Jagen

1. Beim Jagen und beim Lieben weiss man wol, wo man anfängt, aber nicht, wohin man kommt (wo man aufhört).


2. De 'n andern jâgen will, môt sülfst mit lopen. (Ostfries.) – Frommann, IV, 141, 309; Bueren, 1517; Eichwald, 889; Hauskalender, I.


3. Denen, die viel jagen und finken (Finken fangen), wird das Fleisch im Topfe nicht stinken.


4. Der hat wohl gejagt, der etwas gefangen hat.

Frz.: Il a bien chassé qui a pris. (Kritzinger, 127.)


5. Die jagen und fischen, sitzen oft an leeren Tischen.

Frz.: Chasseurs, pêcheurs, preneurs de taupes, feraient beaucoup n'étaient les fautes. (Cahier, 305.)


6. Die mit Jagen viel gehen vmb, werden gemeiniglich wild und thumb.Oec. rur., 569.


7. Einer jagt den andern und der letzte verjagt sie alle.Opel, 372.

8. Einer jagt vnd fangt den Hasen, ein ander jsst jhn.Lehmann, 37, 17.

Dän.: Den eene jager, den anden æder haren. (Prov. dan., 322.)


9. Es ist bös Jagen, wenn man den faulen Hund muss tragen.


10. Es jagen nit alle Hasen, die Hörner blasen. Gruter, III, 31; Lehmann, II, 153, 109.


11. Es jagt keiner mehr nach Ehre, als der seine Schande damit bedecken will.


12. Es jagt vns doch niemand (was sollten wir eilen).Tappius, 176b.

Lat.: Nemo nos insequitur. (Erasm., 899a; Tappius, 176b.)


13. Ich habe gejagt, das mir behagt.Petri, II, 397.


14. Jage mit den Hunden, die vorhanden sind. Petri, II, 409; Sutor, 276.


15. Jage nur mit eigenen Hunden.


[976] 16. Jagen ist ein blutdürstige lust.Lehmann, 403, 19.

Dän.: For meget jagen er en blodtørstig lyst. (Prov. dan., 322.)

17. Jagen ist gut vnd nutz, wenn der gut vnd nutz ist, der es thut.


18. Jagen ist selten ohne Klagen.Parömiakon, 2034.

Von den Bedrückungen, die das Volk in frühern Zeiten, zum Theil an manchen Orten noch jetzt zu tragen hatte, sowol durch das Wild und die Jagden selbst als die grausamen Jagdgesetze. »Die Landleute werden durch grosse Jagden meist sehr bedrückt. Die Jägerei ist den Bauern keine kleine Gaunerei. Philipp II. von Spanien hat auf seinem Todtenbette nichts mehr bedauert, als seine schädlichen Jagden. Der Herzog Barnabas zu Mailand hat 2000 Hunde gehabt, die er in die Dörfer vertheilt und von Bauern hat unterhalten lassen. Eine ganze Familie hat er lassen aufhängen, weil sie ein Wildschwein gefällt.« (Abraham a Sancta Clara, Etwas für alle.)


19. Jagen ist wol ein Vergnügen, aber man kann nicht immer was kriegen.

Frz.: La vénerie a plus de plaisir que de profit. (Kritzinger, 545a.)


20. Jagen macht müde Bein' und bringt wenig ein.


21. Jagen und nichts fangen, Lesen und nichts verstehen ist ein Müssiggehen.

Frz.: Autant vault celui qui chasse, et rien ne prend comme celui qui lit, et rien n'entend. (Leroux, II, 59.) – Tant vaut qui oit et rien n'entend, com cil qui chasse et rien ne prend. (Cahier, 952.)


22. Jagen vnd nichts fangen macht vnlustige (verdrossene) Jäger.Lehmann, 402, 10; Körte, 3108; Simrock, 5173; Braun, I, 1613.

Engl.: Great pain and little gain make a man soon weary. (Gaal, 955.)

Lat.: In steriles campos nolunt juga ferre juvenci. (Gaal, 955.)


23. Jagen zur Lust und zu Armen Leid, darüber hat der Teufel Freud'.


24. Jagest, so fahest!Petri, II, 409; Lehmann, 22, 23; Körte, 3110; Braun, I, 1621.


25. Jagestu nicht, so fahestu nicht.Petri, II, 409.


26. Jagstu, so fahstu.Schottel, 1123a; Eiselein, 345; Simrock, 5169; Körte, 3110.


27. Man jaget oft und fahet nichts.

Dän.: Man faaer ey alt det man jager efter. (Prov. dan., 322.)

28. Man jagt alle Tag, aber man fängt nicht alle Tag.Eyering, I, 25.


29. Man kann nicht zugleich jagen und das Horn blasen.Reinsberg IV, 115.


30. Man sol jagen ohne Armer Leut schaden. Lehmann, 402, 4.


31. Man soll jagen, dass die Bauern nicht klagen.

Dän.: Man skal jage uden armes klage. (Prov. dan., 321.)


32. Nicht jeder, der jagt, hat Weidmanns Glück (Heil).Simrock, 5170; Körte, 3167.

In Estland: Nicht alle Hühner kommen auf die Stange. (Reinsberg IV, 19.)


33. Viel gejagt, wenig gefangen; viel gehört, wenig verstanden; viel gesehen, viel gemerkt, sind drei vergebliche Werk.


34. Viel jagen den Bern, es mag jhn aber niemand stechen.Lehmann, 227, 38.


35. Vill gejagt und nichts gefangen; vil gelesen, nichts verstanden; vil gehort vnd nichts gemerkt, das seindt eyttel vnnutze wergk. Latendorf, Jahrb., 265.

Mit unerheblichen Abweichungen auch in Herder's Stimmen der Völker und bei W. Grimm über Freidank (S.23) aus einer innsbrucker Handschrift vom Jahre 1430.


36. Vor lauter Jagen in die Küch' und in den Kragen thun die Herrn fürs Land keine Sorge tragen.


37. Was man jagt, das fangt man nicht allzeit. Lehmann, 66, 5.

It.: Il più da noi desiderato, più ci viene negato. (Pazzaglia, 84, 8.)


38. Wen man nicht jagt, der soll nicht eylen (laufen).Lehmann, 802, 1; Venedey, 73; Körte, 6697; Simrock, 6217.


39. Wer andere jagt, muss selbst mitlaufen.Simrock, 5180; Braun, I, 78; Reinsberg II, 33.

Böhm.: Kdo jiného honí, sám se uhoní. (Čelakovský, 368.)

Dän.: Hvo der vil jage en anden over tre gierder, maae selv over de to. (Prov. dan., 321.)

[977] Holl.: Die een ander jaagt, zit zelfs niet stil. (Bohn I, 308.)

Kroat.: Koj drugoga naganja, zatrudi se kak i on, koga naganja. (Čelakovský, 368.)

Lat.: Currens lassatur, quo praecurrens agitatur. (Gaal, 956; Sutor, 35; Fallersleben, 269.)


40. Wer den andern jaget, der kan nit gemach gehen noch ruhen.Henisch, 1482, 18.


41. Wer den andern jagt, der wird selb auch müde.Petri, II, 691; Luther's Ms., S. 5; Eiselein, 345; Simrock, 5179; Körte, 3111; Braun, I, 1614; Reinsberg II, 33; für Altmark: Danneil, 277.

Er muss vielmehr »so sehr lauffen, als der gejagt wird«. – »Wer ein ander jagen will, der ruhet auch selber nicht viel.« (Froschm., Ss. VII.)


42. Wer ein andern jagt, der ruhet selbst nicht. Lehmann, 195, 7; Lehmann, II, 840, 259; Bücking, 6; Mayer, II, 185; Sailer, 153; Friedborn, II, 89.

Holl.: Die den anderen jaghet, is selden wael gherust. (Tunn., 10, 9.)

It.: Chi altri tribola se non posa. (Gaal, 956.)

Lat.: Consultum male consultori pessima res est. (Binder II, 567; Buchler, 80.) – Sibi parat malum, qui alteri parat. (Seybold, 556; Sutor, 157.)


43. Wer einen andern jagt, der wird so müth, als der den Mann jagt.Lehmann, 82, 53.

44. Wer gern jagt, dem begegnet bald ein Hase.

»Wer gern jagt, mag leicht ergreiffen ein Hasen oder sonst ein wildt, damit er seinen Vorwitz stillt.« (Waldis, IV, 37.)


45. Wer gut jagen will, muss gute Hunde haben.

Um die Geschäfte wohl in Gang zu bringen, muss man geschickte und willige Leute anstellen.


46. Wer jagen, stechen, schiessen will, der hat klein Nutz vnd Kosten vil.Petri, II, 720; Brandt, Nsch., 759, in Kloster, I, 631.


47. Wer jagen will, der muss nicht für allen Stauden erschrecken.Petri, II, 720.


48. Wer jagen will, soll früh aufstehn.

Lat.: Ad possessa venis praereptaque gaudia serus, spes tua lenta fuit, quod retis alter habet. (Philippi, I, 10.)


49. Wer jagen will in Wald und Hecken, muss nicht vor jeder Staud' erschrecken.

»Denn die Jagd ist ein Gleichniss der Schlachten, des ernsten Kriegsgotts lustige Braut; man ist auf mit dem Morgenstrahl, wenn die schmetternden Hörner laden lustig hinaus in das dampfende Thal, über Berge, über Klüfte, die ermatteten Glieder zu baden in den erfrischenden Strömen der Lüfte.« (Schiller.)

Lat.: Ramum quemque timens, malus est venator et amens. (Sutor, 992.)


50. Wer jaget, der haget. (Luzern.) – Schweiz, II, 243, 11.


51. Wer jagt nach Lust mit armer leyd, das ist von art dess Teuffels freud.Hans zu Schwartzenburg im Theatrum Diabolorum, 255b.


52. Wer jagt zu armer Menschen Leid, macht dem Teufel eine Freud'.


53. Wer mag (darf) jagen, der darf auch hagen. Eisenhart, 201; Pistor., V, 55; Blum, 749; Hertius, II, 17; Estor, I, 1015; Hillebrand, 64, 92; Eiselein, 275; Graf, 131, 396; Simrock, 4208.

Die Ausübung des Jagdrechts enthält zwei Seiten; die eine besteht in der Befugniss, das Wild weidmännisch zu verfolgen und zu erlegen; die andere in dem Recht, dasselbe jagdmässig zu hegen, aber auch die Pflicht, die Nachbarn so weit als möglich gegen dasselbe zu schützen. Wer also das Recht zu jagen besitzt, hat nach dem Sprichworte auch das Recht, einen Hag zu ziehen, d.h. den Wald mit einem Zaune (Gehege), neben dem in der Regel ein Graben läuft, zu umgeben.


54. Wer nicht gejagt wird, braucht auch nicht zu laufen.


55. Wer nit jagt, der fahet nicht.Petri, II, 741; Gruter, I, 81; Henisch, 970, 43; Eiselein, 345; Simrock, 5171; Körte, 6725.

Lat.: Omnia homini exspectanda sunt. (Sutor, 273.)


56. Wer offt jaget vnd nichts fahet, was hilfft dem jagen das.Petri, II, 747.


57. Wer offt jagt, der fahet je zuweilen etwas. Henisch, 970, 44; Petri, II, 747.


58. Wer sich dem Jagen gar ergeit, wird gleich den Thieren mit der Zeit.Pistor., IV, 80; Blum, 744; Körte, 3109.

»Sie bringen es so weit, dass sie einen armen Unterthanen viel geringer achten als einen räudigen Hund und daher auch weit mehr plagen als diesen, und diesen mehr lieben und besser versorgen als jenen.«


[978] 59. Wer viel jagt, selten1 klagt; wer viel angelt, dem's selten mangelt, wer Frucht2 zeugt, verdirbt nicht leicht3. (Nassau.)

1) Immer.

2) Wein.

3) Verdirbt leicht. – Der Volksmund hat eine zweite Lesart für die Schattenseite der obigen Anschauung, wie die vorstehenden Noten zeigen.


60. Wie jagen, so fahen.Henisch, 790, 52; Petri, II, 790.


*61. Einen jagen, dass die Lappen fliegen.

Holl.: Iemand jagen, dat hem de lappen ontfallen. (Harrebomée, II, 10.)


*62. Er jagt ihn, dass ihm die Schuhe abfallen. Coler, 389a.


*63. Er jugt (fliegt) wie a Fâl aus'm Bogen. (Jüd.-deutsch. Brody.)


*64. Er weiss, was er jagt, wenn er hinter den Kühen herläuft.

Holl.: Hij weet wel, wat hij jaagt, als hij achter de kooijen loopt. (Harrebomée, I, 424b.)


*65. Er wird gejagt wie eine Henne, die ein Ei legen will.


*66. He jögt, dat et stöwet.Dähnert, 203a.

Fährt sehr geschwind.


*67. He wêt nicht vun Jag'n noch vun Fang'n. Eichwald, 888.


*68. Ich will dich jä (jagen), dass de di Schüh verlierscht. (Henneberg.)


*69. Jagen, dass die Schu entfallen.Schottel, 1116b.


*70. Jagen, wenn die Hunde nicht Lust haben.

Da geht es schwer mit einer Sache, wenn man sie andern wider Willen abnöthigen muss, oder da steht es mit der Erreichung eines Zwecks übel, wenn die Personen, deren Unterstützung man dabei nicht entbehren kann, der Sache abgeneigt sind.


*71. Jugen dorch die Brand. (Jüd.-deutsch. Brody.)

Einen schrecklich martern.


*72. Uns jogt jo Nüms. (Ostfries.) – Bueren, 1179; Hauskalender, III.


[979]

73. Hast du mit helfen jagen, musst du auch helfen tragen.

Nach der Sage von der wilden Jagd wurde der, welcher sie neckte oder verspottete, erwürgt oder ein Pferdeschinken sauste herab, zerquetschte den Unglücklichen wie ein Meteorstein, oder blieb an ihm kleben, und eine Donnerstimme rief den obigen Spruch.


74. Wer jagen will im Wasser, und fischen auf dem Land, dess Hirn ist wol verbrannt.

Die Russen: Wenn der Narr sich einen Weiher kauft, so thut er es der Jagd wegen. (Altmann V, 113.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870.
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