Wiese

1. Arme Wiesen, volle Söller.

Engl.: Little mead, little need. (Bohn II, 115.)


2. Auf einer abgemähten Wiese kann man sich schwer verbergen.Winckler, XIV, 93.


3. Auf einer dürren Wiese kann auch eine scharfe Sichel nicht grasen.


4. Auf einer Wiese stehen viel Grashalme.

Aehnlich russisch. (Altmann VI, 486.)


5. Auf Kornet's Wiesen kann man morgens den Stock nicht wiederfinden, den man abends daraufwirft.

Die Entstehung dieses Sprichworts fällt in unsere Zeit. Der Viehzüchter Kornet aus der Normandie, der auch mehrmals die Festochsen nach Paris geliefert hat, ist durch die ausserordentliche Cultur seiner [230] Wiesen durch ganz Frankreich so berühmt, dass man sprichwörtlich, wie oben angeführt, sagt, weil das Gras den Stock schon so hoch überwachsen hat, dass er nicht mehr zu sehen ist. (Vgl. Voss. Zeitung, Berlin 1832, Nr. 58, S. 64.)


6. Auf Wiesen ohne Spaten wird nicht viel gerathen.

Wenn sie Nutzen bringen sollen, verlangen sie Pflege.

Lat.: Rastro dentato prata parata dato. (Reuterdahl, 855.)

Schwed.: Maedhan thu hawer riwo tha war idhogher. (Reuterdahl, 855.)


7. Der eine wässert die Wiese, der andere fährt das Heu ein.

Die Russen: Der eine schneidet die Stelzen, und der andere geht darauf. (Altmann VI, 419.)


8. Die Wiese gehet in das Heu, ist St. Georgentag vorbei.Eisenhart, 258; Pistor., I, 96; Blum, 657; Simrock, 11602; Böbel, 20; Eiselein, 642; Sailer, 356.

Wiesen, die mit Weide- oder Hutgerechtigkeiten belastet sind, müssen doch eine gewisse Zeit von der Ausübung derselben befreit sein, damit der Eigenthümer seine Heuernte halten kann. In der Gegend, wo dies Sprichwort entstanden ist (wahrscheinlich Thüringen), nimmt diese Befreiung mit dem Sanct-Georgentag (23. April) ihren Anfang. (S. Georg 5 und 17 und Jürge 1.)


9. Die Wiesen geben den Kühen Gras, die sie mit Füssen treten und mit Unflath beschmeissen.Petri, II, 151.


10. Die Wiesen von einem Gute sind wie das Euter von der Kuh.B. Auerbach, II, 259.


11. Eine kleine (magere) Wiese ist bald gemäht.

Engl.: A thin meadow is soon mowed. (Bohn II, 20.)


12. Eine schöne Wiese ist des Esels Wohlgefallen.

Frz.: Le pré convie l'âne. (Cahier, 1447.)


13. Eine Wiese, der Regen mangelt, erquickt Gott durch Thau.

Aehnlich die Kleinrussen. (Altmann V, 114.)


14. Eine Wiese, die gemein, deren Gras ist klein.

Was allen gehört, das wird schlecht gepflegt. Damit nun in älterer Zeit, wo die Gemeinde gemeinschaftliche Weideplätze hatte, die Weide nicht im Interesse einzelner ausgebeutet wurde, musste das Vieh von Einem Hirten gehütet werden. (S. Hirt 37.)


15. Eine Wiese heisst Wiese, auch wenn das Gras gemäht (das Heu geerntet) ist.Altmann VI, 479.


16. Es ist selten eine Wiese ohne Scher-(Maulwurfs)haufen.


17. Gibt die Wiese kein Gras mehr, so gibt sie noch Grummet.Altmann VI, 476.


18. Grosse Wiese braucht grossen Zaun.

In Welschtirol: Poà graudc, gran stroppaja. (Hörmann, 21.)


19. Keine Wiese ohne Gras und Nutz, keine Frau ohne Schalk und Schmuz.


20. Man muss nicht aus der Wiese in den Karrweg springen.

Frz. Schweiz: Il ne faut pas chaoutá dauprâ a la tzerreira. (Schweiz, II, 96, 1.)


21. Richt es ein, dass auf der Wiese wächst und treibt, was das Vieh am besten nährt und leibt.Wunderlich, 8.


22. Sind die Wiesen schön sondergleichen, im März werden sie dem Wolfe gleichen. Schmitz I, 176, 15.


23. Soll sich die Wiese färben, so muss das Eis sterben.


24. Sumpfige Wiesen soll man durchziehen mit Graben, wenn man will besseres Futter haben.Wunderlich, 3.


25. Waan ma' ima d' Wies'n geht, wirft oam koa' Ross aa.


26. Wem die Wiese gehört, dem gehört (bleibt) das Heu (Grummet).

Poln.: Czyja tąku, tego siano. (Lompa, 6.)


27. Wenn die Wiese abgefressen, wird sie vom Vieh sehr bald vergessen.


28. Wenn man eine Wiese verkaufen will, muss man den Käufer abends darauf führen.


29. Wer auf fremden Wiesen reist, scheut das Gras nicht.


[231] 30. Wer nicht auf die Wiese geht, wird nicht ein sinken.

»Springen Sie nicht auf die Wiese, so werden Sie nicht sinken«; d.h. fliehen Sie den Umgang mit Bürgerlichen. (Hermes, I, 551.)


31. Wer seine Wiesen verpachtet, darf nicht darauf grasen.Simrock, 11601; Körte, 6826.

Die Russen: Wer die Wiese verpachtet, muss das Gras kaufen. (Altmann VI, 406.)


32. Wer will Wiesen haben ohne Heu, der muss wässern im März und Mai.Schmitz, I, 172, 44.


33. Wer zuerst in die Wiese geht, auch das beste Gras stets mäht.Wunderlich, 5.


34. Werden früh die Wiesen bunt, labt ein edler Wein den Mund. (Herford.) – Böbel, 137.


35. Wie die Wiese, so das Gras; wie das Gras, so das Heu.Altmann VI, 463 u. 485.


36. Wie die Wiese, so die Weide.Parömiakon, 48.


37. Wiesen un Gaerne grüggelt.1Woeste, 85, 81.

1) Wörtlich: Gräueln, grauen; Wiesen und Gärten dürfen nicht sich selbst überlassen bleiben; sie verkommen, wenn sie nicht gepflegt werden.


38. Wiesen und Zehnten sind leicht zu unterhalten.Blum, 233; Pistor., VIII, 79; Simrock, 11600; Körte, 6825.

Die Unterhaltungskosten der Wiesen sind im Verhältniss zu dem Gewinn, den sie bringen, gering. Wer Zehnten bekommt, hat selten mehr dabei zu thun, als dass er ihn einnimmt.


39. Wo die Wiese ist gemein, ist das Gras gern klein.Eiselein, 642; Körte, 6827; Körte2, 8550; Simrock, 11603.

Denn jeder will mähen, aber keiner für den Anbau etwas thun. Wie M. Kurtze in Grunert's Archiv für Mathematik und Physik (Bd. 34, S. 504) mittheilt, findet sich das vorstehende Sprichwort in einer thorner Handschrift der dortigen Gymnasialbibliothek in folgender Fassung: Wo dy wese is ghemeyen, da ist das gras gheren cleyn.

Mhd.: Swelh wise ist gemeine, der gras ist gerne kleine. (Freidank.) (Zingerle 175.)

Engl.: The common horse is worst shod.

Frz.: L'âne de la communauté est toujours le plus mal bâté.

It.: Chi serve al commune, non serve a nessuno.

Lat.: Communiter negligitur, quod communiter agitur.

Schwed.: Gemensam egendom blir ofta illa skött.


*40. Auf dieser Wiese wachsen keine andern Blumen.


*41. Auf eine solche Wiese gehört keine andere Weide.Parömiakon, 295.


*42. Auf einer fremden Wiese grasen.


*43. Das is mar a gmahdi Wiesen.Idiot. Austr., 74; für Franken: Frommann, 327, 424.

Eine leichte und gar keine Mühe kostende Sache. In der Schweiz von jemand, der Glück hat: Das ist em e gemåhte Wies. Auch: Das ist em es g'sottlets Gemües (d.i. Gemüse mit Speck). Das ist en Fleisch is Gemües. (Sutermeister, 99.)


*44. Das ist mir eine gemähte Wiese.Klein, II, 232.

Dös is ma 'a gemahts Wisel. (Zaupser, Idiot., 88.)

Eine erwünschte Gelegenheit.


*45. Der mähet eine Wiess, da Grass gebrist. Lehmann, II, 80, 101.


*46. Eine Wiese pflastern.

Thörichter Geschäfts- und Wirthschaftsbetrieb.

Engl.: He paves the meadow. (Bohn II, 65.)


*47. Fahr mer net über mei Wies, oder i prügel da g'wiess. (Ulm.)


*48. Fremde Wiesen wässern.

Geschäfte für andere besorgen, wozu man nicht berufen ist und wofür man weder Lohn noch Dank hat, wie der, der vor fremden Thüren kehrt. Im Codex Justinian kommt das folgende lateinische Sprichwort in der Bedeutung: eine vergebliche Arbeit thun, vor.

Lat.: Alienum fundum irrigare (arare). (Faselius, 9; Binder I, 121; Philippi, I, 19.)


*49. Geh auf die grüne Wiese und lies Gänsedreck. (Ermland.) – Frischbier2, 222.

Zu jemand, der über Dinge urtheilt, von denen er nichts versteht.


*50. Wiesen und Wasen.

Gehört zu den anreimenden Redensarten, woran besonders die ältere Rechtssprache sehr reich ist. In einer appenzeller Urkunde heisst es z.B.: »Ich bekenne, dass ich zu kaufen gebe an Haus und Heim, an Wiesen und Wasen, mit Stauden, Stock und Stein, Heg, Weg und Steg, an Weihern und Wassern, Wunn und Weid, Trieb und Trat, Grund und Grat, Miethzins [232] und Zehent, Handel und Wandel, mit Hub und Hab zu Nutz und Niess, nach Pfandrecht und Landrecht, auf Zeit und Ziel, und habe es ihm zu Händen gebracht, verricht und verschlicht, ohne Bene und Pene, sonder Rathen und Gethaten, ledig, los, ganz und gar.« (Bote aus dem Riesengebirge, 1874, Nr. 66, S. 994.)


*51. Wo der auf eine Wiese speit, da wächst Sauerampfer.Auerbach, Neues Leben, 1852, S. 272.


*52. Ja, g'schert is d' Wies'n. (Wien.)

Verneinungsformel.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 230-234,1813.
Lizenz:
Faksimiles:
230 | 231 | 232 | 233 | 234 | 1813
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Camilla und Maria, zwei Schwestern, die unteschiedlicher kaum sein könnten; eine begnadete Violinistin und eine hemdsärmelige Gärtnerin. Als Alfred sich in Maria verliebt, weist diese ihn ab weil sie weiß, dass Camilla ihn liebt. Die Kunst und das bürgerliche Leben. Ein Gegensatz, der Stifter zeit seines Schaffens begleitet, künstlerisch wie lebensweltlich, und in dieser Allegorie erneuten Ausdruck findet.

114 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon