg som eier havre. (Bohn I, 353.)
42. Wer Hafer säet am Petronell, dem wächst er gut und schnell. – Boebel, 26.
*43. De Hôwer kêkt (sticht) en. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, V, 35, 56; für Franken: Frommann, V, 315, 139; ostfriesisch bei Schütze, II, 88; Eichwald, 692.
Von einem, der im Glück und Wohlleben übermüthig ist.
*44. Den Hafer von der Gans kaufen. – Blum, 347; Körte, 2528; Simrock, 4183; Braun I, 1044.
Sehr theuer. Etwas vom Krämer kaufen, anstatt es aus der ersten Hand zu nehmen.
Dän.: Det er ondt at kiøbe havre fra gaasen, kull af smeden, korn af bageren, kiød af katten, pølse af hunden. (Prov. dan., 342.)
*45. Der Hafer sticht ihn. – Körte, 2528a; Braun, I, 1045; Lohrengel, II, 119.
Die guten Tage machen ihn muthwillig, übermüthig. In Würzburg: Der Haber sticht'n; er ist zu üppig. Von Pferden entlehnt, welche durch reichliches Haferfutter unbändig werden. (Sartorius, 163.)
Frz.: La fortune le rend insolent.
*46. Em verdêt de Hueber nüt af de Gâiss. – Schuster, 192.
*47. Er hat den Hafer gut verkauft, die Mütze sitzt ihm schief. – Frischbier2, 1428.
Von einem, der heiter aussieht.
*48. Er hat Hafer im Kopf. (Nürtingen.)
*49. Er hat Hafer in den Klauen. (Luzern.)
Ist stark.
*50. Er hat noch nicht viel Hafer gedroschen. – Parömiakon, 151.
Von denen, die nicht an schwere Arbeit gewöhnt sind.
*51. Er hat seinen Hafer wohl verdient.
Der fleissige Arbeiter seinen Lohn.
*52. Er kann seinen Hafer auf dem eigenen Acker nicht ganz versäen.
53. Er schreit seinen Hafer gut aus.
Frz.: Il ne perdra pas l'avoine faute de brailler. (Bohn I, 24.)
*54. Er verseet seinen Habern, ehe er zum Akker kommet. – Schottel, 1119b.
*55. Er weiss wie vil der Haber gilt. (Solothurn.) – Schild, 96, 432.
Er hat Erfahrung, Geschäftskenntniss, er lässt sich nicht übertölpeln, übers Ohr hauen.
[256] *56. Es ist (wäre) gut Hafer säen. – Körte, 2528b; Eiselein, 268.
Sagt man, wenn die Unterhaltung stockt. (S. ⇒ Engel 43 und ⇒ Polizeidiener.) In Venedig sagt man im ähnlichen Fall ironisch: Es ist eine Frau geboren worden. (Reinsberg I, 16.)
Dän.: Det er en god haver-saed. (Prov. dan., 277.)
*57. Es wird ihm kein Hafer verderben.
*58. Hir is gôt Haow'r sein. (Altmark.) – Danneil, 78; für Preussen: Frischbier2, 1429.
59. Den Hafer will der Gaul wol, aber nicht den Sattel.
60. Kurzer Haber, lange Säcke. (Ulm.)
61. Mit Hafer lockt man, mit Sporen fährt man. – Bertram, 73.
62. Wer im Hafer ist, fürchtet, in den Sack zu kommen.
*63. Ihm den Habern ausdreschen. – Nas, 438a.
Ihm den Garaus machen.
*64. Langen Hafer geben.
D.i. die Peitsche.
*65. Wieder an den Hafer kommen.
In bessere Kost. Von Pferden entlehnt.
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