Herder

[264] Herder, 1) Joh. Gottsried v. H., geb. den 25. August 1744 zu Mohrungen in Ostpreußen; sein Vater, Gottfried H., Tuchmacher, dann Glöckner u. Elementarlehrer, bestimmte ihn zum Schreiber, er kam als solcher zum Prediger Trescho in Mohrungen, u. dieser erlaubte ihm die Theilnahme an den Lehrstunden seiner Kinder im Lateinischen u. Griechischen. Ein russischer Regimentschirurg, Schwarzerloh, lernte ihn während des Siebenjährigen Krieges kennen u. beredete ihn in Königsberg u. Petersburg Medicin zu studiren. H. ging 1762 nach ersterem Ort, bekam aber gleich bei der ersten Section einen solchen Widerwillen gegen die Medicin, daß er Theologie zu studiren beschloß. Bald darauf wurde er im Friedrichscollegium erst Aufseher einiger Kostgänger, dann Lehrer, hörte Kant u. lernte Hamann kennen. 1764 wurde er Collaborator u. Prediger an der Schule zu Riga, legte aber 1769 diese Ämter nieder u. ging auf Reisen, wurde kurze Zeit Reiseprediger des Prinzen von Oldenburg, nahm aber, da er durch ein Augenübel abgehalten wurde, ihm zu folgen, 1771 einen Ruf als Hofprediger u. Superintendent nach Bückeburg an; 1776 wurde er, durch Goethe empfohlen, Oberhofprediger, Generalsuperintendent u. Oberconsistorialrath in Weimar; machte 1788–89 eine Reise nach Italien, wurde 1793 Vicepräsident u. 1801 Präsident des Oberconsistoriums u. von dem Kurfürsten von Baiern geadelt u. st. daselbst am 18. December 1803. Seine Schriften sind sämmtlich klassisch. Als Theolog wirkte er hauptsächlich auf eine richtige Auslegung der Bibel; als Philosoph suchte er das Leben in die Schule überzutragen; als Archäolog die Werke der Griechen zu Mustern aufzustellen; dabei läuterte er den Geschmack u. erhob durch richtige Anschauung die Kunst zur Allgemeinheit. Am. 25. August 1844 wurde die Säcularfeier seines Geburtstages in mehreren Universitäts- u. anderen Städten (Königsberg, Erlangen, Wien) begangen u. zur Erinnerung daran das Herderalbum, Jena 1845, herausgegeben, auch die Aufstellung eines Denkmals in Weimar beschlossen u. dasselbe von Ludwig Schaller in München modellirt u. in der königlichen Gießerei daselbst gegossen, wurde am 28. August 1850 vor der Stadtkirche in Weimar aufgestellt. Schriften: Kritische: Fragmente[264] über die neuere deutsche Literatur, Riga 1787, 3 Bde.; Kritische Wälder, ebd. 1769, 3 Thle.; Von deutscher Art u. Kunst, Hamb. 1773; Persepolis 1787; Briefe das Studium der Theologie betreffend, 1780, 2 Thle., 3. Aufl. 1817; Kalligone, Lpz. 1800, 3 Thle. Philosophische: Abhandlung über den Ursprung der Sprache, Berl. 1772 (Preisschrift); Über die Ursachen des gesunkenen Geschmacks bei den Völkern, ebd. 1775, u. Anfl. 1789 (Preisschrift); Präludien zur Geschichte der Menschheit, ebd. 1772; Ideen zur Geschichte der Menschheit, Riga 1784–91, 4 Thle., 4. Aufl. mit Einleitung von Luden, Lpz. 1841, 2 Bde.; Postscenien zur Geschichte der Menschheit; Briefe zur Beförderung der Humanität, Riga 1793–96, 3 Thle.; Verstand u. Erfahrung, Lpz. 1799, 2 Bde.; Adrastea, ebd. 1801–04, 6 Bde. Theologische: Vom Geiste der hebräischen Poesie, Dessau 1782 f., 2 Bde., u. Aufl. von Justi, Lpz. 1825, 2 Thle.; Lieder der Liebe, ebd. 1778; Älteste Urkunde des Menschengeschlechts, Riga 1774–76, 4 Thle.; Erläuterungen zum N. T. aus dem Zendavest, Riga 1775; Maran Atha od. Das Buch von der Zukunft des Herrn, ebd. 1779; Christliche Schriften, ebd. 1794–99, 5 Sammlungen; Vom Erlöser des Menschen od. unsere 3 ersten Evangelisten, ebd. 1796; Von Gottes Sohn der Welt Heiland nach Johannes, ebd. 1797; Christliche Homilien u. Predigten, herausgegeben von J. G. Müller, Tübing. 1806, 2 Bde.; Dogmatik aus seinen Werken gezogen, von Augusti, Jena 1805. Poetische: Der Cid, Legenden, Stimmen der Völker in Liedern, Christliche Hymnen u. Lieder, Cantaten, Übersetzung aus den alten u. neueren Dichtern, Paramythien, Epigramme, Fabeln, in den Zerstreuten Blättern, Gotha 1785–91, 5 Sammlungen; in der Terpsichore, Lüb. 1795 f., 3 Thle., u. Aufl. Lpz. 1811 etc., in der 2. Abtheilung der Werke; auch sämmtliche Gedichte herausgegeben von Müller, Stuttg. 1817. Gesammelte Werke, ebd. 1805–20, 45 Bde. Vgl. Danz, H-s Ansichten des klassischen Alterthums, Lpz. 1805 f., 2 Thle.; Erinnerungen aus H-s Leben, von seiner Gattin, herausgegeben von J. G. Müller, Stuttg. 1820, 2 Bde.; H-s Leben, von H. Döring, Weim. 1823, u. Aufl. 1829; T. L. Ring, H-s Leben, Karlsr. 1821 (darin mehrere ungedruckte Briefe H-s); Charakteristik H-s, von Danz u. Gruber, Lpz. 1805; Über H., von G. G. Fülleborn, Bresl. 1800; Herderiana, Hamb. 1811; Geist aus H-s Werken, Berl. 1820, 6 Bde.; Genius aus H-s Werken, von I. Günther, Jena 1841; H-s Lebensbild von Em. Gottfried Herder, Erl. 1846 f., 6 Thle. 2) Maria Karoline, geb. Flachsland, geb. 1750 zu Reihenweyer im Elsaß, lebte nach ihres Vaters Tode bei ihrer Schwester in Darmstadt; hier lernte sie den Vorigen kennen, der sich mit ihr 1773 verheirathete; nach H-s Tode ordnete sie dessen literärischen Nachlaß u. schrieb u. sammelte die Materialien zu den Erinnerungen aus dem Leben H-s, herausgegeben von J. G. Müller; sie st. 15. Sept. 1809 in Weimar. 3) Wilhelm Gottfried v. H., ältester Sohn der beiden Vorigen, geb. 1774 in Bückeburg; studirte Medicin in Jena, wurde 1800 Provinzialaccoucheur u. 1805 Hofmedicus in Weimar u. st. daselbst 1806; er schr.: Zur Erweiterung der Geburtshülfe, Lpz. 1803 u. nahm Theil an der Herausgabe der Werke seines Vaters. 4) Sigmund August Wolfg., Freiherr v. H., zweiter Sohn von H. 1), geb. den 18. August 1776 in Bückeburg; erhielt seine Vorbildung auf dem Gymnasium in Weimar, ging 1794 zu weiterer Ausbildung nach Neufchatel, besuchte 1795 u. 1796 die Universitäten von Jena u. Göttingen, studirte 1797–99 in Freiberg Bergwissenschaften u. 1800 in Wittenberg Jurisprudenz, wurde 1802 Bergamtsassessor in Marienberg, 1803 in Schneeberg, 1804 Bergcommissionsrath in Freiberg, 1810 Bergrath, 1813 vom König von Sachsen in den Freiherrnstand erhoben, kam 1817 nach Dresden in das Geheime Finanzcollegium, wurde 1819 Berghauptmann u. Geheimer Finanzrath, 1826 Oberberghauptmann, unternahm wissenschaftliche Reisen nach Schweden u. Norwegen, den Niederlanden u. 1825 nach Serbien. Er st. den 29. Januar 1838 in Dresden u. wurde auf der Halde des alten Bergwerkes Drei Königfundgrube zwischen Freiberg u. Tuttendorf begraben, wo ihm ein Denkmal (Des Knappen letzte Ruhe) errichtet wurde. H. hatte sich um den sächsischen Berg- u. Hüttenbau große Verdienste erworben. Er schr.: De jure rei metallicae, Wittenb. 1802; Der tiefe Meißner Erdstollen (der berühmte Plan, die Freiberger Gruben durch einen tiefen, bei Meißen sich öffnenden Stollen zu lösen) erschien erst nach seinem Tode, Lpz. 1838; aus seinem Nachlasse wurden von Brendel, Reich, Winkler u. Marbach herausgegeben: 25 Tafeln Abbildungen der vorzüglichsten Apparate zur Erwärmung der Gebläseluft auf den Hüttenwerken. 5) Emil Gottfried von H., Sohn von H. 1), war bis 1839 bei der Regierung für Schwaben u. Neuburg angestellt u. wurde dann Oberforst- u. Regierungsrath in Erlangen, wo er 27. Febr. 1855 st.; er schr.: Herders (seines Vaters) Lebensbild, Erl. 1846 f., 6 Bde. 6) Bartholomäus, geb. 1777 in Rottweil; studirte in Dillingen Philosophie u. Humaniora, errichtete in Meersburg am Bodensee eine Buchhandlung, gründete dort das Archiv der Pastoralconferenzen des Bisthums Constanz, welches bis zur Auflösung desselben 1827 fortgeführt wurde, u. trug wesentlich zur Bildung u. Aufklärung der Geistlichen des Sprengels bei; später verlegte er seine Handlung nach Freiburg. Hier wirkte er mit gleicher Thätigkeit, bis in dem Kriege 1814 das österreichische Hauptquartier nach Freiburg kam, wo H. Gelegenheit fand, in den Ministerialkanzleien seine staatswissenschaftlichen Kenntnisse u. seine Gewandtheit zu zeigen, u. bald zu diplomatischen Sendungen nach Wien u. Paris verwendet u. dem österreichischen Generalstabe als Director der kaiserlichen Felddruckerei zugetheilt wurde. Nach seiner Rückkehr von Paris gründete er nun das Institut für Zeichner, Kupferstecher u. Lithographen, welches die Herdersche Buch- u. Kunsthandlung in u. außer Europa bekannt machte. Das Etablissement zerfiel in sechs Abtheilungen: die geographische, mit Herausgabe größerer u. kleinerer Kartenwerke beschäftigt; die lithographische, welche in Schrift-, Feder-, Kreide- u. Radirzeichnung arbeiteten; das Atelier der Kupferstecher; die Fabrik für plastische Gegenstände in gebrannter Erde u. die Stein- u. Kupferdruckerei; außerdem errichtete H. auch eine Tommaudite in Paris, welche von seinem Schwiegersohn, dem Geographen G. Heck u. Rafael H. geleitet wurde; er st. 1839. Seine Söhne, Rafael u. Benjamin H., in Paris u. im väterlichen [265] Geschäft für den Buch- u. Kunsthandel gebildet, führen dasselbe jetzt, nachdem die Pariser Handlung aufgelöst u. das Sortimentsgeschäft an Lippe u. Comp. übergegangen ist, unter der Firma: Herdersche Verlagshandlung fort.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 264-266.
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